Parzival als Held ohne Vater: Unterschied zwischen den Versionen

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Es wir ein Bild von einem Helden gezeichnet, ''"das sich unproblematisch in den Kosmos des ritterlichen Abenteuer- und Minenromans Hartmanischer Prägung einzufügen scheint"'' [Schu 2002: 236] . Das ''traclîche wîs'' - Werden und das zuvor im Prolog erwähnte [[Das_Elsterngleichnis_(Wolfram_von_Eschenbach,_Parzival)|Elsterngleichnis]] weißen jedoch schon hier auf Parzivals unbeständigen Lebensweg hin [Schommers 2010: 77] [Schu 2002: 236]. Das, was er an körperlicher Kraft im Übermaß besitzt, das fehlt ihm an geistiger Stärke.  
Es wir ein Bild von einem Helden gezeichnet, ''"das sich unproblematisch in den Kosmos des ritterlichen Abenteuer- und Minenromans Hartmanischer Prägung einzufügen scheint"'' [Schu 2002: 236] . Das ''traclîche wîs'' - Werden und das zuvor im Prolog erwähnte [[Das_Elsterngleichnis_(Wolfram_von_Eschenbach,_Parzival)|Elsterngleichnis]] weisen jedoch schon hier auf Parzivals unbeständigen Lebensweg hin [Schommers 2010: 77] [Schu 2002: 236]. Das, was er an körperlicher Kraft und Schönheit im Übermaß besitzt, das fehlt ihm an geistiger Stärke. Gahmurets Präsenz, sein Erbe in Form der körperlichen Voraussetzungen, und gleichzeitig seine Abstinenz, seine fehlende Erziehung, sind schon hier erkennbar. 


Der Protagonist tritt erst im dritten Buch als handelnde Person in Erscheinung, als sich seine Mutter Herzeloyde für eine Isolation in Soltane entscheidet. Diesen Schritt macht sie zum einem aus ''triuwe'' (V. 116,19) um ihres Seelenheilswillen und zum anderen um ihren Sohn zu schützen. Herzeloyde fürchtet sich davor, dass ihr Sohn den gleichen Weg wie ihr Ehemann geht und bei ritterlichen Kämpfen auch den Tod findet. Den einzigen Ausweg sieht sie in der totalen Isolation von der Ritterwelt /höfische Welt. Ungeachtet dessen wird Parzival als ''"des werden Gahmuretes kint"'' (V. 117,15) bezeichnet und auf diese Weise mit der väterlich-ritterlichen Lebenswelt in Verbindung gebracht. Der Erzähler kommentiert kritisch die Entscheidung Herzeloydes Parzival seine Herkunft vorzuenthalten [Schu 2002: ].  
Der Protagonist tritt erst im dritten Buch als handelnde Person in Erscheinung, als sich seine Mutter Herzeloyde für eine Isolation in Soltane entscheidet. Diesen Schritt macht sie zum einem aus ''triuwe'' (V. 116,19) um ihres Seelenheilswillen und zum anderen um ihren Sohn zu schützen. Herzeloyde fürchtet sich davor, dass ihr Sohn den gleichen Weg wie ihr Ehemann geht und bei ritterlichen Kämpfen auch den Tod findet. Den einzigen Ausweg sieht sie in der totalen Isolation von der Ritterwelt /höfische Welt. Ungeachtet dessen wird Parzival als ''"des werden Gahmuretes kint"'' (V. 117,15) bezeichnet und auf diese Weise mit der väterlich-ritterlichen Lebenswelt in Verbindung gebracht. Der Erzähler kommentiert kritisch die Entscheidung Herzeloydes Parzival seine Herkunft vorzuenthalten [Schu 2002: ].  

Version vom 28. Juni 2015, 13:09 Uhr

Gegenstand dieses Artikels ist die Bedeutung der fehlenden Vater-Sohn Beziehung /Vaterfigur für den Protagonisten Parzival im gleichnamigen Roman von Wolfram von Eschenbach. Neben der allgemeinen Rolle des Mannes in mittelalterlichen Familien bietet der folgende Text eine Analyse der problematischen Identitätsbildung Parzivals anhand ausgewählter Textstellen. Inwiefern ist die Vaterfigur in Parzivals Kindheit präsent, obgleich alle Informationen über den Vater und seine Wurzeln von ihm ferngehalten werden? Kann die These gestützt werden, dass trotz der fehlenden Vaterpräsenz, sein "indirekter Einfluss (..) über die gesamte Handlung hinweg bestimmend für Parzival" [Schommers 2010: S. 113] ist?

Der Mann als Familienoberhaupt und Erbnachfolger im Mittelalter

Der Mittelpunkt einer mittelalterlichen Familie ist der Mann in seiner Rolle als Oberhaupt der Familie und als Erbnachfolger. Diese Familienstruktur zeigt sich auch in der wachsenden Bedeutung der Vater-Sohn Beziehung in der Literatur des 12. Jahrhunderts [Kullmann 1992: 141].

Die Elternvorgeschichte

Die im Buch I+II behandelte Geschichte von Parzivals Eltern Gahmuret und Herzeloyde, mit dem Fokus auf den Vater, lässt zum einen wichtige Themen des Romans erahnen und legt zum anderen den Grundstein für die Identitätssuche des Protagonisten. Gahmurets Begierde nach [Kämpfen] und Turnieren sein Verlangen nach Ruhm und Ehre und seine daraus folgende Ruhelosigkeit, die ihn nicht sesshaft werden ließ, ist prägend für die Parzivalhandlung. Sein Tod im ritterlichen Kampf ist die Bedingung für Parzivals abgeschottete Kindheit und die ausgebliebene höfische Erziehung [Schommers 2010: 73]. "Durch die dynastischen Voraussetzungen, die Parzival als Kind eines Ritters und einer Angehörigen der Gralsdynastie zur Welt kommen lassen, wird er zugleich als Artusritter[1] und als Graskönig geboren" [Schommers 2010: 77]. Die zwingende Konsequenz des Verlusts der Vaterfigur vor Parzivals Geburt ist die dominante Mutter-Sohn Beziehung.

Parzivals Kindheit ohne Vater

Der Protagonist Parzival wir schon im Prolog genannt, bevor er im Roman das erste Mal auftritt. Sein unerschrockener Kampfesmut und seine strahlende Schönheit lassen sich an dieser Stelle schon erahnen.

V. 4,14-18[2]: sîn herze in dar an nicht betrouc, Da hat sein Herz ihn nicht enttäuscht.
er stahl, swa er ze strîte quam, Er war ein Stahl in jedem Streit, wo immer er auch hinkam.
sîn hant dâ sigelîchen nam Seine Hand hat mit dem Recht des Siegers
vil managen lobelîchen prîs. manche Ehre und viel Ruhm an sich genommen;
er küene, traclîche wîs, kühn und spät erst weise war der Held,

Es wir ein Bild von einem Helden gezeichnet, "das sich unproblematisch in den Kosmos des ritterlichen Abenteuer- und Minenromans Hartmanischer Prägung einzufügen scheint" [Schu 2002: 236] . Das traclîche wîs - Werden und das zuvor im Prolog erwähnte Elsterngleichnis weisen jedoch schon hier auf Parzivals unbeständigen Lebensweg hin [Schommers 2010: 77] [Schu 2002: 236]. Das, was er an körperlicher Kraft und Schönheit im Übermaß besitzt, das fehlt ihm an geistiger Stärke. Gahmurets Präsenz, sein Erbe in Form der körperlichen Voraussetzungen, und gleichzeitig seine Abstinenz, seine fehlende Erziehung, sind schon hier erkennbar.

Der Protagonist tritt erst im dritten Buch als handelnde Person in Erscheinung, als sich seine Mutter Herzeloyde für eine Isolation in Soltane entscheidet. Diesen Schritt macht sie zum einem aus triuwe (V. 116,19) um ihres Seelenheilswillen und zum anderen um ihren Sohn zu schützen. Herzeloyde fürchtet sich davor, dass ihr Sohn den gleichen Weg wie ihr Ehemann geht und bei ritterlichen Kämpfen auch den Tod findet. Den einzigen Ausweg sieht sie in der totalen Isolation von der Ritterwelt /höfische Welt. Ungeachtet dessen wird Parzival als "des werden Gahmuretes kint" (V. 117,15) bezeichnet und auf diese Weise mit der väterlich-ritterlichen Lebenswelt in Verbindung gebracht. Der Erzähler kommentiert kritisch die Entscheidung Herzeloydes Parzival seine Herkunft vorzuenthalten [Schu 2002: ].

V. 117,30 -118, 2: der knappe alsus verborgen wart So wurde der Knabe verborgen
zer waste in Soltâne erzogn, im wilden Wald von Soltâne erzogen
an küneclîcher furore betrogn; und um königliche Lebensart gebracht

Herzeloyde zieht Parzival mit aller Liebe und Hingabe auf, er wird aber nicht gebührend seinem Stand erzogen. Es ist der Versuch der Mutter den Sohn nur über die Beziehung zu sich selber zu definieren. So ist es unabwendbar, dass Parzival diese für ihn konstruierte Welt verlässt auf der Suche nach Identität [Schommers 2010: 80] [Schu 2002: 237] . Der Versuch Herzeloydes ihren Sohn isoliert von der Außenwelt und dem höfischen Leben und Rittertum aufzuziehen erschwert Parzivals langen Prozess seiner Identitätssuche.

Die Vogel-Episode

Parzival ist in der Lage sich eigens Pfeil und Bogen zu schnitzen und damit auf die Jagd zu gehen. Diese Tätigkeit ist keinesfalls von der Mutter geprägt, sondern ist in der rittlerich-höfischen Erziehung zu finden. Die Vogeljagd gehört im Mittelalter zu der klassischen Erziehung des Adels und scheint wie ein Instinkt bei Parzival zu sein. Das Spannungsverhältnis zwischen der Bestimmung und der Erziehung des Protagonisten zeigt sich schon in dieser ersten Erfahrung. Es ist ein sehr ambivalentes Erlebnis. denn wenn er die Vögel tötet, so stimmt es ihn traurig und er bereut es, lauscht er nur ihrem Gesang, dann wird er unruhig und es quält ihn das Verlangen [Schu 2002] .

V. 118,14 - 18: erne kunde hiht gesorgen, Er kannte keinen Kummer,
ez enwære ob im der vogelsanc, außer wenn über ihm die Vögel sangen;
die süeze in sîn herze dranc das drang ihm so süß ins Herz
daz erstracte im sîniu brüstelîn. und machte ihm sein Kinderbrüstelein weit.
al weinde er lief zer künegîn, Weinend lief er dann zur Königin.

Diese Szene zeigt sehr deutlich den Konflikt zwischen der gewaltfreien harmonisierten mütterlichen Welt und der von Gewalt geprägten ritterlichen Welt des Vaters. Eine Verbindung dieser zwei Welten ist jedoch kaum möglich. An dieser Stelle kann der Leser erahnen, dass Parzival den mütterlich geprägten Raum verlassen muss um seiner Sehnsucht und seinem Verlangen nachzugehen [Schommers 2010: 82]. Es ist ein verzweifelter uns aussichtsloser Versuch Herzeloydes alle Vögel auszurotten um den innerlichen Konflikt Parzivals zu beenden (V. 118, 29-119,9).

Herzeloydes Lehre und Erziehung[3]

Das Ausmaß der fehlenden Erziehung Parzivals wird im ersten Dialog zwischen ihm und seiner Mutter deutlich. In seiner ersten Äußerung fragt er sie, warum sie die Vögel tötet und bittet sie damit aufzuhören (V. 119, 10f). Die Mutter stimmt ihrem Sohn zu und begründet dies mit dem Verstoß gegen das Gebot Gottes, der daraufhin fragt: "ôwê muoter, waz ist got?" (V. 119, 17). Herzeloyde hat Parzival in keiner Weise religiös erzogen und so fehlt dem Protagonisten jede Vorstellung von Gott. Das Geschick mit Waffen zu hantieren und zu Jagen ist ihm angeboren, doch es fehlt ihm jeglicher Umgang mit der Religion und der höfischen Gesellschaft [Schommers 2010: 83] [Schu 2002: 238]. Sein völliges Unvermögen zur Reflexion zeigt sein Umgang mit Herzeloydes Licht-Metaphorik (V. 119, 18ff) als Erklärung auf seine Frage, was Gott sei. Er ist nicht imstande in dieser Erläuterung die Metaphorik zu erkennen und diese auf irgendeine Weise zu deuten. Diese Kompetenz würde vermutlich bei einer ritterlichen Erziehung nicht in diesem Ausmaß fehlen. So ist es auch nicht überraschend, dass er die Ritter, denen er im Wald von Soltane begegnet, aufgrund ihrer glänzenden und strahlenden Rüstung für Gott hält (V. 122, 21ff). Herzeloydes Gotteslehre ist folgenschwer für die Mutter-Sohn Beziehung, da es zu Parzivals Entschluss führt Ritter zu werden. Er möchte selbst zu so einem Lichtwesen werden, da er in diesen Gott zu erkennen glaubt [Schommers 2010: 85]. "In der Begegnung mit den Rittern ist die Verwechslung dieser mit Gott komisch und tragisch zugleich, die anthropomorphe Gottesvorstellung Parzivals wird ihn in einen tiefen Konflikt mit diesem Gott führen, der seine Helferrolle aus Parzivals Sicht nicht gerecht geworden ist" [Schuh 2002: 248]. Es ist bittere Ironie, dass gerade Herzeloydes Versuch, Parzival in der Einöde jegliche höfische und ritterliche Erziehung zu verweigern, letztendlich mit dazu führt, dass Parzival aus Soltane wegzieht um Ritter zu werden.

Parzival zwischen "Schönheit" und "tumpfheit"[4]

Der Erzähler zeichnet ein Bild von Parzivals als Knabe, der nur so vor Schönheit (V. 118, 11) und Kraft (V. 120, 8ff) strotzt. Seine Jagd beschränkt sich nun nicht mehr nur auf Vögel, sondern er bringt auch erlegte Wildtiere nach Hause, die er ohne Mühe trägt (V. 1290, 2ff). Trotz seiner "unstandesgemäßen Erziehung" [Schuh 2002: 243] deuten diese angeborenen Fähigkeiten und sein Äußeres schon auf seine spätere Karriere als Ritter hin. In der von Natur dominierten Umgebung von Soltane, in der Parzival sich richtig zu bewegen weiß, wird er nirgends als "tôr" oder "tump" betitelt. Erst als er in Kontakt mit der ihm fremden Ritterwelt kommt, wird dieses Charakteristikum deutlich [Schuh 2002]. Während der Begegnung mit den Rittern im Wald von Soltane wird Przival ween seiner Unwissenheit und seinem Verhalten als "tœrsche Wâleise" (V. 121, 9) und als "knappen der vil tumpheit wielt" (V. 124, 16) beschrieben. Dessen ungeachtet sieht der Fürst Karnahkarnanz in Parzivals Schönheit ein Zeichen seiner ritterlichen Abstammung (V. 123,11). Auffällig ist, dass sein Äußeres, seine außergewöhnliche Schönheit, von dem Fürsten als Indiz für Ritterlichkeit angesehen wird, obwohl seine Dummheit und seine Unwissenheit so dominant in der Begegnung sind. Karnahkarnanz zeigt in seinen Worten, die er zum Abschied an Parzival richtet, die Erkenntnis, dass an diesem Knaben etwas besonders ist und gibt mit dieser Beurteilung auch dem Leser einen wichtigen Baustein für seine Sicht auf den Protagonisten [Schuh 2002]:

V. 124,17 - 21: der fürste sprach 'got hüete dîn. Der Fürst sprach: "Gott schütze dich.
ôwî wan wær dîn schœne mîn! Ach, hätte ich nur deine Schönheit!
dir hete got den wünsch gegebn, Dir hat Gott die Fülle dessen, was ein Mensch nur wünschen kann, geschenkt -
ob du mit witzen soldest lebn.. wenn nur deinem Wege auch Verstand gegeben wäre!
diu gotes kraft dir virre leit.' Möge Gottes Macht Leid von dir feenhaften."

Durch die Begegnung mit den Rittern bekommt Parzival nur einen lückenhaften Eindruck des Ritterdaseins und somit bleibt die Ambivalenz dessen verschlossen. Es sind fragmentarische Informationen, die er falsch deutet und so zu dem Trugschluss kommt, dass er nur zum Artushof gehen muss, wo er zum Ritter geschlagen wird und dann gegen jeden ebenfalls gerüsteten Mann kämpfen muss. Der Grund für Karnahkarnanz Reise, die Entführung einer Jungfrau durch zwei Ritter, und damit die negative Medaille des Rittertums, dringt nicht in das Bewusstsein des Knaben [Schuh 2002].

Fazit

Obgleich/ Auch wenn Parzival seinen Lebensweg ohne seinen Vater bestreitet, so ist sein "indirekter Einfluss (..) über die gesamte Handlung hinweg bestimmend für Parzival" [Schommers 2010: S. 113].

Literaturverzeichnis

<HarvardReferences />

[*Kullmann 1992] [*Schommers 2010] [*Schuh 2002]

Fußnoten

  1. Parzivals Verbindung zum Artushof wird schon in Gahmuret Abschiedsbrief an Belacane angedeutet, als er seine Abstammung von Utepandragûn, Vater von Artus, erklärt (V. 56,4ff).
  2. Alle Versangaben beziehen sich auf die Ausgabe: Wolfram von Eschenbach: Parzival. Studienausgabe. Mittelhochdeutscher Text nach der sechsten Ausgabe von Karl Lachmann. Übersetzung von Peter Knecht. Mit einer Einführung zum Text der Lachmannschen Ausgabe und in Probleme der 'Parzival'-Interpretation von Bernd Schirok, 2. Aufl., Berlin/New York 2003.
  3. Ausführlicher hierzu: Parzivals Erziehung durch Herzeloyde und ihre Folgen
  4. Ausführlicher hierzu: Parzivals tumpheit