Minne (Wolfram von Eschenbach, Parzival): Unterschied zwischen den Versionen
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Dieser Artikel beschäftigt sich mit der Thematik der Minne im ''Parzival''. Zu Beginn wird eine Definition und Erklärung des Begriffs Minne gegeben, um später diesen in Bezug zum Roman näher zu beleuchten. Dabei werden Aspekte wie die Minne in der Theorie, die Gralsminne oder auch die Rolle der Triuwe aufgegriffen. | |||
===Minne im Allgemeinen=== | ===Minne im Allgemeinen=== | ||
Der Begriff Minne stammt aus dem | Der Begriff Minne stammt aus dem Mittelhochdeutschen und bedeutet [''Liebe''][Wikipedia] . Er ist geprägt von verschiedenen Aspekten wie Freundschaft, der Beziehung zu Gott und der Vorstellung einer mentalen sowie körperlichen Beziehung zweier Menschen zueinander. In vielen mittelalterlichen Romanen bezeichnet Minne die erotische Beziehung zwischen einem Mann und einer Frau. Durch den Minnesang und den höfischen Roman wurde das Bild der Minne als das "Ideal der Liebe" gefestigt, in welchem der Ritter die Dame umwirbt und sich dadurch ihre Liebe erkämpft. Besonders im Minnesang wird die Frau als edle Dame beschrieben, welche beim Minnesänger das tiefe Gefühl von Verlangen und Begierde auslöst. Meist ist die Dame jedoch höheren gesellschaftlichen Ranges als ihr Umwerber und kann dadurch dessen Wunsch nach ihrer Zuwendung nicht erfüllen. | ||
Des Weiteren wird der Minne häufig eine Macht zugesprochen, der sich die Liebenden nicht entziehen können. Sie verfallen ihrer oder ihrem Geliebten (wobei die Frau häufiger das Objekt der Begierde ist als der Mann) völlig und sind ihrem Verlangen nach dem Gegenüber nicht mehr Herr. Dies geschieht meist durch die häufig als "unvergleichlich" beschriebene Attraktivität eines Ritters oder einer Dame.[Wikipedia] | |||
===Minne im Parzival=== | ===Minne im Parzival=== | ||
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====Minne in der Theorie==== | ====Minne in der Theorie==== | ||
Parzivals erste Einführung in die Minne erhält er von seiner Mutter Herzeloyde bevor er sie verlässt. Ihr Rat wird ihm jedoch zum Verhängnis, als er diesen später an Jeschûte anzuwenden versucht. Diese ist von seiner Zudringlichkeit so überrascht, dass sie ihn abweist und sich sogar über ihn lustig macht (dies wird später in dem Absatz 'Parzival und die Minne' näher ausgeführt.) | Parzivals erste Einführung in die Minne erhält er von seiner Mutter [[Herzeloyde (Wolfram von Eschenbach, Parzival)|Herzeloyde]], bevor er sie verlässt. Ihr Rat wird ihm jedoch zum Verhängnis, als er diesen später an [[Parzival, Jeschute und Orilus (Wolfram von Eschenbach, Parzival)|Jeschûte]] anzuwenden versucht. Diese ist von seiner Zudringlichkeit so überrascht, dass sie ihn abweist und sich sogar über ihn lustig macht (dies wird später in dem Absatz 'Parzival und die Minne' näher ausgeführt.) | ||
'''(127, 25 - 128, 2)''' | Parzival, Jeschute und Orilus (Wolfram von Eschenbach, Parzival) | ||
'''(127, 25 - 128, 2)'''<ref> Alle folgenden Versangaben beziehen sich auf die Ausgabe: Wolfram von Eschenbach: Parzival. Text und Übersetzung. Studienausgabe. Mittelhochdeutscher Text nach der sechsten Ausgabe von Karl Lachmann. Übersetzung von Peter Knecht. Mit einer Einführung zum Text der Lachmannschen Ausgabe und in Probleme der 'Parzival'-Interpretation von Bernd Schirok, 2. Aufl., Berlin/ New York 2003. </ref> | |||
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Hier wird deutlich, dass Parzival den Rat erhält, einer Frau seine Zuneigung deutlich zu zeigen. Ob diese gewillt ist, sich ihm hinzugeben oder nicht, ist laut Herzeloyde nicht von Bedeutung. Wie schon oben erwähnt, wird Parzival diesen Rat an Jeschûte erproben und scheitern. | |||
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In diesem Abschnitt wird die "Minne" durch das Äußere einer Dame beschrieben. Durch ihre Reize ist sie demnach im Stande, einen Ritter zu verführen und ihn somit für sich zu gewinnen. | |||
====Vorstellungen einer Minne-Beziehung==== | ====Vorstellungen einer Minne-Beziehung==== | ||
Eine weitere Belehrung erhält Parzival vom | Eine weitere Belehrung erhält Parzival vom Gastwirt [[Gurnemanz (Wolfram von Eschenbach, Parzival)|Gurnemanz]], welcher ihm ritterliche Tugenden lehrt. Sein Rat beinhaltet die Umwerbung und den richtigen Umgang mit einer Frau sowie die Beziehung zwischen einem Mann und einer Frau. Parzival wird in seinem jugendlichen Alter stark von dieser Unterweisung geprägt und ergänzt somit den lückenhaften und teilweise fälschlichen Rat von seiner Mutter [[Herzeloyde (Wolfram von Eschenbach, Parzival)|Herzeloyde]]. | ||
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Das macht den Leib eines jungen Mannes edel und begehrenswert. | Das macht den Leib eines jungen Mannes edel und begehrenswert. | ||
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Hier verdeutlicht Gurnemanz Parzival die Wichtigkeit von Ehre und Mut. Einerseits ist es wichtig, dass Parzival für die Frauen begehrenswert erscheint, andererseits soll er die Frauen ebenso lieben wie sie ihn. | |||
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Des Weiteren klärt Gurnemanz den jungen Parzival über die Zusammengehörigkeit von Mann und Frau auf und weist gleichzeitig auf die im Mittelalter verbotene Liebe zwischen gleichgeschlechtlichen Partnern hin. | |||
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Parzivals Erfahrungen mit der Minne sind vielseitig. Seine erste Begegnung hat er mit Jeschûte, welche | Parzivals Erfahrungen mit der Minne sind vielseitig. Seine erste Begegnung hat er mit Jeschûte, welche ihn aufgrund seines drängenden Verhaltens jedoch abweist. Im Laufe des Romans kommt Parzival mit [[Verwandtschaftsbeziehungen (Wolfram von Eschenbach, Parzival)|Liaze]], der Tochter Gurnemanz, und der Königin Condwiramurs in Kontakt und sammelt auf diese Weise weitere Erfahrungen in Sachen Minne. | ||
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ir mögt iu nemen ander zil. | ir mögt iu nemen ander zil. | ||
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als da der Knabe in ihren Armen lag. | |||
Es half nichts, sie mußte erwachen: | |||
welche Schande! Es war ihr nicht nach Lachen zumute, | |||
diese Dame hatte eine feine Erziehung genossen. | |||
Sie sprach: Wer hat mich entehrt? | |||
Junger Herr, Ihr nehmt euch gar zu viel heraus. | |||
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=====Die Gralsminne Parzivals===== | |||
Im dem Streben nach dem [[Der Gral im Parzival (Wolfram von Eschenbach, Parzival)|Gral]], welcher im höfischen Sinne „die Darstellung der reinen Idee der Minne“ und im religiösen Sinne Symbol für die Menschwerdung Christi ist, äußert sich Parzivals Gralsminne.[Schröder 1952: S. 155] Wolfram fasst unter dem Zeichen des Grals natürliche Leidenschaft, dienende hohe Minne und die wahre Liebe zu Gott zusammen und schafft somit in seiner Minneauffassung eine Verbindung von ritterlich-höfischer und christlich-religiöser Welt. Die Minne zur Frau stellt Wolfram im ''Parzival'' als eine entgegengesetzte Kraft dar. Dies zeige sich darin, dass Condwiramurs häufig zusammen mit dem Gral genannt wird: | |||
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| dô sprach aber Parzivâl|| Da sprach Parzivâl: | |||
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| ´mîn hôhstiu nôt ist umben grâl;|| "Die größte Not macht mir der Grâl, | |||
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| dâ nâch umb mîn selbes wîp:|| und auch meine Frau fehlt mir sehr: | |||
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| ûf erde nie schoener lîp|| kein schönerer Leib hat auf der Erde je | |||
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| gesouc an keiner muoter brust.|| an einer Mutter Brust gesogen. | |||
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| nâch den beiden sent sich mîn gelust.´|| Nach den beiden sehnt sich mein Verlangen." | |||
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| und da sagt ir, der durch si dâ streit || Richtet ihr aus: Der für sie | |||
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| mit Kingrûne und mit Clâmidê,|| mit Kingrûne und mit Clâmidê gekämpft hat, | |||
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| dem sî nu nach dem grâle wê,|| der sehnt sich jetzt mit Schmerzen nach dem Grâl | |||
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| unt doch wider nâch ir minne.|| und doch auch heim zu ihrer Liebe. | |||
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Die leidenschaftliche Sehnsucht nach Condwiramurs lenkt Parzival von seiner Suche nach dem Gral ab und treibt ihn immer wieder zur Rückkehr. Besonders die [[Die Blutstropfenszene (Wolfram von Eschenbach, Parzival)|Blutstropfenszene]] macht deutlich, dass Parzivals Weg durch die Gedanken an seine Frau ungemein erschwert wird und er verzweifelt darum kämpft, das Streben nach dem Gral nicht aufzugeben (296,5ff). Wie stark seine Sehnsucht nach der Geliebten ist, wird besonders darin deutlich, dass Parzival, nachdem er durch drei Blutstropfen im Schnee an seine Geliebte erinnert wurde, in einen Trancezustand gerät (243, 16-23), der ihn fast das Leben kostet. Doch er bleibt bis zuletzt dem Streben nach dem Gral treu und wiedersteht der Sehnsucht und dem Verlangen nach Condwiramurs. Wolfram versinnbildlicht in diesem „Nebeneinander und Gegeneinander“ der Minne zum Gral und der Minne zu Condwiramurs, die „Unbeirrbarkeit des Gralsstrebens Parzivals“. [Schröder 1952: S. 154] | |||
Je mehr die Liebe zu Condwiramurs betont wird, desto stärker tritt auch Parzivals Streben nach dem Gral in den Vordergrund. Wolfram stellt die Gralsminne vor die Minne zur Frau: | |||
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| ich sen mich nâch ir kiuschen zuht,|| Nach ihrem reinen Wesen sehne ich mich | |||
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| nâch ir minne ich trûre vil;|| und härme mich ab nach ihrer Liebe, | |||
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| und mêr nâch dem hôhen zil,|| mehr noch aber nach jenem hohen Ziel: | |||
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====Minne-Exkurse==== | |||
An mehreren Stellen des Romans nimmt der Erzähler direkt Stellung zum Thema Minne, vornehmlich in den drei größeren [[Ansprachen an Frau Minne (Wolfram von Eschenbach, Parzival)|Minne-Exkursen]] denen ein separater Artikel gewidmet ist. | |||
====Triuwe als entscheidendes Merkmal der Minne==== | |||
Die [[Triuwe (Wolfram von Eschenbach, Parzival)|''Triuwe'']] ist ein entscheidendes Element der Minne, was besonders in der Beziehung zwischen Gawan und Orgeluse zum Ausdruck kommt. Durch die Beharrlichkeit Gawans wird Orgeluses Wandlung ermöglicht, die feststellt, dass "hinter der oft oberflächlichen Fassade des höfischen Minnewerbends durchaus echt[e] Liebe stecken kann."[Braunagel 2000: S. 77.] Vorher hatte Orgeluse das Minnesystem für ihre Rache missbraucht. Durch die Minnebeziehung zu Gawan wird bei ihr eine Wandlung der Gesinnung und der Wiedereintritt in die Gesellschaft ermöglicht, wohingegen Gawan sich durch die Beziehung als verantwortungsvolles Mitglied der Gesellschaft etabliert und sich zu einem reiferen Ritter entwickelt. Die Minne bietet demnach für die beteiligten Personen immer auch die Möglichkeit der Weiterentwicklung. | |||
(Siehe auch separater Artikel: [[Gawan und die Minne (Wolfram von Eschenbach, Parzival)|Gawan und die Minne]]) | |||
===Fazit=== | ===Fazit=== | ||
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Minne-Thematik im Parzival - wie auch in fast jedem anderen höfischen Roman - eine feste Rolle spielt und zum Leben eines Ritters dazugehört. Schon im jungen Alter wird Parzival über die 'Kunst der Liebe' aufgeklärt und wird auf seinem ersten großen Abenteuer mit ihr bekannt gemacht. Wie auch andere ehrenhafte Ritter unterliegt er der Macht der Minne und kann sich nicht gegen sie wehren. In diesem Roman findet sich die höfische Liebe in vielen Beziehungen zwischen den verschiedenen Charakteren wieder und stellt damit das typische Bild der idealisierten Liebe dar. | Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Minne-Thematik im ''Parzival'' - wie auch in fast jedem anderen höfischen Roman - eine feste Rolle spielt und zum Leben eines Ritters dazugehört. Schon im jungen Alter wird Parzival über die 'Kunst der Liebe' aufgeklärt und wird auf seinem ersten großen Abenteuer mit ihr bekannt gemacht. Wie auch andere ehrenhafte Ritter unterliegt er der Macht der Minne und kann sich nicht gegen sie wehren. In diesem Roman findet sich die höfische Liebe in vielen Beziehungen zwischen den verschiedenen Charakteren wieder und stellt damit das typische Bild der idealisierten Liebe dar. | ||
===Forschungslitertatur=== | |||
* Bautier, Robert-Henri: Lexikon des Mittelalters. München 1999. | |||
* Bumke, Joachim: Wolfram von Eschenbach. 8. Auflage. Stuttgart/Weimar 2004. | * Bumke, Joachim: Wolfram von Eschenbach. 8. Auflage. Stuttgart/Weimar 2004. | ||
* Dieter Kühn: Der Parzival des Wolfram von Eschenbach. Frankfurt am Main. 1997. | * Dieter Kühn: Der Parzival des Wolfram von Eschenbach. Frankfurt am Main. 1997. | ||
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* Reichert, Hermann: Wolfram von Eschenbach, "Parzival" für Anfänger. Wien 2007. | * Reichert, Hermann: Wolfram von Eschenbach, "Parzival" für Anfänger. Wien 2007. | ||
* Scheuble, Robert: Mannes manheit, vrouwen meister. Frankfurt am Main 2005. | * Scheuble, Robert: Mannes manheit, vrouwen meister. Frankfurt am Main 2005. | ||
* Schultz, James A.: Courtly love, the love of courtliness, and the history of sexuality. Chicago 2006. | |||
* Wiegand, Herbert: Studien zur Minne und Ehe in Wolframs Parzival und Hartmanns Artusepik. Marburg 1968. | * Wiegand, Herbert: Studien zur Minne und Ehe in Wolframs Parzival und Hartmanns Artusepik. Marburg 1968. | ||
===Quellenverzeichnis=== | |||
<HarvardReferences/> | |||
[*Schröder 1952] Schröder W. J., Der Ritter zwischen Welt und Gott, Idee und Problem des Parzivalromans Wolframs von Eschenbach, Weimar, 1952 | |||
[*Braunagel 2000] Braunagel, Robert: Die Frau in der höfischen Epik des Hochmittelalters. Entwicklungen in der literarischen Darstellung und Ausarbeitung weiblicher Handlungsträger. München, 2000. | |||
[*Wikipedia] http://de.wikipedia.org/wiki/Minne | |||
<references> | |||
[[Kategorie:Wolfram von Eschenbach]] | |||
[[Kategorie:Parzival]] | |||
[[Kategorie:Minne|Kategorie]] | |||
[[Kategorie:Liebe|Kategorie]] | |||
[[Kategorie:Artikel]] |
Aktuelle Version vom 25. Februar 2016, 14:21 Uhr
Dieser Artikel beschäftigt sich mit der Thematik der Minne im Parzival. Zu Beginn wird eine Definition und Erklärung des Begriffs Minne gegeben, um später diesen in Bezug zum Roman näher zu beleuchten. Dabei werden Aspekte wie die Minne in der Theorie, die Gralsminne oder auch die Rolle der Triuwe aufgegriffen.
Minne im Allgemeinen
Der Begriff Minne stammt aus dem Mittelhochdeutschen und bedeutet [Liebe][Wikipedia] . Er ist geprägt von verschiedenen Aspekten wie Freundschaft, der Beziehung zu Gott und der Vorstellung einer mentalen sowie körperlichen Beziehung zweier Menschen zueinander. In vielen mittelalterlichen Romanen bezeichnet Minne die erotische Beziehung zwischen einem Mann und einer Frau. Durch den Minnesang und den höfischen Roman wurde das Bild der Minne als das "Ideal der Liebe" gefestigt, in welchem der Ritter die Dame umwirbt und sich dadurch ihre Liebe erkämpft. Besonders im Minnesang wird die Frau als edle Dame beschrieben, welche beim Minnesänger das tiefe Gefühl von Verlangen und Begierde auslöst. Meist ist die Dame jedoch höheren gesellschaftlichen Ranges als ihr Umwerber und kann dadurch dessen Wunsch nach ihrer Zuwendung nicht erfüllen. Des Weiteren wird der Minne häufig eine Macht zugesprochen, der sich die Liebenden nicht entziehen können. Sie verfallen ihrer oder ihrem Geliebten (wobei die Frau häufiger das Objekt der Begierde ist als der Mann) völlig und sind ihrem Verlangen nach dem Gegenüber nicht mehr Herr. Dies geschieht meist durch die häufig als "unvergleichlich" beschriebene Attraktivität eines Ritters oder einer Dame.[Wikipedia]
Minne im Parzival
Auch in Wolframs von Eschenbach Parzival nimmt die Minne eine wichtige Rolle ein. Während seinem Weg vom Knaben bis hin zum Gralskönig ist die Minne eine ständige Begleiterin Parzivals. Als Jüngling wird dieser einerseits von den Ratschlägen seiner Mutter, andererseits von der Belehrung des Wirtes Gurnemanz geprägt. Im Verlaufe des Romans macht Parzival schließlich seine eigenen Erfahrungen mit der Minne.
Minne in der Theorie
Parzivals erste Einführung in die Minne erhält er von seiner Mutter Herzeloyde, bevor er sie verlässt. Ihr Rat wird ihm jedoch zum Verhängnis, als er diesen später an Jeschûte anzuwenden versucht. Diese ist von seiner Zudringlichkeit so überrascht, dass sie ihn abweist und sich sogar über ihn lustig macht (dies wird später in dem Absatz 'Parzival und die Minne' näher ausgeführt.)
Parzival, Jeschute und Orilus (Wolfram von Eschenbach, Parzival)
(127, 25 - 128, 2)[1]
Original | Übersetzung |
---|---|
sun, lâ dir bevolhen sîn,
swa du gutes wîbes vingerlîn, mühest erwerben unt ir gruoz, daz nim: ez tuot dir Kummers buoz. du sollt zir küsse gehen und ir lîp vast umbevâhen: daz gut glücke und hohen muot, op si Kirsche ist unde guot. |
Mein Sohn, das lege ich dir ans Herz:
Wo du Gelegenheit hast, von einer lieben Frau ein Fingerringlein zu erwerben und freundliche Worte, dort greif zu; das hilft dir gegen Traurigkeit. Du musst sie drängen um ihren Kuß und ihren Leib recht fest umfangen: Das bringt dir Glück und macht die Seele edel, wenn die Frau Unschuld hat und Güte. |
Hier wird deutlich, dass Parzival den Rat erhält, einer Frau seine Zuneigung deutlich zu zeigen. Ob diese gewillt ist, sich ihm hinzugeben oder nicht, ist laut Herzeloyde nicht von Bedeutung. Wie schon oben erwähnt, wird Parzival diesen Rat an Jeschûte erproben und scheitern.
(130, 3 - 5)
Original | Übersetzung |
---|---|
Diu frouwe was entslâfen.
si truoc der minne wâfen, einen munt durchliuhtic rot, und gerades ritters herzen not. |
Die Dame war eingeschlafen.
Sie trug der Liebe Waffen: einen Mund durch und durch leuchtend, der konnte allerdings das Herz eines stürmischen Ritters in Bedrängnis bringen. |
In diesem Abschnitt wird die "Minne" durch das Äußere einer Dame beschrieben. Durch ihre Reize ist sie demnach im Stande, einen Ritter zu verführen und ihn somit für sich zu gewinnen.
Vorstellungen einer Minne-Beziehung
Eine weitere Belehrung erhält Parzival vom Gastwirt Gurnemanz, welcher ihm ritterliche Tugenden lehrt. Sein Rat beinhaltet die Umwerbung und den richtigen Umgang mit einer Frau sowie die Beziehung zwischen einem Mann und einer Frau. Parzival wird in seinem jugendlichen Alter stark von dieser Unterweisung geprägt und ergänzt somit den lückenhaften und teilweise fälschlichen Rat von seiner Mutter Herzeloyde.
(172, 5 - 12)
Original | Übersetzung |
---|---|
sô wer ir minneclîch gevar:
des nement wîbes lugen war. Sît manlîch und wol gemuot: daz ist ze wertem prîse guot. und lât iu liep sîn diu wîp: daz tiwert junges mannes lîp. |
Dann nämlich werdet ihr wieder liebenswürdig schön:
Die Augen der Frauen haben darauf acht. Seid männlich und habt guten Mut, davon wird die Ehre groß und stark. Und habt nur immer die Frauen lieb: Das macht den Leib eines jungen Mannes edel und begehrenswert. |
Hier verdeutlicht Gurnemanz Parzival die Wichtigkeit von Ehre und Mut. Einerseits ist es wichtig, dass Parzival für die Frauen begehrenswert erscheint, andererseits soll er die Frauen ebenso lieben wie sie ihn.
(173, 1 - 6)
Original | Übersetzung |
---|---|
man und wîp diu sinnt al ein;
als diu sunn diu hiute schein, und ouch der name der heizet tac. der enwederz sich gescheiden mac: si blüent ûz time kerne gar. des nehmet künsteclîche war. |
Mann und Weib sind ein Leib.
Das ist so wie die Sonne, die heute aufgegangen ist, und der Name, der Tag heißt. Das eine kann sich nicht vom anderen scheiden, das sind zwei Blüten aus einem und demselben Kern. Jetzt wißt Ihr es, merkt es Euch gut. |
Des Weiteren klärt Gurnemanz den jungen Parzival über die Zusammengehörigkeit von Mann und Frau auf und weist gleichzeitig auf die im Mittelalter verbotene Liebe zwischen gleichgeschlechtlichen Partnern hin.
Parzival und die Minne
Parzivals Erfahrungen mit der Minne sind vielseitig. Seine erste Begegnung hat er mit Jeschûte, welche ihn aufgrund seines drängenden Verhaltens jedoch abweist. Im Laufe des Romans kommt Parzival mit Liaze, der Tochter Gurnemanz, und der Königin Condwiramurs in Kontakt und sammelt auf diese Weise weitere Erfahrungen in Sachen Minne.
(131, 3 - 10)
Original | Übersetzung |
---|---|
Diu sülze Kirsche unsanfte erschrac,
do der knappe an ir arme lac: si muost jedoch erwachen. mit schame al sunder lachen diu frouwe zuhat gelêret sprach 'wer hât mich entêret? junchêrre, es ist iu gar ze vil: ir mögt iu nemen ander zil. |
Die Süße, Keusche schrak unsanft auf,
als da der Knabe in ihren Armen lag. Es half nichts, sie mußte erwachen: welche Schande! Es war ihr nicht nach Lachen zumute, diese Dame hatte eine feine Erziehung genossen. Sie sprach: Wer hat mich entehrt? Junger Herr, Ihr nehmt euch gar zu viel heraus. Ihr solltet Euch ein andres Opfer suchen! |
Die Gralsminne Parzivals
Im dem Streben nach dem Gral, welcher im höfischen Sinne „die Darstellung der reinen Idee der Minne“ und im religiösen Sinne Symbol für die Menschwerdung Christi ist, äußert sich Parzivals Gralsminne.[Schröder 1952: S. 155] Wolfram fasst unter dem Zeichen des Grals natürliche Leidenschaft, dienende hohe Minne und die wahre Liebe zu Gott zusammen und schafft somit in seiner Minneauffassung eine Verbindung von ritterlich-höfischer und christlich-religiöser Welt. Die Minne zur Frau stellt Wolfram im Parzival als eine entgegengesetzte Kraft dar. Dies zeige sich darin, dass Condwiramurs häufig zusammen mit dem Gral genannt wird:
(467, 25-30)
Original | Übersetzung |
---|---|
dô sprach aber Parzivâl | Da sprach Parzivâl: |
´mîn hôhstiu nôt ist umben grâl; | "Die größte Not macht mir der Grâl, |
dâ nâch umb mîn selbes wîp: | und auch meine Frau fehlt mir sehr: |
ûf erde nie schoener lîp | kein schönerer Leib hat auf der Erde je |
gesouc an keiner muoter brust. | an einer Mutter Brust gesogen. |
nâch den beiden sent sich mîn gelust.´ | Nach den beiden sehnt sich mein Verlangen." |
(389, 8-11)
Original | Übersetzung |
---|---|
und da sagt ir, der durch si dâ streit | Richtet ihr aus: Der für sie |
mit Kingrûne und mit Clâmidê, | mit Kingrûne und mit Clâmidê gekämpft hat, |
dem sî nu nach dem grâle wê, | der sehnt sich jetzt mit Schmerzen nach dem Grâl |
unt doch wider nâch ir minne. | und doch auch heim zu ihrer Liebe. |
Die leidenschaftliche Sehnsucht nach Condwiramurs lenkt Parzival von seiner Suche nach dem Gral ab und treibt ihn immer wieder zur Rückkehr. Besonders die Blutstropfenszene macht deutlich, dass Parzivals Weg durch die Gedanken an seine Frau ungemein erschwert wird und er verzweifelt darum kämpft, das Streben nach dem Gral nicht aufzugeben (296,5ff). Wie stark seine Sehnsucht nach der Geliebten ist, wird besonders darin deutlich, dass Parzival, nachdem er durch drei Blutstropfen im Schnee an seine Geliebte erinnert wurde, in einen Trancezustand gerät (243, 16-23), der ihn fast das Leben kostet. Doch er bleibt bis zuletzt dem Streben nach dem Gral treu und wiedersteht der Sehnsucht und dem Verlangen nach Condwiramurs. Wolfram versinnbildlicht in diesem „Nebeneinander und Gegeneinander“ der Minne zum Gral und der Minne zu Condwiramurs, die „Unbeirrbarkeit des Gralsstrebens Parzivals“. [Schröder 1952: S. 154]
Je mehr die Liebe zu Condwiramurs betont wird, desto stärker tritt auch Parzivals Streben nach dem Gral in den Vordergrund. Wolfram stellt die Gralsminne vor die Minne zur Frau:
(441, 10-13)
Original | Übersetzung |
---|---|
ich sen mich nâch ir kiuschen zuht, | Nach ihrem reinen Wesen sehne ich mich |
nâch ir minne ich trûre vil; | und härme mich ab nach ihrer Liebe, |
und mêr nâch dem hôhen zil, | mehr noch aber nach jenem hohen Ziel: |
Minne-Exkurse
An mehreren Stellen des Romans nimmt der Erzähler direkt Stellung zum Thema Minne, vornehmlich in den drei größeren Minne-Exkursen denen ein separater Artikel gewidmet ist.
Triuwe als entscheidendes Merkmal der Minne
Die Triuwe ist ein entscheidendes Element der Minne, was besonders in der Beziehung zwischen Gawan und Orgeluse zum Ausdruck kommt. Durch die Beharrlichkeit Gawans wird Orgeluses Wandlung ermöglicht, die feststellt, dass "hinter der oft oberflächlichen Fassade des höfischen Minnewerbends durchaus echt[e] Liebe stecken kann."[Braunagel 2000: S. 77.] Vorher hatte Orgeluse das Minnesystem für ihre Rache missbraucht. Durch die Minnebeziehung zu Gawan wird bei ihr eine Wandlung der Gesinnung und der Wiedereintritt in die Gesellschaft ermöglicht, wohingegen Gawan sich durch die Beziehung als verantwortungsvolles Mitglied der Gesellschaft etabliert und sich zu einem reiferen Ritter entwickelt. Die Minne bietet demnach für die beteiligten Personen immer auch die Möglichkeit der Weiterentwicklung. (Siehe auch separater Artikel: Gawan und die Minne)
Fazit
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Minne-Thematik im Parzival - wie auch in fast jedem anderen höfischen Roman - eine feste Rolle spielt und zum Leben eines Ritters dazugehört. Schon im jungen Alter wird Parzival über die 'Kunst der Liebe' aufgeklärt und wird auf seinem ersten großen Abenteuer mit ihr bekannt gemacht. Wie auch andere ehrenhafte Ritter unterliegt er der Macht der Minne und kann sich nicht gegen sie wehren. In diesem Roman findet sich die höfische Liebe in vielen Beziehungen zwischen den verschiedenen Charakteren wieder und stellt damit das typische Bild der idealisierten Liebe dar.
Forschungslitertatur
- Bautier, Robert-Henri: Lexikon des Mittelalters. München 1999.
- Bumke, Joachim: Wolfram von Eschenbach. 8. Auflage. Stuttgart/Weimar 2004.
- Dieter Kühn: Der Parzival des Wolfram von Eschenbach. Frankfurt am Main. 1997.
- Karl, Emil: Minne und Ritterethik bei Wolfram von Eschenbach. 1952.
- Reichert, Hermann: Wolfram von Eschenbach, "Parzival" für Anfänger. Wien 2007.
- Scheuble, Robert: Mannes manheit, vrouwen meister. Frankfurt am Main 2005.
- Schultz, James A.: Courtly love, the love of courtliness, and the history of sexuality. Chicago 2006.
- Wiegand, Herbert: Studien zur Minne und Ehe in Wolframs Parzival und Hartmanns Artusepik. Marburg 1968.
Quellenverzeichnis
<HarvardReferences/> [*Schröder 1952] Schröder W. J., Der Ritter zwischen Welt und Gott, Idee und Problem des Parzivalromans Wolframs von Eschenbach, Weimar, 1952
[*Braunagel 2000] Braunagel, Robert: Die Frau in der höfischen Epik des Hochmittelalters. Entwicklungen in der literarischen Darstellung und Ausarbeitung weiblicher Handlungsträger. München, 2000.
[*Wikipedia] http://de.wikipedia.org/wiki/Minne
<references>
- ↑ Alle folgenden Versangaben beziehen sich auf die Ausgabe: Wolfram von Eschenbach: Parzival. Text und Übersetzung. Studienausgabe. Mittelhochdeutscher Text nach der sechsten Ausgabe von Karl Lachmann. Übersetzung von Peter Knecht. Mit einer Einführung zum Text der Lachmannschen Ausgabe und in Probleme der 'Parzival'-Interpretation von Bernd Schirok, 2. Aufl., Berlin/ New York 2003.