Geografische Orte im Parzival

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In Wolfram von Eschenbachs Roman Parzival spielt sich die Handlung an verschiedenen Orten ab. Parzival legt im Laufe der Erzählung große Distanzen zurück. Die geografischen Örtlichkeiten sowie die sie verbindenden Wege erlauben einen spezifischen Blick auf den Roman. Der Primärtext umfasst nicht nur die Europäischen Länder des Mittelalters, sondern bildet die komplette damalige Welt ab, wie Schuler-Lang festhält. [Schuler-Lang 2014: 106] Während sich bereits ein Artikel mit den im Werk eingewobenen Wissensaspekten auseinandersetzt und dabei auch auf die geografische Bildung des Erzählers eingeht, verfolgt der vorliegende Eintrag die konkreten Handlungsorte.

Visualisierung der Orte

Bereits 1961 hat Marianne Wynn versucht, die Umgebungen von schastel marveile und munschalveasche auf jeweils einer Karte grafisch festzuhalten. [Wynn 1961: vgl. 38-39] In der wissenschaftlichen Diskussion wird Wynns Vorhaben allerdings heftig kritisiert. Pratelidis schreibt dazu: "Man muss sich dessen stets bewusst sein, das Wolfram im 'Parzival' keine nachvollziehbare Landkarte entwirft, die rekonstruiert werden könnte." [Pratelidis 1994: vgl. 59-60] Auch Kugler vertritt diesen Standpunkt, wenn er von einer "nicht- kartographischen Räumlichkeit" schreibt, welche sich jeder geographischen Rekonstruktion verschließe. [Kugler 1990: 127] Schulz hält fest, dass Landkarten von mittelalterlichen Werken "schwer vorstellbar" sind und führt weiter an: "Räume erscheinen in mittelalterlichen Texten kaum je als kontinuierlich entfaltete." [Schulz 2012: 300] Schmitz sieht in den geografischen Spielfeldern der Handlung "viel mehr denn reine Geographie, nämlich als Felder eines bestimmten, rigorosen Bedeutungsinhaltes" und führt an, dass sich "die literarische Geographie (sozusagen urplötzlich) zu einem 'glänzenden' Schema verknüpfender und koordinierender Bedeutung". [Schmitz 2004: 28] Unter Berücksichtigung dieser Erkenntnisse geht der folgende Artikel primär auf die erwähnten Orte und deren mögliche real existierenden Pendants ein.

Dass Visualisierungen der Orte von literarischen Werken grundsätzlich funktionieren können, zeigt Franco Moretti mit seinem Projekt Imaginative Geography[1] Das erfolgreiche Projekt veranschaulicht die Handlungsorte von klassischen Werken der Weltliteratur auf virtuellen Karten. Auch wenn solche Unterfangen teilweise nicht vollumfänglich alle Handlungsorte darstellen können, ermöglichen sie das Hervorheben von Distanzen und geben Aufschluss über den Zusammenhang der wichtigsten Orte. Leerstellen und nicht genau definierbare Orte sind dabei ebenso wichtig wie Städte und Länder, welche klar zugeordnet werden können.
Auch wenn davon auszugehen ist, dass die Räume der mediävistischen Literatur nicht im gleichen Sinne realen Orten zuzuweisen sind, wie dies in der (Post)Moderne der Fall ist, zeigt dieser Artikel mögliche Pendants auf und legt kontroverse Meinungen innerhalb der Forschungsdiskussion offen.

Reale Orte im Parzival

Im Parzival nennt Wolfram über 100 real existierende Ortsnamen aus Europa, Afrika und Asien. Explizit erwähnt werden beispielsweise Alexandrié, Antwerp, Babylôn, Brâbant, Indîâ, Kaukasa, Nantes, Stîre und Wâleis. [Heinzle 2011: 205] Referenzen auf (heute noch) bestehende Städte und Regionen könnten Lesern dabei helfen, den Text einfacher zu erfassen. Zusätzlich könnte dieser Vergleich Rückschlüsse auf wichtige zeitgenössische Orte und Regionen erlauben. Eine Einbindung in Google Karten im Sinne des Projekts Mapping Writing[2] ist ebenfalls denkbar.

Wege im Parzival

Im Zusammenhang mit der Einordnung von (geografischen) Orten muss auch den zurückgelegten Wegen der Figuren Beachtung geschenkt werden. In seinem Werk Entwicklung durch Grenzüberschreitung ist Jonathan Haß vertieft auf zurückgelegte Distanzen eingegangen. Exemplarisch ordnet er Herzeloydes Rückzug in die Einöde von Soltane als topographische Grenzüberschreitung ein, bei welcher die Isolation als Selbsterhaltungszweck dient. [Haß 2002: 27]
Parzival legt im Laufe der Ereignisse große Distanzen zurück. Dieser Weg wird von Court als Entwicklungsweg bezeichnet, auf welchem der Held lernt, Unvollkommenheit und Unwissenheit zu überkommen. [Court 2009: 415]

Liste einiger ausgewählter Orte in alphabetischer Reihenfolge

Für eine klare Einordnung der Handlungsorte ist es wichtig, Belege in Form von Textstellen aus dem Roman zur Analyse vorliegen zu haben. Dieser Teil des Artikels sucht nach Beschreibungen in der Romanhandlung. In einem zweiten Schritt werden dann mögliche real existierende Orte auf dem Hintergrund der Fachliteratur eingeordnet und diskutiert.
Bei den gewählten Orten handelt es sich um eine Auswahl, die gerne auch von anderen Autoren erweitert werden darf.

Ascalun

Beschreibung im Roman

Mit dem Ziel, in einem Gerichtskampf seine Unschuld zu beweisen nimmt Gawan[3] die Reise in das Land Ascalun auf sich (Buch 8). Die Hauptstadt von Ascalun im Schampfanzun wird vom König Vergulath regiert, welcher Mitglied von Artus' Tafelrunde ist. Ascalun liegt im Westen im Bereich der Artushandlung.

Mögliches reales Pendant

Äußerlich gleicht Ascalun dem Namen der Stadt Askalon im heutigen Palästina. Kunitzsch merkt an, dass Wolfram und seine Hörer dies wohl auch so empfunden haben mögen. Für ihn liegt Ascalun jedoch klar im Westen Europas. [Kunitzsch 1984: vgl. 81]

Bearosche

Beschreibung im Roman

Bearosche ist eine Stadt mit Burg, welche von Gawan aufgesucht wird. Der Reichtum des Ortes wird im VI. Buch (350: 16-21) eindrücklich beschrieben. [4]

Mittelhochdeutsch Neuhochdeutsche Übersetzung nach Peter Knecht
350, 16-21 Gâwân gein Béârosche reit.
burg und stat sô vor im lac,
daz niemen bezzers hûses pflac.
ouch gleste gein im schône
aller ander bürge ein krône
mit türnen wol gezieret.
Burg und Stadt lagen vor ihm, so schön, daß nie ein Herr sich eines schönern Hauses rühmen konnte. Was ihm da so wunderbar entgegenglänzte, das war die Krone über allen Burgen, sie war mit Türmen reich geziert.

Mögliches reales Pendant

Über die genaue Lage von Bearosche finden sich in der Forschungsliteratur noch keine konkreten Ergebnisse. Wynn ist der Meinung, dass die Gebiete Grâharz und Brôbarz weder in einem klaren geografischen Bezug zu sich selbst, noch zu anderen Teilen der sagenhaften Geografie stehen. Identische Voraussetzungen gelten bei Wynn auch für Bearosche und Schanpfanzûn. [Wynn 1961: vgl. 32]

Munsalvaesche

Die Gralsburg Munsalvaesche ist ein zentraler Handlungsort des Romans. In ihr befindet sich der heilige Gral.

Beschreibung im Roman

Ähnlich wie Bearosche wird auch die Burg Munsalvaesche als eindrückliches Bauwerk beschrieben (226: 14-19).

Mittelhochdeutsch Neuhochdeutsche Übersetzung nach Peter Knecht
226,14-19 diu burc an veste niht betrogen.
si stuont reht als si wäre gedræt.
ez enflüge od hete der wint gewæt,
mit stürme ir niht geschadet was
vil türne, manec palas
dâ stuont mit wunderlîcher wer.
Die Burg log nicht, wenn sie sich Festung nannte. Wie gedrechselt stand sie da. Mit Sturm war ihr im Krieg nicht beizukommen, höchstens mit Wind - wenn man geflogen wäre. Viele Türme und so mancher Palas standen da in märchenhafter Macht.


In Wolframs Parzival heißt es, dass niemand die Lage der Burg kennt (226,13-14):

Mittelhochdeutsch Neuhochdeutsche Übersetzung nach Peter Knecht
226,13-14 gsît wir niht wizzen wâ diu stêtt.
ze arbeit ez uns lîhte ergêt.
Da wir nicht wissen, wo dieser Burg steht, kann das leicht schlimm für uns ausgehen.

Mögliches reales Pendant

Die Region um die Burg ist in der realen Welt nur schwer zu verorten. Wynn hat in ihrem Essay Fact and Fiction in Wolfram von Eschenbach's Parzival eine Landkarte von der Umgebung um Munsalvaesche erstellt. [Wynn 1961: vgl. 38] Folgende Grafik wurde basierend auf Wynns Beschreibungen erstellt und zeigt die Region um Munsalvaesche.

Munsalvaesche und Umgebung nach Wynnn

Thesen der älteren Forschung, wie die Rahns, der Munsalvaesche mit der Burgruine des Berges Montségur in den östlichen Pyrenäen lokalisierte, erweisen sich aus historischen wie etymologischen Gründen als problematisch [5]. Dieser versuchte seiner Zeit, die Katharer mit dem Gralsmythos in Verbindung zu bringen. Er setzte dazu Munsalvaesche (okzitan. Montsalvasch, „Heilsberg“, oder Montsauvage, „Wilder Berg“) mit Montségur (okzitanisch Montsegur, „sicherer Berg“) gleich. [6]

Horchler vermutet die Gralsburg im ehemaligen Benediktinerkloster San Juan de la Peña in Aragonien (Spanien) und argumentiert mit der Beschreibung der Lage der Burg. Der Berg über der Burg trägt den Namen Monte San Salvador. [Horchler 2004: vgl. 37] Horchler folgert daraus: "Auf Okztianisch würde der Berg vermutlich ,Mont Sant Salvatge' geheißen haben, oder volkstümlich ,Mont Salvatge'. Aus dieser auf Mandach zurückgehenden Namensgebung hätte Wolfram im Deutschen durchaus den Namen Mulsalvaesche machen können." [Horchler 2004: 37]

Nantes

In der Stadt Nantes befindet sich der Artushof.

Beschreibung im Roman

Parzival reitet aus dem Wald Brizljan nach Nantes. Da er den Weg nach Nantes nicht findet, wendet er sich an einen Fischer (142, 17).


Mögliches reales Pendant

Durch die explizite Erwähnung und die geografische Lage kann angenommen werden, dass es sich bei Nantes um die noch heute existierende Stadt in Frankreich handelt. In seinem Aufsatz mit dem Titel "Nantes - Spielfelder der Handlung in Wolframs 'Parzival" geht Schmitz vertieft auf die Frage der Funktion literarischer Darstellungen von Landschaft ein, versäumt es dabei jedoch, den Handlungsort Nantes in der realen Welt zu lokalisieren. [Schmitz 2004: 25] Für Schmitz scheint es gegeben, dass der Ort Nantes im Parzival der französischen Stadt Nantes entspricht. Bei ihm steht nicht die eigentliche Lage im Zentrum, sondern der Weg dorthin. Er hält fest, dass "der Weg Parzivals aus dem Wald Brizljan nach Nantes ein relativ unkomplizierter sei und Parzival nicht allzuviel abfordere." [Schmitz 2004: 25]

Patelamunt

Patelamunt ist die Hauptstadt des Königreiches Zazamanc und Residenz der Königin Belacane.

Beschreibung im Roman
Die Stadt wird vier Mal erwähnt (17,4: 64,17; 90,19; 97,20).

Mögliches Reales Pendant

Nolze hält fest, dass über die Lage der Hafen-Hauptstadt "in der Forschung Uneinigkeit herrscht". [Noltze 1995: 93.] Für Kunitzsch ist die Unsicherheit weniger groß. Er lokalisiert Patelamunt klar: "Während Zazamanc in Afrika zu denken ist (...) ist Patelamunt zweifellos Wolframs umgewandelte Form des Namens einer bekannten Hafenstadt im Indusdelta, also in Indien." [Kunitzsch 1984: 90] Im Artuslexikon steht zur Lage der Stadt: "Tatsächlich geht der Name aber auf Portus Patalus zurück, eine auf mittelalterlichen Mappae mundi (Ebstorf, Hereford) und in den Alexanderromanen zu findenden indische Hafenestadt." [Simek 2012: 273]

Pelrapeire

Pelrapeire ist die Hauptstadt des Landes Brobarz. Herrscherin von Pelrapeire ist Parzivals Frau Condwiramurs.


Lage der Stadt im Roman

Die Lage Stadt wird im fünften Buch Parzival (180, 21-26) folgendermassen beschreiben:

Mittelhochdeutsch Neuhochdeutsche Übersetzung nach Peter Knecht
180, 21-26 Doch reit er wênec irre,
wan die slihte an der virre
kom er des tages von Grâharz
in daz künecrîch ze Brôbarz
durch wilde gebirge hôch.
der tac gein dem âbent zôch.
do kam er an ein wazzer snel:
daz was von sîme duzze hel:
ez gâbn die velse ein ander.
daz reit er nider: dô vander
die stat ze Pelrapeire.
Doch ritt er nicht viel irre, sondern stracks geradeaus ins Blaue, und also kam er an dem Tag von Grâharz durch ein wildes, hohes Gebirge in das Königreich Brôbarz. Der Tag ging gegen Abend zu, da kam er an ein reißendes Wasser, von Fels zu Fels hallte sein Tosen. An diesem Wasser ritt er hinab. Da sah er dieStadt Pelrapeire liegen.


Weiter heißt es im sechsten Buch (181: 5-6):

Mittelhochdeutsch Neuhochdeutsche Übersetzung nach Peter Knecht
180, 5-6 ez flôz aldâ reht in daz mer.
Pelrapeir stuont wol ze wer.
Das war genau dort, wo das Wasser ins Meer floß: Pelrapeire lag sehr wehrhaft da.

Mögliches reales Pendant

Hofmann leitet aus der Beschreibung der Lage und Darstellung der Stadt Pelrapeir(e) ab, dass es sich um die französische Stadt Grenoble handeln könnte. Die Beschreibung der Lage ist für Hofmann identisch mit jener der grossen Kartause. Er schreibt dazu: „Der Ausdruck zer wilder albe klûsen (Parz. 190, 22), dessen sich Wolfram bedient, passt ganz vorzüglich auf die Kartäuser, welche bekanntlich das klösterliche mit dem Einsiedlerleben vereinigten und in dieser Kombination das Wesen ihre Ordens erblickten". [Hofmann 1883: 438-439.]

Schastel Marveile

Beschreibung im Roman

Schastel marveile ist die Burg im Land Terre marveile. In der Burg hat Gawan mehrere Aufgaben zu erfüllen, um die von Chlinschor eingesperrten Frauen zu befreien. Für Pratedelis stellt die "helfe - Aventiure" im "Zauberschloss (...) den Höhepunkt von Gawans ritterlicher Karriere" dar. [Pratelidis 1994: 154] Erst durch die Befreiung der vierhundert gefangenen Frauen kehrt auf dem Schloss wieder Freude ein (565.23-26; 582,20; 621,17; 627; 19-21).
Es folgt ein Fest, bei welchem die befreiten Frauen wieder mit ihren Rittern zusammengebracht werden. Dazu heißt es:

Mittelhochdeutsch Neuhochdeutsche Übersetzung nach Peter Knecht
637, 24-26 dô schuof mîn hêr Gâwân
daz dir vol ein ander sach;
dar an in liebes vil geschach.
Da hatte es mein herr Gâwân nun so eingerichtet, daß die Leute einander sahen; damit tat er ihnen viel Liebes.


Für Pratelidis manifestiert sich in Gawans Erlösungstat klar die "Vitalität arthurischer Ritterschaft." [Pratelidis 1994: 156] Für ihn zeigt der Autor damit "unmissverständlich auf, dass das Artusrittertum maßgeblich zur Wiederherstellung und Stabilisierung der gesellschaftlichen Ordnung beiträgt, wenngleich nicht alle Probleme auf dem Weg der Ritterschaft behoben werden können, wie nicht zuletzt auch Parzivals Scheitern in Munsalvaesche verdeutlicht." [Pratelidis 1994: 154]

Mögliches reales Pendant

Wynn hat in ihrem Essay Fact and Fiction in Wolfram von Eschenbach's Parzival eine Landkarte von der Umgebung um Schastel Marveile erstellt. [Wynn 1961: vgl. 39] Folgende Grafik wurde basierend auf Wynns Gedanken erstellt und zeigt die Region um Schastel Marveile.

Schastel Marveile und Umgebung basierend auf den Beschreibungen von Wynn

Soltane (Einöde)

Parzival wird von seiner Mutter Herzeloyde im Wald von Soltane abseits der Zivilisation aufgezogen.


Beschreibung im Roman

Parzivals Mutter Herzeloyde zieht mit ihrem Sohn in die Einöde von Soltane, um Parzival von allem Höfischen fernzuhalten. Im Roman wird der Einzug in Soltane wie folgt geschildert (117: 7-9):

Mittelhochdeutsch Neuhochdeutsche Übersetzung nach Peter Knecht
117, 7-9 Sich zôch diu frouwe jâmers balt
ûz ir lande in einen walt,
zer waste in Soltâne;
Zum Jammer trieb es dieser dame hin: Sie zog fort aus ihrem Land in einen Wald, in die öde Wildnis von Soltâne.


Es fällt auf, dass die Übersetzung "einen walt" mit "die öde Wildnis" gleichsetzt. Hierbei gilt es zu beachten, dass es sich um eine literarische Übersetzung handelt. Der Begriff ist auch durch seine Nähe zum altfranzösischen soutaine (Einsamkeit) gezeichnet.


Mögliches reales Pendant

Eine genaue Ortsangabe für Soltane ist nicht möglich. Bei der Einöde von Soltane handelt sich es um einen Sonderraum ausserhalb der höfischen Kultur. Dieser markiert im Parzival in der Form des Rückzugsortes in der Natur ein ein Gegenkonzept zum höfischen Leben und stellt ein Gegenkonzept dar.

Zazamanc

Beschreibung im Roman

Zazamanc ist ein Königreich im Orient. Aus dem Text ist nicht klar ersichtlich, ob es auf dem afrikanischen oder asiatischen Kontinent liegt. Herrscherin über Zazamanc ist erst die Königin Belakane und dann später ihr Sohn Feirefiz. In Zazamanc vollbringt Gahmuret Heldentaten und gewinnt dabei die Anerkennung und Liebe der Königin. Die Stadt wird insgesamt 15 Mal innerhalb der Gahmuret-Belakane-Handlung und 7 Mal innerhalb der Feirefiz-Handlung erwähnt. [Kunitzsch 1984: vgl. 91]

Mögliches reales Pendant

Der Name des Reichs von Belacane wird auch im Nibelungenlied erwähnt. Dort heißt es: "die arabischen sîden, wiz alsô der snê, und von Zazamanc der guoten, grüen alsâm der klê" (NL 362.2). [Reichert 2005: 84] Das östlich gelegene Land wird als Ursprung für Seide genannt. In der Forschungsliteratur wurde (unter anderem von Panzer) Marokko als Standort von Zazamanc vorgeschlagen. Dies wurde jedoch widerrufen, da es dort keine Mohren gebe (Noltze 1995: vgl. 88). [Kunitzsch 1984: 92] verortet Zazamanc im antiken Ort Zagazaena in der Region der libyschen Region um Syrte. Noltze sympathisiert mit der Idee von Bartsch, den Ort in Indien zu suchen. Dazu heißt es: "Die Fixierung auf Afrika ließ das spezifisch mittelalterliche Weltbild außer acht, demzufolge Indien und Äthiopien in unmittelbarer Nachbarschaft oder sogar Äthiopien als Teil Indiens vorgestellt wurden". [Noltze 1995: 88-89] Für Kunitzsch ist die Beschreibung der schwarzen Hautfarbe der Bewohner von Zazamanc ein deutliches Indiz für dessen Lage auf dem afrikanischen Kontinent, wenngleich er festhält, dass "Wolfram auch als Hauptstadt die indische Stadt Patelamunt einsetzt." [Kunitzsch 1984: 91] Weiter führt Kunitzsch an, dass mit Zazamanc auch der afrikanische Völkername Garamantes in Guinea sowie der Name Casa Mansa als Residenz der Herrscher des Mali-Reiches gemeint sein könnte. [Kunitzsch 1984: 92] Laut Simek liegt Zazamanc in Afrika. [Simek 2012: 374] Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass die Vorstellungen über die Lage von Zazamanc innerhalb der Forschungsliteratur weit auseinanderliegen.

Fazit

Eine lückenlose Zuordnung der Handlungsorte im Parzival ist nicht möglich und nur bedingt sinnvoll. Während einige Orte real existieren und noch heute identisch genannt werden (beispielsweise Nantes), lassen sich andere Lokalitäten nur ungefähr oder gar nicht eingrenzen. Dies ermöglicht zwar keine detaillierte geografische Karte, erlaubt jedoch die Eingrenzung der Handlung auf bestimmte Handlungsräume. Während die zentrale Handlung auf den Kontinenten Europa, Afrika und möglicherweise Asien vermutet werden, bleiben viele Beschreibungen vage. Dennoch liefern die Erwähnungen von Orten grundlegendes zeitgenössisches Hintergrundwissen, über welches Wolfram von Eschenbach verfügt haben muss.

Neben mehr oder weniger detaillierten Ortsangaben werden die zentralen Handlungsorte im Roman auf eine akribische Art und Weise beschrieben. Über Schastel Marveile und die Gralsburg Munsalvaesche wird erstaunlich detailliert berichtet. Gleichzeitig bleibt ihre Lage unklar. Dies unterstreicht den Sonderstatus dieser Orte. Für die Handlung sind sie von elementarer Wichtigkeit. Beide genannten Anlagen sind nicht leicht zu finden und verschließen sich dem gemeinen Besucher. Nellmann formuliert diesen Umstand wie folgt: "Wolfram vermeidet es, die räumliche Beziehung zwischen Munsalvaesche und dem Bereich von Schastel Marveile zu präzisieren. Ebenso verschleiert er die Entfernung von Pelrapeire und Terre de Salvaesche. Man hat mit Fleiß und Scharfsinn versucht, detaillierte Lagepläne der Schauplätze im 'Parzival' zu zeichnen. Dank Wolframs Detailfreude bei geographischen Angaben (im Gegensatz zu Chrétien) gelingen diese Versuche bis zu einem gewissen Grade; jedoch scheitert die Koordination der einzelnen Schauplätze." [Nellmann 1973:72]

Diese beiden Elemente sind zentral für die Handlungsorte Munsalvaesche und Schastel Marveile. Durch die vage Beschreibung der Lage und der gleichzeitigen detaillierten Schilderung der Räumlichkeiten und Eigenschaften der Anlagen entsteht eine magische Komponente. So weiß Gawan beispielsweise, was ihn innerhalb des Zauberschlosses Schastel Marveile erwarten wird, den Weg zur Burg kann er jedoch nur mit Hilfe des Fährmanns Plipplalinot finden.


Anmerkungen

  1. Siehe dazu auch: Moretti, Franco: Atlas of the European novel 1800-1900, London & New York 1998.
  2. Siehe dazu auch: Projekt Mapping Writing zur animierten Visualisierung von Literatur.
  3. Dieser Artikel verwendet durchgehend die neuhochdeutsche Schreibweise für Eigennamen aus dem Parzival. Dies dient der Leserlichkeit. In Mittelhochdeutschen Originalstellen wird natürlich die originale (mittelhochdeutsche) Schreibweise angegeben.
  4. Alle folgenden Versangaben beziehen sich auf die Ausgabe: Wolfram von Eschenbach: Parzival. Text und Übersetzung. Studienausgabe. Mittelhochdeutscher Text nach der sechsten Ausgabe von Karl Lachmann. Übersetzung von Peter Knecht. Mit einer Einführung zum Text der Lachmannschen Ausgabe und in Probleme der 'Parzival'-Interpretation von Bernd Schirok, 2. Aufl., Berlin/ New York 2003.
  5. Verweis auf kritischen Artikel zur Forschungsarbeit Otto Wilhelm Rahns
  6. Nelli, René: Dictionnaire des hérésies meridionales et des mouvements hérérodex ou indéendants apparus dans le Midi de la France depuis l’établissement du christianisme, Toulouse 1968

Literaturverzeichnis

Textausgabe

Wolfram von Eschenbach: Parzival. Studienausgabe. Mittelhochdeutscher Text nach der sechsten Ausgabe von Karl Lachmann. Übersetzung von Peter Knecht. Mit einer Einführung zum Text der Lachmannschen Ausgabe und in Probleme der 'Parzival'-Interpretation von Bernd Schirok, 2. Aufl., Berlin/New York, 2003.

Sekundärliteratur

<HarvardReferences/> [*Court 2009] Court, Jürgen, Klöcker, Michael (Hrsg.): Wege und Welten der Religionen. Festschrift für Udo Tworuschka. Frankfurt am Main 2009.
[*Haß 2002] Haß, Jonathan: Entwicklung durch Grenzüberschreitung im "Parzival" Wolframs von Eschenbach: Eine Textanalyse auf Basis der Lotmanschen Raumtheorie. Hamburg 2002.
[*Heinzle 2011] Heinzle, Joachim: Wolfram von Eschenbach. Ein Handbuch. Berlin 2011.
[*Hofmann 1883] Hofmann, K.: Ueber die Lokalität von Pelrapeir in Wolframs Parzival. In: Romanische Forschungen1, Nr. 3 (1. Januar 1883): S. 438-429.
[*Horchler 2004] Horchler, Michael: Wolfram von Eschenbach und der Jakobsweg. Eine Untersuchung zu Detailrealismen im Parzival. In. Göppinger Arbeiten zur Germanistik. Herausgegeben von Ulrich Müller, Franz Hundsnurscher und Cornelius Sommer. Göppingen 2004.
[*Kunitzsch 1984] Kunitzsch, Paul: Erneut: Der Orient in Wolframs 'Parzival'. In: 'Zeitschrift für deutsches Altertum und deutsche Literatur 113, Nr. 2 (Juni 1984): S. 79-111.
[*Kugler 1990] Kugler, Hartmut: Zur literarischen Geographie des fernen Ostens im „Parzival “und „Jüngeren Titurel “. In: Dinkelacker, Wolfgang; Grenzmann, Ludger; Höver, Werner (Hrsg.): Ja muz ich sunder riuwe sin. Festschrift für Karl Stackmann zum 15. Februar 1990. Göttingen: 1990: S. 107-147.
[*Nellmann 1973] Nellmann, Eberhard: Wolframs Erzähltechnik. Untersuchungen zur Funktion des Erzählers. Wiesbaden, 1973.
[*Noltze 1995] Noltze, Holger: Gahmurets Orientfahrt: Kommentar zum ersten Buch von Wolfram 'Parzival' (4,27-58,26), Würzburg 1995.
[*Pratelidis 1994] Pratelidis, Konstantin: Tafelrunde und Gral: die Artuswelt und ihr Verhältnis zur Gralswelt im Parzival Wolframs von Eschenbach: Würzburg 1994.
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[*Schmitz 2004] Schmitz, Bernhard: Nantes. Spielfelder der Handlung in Wolframs 'Parzival'. In: Zeitschrift für deutsches Altertum und deutsche Literatur 133, H.1. 2004: S. 22-44..
[*Schuler-Lang 2014] Schuler-Lang, Larissa: Wilder Erzählen - Erzählen vom Wilden. Parzival, Busant und Wolfietrich D: Berlin 2014.
[*Schulz 2012] Schulz, Armin: Räume und Zeiten. In: Braun, Manuel; Dunkel, Alexandra; Müller Jan-Dirk: Erzähltheorie in mediävistischer Perspektive. Berlin/Boston 2012: S. 292-316..
[*Simek 2012] Simek, Rudolf: Artus-Lexikon. Mythos und Geschichte, Werke und Personen der europäischen Artusdichtung: Stuttgart 2012.
[*Wynn 1961] Wynn, Marianne: Geography of Fact and Fiction in Wolfram von Eschenbach's "Parzival". In: The Modern Language Review 56, Nr. 1 (Januar 1961): S. 28-43. Der Artikel ist in Teilen auch online verfügbar.