Genres: Büchlein (Ulrich von Liechtenstein, Frauendienst): Unterschied zwischen den Versionen

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Neben den gesonderten Formtypen in [[Inhaltsangabe "Frauendienst" (Ulrich von Liechtenstein, Frauendienst)|''Frauendienst'']] Ulrichs von Liechtenstein neben den [[Genres: Brief (Ulrich von Liechtenstein, Frauendienst)|Briefen]] und [[Genres: Lied (Ulrich von Liechtenstein, Frauendienst)|Liedern]] stellen drei Büchlein in Reimpaarversen im Umfang von 387, 393 und 379 Versen das ausführlichste selbständige Genre in diesem höfischen Roman dar. Inhaltlich werden in ihnen Ulrichs<ref>Da es im Artikel hauptsächlich um die Figur Ulrich geht, wird    der Name "Ulrich" für die Bezeichnung des Protagonisten verwendet  und  "Ulrich-Autor", wenn es um den historischen Ulrich von  Liechtenstein  geht </ref> Minnebotschaften und Bitten an die Dame gerichtet, die in der aufwendigen Form des Dialogs mit dem personifizierten Brief als Bote im ersten, mit der Minne im zweiten sowie mit dem Herzen und dem Sinn im dritten Büchlein eingeleitet werden. Die Gattung der Büchlein ist, wie die der Briefe, ausschließlich auf den ersten Minnedienst konzentriert.  
Neben den gesonderten Formtypen in [[Inhaltsangabe "Frauendienst" (Ulrich von Liechtenstein, Frauendienst)|''Frauendienst'']] Ulrichs von Liechtenstein neben den [[Genres: Brief (Ulrich von Liechtenstein, Frauendienst)|Briefen]] und [[Genres: Lied (Ulrich von Liechtenstein, Frauendienst)|Liedern]] stellen drei Büchlein in Reimpaarversen im Umfang von 387, 393 und 379 Versen das ausführlichste selbständige Genre in diesem höfischen Roman dar. Inhaltlich werden in ihnen Ulrichs<ref>Da es im Artikel hauptsächlich um die Figur Ulrich geht, wird    der Name "Ulrich" für die Bezeichnung des Protagonisten verwendet  und  "Ulrich-Autor", wenn es um den historischen Ulrich von  Liechtenstein  geht </ref> Minnebotschaften und Bitten an die Dame gerichtet, die in der aufwendigen Form des Dialogs mit dem personifizierten Brief als [[Organisation von Kommunikation durch Boten  (Ulrich von Liechtenstein, Frauendienst)|Bote]] im ersten, mit der Minne im zweiten sowie mit dem Herzen und dem Sinn im dritten Büchlein eingeleitet werden. Die Gattung der Büchlein ist, wie die der Briefe, ausschließlich auf den ersten Minnedienst konzentriert.  
   
   
=Definition=
=Definition=
Das mittelhochdeutsche „bouchelîn, büechelîn, büechel“ übersetzt Matthias Lexer mit den Begriffen „kleines lehrendes oder erzählendes gedicht; gereimtes liebesgedicht“ und „gerichtl. protokoll“ ins Neuhochdeutsche. [Lexer 1992: S. 31] Hendricus Sparnaay erkennt im „Büchlein“ eine „Minnenallegorie“ oder „Rede“, da es ein längerer gereimter Liebesbrief sei, wobei beim Brief didaktische Züge und beim Liebesbrief gewöhnlich lyrische Elemente zu beobachten sind. [Spaarnay 1958: S. 197] Das älteste bekannte Büchlein wurde 1170-1180 in alemannischer Mundart gedichtet und stellt eine ritterliche Tugendlehre dar: „Die vom Dichter des "Heimlichen Boten" vertretene Minneauffassung hält die Mittte zwischen der vorhöfischen der Kaiserchronik und der des älteren Minnesangs. Das Gedicht enthält Liebesregeln für Damen und für Ritter.“ [Spaarnay 1958: S. 197] Auch von Hartmann ist ein Büchlein überliefert, das in der Selbstbezeichnung eine „Klage“ ist und in dem, im Mittelalter beliebten, Gewand des Streitgesprächs zwischen Leib und Herz gestaltet ist. In der „Minne Fürgedanc“, das aus derselben Zeit wie „Frauendienst“ stammt, findet sich eine Tugendlehre und ist auch, ähnlich wie bei Ulrich, in zwei Abschnitte gegliedert: Minnenallegorie einerseits und Briefsteller andererseits.
Das mittelhochdeutsche „bouchelîn, büechelîn, büechel“ übersetzt Matthias Lexer mit den Begriffen „kleines lehrendes oder erzählendes gedicht; gereimtes liebesgedicht“ und „gerichtl. protokoll“ ins Neuhochdeutsche. [Lexer 1992: S. 31] Hendricus Sparnaay erkennt im „Büchlein“ eine „Minnenallegorie“ oder „Rede“, da es ein längerer gereimter Liebesbrief sei, wobei beim Brief didaktische Züge und beim Liebesbrief gewöhnlich lyrische Elemente zu beobachten sind. [Spaarnay 1958: S. 197] Das älteste bekannte Büchlein wurde 1170-1180 in alemannischer Mundart gedichtet und stellt eine ritterliche Tugendlehre dar: „Die vom Dichter des "Heimlichen Boten" vertretene Minneauffassung hält die Mittte zwischen der vorhöfischen der Kaiserchronik und der des älteren Minnesangs. Das Gedicht enthält Liebesregeln für Damen und für Ritter.“ [Spaarnay 1958: S. 197] Auch von Hartmann ist ein Büchlein überliefert, das er als eine „Klage“ bezeichnet und in dem, im Mittelalter beliebten, Gewand des Streitgesprächs zwischen Leib und Herz gestaltet ist. In der „Minne Fürgedanc“, das aus derselben Zeit wie „Frauendienst“ stammt, findet sich eine Tugendlehre und ist auch, ähnlich wie bei Ulrich, in zwei Abschnitte gegliedert: Minnenallegorie einerseits und Briefsteller andererseits.
   
   
= Genremerkmale =
= Genremerkmale =
Alle drei Büchlein im „Frauendienst“ bilden sich im Erzählfortgang aus einer Sachlage gescheiterter Kommunikation zwischen ,Ulrich' und der Dame heraus und sind inhaltlich, ähnlich wie Briefe, mit dem Geschehen verknüpft. Die in ihnen schriftlich fixierten Botschaften werden durch Boten, die sie überbringen, mündlich ergänzt und beeinflussen die Handlungen der beteiligten Figuren. „[D]ie ersten beiden Büchlein reichen außerhalb das Tableau der Kommunikationsmodi an, indem sie in ihrer dialogischen und körperbetonten Ausgestaltung die mündliche Sprechsituation sowie die Nähe der Körper im Raum in den Text des Büchleins einzuschreiben suchen.“ [Kellermann 2009: S. 233]
Alle drei Büchlein im „Frauendienst“ bilden sich im Erzählfortgang aus einer Sachlage gescheiterter Kommunikation zwischen Ulrich und der Dame heraus und sind inhaltlich, ähnlich wie Briefe, mit dem Geschehen verknüpft. Die in ihnen schriftlich fixierten Botschaften werden durch [[Organisation von Kommunikation durch Boten  (Ulrich von Liechtenstein, Frauendienst)|Boten]], die sie überbringen, mündlich ergänzt und beeinflussen die Handlungen der beteiligten Figuren. „[D]ie ersten beiden Büchlein reichen außerhalb das Tableau der Kommunikationsmodi an, indem sie in ihrer dialogischen und körperbetonten Ausgestaltung die mündliche Sprechsituation sowie die Nähe der Körper im Raum in den Text des Büchleins einzuschreiben suchen.“ [Kellermann 2009: S. 233]
   
   
= Medialität der Büchlein =
= Medialität der Büchlein =
Da sich ,Ulrich' als Analphabet präsentiert, wird von ihm ein Helfer eingeführt, „der mir min heinlich [sic!] brieve las/ und ouch min heimlich ofte schreip“ (FD 169). So liegt es nahe, dass die Figur des Ritters alle seine Büchlein diktieren lässt. Wie vor den Briefen und den meisten Liedern ergeht an die Rezipienten der Appell den Inhalt auditiv zu rezipieren und so wird im Lesevorgang ein mündlicher Vortrag inszeniert. Die Art der Interaktion ist in den Büchlein eine anderere, als in den Briefen, denn die Botschaft wird durch die Einführung (fiktiver) Charaktere wesentlich komplexer: Durch das einleitende Gespräch ist die Sprechsituation objektiviert und entindividualisiert sowie der Minne-Appell mittels der ,Autorität' seiner Dialogpartner (Bote, Minne, Herz und Sinn) intensiviert.
Da sich Ulrich als Analphabet präsentiert, wird von ihm ein Helfer eingeführt, „der mir min heinlich brieve las/ und ouch min heimlich ofte schreip“ (FD 169). So liegt es nahe, dass die Figur des Ritters alle seine Büchlein diktieren lässt. Wie vor den Briefen und den meisten Liedern ergeht an die Rezipienten der Appell den Inhalt auditiv zu rezipieren und so wird im Lesevorgang ein mündlicher Vortrag inszeniert. Die Art der Interaktion ist in den Büchlein eine anderere, als in den Briefen, denn die Botschaft wird durch die Einführung (fiktiver) Charaktere wesentlich komplexer: Durch das einleitende Gespräch ist die Sprechsituation objektiviert und entindividualisiert sowie der Minne-Appell mittels der ,Autorität' seiner Dialogpartner ([[Organisation von Kommunikation durch Boten  (Ulrich von Liechtenstein, Frauendienst)|Bote]], Minne, Herz und Sinn) intensiviert.
   
   
== 1. Büchlein ==
== 1. Büchlein ==
=== Inhaltsangabe ===
=== Inhaltsangabe ===
In den Versen 1-234 personifiziert ,Ulrich' das Büchlein als Bote und redet es mit „du“ an, wobei sein Gesprächspartner antwortet. Das Schriftstück soll als Bote die Gunst der Dame 1 erwirken und zwar mittels höfischer Sprachstandards:  
In den Versen 1-234 personifiziert Ulrich das Büchlein als Bote und redet es mit „du“ an, wobei sein Gesprächspartner antwortet. Das Schriftstück soll als [[Organisation von Kommunikation durch Boten  (Ulrich von Liechtenstein, Frauendienst)|Bote]] die Gunst der Dame 1 erwirken und zwar mittels höfischer Sprachstandards:  
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| ir ritter immer gerne bin.|| <span style="color:#FFFFFF"> __________ </span>|| ihr Ritter immer gerne bin.
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Das Büchlein verspricht dies zu tun und sorgt sich gleichzeitig auf Grund seiner „unhöfischen“ Art zum Gespött zu werden (), außerdem fragt es sich wie es der Dame die Hand reichen soll, ohne ein Mann zu sein und selbst dann könnte es dies nicht tun, weil es niemand wissen soll (FD 1. Büchlein 110-117). Darüber hinaus sorgt sich der ,Bote' um seinen Körper, falls die Dame erzürnt sein soll:  
Das Büchlein verspricht dies zu tun und sorgt sich gleichzeitig auf Grund seiner „unhöfischen“ Art zum Gespött zu werden, außerdem fragt es sich wie es der Dame die Hand reichen soll, ohne ein Mann zu sein und selbst dann könnte es dies nicht tun, weil es niemand wissen soll (FD 1. Büchlein 110-117). Darüber hinaus sorgt sich der ,Bote' um seinen Körper, falls die Dame erzürnt sein soll:  
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Sollte die Dame positiv auf die Botschaft reagieren, erwartet das Büchlein eingesperrt zu werden, worauf ,Ulrich' diese Sorgen zu zerstreuen sucht, indem er auf seine Glaubhaftigkeit verweist:  
Sollte die Dame positiv auf die Botschaft reagieren, erwartet das Büchlein eingesperrt zu werden, worauf Ulrich diese Sorgen zu zerstreuen sucht, indem er auf seine Glaubhaftigkeit verweist:  
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Denn „wer solde ruch in den tot/ sinen lieben boten senden?“ (FD 1. Büchlein 149-150). <br>Der Minnende gebietet dem Büchlein zudem unbedingt zu verschweigen, dass der Ritter gerne mit dem ,Boten' tauschen würde, um nahe bei der Dame zu sein und ihr ein Küsschen zu stehlen. Selbst zu fahren ist es ,Ulrich' nicht möglich, so ziehen sein Herz und seine Sinne mit, wobei, wenn der „tumbe gedanc“ zu „deheinen kranc“ verleitet werden sollte, soll der ,Bote' dies in seinem Bericht verheimlichen (FD 1. Büchlein 200-223). Anschließend steht die eigentliche Botschaft aus der Sicht des Büchleins (FD 1. Büchlein 234-322), die dann aus ,Ulrichs' Perspektive wiederholt wird (FD 1. Büchlein 323-387), mit der Bitte um die Gunst der Dame, der entsprechenden Argumentation mit der Wahrheitsbeteuerung in der 3. Ps.: „daz weiz er wol, dem niemen niht geliegen mac.“ (Das weiß der wohl, den niemand je belügen kann) (FD 1. Büchlein, 380, 7) und der Bitte um Antwort.
Denn „wer solde ruch in den tot/ sinen lieben boten senden?“ (FD 1. Büchlein 149-150). <br>Der Minnende gebietet dem Büchlein zudem unbedingt zu verschweigen, dass der Ritter gerne mit dem ,Boten' tauschen würde, um nahe bei der Dame zu sein und ihr ein Küsschen zu stehlen. Selbst zu fahren ist es Ulrich nicht möglich, so ziehen sein Herz und seine Sinne mit, wobei, wenn der „tumbe gedanc“ zu „deheinen kranc“ verleitet werden sollte, soll der ,Bote' dies in seinem Bericht verheimlichen (FD 1. Büchlein 200-223). Anschließend steht die eigentliche Botschaft aus der Sicht des Büchleins (FD 1. Büchlein 234-322), die dann aus Ulrichs Perspektive wiederholt wird (FD 1. Büchlein 323-387), mit der Bitte um die Gunst der Dame, der entsprechenden Argumentation mit der Wahrheitsbeteuerung in der 3. Ps.: „daz weiz er wol, dem niemen niht geliegen mac.“ ("Das weiß der wohl, den niemand je belügen kann") (FD 1. Büchlein, 380, 7) und der Bitte um eine Antwort.


=== Interpretation ===
=== Interpretation ===
Durch die Gestaltung eines imaginierten Raums im Medium der Schrift werden das Ineinandergreifen der medialen Vermittlung der Mündlichkeit und der Schriftlichkeit thematisiert – Ulrich möchte durch den Mund des Büchleins sprechen und erwartet eine (mündliche?) Botschaft der Dame, wiederum empfangen durch den Mund seines schriftlichen ,Boten'. Gleichzeitig wird die Körperlichkeit im Medium der Schrift<ref>Das invertierte Verhältnis von Körper und Schrift, d. h. das Einschreiben in den Körper, wurde in der mittelalterlichen Geistlichkeit zum transzendentalen Ereignis. Früh- und hochmittelalterliche Exegeten formulierten die unbefleckte Empfängnis als einen Schreibakt: „Marias unbefleckten Schoß habe Gott als Schreibstoff benutzt, den Heiligen Geist als Schreiber. […] In der Menschwerdung hatte Gottes Wort leibhaftige Gestalt angenommen.“ Sogar der gemarterte Körper Christus nach der Passion, genauer seine Haut, wurde als Schrift-Material (Urkunde) aufgefasst und sein Leben als das erste Evangelium angesehen. Er habe:  
Durch die Gestaltung eines imaginierten Raums im Medium der Schrift werden das Ineinandergreifen der medialen Vermittlung der Mündlichkeit und der Schriftlichkeit thematisiert – Ulrich möchte durch den Mund des Büchleins sprechen und erwartet eine (mündliche?) Botschaft der Dame, wiederum empfangen durch den Mund seines schriftlichen ,Boten'. Gleichzeitig wird die Körperlichkeit im Medium der Schrift<ref>Das invertierte Verhältnis von Körper und Schrift, d. h. das Einschreiben in den Körper, wurde in der mittelalterlichen Geistlichkeit zum transzendentalen Ereignis. Früh- und hochmittelalterliche Exegeten formulierten die unbefleckte Empfängnis als einen Schreibakt: „Marias unbefleckten Schoß habe Gott als Schreibstoff benutzt, den Heiligen Geist als Schreiber. […] In der Menschwerdung hatte Gottes Wort leibhaftige Gestalt angenommen.“ Sogar der gemarterte Körper Christus nach der Passion, genauer seine Haut, wurde als Schrift-Material (Urkunde) aufgefasst und sein Leben als das erste Evangelium angesehen. Er habe:  
„die geschrifft der chlainen swarzen pouchstaben [litterae minores et nigrae] gehabt. [Die] groszen roten puochstaben [litterae rubeae et capitales] bedewttent die wunden, die im mit den nageln und sper durch seinen heyligen leichnam gestochen wurden. […] punckt und stricklein der virgeln [puncta et virgulae] die loechlein durchstochen mit der durneyn kron […].“ Aus: Schreiner, Klaus: „Göttliche Schreibkunst“. Eigenhändige Aufzeichnungen Gottes, Jesu und Mariä. Schriftlichkeit in heilsgeschichtlichen Kontexten. In: Frühmittelalterliche Studien 36 (2002). S. 116. und zit. nach Küsters, Urban: Narbenschriften. Zur religiösen Literatur des Spätmittelalters. In Müller, Jan-Dirk/ Wenzel, Horst (Hg.): Mittelalter. Neue Wege durch einen alten Kontinent. Stuttgart/ Leipzig 1999. S. 84. Zit. nach ebd. S. 116.</ref> und auch in der Übermittlung durch den ,Boten' problematisiert: ,Ulrich' selbst ist es unmöglich seiner Angebeteten nahe zu sein, so personifiziert er das Büchlein zum Boten, der sich, wie ein Mensch, um seine körperliche Unversehrtheit sorgt. Die zu erwartenden Strafen (verbrannt, zerschnitten, gevierteilt oder eingesperrt werden) sind im Mittelalter übliche Strafen. Durch die Art der Bestrafung und auch durch die Emotion der Angst gewinnt das Büchlein, neben der individuellen Anrede, an persönlichen Zügen. Durch diese narrative Mittel wird der Wunsch des Ritters, den Platz des Büchleins einzunehmen, vorstellbar, da der Sender und der Bote beide als Subjekte inszeniert sind. Doch sie sind in ihrer körperlichen Beschaffenheit verschieden: Während das Büchlein der Dame die Hand nicht reichen kann, da es kein Mann ist, könnte ,Ulrich' dieser Frau ein Küsschen stehlen. Da aber beide körperlichen Annäherungen nicht dem höfischen Kodex (=Buch) entsprechen würden, könnte dieser Minnedienst in Gefahr sein und sogar abgelehnt werden, somit ist die schriftliche Botschaft die beste Kommunikationsart für den Minnenden.
„die geschrifft der chlainen swarzen pouchstaben [litterae minores et nigrae] gehabt. [Die] groszen roten puochstaben [litterae rubeae et capitales] bedewttent die wunden, die im mit den nageln und sper durch seinen heyligen leichnam gestochen wurden. […] punckt und stricklein der virgeln [puncta et virgulae] die loechlein durchstochen mit der durneyn kron […].“ Aus: Schreiner, Klaus: „Göttliche Schreibkunst“. Eigenhändige Aufzeichnungen Gottes, Jesu und Mariä. Schriftlichkeit in heilsgeschichtlichen Kontexten. In: Frühmittelalterliche Studien 36 (2002). S. 116. und zit. nach Küsters, Urban: Narbenschriften. Zur religiösen Literatur des Spätmittelalters. In Müller, Jan-Dirk/ Wenzel, Horst (Hg.): Mittelalter. Neue Wege durch einen alten Kontinent. Stuttgart/ Leipzig 1999. S. 84. Zit. nach ebd. S. 116.</ref> und auch in der Übermittlung durch den ,Boten' problematisiert: Ulrich selbst ist es unmöglich seiner Angebeteten nahe zu sein, so personifiziert er das Büchlein zum Boten, der sich, wie ein Mensch, um seine körperliche Unversehrtheit sorgt. Die zu erwartenden Strafen (verbrannt, zerschnitten, gevierteilt oder eingesperrt werden) sind im Mittelalter übliche Strafen. Neben der individuellen Anrede gewinnt das Büchlein auch durch die Art der zu erwartenden Bestrafung und durch die Emotion der Angst an persönlichen Zügen. Durch diese narrative Mittel wird der Wunsch des Ritters, den Platz des Büchleins einzunehmen, vorstellbar, da der Sender und der ,Bote' beide als Subjekte inszeniert sind. Doch sie sind in ihrer körperlichen Beschaffenheit verschieden: Während das Büchlein der Dame die Hand nicht reichen kann, da es kein Mann ist, könnte Ulrich dieser Frau ein Küsschen stehlen. Da aber beide körperlichen Annäherungen nicht dem höfischen Kodex (=Buch) entsprechen würden, könnte dieser Minnedienst in Gefahr sein und sogar abgelehnt werden, somit ist die schriftliche Botschaft die beste Kommunikationsart für den Minnenden.
   
   
   
   
Auch außerhalb des Büchlein-Textes ist die Körperlichkeit präsent: Der reale Bote teilt der Dame mit, dass das Büchlein als Stundenbuch für die Nacht bestimmt ist (FD 162). Wenn aber das Medium, wie dargelegt, auf einer abstrakten Ebene mit der körperlichen Präsenz von Ulrichs Körper aufgeladen ist, ist der Ritter auf dieser Ebene seiner Dame körperlich in den Abendstunden nah. Dadurch erfährt das Medium erotischen Mehrwert – einerseits ,lagert' Ulrich seinen ,Körper' in den Gemächern der Dame, andererseits dient ihm das zurückgesandte Büchlein als Liebessurrogat (er trägt es bei sich, als er auf seinen Schreiber wartet, der ihm den Inhalt der Botschaft vorliest) und steht in der Tradition des Liebespfandes. [Kellermann 2009: S. 225-226] Auch die Ursache für die Produktion des Büchleins ist körperlicher Natur, da Ulrichs (körperliche) Redefähigkeit beim ersten Treffen versagt, soll nun die Schrift sprechen.
Auch außerhalb des Büchlein-Textes ist die Körperlichkeit präsent: Der reale [[Organisation von Kommunikation durch Boten  (Ulrich von Liechtenstein, Frauendienst)|Bote]] teilt der Dame mit, dass das Büchlein als Stundenbuch für die Nacht bestimmt ist (FD 162). Wenn aber das Medium, wie dargelegt, auf einer abstrakten Ebene mit der körperlichen Präsenz von Ulrichs Körper aufgeladen ist, ist der Ritter auf dieser Ebene seiner Dame körperlich in den Abendstunden nah. Dadurch erfährt das Medium erotischen Mehrwert – einerseits ,lagert' Ulrich seinen ,Körper' in den Gemächern der Dame, andererseits dient ihm das zurückgesandte Büchlein als Liebessurrogat (er trägt es bei sich, als er auf seinen Schreiber wartet, der ihm den Inhalt der Botschaft vorliest) und steht in der Tradition des Liebespfandes. [Kellermann 2009: S. 225-226] Auch die Ursache für die Produktion des Büchleins ist körperlicher Natur: Da Ulrichs (körperliche) Redefähigkeit beim ersten Treffen versagt, soll nun die Schrift sprechen.
   
   
   
   
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=== Interpretation ===  
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Im 2. Büchlein ist die Korrelation von Schrift und Körper ebenfalls präsent – die Körperlichkeit nimmt sogar die Ausgangslage für das Verfassen des Textes ein und ein Teil von Ulrichs Gliedmaßen begleitet die Sendung. Die Ursache der künstlerischen Produktion ist das Ereignis, in dem die Herrin 1 Ulrichs Boten verschmäht und die Botschaft, Ulrich habe ihn ihrem Dienst seinen [[Die Fingerepisode (Ulrich von Liechtenstein, Frauendienst)|Finger]] verloren, für eine Lüge hält. Der abgeschlagene und mitgesandte Finger <ref> Auch hier könnte ein Verweis auf die Tradition der mittelalterlichen Geistlichkeit liegen und der Finger von Ulrichs Schwert- und Schwurhand den schreibenden und schaffenden Finger Gottes symbolisieren: „Um das christliche Gottesbild durch antropomorphe Züge zu entstellen, machten Schriftausleger der spätantiken und mittelalterlichen Kirche aus dem schreibenden Finger Gottes eine geistliche Metapher. Allegorisierung tat not, wenn frühchristliche Theologen glaubten, den Nachweis führen zu sollen, daß Gott keine Hände, keine Füße und Finger besitzt und auch keine Seele hat wie ein aus Geist und Körper zusammengesetztes Lebewesen. Einen Anknüpfungspunkt zur Entmaterialisierung des göttlichen Fingers bot das von dem Evangelisten Lukas überlieferte Jesuslogion, wonach Jesus von sich selber sagte, daß er „durch den Finger Gottes“ Dämonen austreibe (Lk 11,20). […] Hieronymus verwies bei der Auslegung von Mt 12,28 auf die Lukasparallele (11,20) und stellte fest: Der Finger Gottes sei der Heilige Geist (Spiritus sanctus).“ Aus: Schreiner, Klaus: „Göttliche Schreibkunst“. Eigenhändige Aufzeichnungen Gottes, Jesu und Mariä. Schriftlichkeit in heilsgeschichtlichen Kontexten. In: Frühmittelalterliche Studien 36 (2002). S. 97.</ref> ist einerseits Kombination von Augenscheinbeweis mit Schriftlichkeit [Kellermann 2009: S. 230], andererseits wird die Botschaft durch den sprichwörtlichen Fingerzeig [Kellermann 2009: S. 228] intensiviert und verweist auf die Körperlichkeit der Schrift ähnlich wie im 1. Büchlein. Nach Kellermann erfüllt der Finger folgende Funktionen – er ist Bote, Reliquie des Minnemärtyrers und dient gleichzeitig als Synekdoche des Minneritters. Da die Dame1 das Büchlein nach der Rezeption in einer Schublade verwahrt hält, erfüllt sich die Befürchtung des 1. Büchleins, dessen Körper tatsächlich gelitten hat, – der fiktive Bote wird, sowohl als Finger als auch als Text, lebendig begraben. Dies bedeutet aber auch ein ehrendes Gedenken für den kleinen Minneritter: Er beginnt ein neues Leben in der Memoria. [Kellermann 2009: S. 229-230]
Im 2. Büchlein ist die Korrelation von Schrift und Körper ebenfalls präsent – die Körperlichkeit nimmt sogar die Ausgangslage für das Verfassen des Textes ein und ein Teil von Ulrichs Gliedmaßen begleitet die Sendung. Die Ursache der künstlerischen Produktion ist das Ereignis, in dem die Herrin 1 Ulrichs Boten verschmäht und die Botschaft, Ulrich habe in ihrem Dienst seinen [[Die Fingerepisode (Ulrich von Liechtenstein, Frauendienst)|Finger]] verloren, für eine Lüge hält. Der abgeschlagene und mitgesandte Finger <ref> Auch hier könnte ein Verweis auf die Tradition der mittelalterlichen Geistlichkeit liegen und der Finger von Ulrichs Schwert- und Schwurhand den schreibenden und schaffenden Finger Gottes symbolisieren: „Um das christliche Gottesbild durch antropomorphe Züge zu entstellen, machten Schriftausleger der spätantiken und mittelalterlichen Kirche aus dem schreibenden Finger Gottes eine geistliche Metapher. Allegorisierung tat not, wenn frühchristliche Theologen glaubten, den Nachweis führen zu sollen, daß Gott keine Hände, keine Füße und Finger besitzt und auch keine Seele hat wie ein aus Geist und Körper zusammengesetztes Lebewesen. Einen Anknüpfungspunkt zur Entmaterialisierung des göttlichen Fingers bot das von dem Evangelisten Lukas überlieferte Jesuslogion, wonach Jesus von sich selber sagte, daß er „durch den Finger Gottes“ Dämonen austreibe (Lk 11,20). […] Hieronymus verwies bei der Auslegung von Mt 12,28 auf die Lukasparallele (11,20) und stellte fest: Der Finger Gottes sei der Heilige Geist (Spiritus sanctus).“ Aus: Schreiner, Klaus: „Göttliche Schreibkunst“. Eigenhändige Aufzeichnungen Gottes, Jesu und Mariä. Schriftlichkeit in heilsgeschichtlichen Kontexten. In: Frühmittelalterliche Studien 36 (2002). S. 97.</ref> ist einerseits Kombination von Augenscheinbeweis mit Schriftlichkeit [Kellermann 2009: S. 230], andererseits wird die Botschaft durch den sprichwörtlichen Fingerzeig [Kellermann 2009: S. 228] intensiviert und verweist auf die Körperlichkeit der Schrift, ähnlich wie im 1. Büchlein. Nach Kellermann erfüllt der Finger folgende Funktionen – er ist Bote, Reliquie des Minnemärtyrers und dient gleichzeitig als Synekdoche des Minneritters. Da die Dame 1 das Büchlein nach der Rezeption in einer Schublade verwahrt hält, erfüllt sich die Befürchtung des 1. Büchleins, dessen Körper tatsächlich gelitten hat (FD, 2. Büchlein, 112-116), – der fiktive Bote wird, sowohl als Finger als auch als Text, lebendig begraben. Dies bedeutet aber auch ein ehrendes Gedenken für den kleinen Minneritter: Er beginnt ein neues Leben in der Memoria. [Kellermann 2009: S. 229-230]
   
   
   
   
Das 2. Büchlein steht mehr als das 1. in der Tradition des didaktischen Lehrgedichts: Die Frau Minne lehrt Ulrich welche Tugenden er besitzen muss, um Damen zu gefallen (Treue und Beständigkeit) und beschreibt am Schluss die höfischen Gepflogenheiten, an die sich der Minneritter zu halten hat. Außerdem rät sie ihm nicht zu lügen und nicht zu schmeicheln sowie sich einen ehrlichen Boten zu nehmen. Da der Begriff „Bote“ in diesem Zusammenhang sowohl für den realen Boten, als auch für den gesandten Text stehen kann, entsteht die Frage, ob die Botschaft im tatsächlichen Sinn besser in der Schriftlichkeit oder in der Mündlichkeit zu vermitteln ist. Der von Ulrich angezeigte Umstand spiegelt die zeitgenössische Situation eines Medienwandels wieder. Für die Entstehung der schriftlichen Botschaften (zu denen auch Ulrichs Büchlein zählen dürften) werden in der „Oberitalienischen Gemma Aurea“ um 1130 drei Gründe genannt: „Um Nachrichten geheim zu halten, um der Unzulänglichkeiten der Boten zu begegnen und um unter voneinander Abwesenden ein Gespräch stattfinden zu lassen, als wären sie gegenwärtig.“ Im 13. Jahrhundert, also zur Zeit Ulrichs, wird diese Tradition in den Brieftraktaten fortgesetzt und auch Ludolf von Hildesheim führt die gleichen Aspekte an, warum eine schriftliche Botschaft zu präferieren sei: „Geheimhaltungsabsicht, Nachlässigkeit der Boten und Gesprächsersatz. Interessant bei ihm ist aber vor allem der Gedanke der Unmittelbarkeit mündlicher Rede (viva voce), die bei räumlicher Trennung der Gesprächspartner entfällt und daher des Briefes als eines Mediums bedarf (aliquo medio loqueretur), mit dem der Absender seine Absicht dem Empfänger „vermitteln“ kann.“ [Herold 2003: S. 272-273]. Es ist vorstellbar, dass Ulrich im Sinne dieser Tradition das Gespräch mit der Minne auf das Gespräch mit seiner Angebeteten überträgt, um ihr durch diese Kommunikationsart körperlich nahe zu sein.
Das 2. Büchlein ist mehr als das 1. in der Tradition des didaktischen Lehrgedichts verpflichtet: Die Frau Minne lehrt Ulrich welche Tugenden er besitzen muss, um Damen zu gefallen (Treue und Beständigkeit) und beschreibt am Schluss die höfischen Gepflogenheiten, an die sich der Minneritter zu halten hat. Außerdem rät sie ihm nicht zu lügen und nicht zu schmeicheln sowie sich einen ehrlichen Boten zu nehmen. Da der Begriff „Bote“ in diesem Zusammenhang sowohl für den realen Boten, als auch für den gesandten Text stehen kann, entsteht die Frage, ob die Botschaft in der tatsächlichen Bedeutung besser in der Schriftlichkeit oder in der Mündlichkeit zu vermitteln ist. Der von Ulrich angezeigte Umstand spiegelt die zeitgenössische Situation eines Medienwandels wieder. Für die Entstehung der schriftlichen Botschaften (zu denen auch Ulrichs Büchlein zählen dürften) werden in der „Oberitalienischen Gemma Aurea“ um 1130 drei Gründe genannt: „Um Nachrichten geheim zu halten, um der Unzulänglichkeiten der Boten zu begegnen und um unter voneinander Abwesenden ein Gespräch stattfinden zu lassen, als wären sie gegenwärtig.“ Im 13. Jahrhundert, also zur Zeit Ulrichs, wird diese Tradition in den Brieftraktaten fortgesetzt und auch Ludolf von Hildesheim führt die gleichen Aspekte an, warum eine schriftliche Botschaft zu präferieren sei: „Geheimhaltungsabsicht, Nachlässigkeit der Boten und Gesprächsersatz. Interessant bei ihm ist aber vor allem der Gedanke der Unmittelbarkeit mündlicher Rede (viva voce), die bei räumlicher Trennung der Gesprächspartner entfällt und daher des Briefes als eines Mediums bedarf (aliquo medio loqueretur), mit dem der Absender seine Absicht dem Empfänger „vermitteln“ kann.“ [Herold 2003: S. 272-273]. Es ist vorstellbar, dass Ulrich im Sinne dieser Tradition das Gespräch mit der Minne auf das Gespräch mit seiner Angebeteten überträgt, um ihr durch diese Kommunikationsart körperlich nahe zu sein.
   
   
   
   
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Im weiteren Verlauf übermittelt er die besten Wünsche an die Herrin1, in dem er sie in der 3. Ps. Sg. anspricht. Gefolgt wird dies durch die direkte Anrede, in der er sich für den erhaltenen Lohn bedankt. Der Minnedichter vergleicht sich mit Tantalus und dem berühmten Alexander, die ein ähnlich schweres Schicksal getroffen habe, denn er plant eine heilige Fahrt als Minnedienst und bedankt sich für diese Ehre. Das Herz erwidert skeptisch:  
Im weiteren Verlauf übermittelt er die besten Wünsche an die Herrin 1, in dem er sie in der 3. Ps. Sg. anspricht. Gefolgt wird dies durch die direkte Anrede, in der er sich für den erhaltenen Lohn bedankt. Der Minnedichter vergleicht sich mit Tantalus und dem berühmten Alexander, die ein ähnlich schweres Schicksal getroffen habe, denn er plant eine heilige Fahrt als Minnedienst und bedankt sich für diese Ehre. Das Herz erwidert skeptisch:  


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Daraufhin bezeichnet Ulrich das Herz als dumm und verbietet weitere dumme Fragen. Der Minnende sagt zu seinen Gesprächspartnern, er sei glücklich, vom Willen seiner Angebeteten zu erfahren und plant die Fahrt für sie und für Gott. Es folgt eine weitere direkte Anrede an die Herrin1, in der er über seine Pläne berichtet und fragt wie die Reise genau ablaufen soll. Er verspricht, alles nach ihrem Wunsch auszuführen und die Fahrt ihr oder Christus zu widmen, im letzteren Fall muss die Dame verzichten. Ulrich bittet sie um Segen, denn einen anderen Schutz brauche er nicht, und definiert den Segen zugleich:  
Daraufhin bezeichnet Ulrich das Herz als dumm und verbietet weitere dumme Fragen. Der Minnende sagt zu seinen Gesprächspartnern, er sei glücklich, vom Willen seiner Angebeteten zu erfahren und plant die Fahrt für sie und für Gott. Es folgt eine weitere direkte Anrede an die Herrin 1, in der er über seine Pläne berichtet und fragt wie die Reise genau ablaufen soll. Er verspricht, alles nach ihrem Wunsch auszuführen und die Fahrt ihr oder Christus zu widmen, im letzteren Fall müsse die Dame verzichten. Ulrich bittet sie um Segen, denn einen anderen Schutz brauche er nicht, und definiert den Segen zugleich:  
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Außerdem bittet er sie gleichzeitig auch um einen Kuss als Pfand für die Reise, den niemand sehen soll:  
Außerdem bittet er sie gleichzeitig auch um einen Kuss als Pfand für die Reise, den aber niemand sehen soll:  


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=== Interpretation ===
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Die Rezeption des Büchleins im Privaten hinterlässt einen positiven Eindruck bei der Dame (FD 1337). Die Produktion des 3. Büchleins steht am Wendepunkt des Geschehens: Die Dame gewährt Ulrich den Minnedienst an ihr und fordert ihn auf, eine Heilige Fahrt zu unternehmen (FD 1320) und verspricht ihm Lohn dafür. Der Bote warnt Ulrich vor Gefahren der Reise, die entweder einen Kreuzzug oder eine Pilgerfahrt symbolisieren soll: Kein Mann zuvor habe diese Fahrt unternommen, für keine noch so schöne Frau.  
Die Rezeption des Büchleins im Privaten hinterlässt einen positiven Eindruck bei der Dame (FD 1337). Die Produktion des 3. Büchleins steht am Wendepunkt des Geschehens: Die Dame gewährt Ulrich den Minnedienst an ihr, fordert ihn auf, eine Heilige Fahrt zu unternehmen (FD 1320) und verspricht ihm Lohn dafür. Der [[Organisation von Kommunikation durch Boten  (Ulrich von Liechtenstein, Frauendienst)|Bote]] warnt Ulrich vor Gefahren der Reise, die entweder einen Kreuzzug oder eine Pilgerfahrt symbolisieren soll: Kein Mann zuvor habe diese Fahrt unternommen, für keine noch so schöne Frau. Ulrich übernimmt den Topos des Streitgesprächs zwischen dem Herzen und dem Leib aus Hartmanns „Büchlein/Klage“ und entwickelt ihn weiter. Ulrich streitet selbst als Subjekt mit den Gesprächspartnern, wobei nur das Herz gegen Ulrichs Pläne einer Fahrt protestiert. Ulrich personifiziert das Herz, in dem er es als dumm bezeichnet. Die Tatsache, das Herz könnte rational sein, widerspricht der gängigen Meinung, das Organ wäre der Sitz der Gefühle. Der Sinn, der eher für das Geistige stehen würde, meldet sich überhaupt nicht zu Wort. Auch hier wird die Körperlichkeit in der Schrift thematisiert: Ulrich bittet die Dame um einen Gruß sowie einen Kuss  
Ulrich übernimmt den Topos des Streitgesprächs zwischen dem Herzen und dem Leib aus Hartmanns „Büchlein/Klage“ und entwickelt ihn weiter. Ulrich streitet selbst als Subjekt mit den Gesprächspartnern, wobei nur das Herz gegen Ulrichs Pläne einer Fahrt protestiert. Ulrich personifiziert das Herz, in dem er es als dumm bezeichnet. Die Tatsache, das Herz könnte rational sein, widerspricht der gängigen Meinung, das Organ wäre der Sitz der Gefühle. Der Sinn , der eher für das Geistige stehen würde, meldet sich überhaupt nicht zu Wort. Auch hier wird die Körperlichkeit in der Schrift thematisiert: Ulrich bittet die Dame um einen Gruß und Kuss und wünscht, sich ihr alleine körperlich nähern zu dürfen, denn er erwartet ein real stattfindendes Treffen. Interessant ist die Wahl der Zielperson, welcher die Heilige Fahrt gewidmet wird – entweder ist es Christus oder es ist die Dame, scheinbar sind sie für den Verfasser von selbem Wert.  
und wünscht, sich ihr tête-à-tête nähern zu dürfen, denn er erwartet ein real stattfindendes Treffen. Interessant ist die Wahl der Zielperson, welcher die Heilige Fahrt gewidmet wird – entweder ist es Christus oder es ist die Dame, scheinbar sind sie für den Ritter gleichwertig.  




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== Sekundärliteratur ==
== Sekundärliteratur ==
<HarvardReferences />
 
* [*Herold 2003] Herold, Jürgen: Empfangsorientierung als Strukturprinzip. In: Spieß, Karl-Heinz (Hg.): Medien der Kommunikation im Mittelalter (Beiträge zur Kommunikationsgeschichte Bd. 15). Stuttgart 2003. S. 272.
* [*Herold 2003] Herold, Jürgen: Empfangsorientierung als Strukturprinzip. In: Spieß, Karl-Heinz (Hg.): Medien der Kommunikation im Mittelalter (Beiträge zur Kommunikationsgeschichte Bd. 15). Stuttgart 2003. S. 272.
* [*Kellermann 2009] Kellermann, Karina: Kommunikation und Medialität. Ulrichs von Liechtenstein Frauendienst als mediales Labor. In: Linden, Sandra/ Young, Christopher (Hgg.): Ulrich von Liechtenstein. Leben – Zeit – Werk – Forschung. Cambridge/ Tübingen 2009.
* [*Kellermann 2009] Kellermann, Karina: Kommunikation und Medialität. Ulrichs von Liechtenstein Frauendienst als mediales Labor. In: Linden, Sandra/ Young, Christopher (Hgg.): Ulrich von Liechtenstein. Leben – Zeit – Werk – Forschung. Cambridge/ Tübingen 2009.
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[[Kategorie:Literarische Gattung]]
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Aktuelle Version vom 18. April 2024, 14:30 Uhr


Neben den gesonderten Formtypen in Frauendienst Ulrichs von Liechtenstein neben den Briefen und Liedern stellen drei Büchlein in Reimpaarversen im Umfang von 387, 393 und 379 Versen das ausführlichste selbständige Genre in diesem höfischen Roman dar. Inhaltlich werden in ihnen Ulrichs[1] Minnebotschaften und Bitten an die Dame gerichtet, die in der aufwendigen Form des Dialogs mit dem personifizierten Brief als Bote im ersten, mit der Minne im zweiten sowie mit dem Herzen und dem Sinn im dritten Büchlein eingeleitet werden. Die Gattung der Büchlein ist, wie die der Briefe, ausschließlich auf den ersten Minnedienst konzentriert.

Definition

Das mittelhochdeutsche „bouchelîn, büechelîn, büechel“ übersetzt Matthias Lexer mit den Begriffen „kleines lehrendes oder erzählendes gedicht; gereimtes liebesgedicht“ und „gerichtl. protokoll“ ins Neuhochdeutsche. [Lexer 1992: S. 31] Hendricus Sparnaay erkennt im „Büchlein“ eine „Minnenallegorie“ oder „Rede“, da es ein längerer gereimter Liebesbrief sei, wobei beim Brief didaktische Züge und beim Liebesbrief gewöhnlich lyrische Elemente zu beobachten sind. [Spaarnay 1958: S. 197] Das älteste bekannte Büchlein wurde 1170-1180 in alemannischer Mundart gedichtet und stellt eine ritterliche Tugendlehre dar: „Die vom Dichter des "Heimlichen Boten" vertretene Minneauffassung hält die Mittte zwischen der vorhöfischen der Kaiserchronik und der des älteren Minnesangs. Das Gedicht enthält Liebesregeln für Damen und für Ritter.“ [Spaarnay 1958: S. 197] Auch von Hartmann ist ein Büchlein überliefert, das er als eine „Klage“ bezeichnet und in dem, im Mittelalter beliebten, Gewand des Streitgesprächs zwischen Leib und Herz gestaltet ist. In der „Minne Fürgedanc“, das aus derselben Zeit wie „Frauendienst“ stammt, findet sich eine Tugendlehre und ist auch, ähnlich wie bei Ulrich, in zwei Abschnitte gegliedert: Minnenallegorie einerseits und Briefsteller andererseits.

Genremerkmale

Alle drei Büchlein im „Frauendienst“ bilden sich im Erzählfortgang aus einer Sachlage gescheiterter Kommunikation zwischen Ulrich und der Dame heraus und sind inhaltlich, ähnlich wie Briefe, mit dem Geschehen verknüpft. Die in ihnen schriftlich fixierten Botschaften werden durch Boten, die sie überbringen, mündlich ergänzt und beeinflussen die Handlungen der beteiligten Figuren. „[D]ie ersten beiden Büchlein reichen außerhalb das Tableau der Kommunikationsmodi an, indem sie in ihrer dialogischen und körperbetonten Ausgestaltung die mündliche Sprechsituation sowie die Nähe der Körper im Raum in den Text des Büchleins einzuschreiben suchen.“ [Kellermann 2009: S. 233]

Medialität der Büchlein

Da sich Ulrich als Analphabet präsentiert, wird von ihm ein Helfer eingeführt, „der mir min heinlich brieve las/ und ouch min heimlich ofte schreip“ (FD 169). So liegt es nahe, dass die Figur des Ritters alle seine Büchlein diktieren lässt. Wie vor den Briefen und den meisten Liedern ergeht an die Rezipienten der Appell den Inhalt auditiv zu rezipieren und so wird im Lesevorgang ein mündlicher Vortrag inszeniert. Die Art der Interaktion ist in den Büchlein eine anderere, als in den Briefen, denn die Botschaft wird durch die Einführung (fiktiver) Charaktere wesentlich komplexer: Durch das einleitende Gespräch ist die Sprechsituation objektiviert und entindividualisiert sowie der Minne-Appell mittels der ,Autorität' seiner Dialogpartner (Bote, Minne, Herz und Sinn) intensiviert.

1. Büchlein

Inhaltsangabe

In den Versen 1-234 personifiziert Ulrich das Büchlein als Bote und redet es mit „du“ an, wobei sein Gesprächspartner antwortet. Das Schriftstück soll als Bote die Gunst der Dame 1 erwirken und zwar mittels höfischer Sprachstandards:

Mittelhochdeutsches Original (FD 1. Büchlein 1-5) : __________ Neuhochdeutsche Übersetzung:
Dins gelückes walde got, __________ Zu deinem Glücke walte Gott,
vil kleines puoch, getriuwer bot, __________ du kleines Buch, getreuer Bot,
daz du saeliclich gevarst, __________ daß du recht glücklich also fährst
und din zuht wol bewarst __________ und deine Höfischkeit behältst
mit rede als ein man ze hove sol! __________ im Wort wie man bei Hofe soll!

Das gute Benehmen des ,Boten' würde sowohl Ulrich, als auch dem Büchlein nützen: „und kanstu da geparen wol,/ des han ich frum, du ere/ ane zwivel immer mere.“ (Und kannst du dich benehmen gut,/ das nützt mir sehr und du hast so/ ein Anseh'n ohne Zweifel auch.) (FD 1. Büchlein 6-7), außerdem wird der beschriftete ,Bote' [1] seine Angebetete erblicken, wenn er sie richtig anschaut. Er soll der Dame sagen und nicht verschweigen

Mittelhochdeutsches Original (FD 1. Büchlein 61-64) : __________ Neuhochdeutsche Übersetzung:
mins gernden willen, den ich trage __________ von meinem Willen, den ich heg'
gegen ir genaden mange tage __________ für ihre Gunst die vielen Tage,
und daz ich uf ir genaden gewin __________ und daß ich hoffend auf die Gnad'
ir ritter immer gerne bin. __________ ihr Ritter immer gerne bin.

Das Büchlein verspricht dies zu tun und sorgt sich gleichzeitig auf Grund seiner „unhöfischen“ Art zum Gespött zu werden, außerdem fragt es sich wie es der Dame die Hand reichen soll, ohne ein Mann zu sein und selbst dann könnte es dies nicht tun, weil es niemand wissen soll (FD 1. Büchlein 110-117). Darüber hinaus sorgt sich der ,Bote' um seinen Körper, falls die Dame erzürnt sein soll:

Mittelhochdeutsches Original (FD 1. Büchlein 118-131) : __________ Neuhochdeutsche Übersetzung:
wan zürnet si die botschaft, __________ Vielleicht zürnt sie die Botschaft nur,
si hat den gewalt und ouch die kraft, __________ sie hat doch über mich Gewalt,
(so wol erkenne ich vrowen zorn) __________ (so gut kenn' ich der Damen Zorn)
daz ich daz leben han verlorn. __________ daß ich das Leben noch verlier'.
sie gepieutet über mich zehant __________ Gebietet über mich danach
in ir zorn, daz ich verbrant. __________ ihr wilder Zorn, dann gnad' mir Gott:
werde uf einem roste. __________ ich werde auf dem Rost verbrannt.
wer chumt mir da ze troste? __________ Wer hilft mir dann in dieser Not?
oder mir geschiht zu liden __________ Ich werde auch vielleicht gequält,
von ir ein solhez sniden, __________ man schneidet mich ganz fürchterlich,
daz nimmer geheilet. __________ sodaß ich nie mehr werd' gesund.
Baz dann gevierteilet, __________ Vielleicht werd' gevierteilt auch
klein als daz in der sunne vert __________ und aufgeteilt viel kleiner noch,
ist mir vil liht alda beschert“ __________ das alles steht mir doch bevor.

Sollte die Dame positiv auf die Botschaft reagieren, erwartet das Büchlein eingesperrt zu werden, worauf Ulrich diese Sorgen zu zerstreuen sucht, indem er auf seine Glaubhaftigkeit verweist:

Mittelhochdeutsches Original (FD 1. Büchlein 157-159) : __________ Neuhochdeutsche Übersetzung:
„ez wirt dir erboten daz __________ Man wird dich dort empfangen so
danne ob du waerst des keisers kint - __________ als ob du wärst des Kaisers Kind -
so rehte groz ir tugent sint.“ __________ so groß ist doch ihr Edelmut

Denn „wer solde ruch in den tot/ sinen lieben boten senden?“ (FD 1. Büchlein 149-150).
Der Minnende gebietet dem Büchlein zudem unbedingt zu verschweigen, dass der Ritter gerne mit dem ,Boten' tauschen würde, um nahe bei der Dame zu sein und ihr ein Küsschen zu stehlen. Selbst zu fahren ist es Ulrich nicht möglich, so ziehen sein Herz und seine Sinne mit, wobei, wenn der „tumbe gedanc“ zu „deheinen kranc“ verleitet werden sollte, soll der ,Bote' dies in seinem Bericht verheimlichen (FD 1. Büchlein 200-223). Anschließend steht die eigentliche Botschaft aus der Sicht des Büchleins (FD 1. Büchlein 234-322), die dann aus Ulrichs Perspektive wiederholt wird (FD 1. Büchlein 323-387), mit der Bitte um die Gunst der Dame, der entsprechenden Argumentation mit der Wahrheitsbeteuerung in der 3. Ps.: „daz weiz er wol, dem niemen niht geliegen mac.“ ("Das weiß der wohl, den niemand je belügen kann") (FD 1. Büchlein, 380, 7) und der Bitte um eine Antwort.

Interpretation

Durch die Gestaltung eines imaginierten Raums im Medium der Schrift werden das Ineinandergreifen der medialen Vermittlung der Mündlichkeit und der Schriftlichkeit thematisiert – Ulrich möchte durch den Mund des Büchleins sprechen und erwartet eine (mündliche?) Botschaft der Dame, wiederum empfangen durch den Mund seines schriftlichen ,Boten'. Gleichzeitig wird die Körperlichkeit im Medium der Schrift[2] und auch in der Übermittlung durch den ,Boten' problematisiert: Ulrich selbst ist es unmöglich seiner Angebeteten nahe zu sein, so personifiziert er das Büchlein zum Boten, der sich, wie ein Mensch, um seine körperliche Unversehrtheit sorgt. Die zu erwartenden Strafen (verbrannt, zerschnitten, gevierteilt oder eingesperrt werden) sind im Mittelalter übliche Strafen. Neben der individuellen Anrede gewinnt das Büchlein auch durch die Art der zu erwartenden Bestrafung und durch die Emotion der Angst an persönlichen Zügen. Durch diese narrative Mittel wird der Wunsch des Ritters, den Platz des Büchleins einzunehmen, vorstellbar, da der Sender und der ,Bote' beide als Subjekte inszeniert sind. Doch sie sind in ihrer körperlichen Beschaffenheit verschieden: Während das Büchlein der Dame die Hand nicht reichen kann, da es kein Mann ist, könnte Ulrich dieser Frau ein Küsschen stehlen. Da aber beide körperlichen Annäherungen nicht dem höfischen Kodex (=Buch) entsprechen würden, könnte dieser Minnedienst in Gefahr sein und sogar abgelehnt werden, somit ist die schriftliche Botschaft die beste Kommunikationsart für den Minnenden.


Auch außerhalb des Büchlein-Textes ist die Körperlichkeit präsent: Der reale Bote teilt der Dame mit, dass das Büchlein als Stundenbuch für die Nacht bestimmt ist (FD 162). Wenn aber das Medium, wie dargelegt, auf einer abstrakten Ebene mit der körperlichen Präsenz von Ulrichs Körper aufgeladen ist, ist der Ritter auf dieser Ebene seiner Dame körperlich in den Abendstunden nah. Dadurch erfährt das Medium erotischen Mehrwert – einerseits ,lagert' Ulrich seinen ,Körper' in den Gemächern der Dame, andererseits dient ihm das zurückgesandte Büchlein als Liebessurrogat (er trägt es bei sich, als er auf seinen Schreiber wartet, der ihm den Inhalt der Botschaft vorliest) und steht in der Tradition des Liebespfandes. [Kellermann 2009: S. 225-226] Auch die Ursache für die Produktion des Büchleins ist körperlicher Natur: Da Ulrichs (körperliche) Redefähigkeit beim ersten Treffen versagt, soll nun die Schrift sprechen.


2. Büchlein

Inhaltsangabe

Der Inhalt des 2. Büchleins gibt den Dialog Ulrichs mit Minne wider, eine direkt an die Dame adressierte Botschaft ist nicht präsent; das Anliegen des Ritters leitet den Text ein (FD 2. Büchlein 1-136). Er fragt sie um Rat und beschwert sich, dass sie ihn so lange vernachlässigt habe:

Mittelhochdeutsches Original (FD 1. Büchlein, 2-8) : __________ Neuhochdeutsche Übersetzung:
wie rehte nahen es mir gat, __________

Was für ein Unglück für mich

daz du mir so lange vrist __________ daß du mir nun so lange Zeit
vremde und also verre bist __________ so fremd und so entfernt doch bist
mit tröstlicher lere __________ mit deiner Lehre und dem Trost
und doch mit herzen sere __________ und du mir in dem Herzensschmerz
mir also rehte nahen bist __________ in Wahrheit doch so nahe bist.
und mir niht wan chumber gist!“ __________ und mir nichts außer Kummer gibst!


Ulrich hat vor, seiner Herrin ein neues Büchlein zu senden, das er wieder als „den cleinen gefüegen boten min“ (FD 2. Büchlein 30) bezeichnet. Er bittet Minne den Botschafter auf seinem Weg zu begleiten, denn er erkennt den wahren Grund für die bisherige Zurückweisung durch die Dame 1 – die Minne hat seinen letzten ,Boten' im Stich gelassen:

Mittelhochdeutsches Original (FD 2. Büchlein 47-49) : __________ Neuhochdeutsche Übersetzung:
„do lieze du in under wegen, __________ "Du ließest ihn da ganz allein,
da von ist da nider gelegen __________ daher ist meine Botschaft dort
diu botschaft umb alle min ere.“ __________ nicht angekommen wie ich wollt'."

, so dass der ,Bote' und die Botschaft ganz fürchterlich verschmäht wurden. Außerdem wurde die Materie des ,Boten' stark angegriffen, als er die Botschaft der Dame im 1. Büchlein in sich empfing:

Mittelhochdeutsches Original (FD 2. Büchlein 112-116) : __________ Neuhochdeutsche Übersetzung:
er het ez so tiwer __________ Er hatte sie so teuer
erarnet in dem fiwer __________ erworben in dem Feuer,
daz er were al gar verbrant, __________ daß er bald wär dadurch verbrannt,
wan daz er miner vrowen hant __________ als er dort meiner Herrin Hand
vil niuwens het gerüret. __________ vor kurzem schüchtern hat berührt.

Schließlich bittet Ulrich Minne erneut um Rat und Gott um Hilfe. Minne antwortet ihm (FD 2. Büchlein 137-211) und gibt ihm den Rat treu und beständig zu sein:

Mittelhochdeutsches Original (FD 2. Büchlein 148-151) : __________ Neuhochdeutsche Übersetzung:
„bezzer kere und bezzer kunst, __________ "Bessere Lehre und bessere Kunst,
bezzer rat und bezzer sinne __________ ein besserer Rat und auch Verstand,
zerwerben werde minne, __________ um zu erwerben edle Minne,
diu was ie vil unvernomen.“ __________ die waren niemals mir bekannt."

Weiter sagt sie, dass die Klage über den Boten unangebracht sei, denn es gäbe so viele Boten. Man solle einen Mittler schicken, der nicht betrügt und auch Ulrich selbst soll nicht lügen und nicht schmeicheln:

Mittelhochdeutsches Original (FD 2. Büchlein 205-208) : __________ Neuhochdeutsche Übersetzung:
„da bi la dir verboten sin __________ "Dazu sei dir verboten auch
liegen und smeichen. __________ zu lügen und zu schmeicheln.
des pflegent die moutes weichen, __________ Das tun, die in Gesinnung schwach,
da mit solt du niht werben.“ __________ damit sollst du nicht werben."

Ulrich erwidert, dass ihm nichts ferner läge, als zu betrügen. Er bittet die Minne ihm seine Auserwählte zu gestatten, damit die Dame ihn wie einen Waisen trösten kann. Dafür schickt er seinen abgeschlagenen Finger als Pfand, den er im Minnedienst von seiner dienenden Hand geopfert hat (FD 2. Büchlein 266-284). Ulrich bittet die Minne erneut seinen ,Boten' zu begleiten und ihm zu helfen. Sie verspricht ihn zu unterstützen, allerdings redet sie im Konjunktiv:

Mittelhochdeutsches Original (FD 2. Büchlein 341-346) : __________ Neuhochdeutsche Übersetzung:
"Gout ritter, friunt, gelobe daz: __________ "Oh edler Ritter, Freund, glaubt das:
kund ich dir wol gehelfen baz, __________ Wenn ich dir besser helfen könnt'
dann ich gehalf noch ritter ie, __________ als ich je einem Ritter half,
der sich mit dienste an mich lie __________ der sich im Dienste an mich hielt.
daz tet ich dir mit triuwen gar. __________ dan tät ich es in Treue gern.

Weiter fährt sie im Indikativ fort, gelobt seinem ,Boten' beizustehen und beschreibt die höfischen Tugenden (FD 2. Büchlein 341-367). Anschließend verspricht Ulrich sowohl der Minne, als auch seiner Angebeteten zu dienen.

Interpretation

Im 2. Büchlein ist die Korrelation von Schrift und Körper ebenfalls präsent – die Körperlichkeit nimmt sogar die Ausgangslage für das Verfassen des Textes ein und ein Teil von Ulrichs Gliedmaßen begleitet die Sendung. Die Ursache der künstlerischen Produktion ist das Ereignis, in dem die Herrin 1 Ulrichs Boten verschmäht und die Botschaft, Ulrich habe in ihrem Dienst seinen Finger verloren, für eine Lüge hält. Der abgeschlagene und mitgesandte Finger [3] ist einerseits Kombination von Augenscheinbeweis mit Schriftlichkeit [Kellermann 2009: S. 230], andererseits wird die Botschaft durch den sprichwörtlichen Fingerzeig [Kellermann 2009: S. 228] intensiviert und verweist auf die Körperlichkeit der Schrift, ähnlich wie im 1. Büchlein. Nach Kellermann erfüllt der Finger folgende Funktionen – er ist Bote, Reliquie des Minnemärtyrers und dient gleichzeitig als Synekdoche des Minneritters. Da die Dame 1 das Büchlein nach der Rezeption in einer Schublade verwahrt hält, erfüllt sich die Befürchtung des 1. Büchleins, dessen Körper tatsächlich gelitten hat (FD, 2. Büchlein, 112-116), – der fiktive Bote wird, sowohl als Finger als auch als Text, lebendig begraben. Dies bedeutet aber auch ein ehrendes Gedenken für den kleinen Minneritter: Er beginnt ein neues Leben in der Memoria. [Kellermann 2009: S. 229-230]


Das 2. Büchlein ist mehr als das 1. in der Tradition des didaktischen Lehrgedichts verpflichtet: Die Frau Minne lehrt Ulrich welche Tugenden er besitzen muss, um Damen zu gefallen (Treue und Beständigkeit) und beschreibt am Schluss die höfischen Gepflogenheiten, an die sich der Minneritter zu halten hat. Außerdem rät sie ihm nicht zu lügen und nicht zu schmeicheln sowie sich einen ehrlichen Boten zu nehmen. Da der Begriff „Bote“ in diesem Zusammenhang sowohl für den realen Boten, als auch für den gesandten Text stehen kann, entsteht die Frage, ob die Botschaft in der tatsächlichen Bedeutung besser in der Schriftlichkeit oder in der Mündlichkeit zu vermitteln ist. Der von Ulrich angezeigte Umstand spiegelt die zeitgenössische Situation eines Medienwandels wieder. Für die Entstehung der schriftlichen Botschaften (zu denen auch Ulrichs Büchlein zählen dürften) werden in der „Oberitalienischen Gemma Aurea“ um 1130 drei Gründe genannt: „Um Nachrichten geheim zu halten, um der Unzulänglichkeiten der Boten zu begegnen und um unter voneinander Abwesenden ein Gespräch stattfinden zu lassen, als wären sie gegenwärtig.“ Im 13. Jahrhundert, also zur Zeit Ulrichs, wird diese Tradition in den Brieftraktaten fortgesetzt und auch Ludolf von Hildesheim führt die gleichen Aspekte an, warum eine schriftliche Botschaft zu präferieren sei: „Geheimhaltungsabsicht, Nachlässigkeit der Boten und Gesprächsersatz. Interessant bei ihm ist aber vor allem der Gedanke der Unmittelbarkeit mündlicher Rede (viva voce), die bei räumlicher Trennung der Gesprächspartner entfällt und daher des Briefes als eines Mediums bedarf (aliquo medio loqueretur), mit dem der Absender seine Absicht dem Empfänger „vermitteln“ kann.“ [Herold 2003: S. 272-273]. Es ist vorstellbar, dass Ulrich im Sinne dieser Tradition das Gespräch mit der Minne auf das Gespräch mit seiner Angebeteten überträgt, um ihr durch diese Kommunikationsart körperlich nahe zu sein.


3. Büchlein

Inhaltsangabe

Auch der Text des 3. Büchleins beinhaltet ein Gespräch Ulrichs, diesmal mit dem Herz und Sinn (FD 3. Büchlein 1-96). Der Minnende fragt sie um Rat und erwähnt sich selbst als einen tugendhaften Mann, der treu und beständig ist. Die Dialogpartner sollen ihm beantworten, warum er so dumm und schwach sei, einer Herrin zu dienen. Er vergleicht sich mit dem alttestamentarischen Salomon, dem sein Verstand bei dieser Art des Dienstes auch nicht ausgereicht hätte. Ulrich sinniert über das vergangene persönliche Treffen mit seiner Dame:

Mittelhochdeutsches Original (FD 3. Büchlein 50-55) : __________ Neuhochdeutsche Übersetzung:
daz ich han an ir gesehen __________ An ihr hab' ich das schon gesehen.
ich meine, daz ich si reinen, falsches vri __________ Ich meine, daß ich diese Edle
mir so rehte nahen bi __________ schon einaml richtig nahe dort
in ir heimliche tougen __________ in ihrer Kemenate sah
niht mit gastes ougen __________ geheim, nicht wie ein Gast,
mit ir vil guotem willen sach. __________ mit ihrem Willen das geschah.

Im weiteren Verlauf übermittelt er die besten Wünsche an die Herrin 1, in dem er sie in der 3. Ps. Sg. anspricht. Gefolgt wird dies durch die direkte Anrede, in der er sich für den erhaltenen Lohn bedankt. Der Minnedichter vergleicht sich mit Tantalus und dem berühmten Alexander, die ein ähnlich schweres Schicksal getroffen habe, denn er plant eine heilige Fahrt als Minnedienst und bedankt sich für diese Ehre. Das Herz erwidert skeptisch:

Mittelhochdeutsches Original (FD 3. Büchlein 183-200) : __________ Neuhochdeutsche Übersetzung:
„waz meinet si, diu guote, __________ „Was meint sie denn, die edle Frau,
mit also fremden moute, __________ was doch so eigenartig ist
mit so wunderlichen siten, __________ und in so sonderbarer Art,
daz si vrowe geruochet biten, __________ daß sie dich also bitten will,
daz din lip ein vart beste __________ daß du nun gehst auf eine Fahrt
durch irn wille über se? __________ nach ihrem Willen übers Meer?
solt du für si vil süezen __________ Sollst du denn für die Edle nun
deheine ihr schulde büezen, __________ gar deine Schuld vielleicht noch büßen?
diu vor aller missewende gar __________ die doch von allem Tadel ist
ist beidiu luter und bar? __________ so völlig frei und ohne Schuld?
des wundert mich vil sere.“ __________ das wundert mich doch wirklich sehr.

Daraufhin bezeichnet Ulrich das Herz als dumm und verbietet weitere dumme Fragen. Der Minnende sagt zu seinen Gesprächspartnern, er sei glücklich, vom Willen seiner Angebeteten zu erfahren und plant die Fahrt für sie und für Gott. Es folgt eine weitere direkte Anrede an die Herrin 1, in der er über seine Pläne berichtet und fragt wie die Reise genau ablaufen soll. Er verspricht, alles nach ihrem Wunsch auszuführen und die Fahrt ihr oder Christus zu widmen, im letzteren Fall müsse die Dame verzichten. Ulrich bittet sie um Segen, denn einen anderen Schutz brauche er nicht, und definiert den Segen zugleich:

Mittelhochdeutsches Original (FD 3. Büchlein 339-343) : __________ Neuhochdeutsche Übersetzung:
„Ez ist ein tugentlicher gruoz, __________ „Es ist ein höfisch-feiner Gruß,
der mit spilnden blicken muoz __________ der auch mit eurem hellen Blick
vil schone sin gesüezet. __________ so wunderbar versüßt sein muß.“
waz der an mir gebüezet __________ Was der mir dann an großem Leid,
leides von herzen grunde!“ __________ fürwahr aus meinem Herzen nimmt!

Außerdem bittet er sie gleichzeitig auch um einen Kuss als Pfand für die Reise, den aber niemand sehen soll:

Mittelhochdeutsches Original (FD 3. Büchlein 183-200) : __________ Neuhochdeutsche Übersetzung:
und an der selben stunde __________ Und zu derselben Stunde soll
sol iwer rosenroter munt __________ dann euer rosaroter Mund
mir vil schiere machen chunt __________ mir sehr bald geben, wie ich hoff'
iwer chussen einez __________ nur einen minniglichen Kuß
und ouch anders geheinez __________ und keinen weiteren sodann,
wan daz beste, daz er hat. __________ das ist das Beste, das er hat.
wol mich danne ob daz ergat! __________ Wohl mir, wenn alles also geht!
got gebe, daz da niemen bi __________ Gott geb' daß niemand bei euch sei,
durch spehen noch durch melden si, __________ der schauen oder melden könnt',
wan aleine wir beide! __________ wir beide seien ganz allein!

Interpretation

Die Rezeption des Büchleins im Privaten hinterlässt einen positiven Eindruck bei der Dame (FD 1337). Die Produktion des 3. Büchleins steht am Wendepunkt des Geschehens: Die Dame gewährt Ulrich den Minnedienst an ihr, fordert ihn auf, eine Heilige Fahrt zu unternehmen (FD 1320) und verspricht ihm Lohn dafür. Der Bote warnt Ulrich vor Gefahren der Reise, die entweder einen Kreuzzug oder eine Pilgerfahrt symbolisieren soll: Kein Mann zuvor habe diese Fahrt unternommen, für keine noch so schöne Frau. Ulrich übernimmt den Topos des Streitgesprächs zwischen dem Herzen und dem Leib aus Hartmanns „Büchlein/Klage“ und entwickelt ihn weiter. Ulrich streitet selbst als Subjekt mit den Gesprächspartnern, wobei nur das Herz gegen Ulrichs Pläne einer Fahrt protestiert. Ulrich personifiziert das Herz, in dem er es als dumm bezeichnet. Die Tatsache, das Herz könnte rational sein, widerspricht der gängigen Meinung, das Organ wäre der Sitz der Gefühle. Der Sinn, der eher für das Geistige stehen würde, meldet sich überhaupt nicht zu Wort. Auch hier wird die Körperlichkeit in der Schrift thematisiert: Ulrich bittet die Dame um einen Gruß sowie einen Kuss und wünscht, sich ihr tête-à-tête nähern zu dürfen, denn er erwartet ein real stattfindendes Treffen. Interessant ist die Wahl der Zielperson, welcher die Heilige Fahrt gewidmet wird – entweder ist es Christus oder es ist die Dame, scheinbar sind sie für den Ritter gleichwertig.


Fazit

Die drei Büchlein im „Frauendienst“ stellen Minnebotschaften sowie Bitten um Hilfe mittels eines Dialogs mit fiktiven Charakteren dar. In der literarischen Tradition vor Ulrich von Liechtenstein wurde ein Büchlein als ein lehrendes Gedicht und gleichzeitig als Liebesbrief behandelt. Der Autor übernimmt diese Verwendungsweise und entwickelt sie weiter.


Die Ausgangslage für die Herstellung der Büchlein ist die Situation der gescheiterten Kommunikation in der epischen Ausgestaltung des Romans. Die Dialogsequenzen (Dramatik) sollen die Botschaft des Schreibens erläutern, diese wird wiederum inhaltlich durch einen realen Boten mündlich ergänzt. Durch den Appell an die Rezipienten des Romans zum Zuhören des Inhalts wird die (zeitgenössische) mündliche Vortragssituation inszeniert. Die Botschaft wird durch die Einführung der Dialogpartner (Büchlein als personifizierter Bote, Frau Minne, Herz und Sinn) komplexer, aber durch ihre Bedeutung in der mittelalterlichen Literatur wirkt der Minneappell intensiver. Der Dialog mit Frau Minne gibt den didaktischen Charakter der Gattung wider, indem er die Regeln der Minne und die höfischen Tugenden beschreibt. Die Art des Mediums scheint hervorgehoben zu sein – die schriftliche Übermittlung scheint sicherer zu sein, als durch einen Boten.


Wie im Brief wird in den Büchlein das Ineinandergreifen von Mündlichkeit und Schriftlichkeit versinnbildlicht. Was mit dieser Kombination zusammenspielt, und in Ulrichs Büchlein besonders in Erscheinung tritt, ist die Inszenierung der Körperlichkeit in der Schrift: Das 1. Büchlein wird personifiziert, dadurch dient das Schriftstück als Ersatz von Ulrichs Körper für die Dame (aus seiner Sicht). Andererseits behandelt der Ritter den zurückgesandten ,Körper' als Liebessurrogat seiner Angebeteten. Die Ursache für die Produktion der Schriftsendung ist ebenfalls körperlicher Natur, da die Schrift das (körperliche) Sprachversagen ersetzen sollte. Im 2. Büchlein ist der Grad der Körperlichkeit als Impuls für die Schriftlichkeit deutlich höher – dort ist das Medium Beweis für die Wahrhaftigkeit der vorangegangenen Aussage (des Fingerverlustes) und Behälter für ein Gliedmaß. Dieses Gliedmaß intensiviert zugleich die Minnebotschaft. Auch der Körper des Büchleins wird thematisiert, indem es als leidend dargestellt wird, einerseits durch die Abnutzung des Materials, andererseits durch das Einsperren in einer Schublade. Außerdem wird das Herz, (ein Organ) personifiziert und die Körperlichkeit zusätzlich inhaltlich in der Bitte um einen Kuss thematisiert.


Durch das Medium der Schrift wird für den Autor der Büchlein Zeit und Raum überwunden und ein Gespräch mit dem Sehnsuchtsobjekt auf diese Weise ermöglicht. Darüber hinaus impliziert die Materialität der Schriftstücke eine körperliche Annäherung auf einer abstrakten Ebene.


Anmerkungen

  1. Da es im Artikel hauptsächlich um die Figur Ulrich geht, wird der Name "Ulrich" für die Bezeichnung des Protagonisten verwendet und "Ulrich-Autor", wenn es um den historischen Ulrich von Liechtenstein geht
  2. Das invertierte Verhältnis von Körper und Schrift, d. h. das Einschreiben in den Körper, wurde in der mittelalterlichen Geistlichkeit zum transzendentalen Ereignis. Früh- und hochmittelalterliche Exegeten formulierten die unbefleckte Empfängnis als einen Schreibakt: „Marias unbefleckten Schoß habe Gott als Schreibstoff benutzt, den Heiligen Geist als Schreiber. […] In der Menschwerdung hatte Gottes Wort leibhaftige Gestalt angenommen.“ Sogar der gemarterte Körper Christus nach der Passion, genauer seine Haut, wurde als Schrift-Material (Urkunde) aufgefasst und sein Leben als das erste Evangelium angesehen. Er habe: „die geschrifft der chlainen swarzen pouchstaben [litterae minores et nigrae] gehabt. [Die] groszen roten puochstaben [litterae rubeae et capitales] bedewttent die wunden, die im mit den nageln und sper durch seinen heyligen leichnam gestochen wurden. […] punckt und stricklein der virgeln [puncta et virgulae] die loechlein durchstochen mit der durneyn kron […].“ Aus: Schreiner, Klaus: „Göttliche Schreibkunst“. Eigenhändige Aufzeichnungen Gottes, Jesu und Mariä. Schriftlichkeit in heilsgeschichtlichen Kontexten. In: Frühmittelalterliche Studien 36 (2002). S. 116. und zit. nach Küsters, Urban: Narbenschriften. Zur religiösen Literatur des Spätmittelalters. In Müller, Jan-Dirk/ Wenzel, Horst (Hg.): Mittelalter. Neue Wege durch einen alten Kontinent. Stuttgart/ Leipzig 1999. S. 84. Zit. nach ebd. S. 116.
  3. Auch hier könnte ein Verweis auf die Tradition der mittelalterlichen Geistlichkeit liegen und der Finger von Ulrichs Schwert- und Schwurhand den schreibenden und schaffenden Finger Gottes symbolisieren: „Um das christliche Gottesbild durch antropomorphe Züge zu entstellen, machten Schriftausleger der spätantiken und mittelalterlichen Kirche aus dem schreibenden Finger Gottes eine geistliche Metapher. Allegorisierung tat not, wenn frühchristliche Theologen glaubten, den Nachweis führen zu sollen, daß Gott keine Hände, keine Füße und Finger besitzt und auch keine Seele hat wie ein aus Geist und Körper zusammengesetztes Lebewesen. Einen Anknüpfungspunkt zur Entmaterialisierung des göttlichen Fingers bot das von dem Evangelisten Lukas überlieferte Jesuslogion, wonach Jesus von sich selber sagte, daß er „durch den Finger Gottes“ Dämonen austreibe (Lk 11,20). […] Hieronymus verwies bei der Auslegung von Mt 12,28 auf die Lukasparallele (11,20) und stellte fest: Der Finger Gottes sei der Heilige Geist (Spiritus sanctus).“ Aus: Schreiner, Klaus: „Göttliche Schreibkunst“. Eigenhändige Aufzeichnungen Gottes, Jesu und Mariä. Schriftlichkeit in heilsgeschichtlichen Kontexten. In: Frühmittelalterliche Studien 36 (2002). S. 97.


Bibliographie

Primärliteratur

  • Originaltext: Ulrich von Liechtenstein: Frauendienst. Hg. v. Viktor Spechtler. Göppingen 1987 (zitiert als FD).
  • Übersetzung: Ulrich von Liechtenstein: Frauendienst. Ins Nhd. übertr. v. Viktor Spechtler. Klagenfurt/ Celovec 2000.

Sekundärliteratur

  • [*Herold 2003] Herold, Jürgen: Empfangsorientierung als Strukturprinzip. In: Spieß, Karl-Heinz (Hg.): Medien der Kommunikation im Mittelalter (Beiträge zur Kommunikationsgeschichte Bd. 15). Stuttgart 2003. S. 272.
  • [*Kellermann 2009] Kellermann, Karina: Kommunikation und Medialität. Ulrichs von Liechtenstein Frauendienst als mediales Labor. In: Linden, Sandra/ Young, Christopher (Hgg.): Ulrich von Liechtenstein. Leben – Zeit – Werk – Forschung. Cambridge/ Tübingen 2009.
  • [*Lexer 1992] Lexer, Matthias: „bouchelîn, büechelîn, büechel“. In: Mittelhochdeutsches Taschenwörterbuch in der Ausgabe letzter Hand. 2. Nachdruck der 3. Auflage von 1885. Stuttgart 1992.
  • [Schreiner 2002] Schreiner, Klaus: „Göttliche Schreibkunst“. Eigenhändige Aufzeichnungen Gottes, Jesu und Mariä. Schriftlichkeit in heilsgeschichtlichen Kontexten. In: Frühmittelalterliche Studien 36 (2002).
  • [*Spaarnay 1958] Spaarnay, Hendricus: „Büchlein“. In: Reallexikon der deutschen Literaturgeschichte Bd. 1. Berlin 1958.