Der Königinnenstreit (Nibelungenlied): Unterschied zwischen den Versionen

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===Figur der Kriemhild===
===Figur der Kriemhild===
Bei Kriemhild handelt es sich um die Tochter der Königin Ute und des verstorbenen Dankrats (vgl. Str. 5) und die Schwester von Gunther, Gernot und Giselher (vgl. Str. 2). Zusammen mit ihrer Familie lebt sie im Burgundenland (vgl. Str. 1). Kriemhild wird als Frau beschrieben, welche durch ihre unendliche Schönheit gekennzeichnet ist (Vgl. Str. 1). Zunächst nimmt sie sich vor sich nie zu verlieben, um niemals Leid durch einen Mann zu erfahren (vgl. Str. 13). Doch dann trifft sie auf Siegfried und verliebt sich in ihn (vgl. Str. 291). Bereits zu Beginn des Nibelungenlieds verweist der Falkentraum Kriemhilds auf eine tragische Entwicklung dieser Liebesgeschichte (vgl. Str. 7). Später wird Kriemhild die Ehefrau von Siegfried. Somit weiß sie von der Standeslüge, welche Siegfried und Gunther Brünhild aufgetischt hatten, um Gunther mit Brünhild vermählen zu können.
Bei Kriemhild handelt es sich um die Tochter der Königin Ute und des verstorbenen Dankrats (Vgl. Str. 5) und die Schwester von Gunther, Gernot und Giselher (Vgl. Str. 2). Zusammen mit ihrer Familie lebt sie im Burgundenland (Vgl. Str. 1). Kriemhild wird als Frau beschrieben, welche durch ihre unendliche Schönheit gekennzeichnet ist (Vgl. Str. 1), hier wird die Figur Kriemhilds [zunächst] […] an die literarische Figur der höfischen Dame gebunden“. [Freche 1999: 129] Dann aufgeführt, dass sie sich vornimmt sich nie zu verlieben, um niemals Leid durch einen Mann zu erfahren (Vgl. Str. 13). Doch letztendlich trifft sie auf Siegfried und verliebt sich in ihn (Vgl. Str. 291). Bereits zu Beginn des Nibelungenlieds verweist der Falkentraum Kriemhilds auf eine tragische Entwicklung dieser Liebesgeschichte (Vgl. Str. 7). Später wird Kriemhild die Ehefrau von Siegfried. „Als junge, unverheiratete Frau, politisch machtlos, kommt sie selten zu Wort. Durch die Heirat mit Siegfried steigt ihr Einfluss und ihre Position“. [Nolte 2004: 42] Als Ehefrau Siegfrieds weiß sie von der Standeslüge, welche Siegfried und Gunther Brünhild aufgetischt hatten, um Gunther mit Brünhild vermählen zu können. Zu Beginn des Nibelungenlieds verhält sich Kriemhild eher passiv und „erst im Königinnenstreit tritt sie als öffentlich agierende, selbständige Frau auf“. [Freche 1999: 128] „Ausgangspunkt für den Streit der Frauen ist offenbar eine wechselseitige tiefgreifende Verunsicherung bezüglich des eigenen Standorts im Netz ehelicher und herrschaftlicher Beziehungen“. [Gephart 2005: 79] Beide Königinnen sind „bei aller Machtfülle letztendlich Fremde in ihrem Land geblieben […]: Brünhild trägt das Siegfriedsche Rätsel mit sich herum und Kriemhild ein Herzeleide (741,4) um ihre Herkunftsfamilie“. [Gephart 2005: 79] Beide Frauen wurden nicht vollständig von ihren Männern umworben und nicht in das neue Sozialsystem einbezogen. [Gephart 2005: 79] Durch diese Verunsicherung entsteht ein Stellvertreterkonflikt zwischen den beiden Frauen, anstatt einem Konflikt zwischen den Königinnen und ihren Ehemännern, welche maßgeblich Schuld an deren Unsicherheiten tragen.


In dem Gespräch mit Brünhild beginnt sie das Thema auf ihre ruhmreichen Ehemänner zu lenken. Dadurch entsteht ein Konflikt der beiden Frauen, welcher der Ehemänner mehr Macht habe. Kriemhild beharrt darauf, dass beide Männer gleichgestellt seien, während Brünhild aufgrund der Standeslüge glaubt, dass Siegfried ein Leibeigener Gunthers sei. Durch Brünhilds Anschuldigungen wird Kriemhild zornig. Daraufhin geht sie strategisch vor und argumentiert für ihre Stellung. Sie merkt an, dass Siegfried als Leibeigener Gunthers Abgaben hätte tätigen müssen, was er allerdings nicht getan hat. Kriemhild treibt den Streit weiter und droht Brünhild an, vor ihr in das Münster einzutreten. So kommt es dazu, dass beide Frauen sich vor dem Münster antreffen und ihren Streit dort in aller Öffentlichkeit weiterführen. Kriemhild bezeichnet ihre Gegenspielerin als „kebse“ (Str. 835), woraufhin diese einen Beweis für diese Anschuldigung fordert. Daraufhin verweist Kriemhild auf Ring und Gürtel, die sie trägt. Diese Besitztümer hatten zuvor Brünhild gehört. Als Siegfried Brünhild im Bett überwältigt hat, nahm er diese Gegenstände mit. Somit dienen diese als Beweis, für Kriemhilds Anschuldigungen. Brünhild fängt an zu weinen. Durch die Aussagen Kriemhilds, dass ihr Ehemann mit Gunther gleichgestellt sei entfacht der Streit der beiden Königinnen erst. Sie führt den Streit immer weiter und stellt Brünhild in der Öffentlichkeit bloß, sodass der Streit eskaliert. Durch die Folgen des Streits verliert Kriemhild ihren Ehemann und wird daraufhin zur trauernden Witwe. Ihren Brüdern scheint sie die Ermordung Siegfrieds zu verzeihen, an Hagen übt sie allerdings Rache aus.  
In dem Gespräch mit Brünhild beginnt sie das Thema auf ihre ruhmreichen Ehemänner zu lenken. Dadurch entsteht ein Konflikt der beiden Frauen, welcher der Ehemänner mehr Macht habe. Kriemhild beharrt darauf, dass beide Männer gleichgestellt seien, während Brünhild aufgrund der Standeslüge glaubt, dass Siegfried ein Leibeigener Gunthers sei und dies Kriemhild auch vorwirft. Hierbei ist klar, dass „ein spezifisches Abhängigkeitsverhältnis Siegfrieds von Gunter“ [Gephart 2005: 81] herrscht und „Siegfried […] Gunthers Fremdkontrolle [unterliegt]“. [Gephart 2005: 81] Somit „trifft Brünhild […] [mit ihrer Anschuldigung] intuitiv ins Schwarze und berührt eine Ebene, die Kriemhild ihrerseits nicht fassen kann und will“.  [Gephart 2005: 81] Daraufhin wird Kriemhild zornig und geht strategisch vor, indem sie für ihre Stellung argumentiert. Sie merkt an, dass Siegfried als Leibeigener Gunthers Abgaben hätte tätigen müssen, was er allerdings nicht getan hat. Kriemhild treibt den Streit weiter und droht Brünhild an, vor ihr in das Münster einzutreten Schnell wird klar, „dass es längst nicht mehr um die Rangfolge der beiden Fürsten geht, sondern um einen Rangstreit der beiden Damen selbst, die ihre Bedeutung in derjenigen der Ehemänner gespiegelt sehen“. [Miedema 2011: 83] Der Streit erreicht hier einen Wendepunkt, da nach einem persönlichen Gespräch unter vier Augen nun die Öffentlichkeit mit einbezogen wird. Durch die intensive Vorbereitung Kriemhilds auf das Zusammentreffen der Königinnen wird klar, dass sie „ihre eigene Höherwertigkeit zu inszenieren“ [Miedema 2011: 84] durch ihre äußere Erscheinung versucht. So kommt es dazu, dass beide Frauen sich vor dem Münster antreffen und ihren Streit dort in aller Öffentlichkeit weiterführen. Kriemhild bezeichnet ihre Gegenspielerin als „kebse“ (Str. 835), woraufhin diese einen Beweis für diese Anschuldigung fordert. Daraufhin verweist Kriemhild auf Ring und Gürtel, die sie trägt. Diese Besitztümer hatten zuvor Brünhild gehört. Als Siegfried Brünhild im Bett überwältigt hat, nahm er diese Gegenstände mit. Somit dienen diese als Beweis, für Kriemhilds Anschuldigungen. Brünhild fängt an zu weinen. Durch die Aussagen Kriemhilds, dass ihr Ehemann mit Gunther gleichgestellt sei entfacht der Streit der beiden Königinnen erst. Sie führt den Streit immer weiter und stellt Brünhild in der Öffentlichkeit bloß, sodass der Streit eskaliert. Durch die Folgen des Streits verliert Kriemhild ihren Ehemann und wird daraufhin zur trauernden Witwe, die Rache an ihrer Familie ausüben wird.


=Ablauf des Streits=
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*[*Bryan 2012] Bryan, Eric Shane: Indirekt Aggression: A Pragmatic Analysis of the Quarrel of the Queens in Völsungasaga, Þiðreks Saga, and Das Nibelungenlied. In: Neophilologus 97 (2013), S. 349-365.
*[*Bryan 2012] Bryan, Eric Shane: Indirekt Aggression: A Pragmatic Analysis of the Quarrel of the Queens in Völsungasaga, Þiðreks Saga, and Das Nibelungenlied. In: Neophilologus 97 (2013), S. 349-365.
*[*Freche 1999] Freche, Katharina: Von zweier vrouwen bâgen wart vil manic helt verlorn. Untersuchungen der Geschlechterkonstruktion in der mittelalterlichen Nibelungendichtung, Trier 1999.
*[*Gephart 2005] Gephart, Irmgard: Der Zorn der Nibelungen. Rivalität und Rache im „Nibelungenlied“, Köln 2005.
*[*Müller 1998] Müller, Jan-Dirk: Spielregeln für den Untergang. Die Welt des Nibelungenliedes, Tübingen 1998.
*[*Müller 1998] Müller, Jan-Dirk: Spielregeln für den Untergang. Die Welt des Nibelungenliedes, Tübingen 1998.
*[*Miedema 2011] Miedema, Nine R.: Einführung in das Nibelungenlied, in: Einführungen Germanistik, hg. von Gunter E. Grimm und Klaus-Michael Bogdal, Darmstadt 2011.
*[*Nolte 2004] Nolte, Ann-Katrin: Spiegelungen der Kriemhildfigur in der Rezeption des Nibelungenlieds. Figurenentwürfe und Gender-Diskurse in der Klage, der Kudrun und den Rosengärten mit einem Ausblick auf ausgewählte Rezeptionsbeispiele des 18., 19. Und 20. Jahrhunderts, (Band 4), hg. von Ingrid Bennewitz, Münster 2004.


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*[*Nibelungenlied 2004] Das Nibelungenlied. Mittelhochdeutsch/Neuhochdeutsch. Stuttgart, 2004.
*[*Nibelungenlied 2004] Das Nibelungenlied. Mittelhochdeutsch/Neuhochdeutsch. Stuttgart, 2004.

Aktuelle Version vom 19. April 2024, 16:40 Uhr

Kurze Zusammenfassung des Königinnenstreits

Der Streit der Königinnen wird in der 14. Aventiure des Nibelungenlieds ausgetragen. Kriemhild und Brünhild geraten, während sie bei einem Turnier zusehen, in einen Streit über den Rang ihrer Ehemänner, der seinerseits aus der Schemaüberkreuzung der Brautwerbung und der damit verbundenen Zeichenhaftigkeit resultiert. Für den weiteren Verlauf der Handlung stellt der Königinnenstreit ein richtungsweisendes und bedeutungsträchtiges Element dar.

Allgemeine Informationen zu den Königinnen

Figur der Brünhild

Brünhild von Isenstein wird als beinah unmenschlich anmutende Frau eingeführt, welche hauptsächlich durch ihre enorme physische Stärke, aber auch durch ihre beindruckende Schönheit, charakterisiert wird: „ir gelîche enheine man wesse ninder mê, / diu was unmâzen schœne. vil michel was ir kraft.“ (Str. 324[1]). Die Kombination der Eigenschaften Kraft und Schönheit zeichnet Brünhild zu einem einzigartigen Frauenbild aus. Damit steht sie im Kontrast zu ihrer Rivalin Kriemhild, welche ausschließlich durch ihre überragende Schönheit definiert wird und einer männlichen Autoritätsperson bedarf, um agieren zu können. Brünhild hingegen wird als Alleinherrscherin über ihr Königreich in Island eingeführt und repräsentiert Unabhängigkeit, Autonomie und Selbstbewusstsein. Ihr kämpferisches und politisches Auftreten bricht mit dem vorherrschenden Stereotyp der Frau, was ihre Bezeichnung als Teufelsweib zur Folge hat („die ist des tîvels wîp.“ (Str. 436)). Brünhild schreckt nicht vor Gewalt zurück, um ihren Willen durchzusetzen. Sie widerspricht den höfischen Konventionen der Minne, als sie ihren Ehegatten eigens wählt: Da sie unbestrittenermaßen die stärkste Frau weit und breit ist, möchte sie sich ausschließlich mit jemandem Ebenbürtigen vermählen. Das Kriterium der Brautwerbung muss im Kampf bestanden werden: Besiegt der Werbende Brünhild, darf er sie zur Frau nehmen. Verliert er jedoch, droht ihm der Tod.

Brünhilds Aktionsbereich beschränkt sich ausschließlich auf den Hof: Eingeführt in ihrem eigenen Hof auf Isenstein, verbringt sie ihr Leben nach der Heirat auf dem Hof der Burgunden in Worms. Während Brünhild den Konventionen einer Frau im höfischen Kontext in Isenstein widerspricht, indem sie dort als alleinstehende Alleinherrscherin regiert und als gewaltbereite Kriegerin auftritt, entspricht sie diesen Konventionen als Gattin König Gunthers auf seinem Hof in Worms: Dort gibt sie ihre politische und soziale Autonomie auf und besitzt nur beschränkt Macht. Zudem ist sie wehrlos in dem Netz aus Lügen gefangen, welches ihr Gatte und Siegfried spinnen. Dieses Lügennetz beinhaltet die sogenannte Dienstmannslüge und Brünhilds gemeinschaftliche Vergewaltigung. Mit beiden Taten soll Brünhild die Überlegenheit Gunthers vor Siegfried und dessen Kraft bewiesen werden.

Als es zum Königinnenstreit zwischen Brünhild und Kriemhild kommt, wird ersichtlich, dass sich Brünhild nach ihrer Heirat nicht mehr durch ihre eigene physische sowie mentale Stärke und Autonomie definiert, sondern durch die hierarchische Stellung ihres Mannes. Durch diese bestimmt sie ihren eigenen Selbstwert, wie es den damaligen sozioökonomischen Normen entspricht.

Vor dem Streit nimmt Brünhild eine aktive Rolle im Handlungsverlauf der Sage ein und wirkt ausschlaggebend auf das Geschehen ein. Nach Siegfrieds Tod tritt sie in den Hintergrund und verhält sich passiv.

Figur der Kriemhild

Bei Kriemhild handelt es sich um die Tochter der Königin Ute und des verstorbenen Dankrats (Vgl. Str. 5) und die Schwester von Gunther, Gernot und Giselher (Vgl. Str. 2). Zusammen mit ihrer Familie lebt sie im Burgundenland (Vgl. Str. 1). Kriemhild wird als Frau beschrieben, welche durch ihre unendliche Schönheit gekennzeichnet ist (Vgl. Str. 1), hier wird die Figur Kriemhilds [zunächst] […] an die literarische Figur der höfischen Dame gebunden“. [Freche 1999: 129] Dann aufgeführt, dass sie sich vornimmt sich nie zu verlieben, um niemals Leid durch einen Mann zu erfahren (Vgl. Str. 13). Doch letztendlich trifft sie auf Siegfried und verliebt sich in ihn (Vgl. Str. 291). Bereits zu Beginn des Nibelungenlieds verweist der Falkentraum Kriemhilds auf eine tragische Entwicklung dieser Liebesgeschichte (Vgl. Str. 7). Später wird Kriemhild die Ehefrau von Siegfried. „Als junge, unverheiratete Frau, politisch machtlos, kommt sie selten zu Wort. Durch die Heirat mit Siegfried steigt ihr Einfluss und ihre Position“. [Nolte 2004: 42] Als Ehefrau Siegfrieds weiß sie von der Standeslüge, welche Siegfried und Gunther Brünhild aufgetischt hatten, um Gunther mit Brünhild vermählen zu können. Zu Beginn des Nibelungenlieds verhält sich Kriemhild eher passiv und „erst im Königinnenstreit tritt sie als öffentlich agierende, selbständige Frau auf“. [Freche 1999: 128] „Ausgangspunkt für den Streit der Frauen ist offenbar eine wechselseitige tiefgreifende Verunsicherung bezüglich des eigenen Standorts im Netz ehelicher und herrschaftlicher Beziehungen“. [Gephart 2005: 79] Beide Königinnen sind „bei aller Machtfülle letztendlich Fremde in ihrem Land geblieben […]: Brünhild trägt das Siegfriedsche Rätsel mit sich herum und Kriemhild ein Herzeleide (741,4) um ihre Herkunftsfamilie“. [Gephart 2005: 79] Beide Frauen wurden nicht vollständig von ihren Männern umworben und nicht in das neue Sozialsystem einbezogen. [Gephart 2005: 79] Durch diese Verunsicherung entsteht ein Stellvertreterkonflikt zwischen den beiden Frauen, anstatt einem Konflikt zwischen den Königinnen und ihren Ehemännern, welche maßgeblich Schuld an deren Unsicherheiten tragen.

In dem Gespräch mit Brünhild beginnt sie das Thema auf ihre ruhmreichen Ehemänner zu lenken. Dadurch entsteht ein Konflikt der beiden Frauen, welcher der Ehemänner mehr Macht habe. Kriemhild beharrt darauf, dass beide Männer gleichgestellt seien, während Brünhild aufgrund der Standeslüge glaubt, dass Siegfried ein Leibeigener Gunthers sei und dies Kriemhild auch vorwirft. Hierbei ist klar, dass „ein spezifisches Abhängigkeitsverhältnis Siegfrieds von Gunter“ [Gephart 2005: 81] herrscht und „Siegfried […] Gunthers Fremdkontrolle [unterliegt]“. [Gephart 2005: 81] Somit „trifft Brünhild […] [mit ihrer Anschuldigung] intuitiv ins Schwarze und berührt eine Ebene, die Kriemhild ihrerseits nicht fassen kann und will“. [Gephart 2005: 81] Daraufhin wird Kriemhild zornig und geht strategisch vor, indem sie für ihre Stellung argumentiert. Sie merkt an, dass Siegfried als Leibeigener Gunthers Abgaben hätte tätigen müssen, was er allerdings nicht getan hat. Kriemhild treibt den Streit weiter und droht Brünhild an, vor ihr in das Münster einzutreten Schnell wird klar, „dass es längst nicht mehr um die Rangfolge der beiden Fürsten geht, sondern um einen Rangstreit der beiden Damen selbst, die ihre Bedeutung in derjenigen der Ehemänner gespiegelt sehen“. [Miedema 2011: 83] Der Streit erreicht hier einen Wendepunkt, da nach einem persönlichen Gespräch unter vier Augen nun die Öffentlichkeit mit einbezogen wird. Durch die intensive Vorbereitung Kriemhilds auf das Zusammentreffen der Königinnen wird klar, dass sie „ihre eigene Höherwertigkeit zu inszenieren“ [Miedema 2011: 84] durch ihre äußere Erscheinung versucht. So kommt es dazu, dass beide Frauen sich vor dem Münster antreffen und ihren Streit dort in aller Öffentlichkeit weiterführen. Kriemhild bezeichnet ihre Gegenspielerin als „kebse“ (Str. 835), woraufhin diese einen Beweis für diese Anschuldigung fordert. Daraufhin verweist Kriemhild auf Ring und Gürtel, die sie trägt. Diese Besitztümer hatten zuvor Brünhild gehört. Als Siegfried Brünhild im Bett überwältigt hat, nahm er diese Gegenstände mit. Somit dienen diese als Beweis, für Kriemhilds Anschuldigungen. Brünhild fängt an zu weinen. Durch die Aussagen Kriemhilds, dass ihr Ehemann mit Gunther gleichgestellt sei entfacht der Streit der beiden Königinnen erst. Sie führt den Streit immer weiter und stellt Brünhild in der Öffentlichkeit bloß, sodass der Streit eskaliert. Durch die Folgen des Streits verliert Kriemhild ihren Ehemann und wird daraufhin zur trauernden Witwe, die Rache an ihrer Familie ausüben wird.

Ablauf des Streits

Entscheidend für die Darstellung des Streits ist die Unterscheidung zwischen Direktheit (Gesagtes benötigt keine Interpretation) und Indirektheit (Gesagtes benötigt Interpretation durch den Hörer). Indirektheit verweist auf die stärkere Position innerhalb des Konflikts, während die schwächere Position sich entweder durch den Versuch auszeichnet, durch Verstärkung der Indirektheit die Oberhand zurückzugewinnen oder durch Direktheit die untergeordnete Position akzeptiert.[Bryan 2012: 349]

Kriemhild wird zur auslösenden Instanz des Streits: „ich hân einen man, / daz elliu disiu rîche ze sînen handen solden stân.“ (Str. 812). Brünhild fasst ihre Aussage als Bedrohung auf und antwortet gleichermaßen aggressiv und indirekt, dass dies niemals geschehen könne, solange Gunther lebe (Vgl. Str. 813). Ihr Versuch, in der Auseinandersetzung die Überhand zu gewinnen, schlägt fehl, da Kriemhild ihre Indirektheit auf eine neue Ebene hebt, indem sie sich so verhält, als habe Brünhild überhaupt nicht gesprochen.[Bryan 2012: 360] Die Implikation, dass Siegfried besser sei als Gunther, drängt Brünhild in eine defensive Position. Kriemhild hält ihre indirekte Position aufrecht und drängt Brünhild in zwei volle Strophen direkter Rede. In diesen Strophen erklärt Brünhild, dass sie Siegfried als Leibeigenen Gunthers sieht, weil Siegfried selbst gesagt habe, er wäre es (Vgl. Str. 818). Durch den Streit der Königinnen steht die Struktur, aus der heraus die Königinnen ihre und die Stellung ihrer Ehemänner legitimieren, auf dem Spiel.[Bryan 2012: 361] Gefolgt von Brünhilds Direktheit behält Kriemhild ihre Indirektheit bei. Sie fragt, warum, wenn Siegfried Gunthers Leibeigener sei, sie nie Abgaben entrichten mussten (Vgl. Str. 822). Eine Frage, die Brünhild sich selbst bereits gestellt hat (Vgl. Str. 721).

Der Königinnenstreit findet seinen Höhepunkt, als Kriemhild verkündet, dass sie die Kirche vor Brünhild betreten wird, eine Geste, die Kriemhilds höheren Status unterstreichen würde. Dadurch zwingt Kriemhild Brünhild vollständig in die Defensive. Wenn sie die Kirche betritt, ohne Kriemhild die Chance zu geben, die Kirche zuerst zu betreten, würde sie Kriemhild die Chance nehmen, einzulenken. Daraus resultierend kann Brünhild lediglich abwarten. Kriemhild nutzt die Gelegenheit und wendet sich mit einer indirekten und aggressiven Frage an Brünhild: „kundestu noch geswîgen, daz wære dir guot. / du hâst geschendet selbe den dînen schœnen lîp. / wi mohte mannes kebse werden immer küniges wîp?“ (Str. 836). Brünhild ruft ihre eigene, wenn nicht aggressive, zumindest aber empörte Indirektheit auf, wenn sie fragt: „Wen hâstu hie verkebset?“ (Str. 837). Das darf nicht als Widerspruch dazu verstanden werden, dass die schwächere Position innerhalb des Konflikts sich auf Direktheit beruft, viel eher wurde Brünhild in höchstem Maße in die Defensive gedrängt, sodass sie zu verzweifelten Mitteln greift.[Bryan 2012: 362] Kriemhild spricht daraufhin direkt aus, was sie zuvor nur angedeutet hat: „den dînen schœnen lîp, / den minnet êrste Sîfrit, der mîn vil lieber man. / jâne was ez niht mîn bruoder, der dir den magetuom angewan.“ (Str. 837). Brünhild ist nun vollständig entwaffnet und Kriemhild betritt die Kirche vor ihr.

Nach dem Gottesdienst unternimmt Brünhild einen letzten verzweifelten Versuch, ihren verlorenen sozialen Status zu retten. In direkter Rede fordert sie von Kriemhild Beweise für ihre zuvor getroffenen Aussagen (Vgl. Str. 843). Kriemhild behält ihre indirekte Aggression bei, wenn sie ihre Attacke mit einem indirekten einleitenden Element versieht, ehe sie den Ring und den Gürtel physisch präsentiert: „ir mohtet mich lâzen gân.“ (Str. 844). Brünhild ist besiegt, aber ihre Niederlage ist weitreichender, als es zunächst den Anschein hat. Die gesamte Sozialstruktur, auf der das Königreich fußt, ist ins Wanken geraten. Wenn sie bewahrt werden soll, muss Siegfried den Tod finden.[Bryan 2012: 363] Für Gunther ist die Angelegenheit erledigt, als Siegfried schwört, Kriemhild gegenüber nie behauptet zu haben, Brünhild sei seine „kebse“ (Str. 836). Doch nicht für alle Untertanen ist die Kränkung der Königin bereinigt. Hagen will sich dafür rächen und bedrängt Gunther, Siegfried zu töten.

Stellung der Zeichen im Königinnenstreit

Der Höhepunkt des Königinnenstreits zwischen Brünhild und Kriemhild wird durch die öffentliche zur Schaustellung der Zeichen - Gürtel und Ring - erreicht. Letztere nehmen eine wichtige Stellung ein und führen schlussendlich zur Zerrüttung des Verhältnisses der beiden Königinnen. Der Gürtel und der Ring sind ein Symbol des Sieges und der Überlegenheit Siegfrieds und somit auch Kriemhilds. Diese Information wird Brünhild in einem öffentlichen Raum demonstriert, indem Kriemhild den Ring und den Gürtel unter aller Augen beim Einzug in die Kirche trägt. Diese Situation führt schlussendlich zu einem Widerspruch, da die wahrgenommene Realität und Überzeugung der Machtstellung Brünhilds und somit auch Gunthers mit der zur Schaustellung der Zeichen kollidiert. [Müller 1998: 272]

Seit der Brautwerbung Brünhilds in Isenstein wird Gunther als oberster Machthaber und Siegfried als dessen Untergebener inszeniert. Das bedeutet, dass für die Gesellschaft Isensteins und somit für die Realität Brünhilds ein fester Rahmen mit bestimmten Zeichen Geltung findet. Damit in Worms Brünhilds Realität bestehen bleibt, wird Siegfrieds Ergebenheit mehrfach vorgetäuscht. [Müller 1998: 270] An dieser Stelle wird deutlich, dass die Wormser Realität manipuliert wird, damit Brünhild nicht auf den Betrug aufmerksam wird. Erst durch das Miteinbeziehen des öffentlichen Raumes werden die Zeichen – Gürtel und Ring - rechtskräftig, weshalb sie von Brünhild nicht weiter fehlgedeutet werden können. [Müller 1998: 272] Demnach funktionieren die „Zeichen […] immer nur in einem bestimmten sozialen Rahmen mit bestimmten Konventionen […]“. [Müller 1998: 271]

Die Zeichen und Worte, die Brünhild in Isenstein kennengelernt hat und Geltung haben, stimmen nicht mit den Zeichen in Worms/ Xanten überein, bzw. sind diesen entgegengesetzt: Siegfried herrscht als König vs. Siegfried ist Gunthers Dienstmann. [Müller 1998: 272] Diese beiden Realitäten werden immer wieder einander gegenübergestellt und Brünhild sucht bis zuletzt herauszufinden, welche der beiden wahr ist. Brünhild kann durch Worte keine Wahrheit finden, weshalb sie sich auf Zeichen verlassen muss, die wiederum keine Verlässlichkeit bieten und für Verwirrung sorgen. [Müller 1998: 271] Im Königinnenstreit stellt sich letztendlich diejenige Realität für die Allgemeinheit als wahr heraus, in der Siegfried als König und Kriemhild als Königin gelten. Die ebenbürtigen Machtverhältnisse werden vor aller Augen offengelegt und finden somit Rechtskräftigkeit, weshalb der Königinnenstreit einen Wendepunkt darstellt und als Konsequenz tragische Handlungen nach sich zieht.

Folgen des Königinnenstreits

Der Königinnenstreit zwischen Kriemhild und Brünhild hat weitreichende Konsequenzen für den weiteren Handlungsverlauf der Erzählung. Der Erzähler des Nibelungenlieds kündigt die drastischen Folgen des Königinnenstreits auch sofort an, nachdem dieser geschehen war: „von zweier vrouwen bâgen wart vil manic helt verlorn“ (Str. 873). Sowohl der Höhepunkt des ersten Teils des Nibelungenlieds – Siegfrieds Ermordung durch Hagen – als auch der zweite Teil, in dem Kriemhild als Reaktion auf den Tod ihres Mannes grausame Rache an den Burgunden ausübt, lassen sich auf den Königinnenstreit zurückführen. So kann der Königinnenstreit als Wendepunkt des Nibelungenlieds betrachtet werden, da die Tode der zentralen Helden – Siegfried, Gunther, Kriemhild, Hagen – auf die Eskalation des Streits zurückzuführen sind.

Ermordung Siegfrieds

Zwar erklärt Gunther den Streit augenscheinlich für beendet, indem er Siegfrieds Eid Glauben schenkt, aber Hagen schwört dennoch Rache für die verletzte Ehre seiner Herrin Brünhild und beginnt, den Mord an Siegfried zu planen und voranzutreiben. Schließlich überzeugt er Gunther, dass Siegfried eine Bedrohung für sein Königreich darstellt und man durch dessen Tod dieses wiederum vergrößern könnte. Gunther schließt sich der Verschwörung an (Vgl. Str. 873). Nachdem Hagen Kriemhild die Schwachstelle ihres Ehemanns entlocken kann, wird Siegfried durch eine List in eine verletzliche Lage gebracht und von Hagen hinterrücks ermordet. Die Verschwörer verschleiern die wahren Umstände von Siegfrieds Tod und die am Boden zerstörte Kriemhild ist trotz einer positiven Bahrprobe, bei der Siegfrieds Leichnam in Anwesenheit von Hagen zu bluten beginnt, zur Untätigkeit gezwungen. Der Erzähler beschreibt, wie Hagens Rache und somit auch Siegfrieds Tod unmittelbare Konsequenz des Königinnenstreits sind („dâ het gerochen Hagene harte Brünhilde zorn“, Str. 1010). So ruht der Konflikt anschließend vorerst für viele Jahre, aber auch Kriemhild schwört Rache für ihren ermordeten Mann Siegfried zu einem besseren Zeitpunkt („ir sult iz lâzen understân, unz ez sich baz gefüege, sô will ich mînen man immer mit iu rechen“, Str. 1030).

Kriemhilds Rache

Der gesamte zweite Teil des Nibelungenlieds handelt schließlich von Kriemhilds Rache, die im Untergang der Burgunden endet. Viele Jahre lang trauert Kriemhild um ihren verstorbenen Mann, bis sich eine Chance zur Rache eröffnet, wenn der mächtige Hunnenkönig Etzel sie zur Frau nehmen will (Vgl. Str. 1393-7). Mit neuer Macht ausgestattet lädt sie ihre Brüder und Hagen an Etzels Hof ein, wo aufgrund von Schicksalsfügungen und im Konflikt stehenden Herrschaftsansprüchen schnell ein Kampf zwischen den beiden Parteien entfacht, in den auch die Helden Dietrich und Hildebrand mit ihren Truppen verwickelt sind. Schließlich werden Gunther und Hagen von Dietrich überwältigt, der versucht, den Konflikt zwischen Hagen und Kriemhild diplomatisch zu lösen (Vgl. Str. 2350-2). Hagen aber zeigt keine Reue, woraufhin Kriemhild erst ihren Bruder Gunther enthaupten lässt und dann Hagen eigenhändig mit Siegfrieds Schwert erschlägt, das dieser provokant zur Schau getragen hat. Kriemhild selbst wird daraufhin von Hildebrand erschlagen, da sie als Frau einen Helden getötet hat – so endet das Nibelungenlied in unsäglichem Leid und Trauer für alle ("di liute heten alle jâmer unde nôt. [...] ine kan iu niht bescheiden, waz sider dâ geschach, wan ritter und vrouwen weinen man dâ sach, dar zuo di edeln knehte,ir lieben friunde tôt.", Str. 2375-6).

Literaturverzeichnis

  • [*Bryan 2012] Bryan, Eric Shane: Indirekt Aggression: A Pragmatic Analysis of the Quarrel of the Queens in Völsungasaga, Þiðreks Saga, and Das Nibelungenlied. In: Neophilologus 97 (2013), S. 349-365.
  • [*Freche 1999] Freche, Katharina: Von zweier vrouwen bâgen wart vil manic helt verlorn. Untersuchungen der Geschlechterkonstruktion in der mittelalterlichen Nibelungendichtung, Trier 1999.
  • [*Gephart 2005] Gephart, Irmgard: Der Zorn der Nibelungen. Rivalität und Rache im „Nibelungenlied“, Köln 2005.
  • [*Müller 1998] Müller, Jan-Dirk: Spielregeln für den Untergang. Die Welt des Nibelungenliedes, Tübingen 1998.
  • [*Miedema 2011] Miedema, Nine R.: Einführung in das Nibelungenlied, in: Einführungen Germanistik, hg. von Gunter E. Grimm und Klaus-Michael Bogdal, Darmstadt 2011.
  • [*Nolte 2004] Nolte, Ann-Katrin: Spiegelungen der Kriemhildfigur in der Rezeption des Nibelungenlieds. Figurenentwürfe und Gender-Diskurse in der Klage, der Kudrun und den Rosengärten mit einem Ausblick auf ausgewählte Rezeptionsbeispiele des 18., 19. Und 20. Jahrhunderts, (Band 4), hg. von Ingrid Bennewitz, Münster 2004.

Textausgaben

  • [*Nibelungenlied 2004] Das Nibelungenlied. Mittelhochdeutsch/Neuhochdeutsch. Stuttgart, 2004.
  1. Dieser Artikel zitiert das Nibelungenlied in Strophenform nach der Textausgabe hg. von Ursula Schulze, die von Siegfried Grosse ins Neuhochdeutsche übersetzt und kommentiert wurde, vgl. hierzu [Nibelungenlied 2004].