Geografische Orte im Parzival: Unterschied zwischen den Versionen
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Ursprünglich verfolgte dieser Artikel das Ziel, im Sinne von Franco Morettis ''Imaginative Geography''<ref>Siehe dazu auch: Moretti, Franco: Atlas of the European novel 1800-1900, London & New York 1998.</ref> die zentralen '''Orte aus der Erzählung grafisch zu visualisieren''' und damit die Handlungsebene im Sinne einer Matrix zu veranschaulichen. Eine Visualisierung auf einer Karte könnte dabei die Distanzen hervorheben und Aufschluss über den Zusammenhang der wichtigsten Orte geben.<br /> | |||
Bereits 1961 hat Marianne Wynn einen ebensolchen Versuch unternommen die Umgebungen von schastel marveile und munschalvesche auf jeweils einer Karte festzuhalten. [ | |||
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Version vom 25. Mai 2015, 15:51 Uhr
In Wolfram von Eschenbachs Roman Parzival spielt sich die Handlung an verschiedenen Orten ab. Parzival legt im Laufe der Erzählung große Distanzen zurück. Die geografischen Örtlichkeiten sowie die sie verbindenden Wege erlauben einen spezifischen Blick auf den Roman. Der Roman umfasst nicht nur die Europäischen Länder des Mittelalters, sondern bildet die komplette damalige Welt ab, wie Schuler-Lang festhält. [Schuler-Lang 2014: 106.] Während sich bereits ein Artikel mit den im Werk eingewobenen Wissensaspekten auseinandersetzt und dabei auch auf die geografische Bildung des Erzählers eingeht, verfolgt der vorliegende Text die konkreten Handlungsorte.
Visualisierung der Orte
Ursprünglich verfolgte dieser Artikel das Ziel, im Sinne von Franco Morettis Imaginative Geography[1] die zentralen Orte aus der Erzählung grafisch zu visualisieren und damit die Handlungsebene im Sinne einer Matrix zu veranschaulichen. Eine Visualisierung auf einer Karte könnte dabei die Distanzen hervorheben und Aufschluss über den Zusammenhang der wichtigsten Orte geben.
Bereits 1961 hat Marianne Wynn einen ebensolchen Versuch unternommen die Umgebungen von schastel marveile und munschalvesche auf jeweils einer Karte festzuhalten. [
Reale Orte im Parzival
Im Parzival nennt Wolfram über 100 real existierende Ortsnamen aus Europa und Afrika und Asien. Explizit erwähnt werden beispielsweise Alexandrié, Antwwerp, Babilôn, Brâbant, Indîâ, Kaukasa, Nantes, Stîre und Wâleis. [Heinzle 2011: 205.] Referenzen auf (heute noch) bestehende Städte und Regionen könnten Lesern dabei helfen, den Text einfacher zu erfassen. Zusätzlich könnte dieser Vergleich Rückschlüsse auf wichtige zeitgenössische Lokalitäten erlauben. Eine Einbindung in Google Karten im Sinne des Projekts Mapping Writing[2] ist ebenfalls denkbar.
Liste einiger ausgewählter Orte in alphabetischer Reihenfolge
Bearosche
Beschreibung im Roman
Bearosche ist eine Stadt mit Burg, welche von Gâwân aufgesucht wird. Der Reichtum des Ortes wird im VI. Buch (350: 19-24) eindrücklich beschrieben.
Original | Übersetzung |
---|---|
Gâwân gein Béârosche reit.
burg und stat sô vor im lac, daz niemen bezzers hûses pflac. ouch gleste gein im schône aller ander bürge ein krône mit türnen wol gezieret. |
Burg und Stadt lagen vor ihm, so
schön, daß nie ein Herr sich eines schönern Hauses rühmen konnte. Was ihm da so wunderbar entgegenglänzte, das war die Krone über allen Burgen, sie war mit Türmen reich geziert. |
Mögliches reales Pendant
Ascalun
Beschreibung im Roman
Mögliches reales Pendant
Munsalvaesche
Die Gralsburg Munsalvaesche ist ein zentraler Handlungsort des Romans. In ihr befindet sich der heilige Gral.
Beschreibung im Roman
Mögliches reales Pendant
Nantes
In der Stadt Nantes befindet sich der Artushof.
Beschreibung im Roman
Parzival reitet aus dem Wald Brizljan nach Nantes. Da er den Weg nach Nantes nicht findet, wendet er sich an einen Fischer (142, 17).
Mögliches reales Pendant
Durch die explizite Erwähnung und die geografische Lage kann angenommen werden, dass es sich bei Nantes um die noch heute existierende Stadt in Frankreich handelt.
Patelamunt
Patelamunt ist die Hauptstadt des Königreiches Zazamanc.
Beschreibung im Roman
Mögliches Reales Pendant
Nolze hält fest, dass über die Lage der Hafen-Hauptstadt "in der Forschung Uneinigkeit herrscht". [Noltze 1995: 93.]
Pelrapeire
Pelrapeire ist die Hauptstadt des Landes Brobarz. Herrscherin von Pelrapeire ist Parzivals Frau Condwiramurs.
Lage der Stadt im Roman
Die Lage Stadt wird im fünften Buch Parzival (180, 21-26) folgendermassen beschreiben [3]
Original | Übersetzung |
---|---|
Doch reit er wênec irre,
wan die slihte an der virre kom er des tages von Grâharz in daz künecrîch ze Brôbarz durch wilde gebirge hôch. der tac gein dem âbent zôch. do kam er an ein wazzer snel: daz was von sîme duzze hel: ez gâbn die velse ein ander. daz reit er nider: dô vander die stat ze Pelrapeire. |
Doch ritt er nicht viel irre, sondern
stracks geradeaus ins Blaue, und also kam er an dem Tag von Grâharz durch ein wildes, hohes Gebirge in das Königreich Brôbarz. Der Tag ging gegen Abend zu, da kam er an ein reißendes Wasser, von Fels zu Fels hallte sein Tosen. An die- sem Wasser ritt er hinab. Da sah er die Stadt Pelrapeire liegen. |
Weiter heisst es im sechsten Buch (181: 5-6):
Original | Übersetzung |
---|---|
ez flôz aldâ reht in daz mer.
Pelrapeir stuont wol ze wer. |
Das war genau dort, wo das Wasser
ins Meer floß: Pelrapeire lag sehr wehrhaft da. |
Mögliches reales Pendant
Hofmann leitet aus der Beschreibung der Lage und Darstellung der Stadt Pelrapeir(e) ab, dass es sich um die französische Stadt Grenoble handeln könnte. Die Beschreibung der Lage ist für Hofmann identisch mit jener der grossen Kartause. Er schreibt dazu: „Der Ausdruck zer wilder albe klûsen (Parz. 190, 22), dessen sich Wolfram bedient, passt ganz vorzüglich auf die Kartäuser, welche bekanntlich das klösterliche mit dem Einsiedlerleben vereinigten und in dieser Kombination das Wesen ihre Ordens erblickten". [Hofmann 1883: 438-439.]
Soltane (Einöde)
Parzival wird von seiner Mutter Herzeloyde im Wald von Soltane abseits der Zivilisation aufgezogen.
Beschreibung im Roman
Mögliches reales Pendant
Zazamanc
Beschreibung im Roman
Zazamanc ist ein Königreich im Orient. Aus dem Text ist nicht klar ersichtlich, ob es im afrikanischen oder asiatischen Kontinent liegt. Herrscherin über Zazamanc ist erst die Königin Belacane und dann später ihr Sohn Feirefiz.
Mögliches reales Pendant
Der Name des Reichs von Belacane wird auch im Nibelungenlied erwähnt. Dort heisst es: "die arabischen sîden, wiz alsô der snê, und von Zazamanc der guoten, grüen alsâm der klê" (NL 362.2). [Reichert 2005: 84] Das östlich gelegene Land wird als Ursprung für Seide genannt. In der Forschungsliteratur wurde von Panzer Marokko als Standort vorgeschlagen. Dieser Vorschlag wurde jedoch widerrufen, da es dort keine Mohren gebe (vgl. Noltze 1995: 88). Kunitzsch (1984: S. 92, Anm. 47) verortet Zazamanc im antiken Ort Zagazaena in der Region der libyschen Region um Syrte. Noltze sympathisiert mit der Idee von Bartsch, dien Ort in Indien zu suchen. Dazu heisst es: "Die Fixierung auf Afrika ließ das spezifisch mittelalterliche Weltbild außer acht, demzufolge Indien und Äthiopien in unmittelbarer Nachbarschaft oder sogar Äthiopien als Teil Indiens vorgestellt wurden". [Noltze 1995: 88-89]
Literaturnachweise
<HarvardReferences/>
Heinzle, Joachim: Wolfram von Eschenbach. Ein Handbuch. Berlin 2011. [*Heinzle 2011]
Hofmann, K.: Ueber die Lokalität von Pelrapeir in Wolframs Parzival. In: Romanische Forschungen1, Nr. 3 (1. Januar 1883): S. 438-429. [*Hofmann 1883]
Noltze, Holger: Gahmurets Orientfahrt: Kommentar zum ersten Buch von Wolfram 'Parzival' (4,27-58,26), Würzburg 1995. [*Noltze 1995]
Reichert, Hermann (Hrsg): Das Nibelungenlied: nach der St. Galler Handschrift: Berlin 2005. [*Reichert 2005]
Schuler-Lang, Larissa: Wilder Erzählen - Erzählen vom Wilden. Parzival, Busant und Wolfietrich D: Berlin 2014. [*Schuler-Lang 2014]
- ↑ Siehe dazu auch: Moretti, Franco: Atlas of the European novel 1800-1900, London & New York 1998.
- ↑ Siehe dazu auch: Projekt Mapping Writing zur animierten Visualisierung von Literatur.
- ↑ Alle folgenden Versangaben beziehen sich auf die Ausgabe: Wolfram von Eschenbach: Parzival. Text und Übersetzung. Studienausgabe. Mittelhochdeutscher Text nach der sechsten Ausgabe von Karl Lachmann. Übersetzung von Peter Knecht. Mit einer Einführung zum Text der Lachmannschen Ausgabe und in Probleme der 'Parzival'-Interpretation von Bernd Schirok, 2. Aufl., Berlin/ New York 2003.