Die Rolle des Fährmanns Plippalinot: Unterschied zwischen den Versionen

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== Plippalinot als Brückenbauer ==
== Plippalinot als Brückenbauer ==
Ohne die Hilfe des Fährmanns wäre Gawan sehr schlecht auf die Ereignisse in Schastel marveile vorbereitet. Der Besuch im Haus des Fährmanns ist als wichtige Station auf dem Weg ins Zauberschluss einzuordnen. Der Fährmann setzt Gawan nicht nur über den Fluss, sondern ermöglicht ihm auch eine  geistige Annäherung an das Zauberschloss. Dabei geht der Fährmann äusserst geschickt vor. Er verschweigt Informationen über das Zauberschloss und die Schwierigkeiten auf dem Weg dahin solange, bis Gawan nicht mehr aufhört zu fragen. Im Wissen darum, dass Gawan am Ende sowieso den Weg zum Schloss nehmen wird, findet sich der Gastgeber in einer emotionsgeladenen Situation wieder, als er annimmt, seine Tochter Bene weine, weil Gawan mit ihr geschlafen hat. Er sieht sich gezwungen, detaillierte Informationen zum Zauberschloss zu liefern.
Ohne die Hilfe des Fährmanns wäre Gawan sehr schlecht auf die Ereignisse in Schastel marveile vorbereitet. Der Besuch im Haus des Fährmanns ist als wichtige Station auf dem Weg ins Zauberschluss einzuordnen. Der Fährmann setzt Gawan nicht nur über den Fluss, sondern ermöglicht ihm auch eine  geistige Annäherung an das Zauberschloss. Dabei geht der Fährmann äußerst geschickt vor. Er verschweigt Informationen über das Zauberschloss und die Schwierigkeiten auf dem Weg dahin solange, bis Gawan nicht mehr aufhört zu fragen. Im Wissen darum, dass Gawan am Ende sowieso den Weg zum Schloss nehmen wird, findet sich der Gastgeber in einer emotionsgeladenen Situation wieder, als er annimmt, seine Tochter Bene weine, weil Gawan mit ihr geschlafen hat. Er sieht sich nun gezwungen, detaillierte Informationen zum Zauberschloss zu liefern.


Als Gastgeber kümmert sich Plippalinot in seinem Haus sowohl um die physische als auch um die mentale Vorbereitung des Gastes, indem er nicht nur um das leibliche Wohl besorgt ist, sondern ihm auch noch diverse Annehmlichkeiten bietet und ihn mit Informationen versorgt, welche die bevorstehende aventiure erst möglich machen.
Als Gastgeber kümmert sich Plippalinot in seinem Haus sowohl um die physische als auch um die mentale Vorbereitung des Gastes, indem er nicht nur um dessen leibliches Wohl besorgt ist, sondern ihm auch noch diverse Annehmlichkeiten bietet und ihn mit Informationen versorgt, welche die bevorstehende ''aventiure'' erst möglich machen.


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Version vom 12. Juli 2015, 23:25 Uhr

Hinweis: Dieser Artikel entsteht derzeit im Rahmen des Haupt- und Oberseminars zu Wolframs Parzival (Sommersemester 2015) und wird konstant überarbeitet.

Der Fährmann Plippalinot muss innerhalb des Romans Parzival von Wolfram von Eschenbachs als widersprüchliche Figur eingeordnet werden. Dieser Artikel zeigt die Schlüsselrolle Plippalinots für Gawans Reise nach Schastel marveile auf.

Gawan trifft auf Plippalinot

Auf dem Weg zu Schastel marveile zeigt Orgeluse Gawan den Weg durch einen Wald und wird dann vom Fährmann über den Fluss gesetzt, auf dessen anderer Seite sich das Schloss befindet. Gawan wird vom Ritter Lischoys Gwelljus angegriffen und besiegt diesen (536,10-543,26). Der Fährmann Plippalinot fordert darauf das Pferd von Lischoy ein und erhält überraschend den gefangenen Ritter selbst von Gawan, da dieser im erbeuteten Tier sein Eigenes erkennt. Als Gâwan dem Fährmann von seiner unerfüllten Liebe klagt, informiert ihn Plippalinot, dass hier alles abenteuerlich sei:

Original __________ Übersetzung
dô sprach er 'hêrre, ez ist hier reht, __________ Da sprach er: "Mein Herr, das ist halt
ûfem plâne unt in dem fôreht __________ hier so Brauch, auf der Wiese und im Wald
unt aldâ Chlinschor hêrre ist: __________ und überhaupt im ganzen Reich des Chlinschor;
zagheit noch manlîch list __________ feiges Nichtstun ändert daran nichts
füegentz anders niht wan sô, __________ und ebensowenig Tapferkeit mit Kraft und Kunst,
hiute riwec; morgen vrô, __________ so ist es eben: heute traurig, morgen froh.
est iu lîhte unbekant: __________ Vielleicht wißt Ihr das noch nicht:
gar âventiure ist al diz lant: __________ In diesem Land sind alle Wunder möglich, es ist lauter Abenteuer
sus wer ez naht und ouch den tac. __________ bei Tag und bei Nacht.
bî manheit sælde helfen mac. __________ Wo Mannheit ist, da kann das Glück helfen. __________ (548,3-12)

Plippalinot lädt Gawan erfreut zu sich ein und beherbergt ihn für eine Nacht. Des Fährmanns Tochter Bene legt sich in der Nacht zu Gawan (549,10 ff.). Intim werden die beiden jedoch nicht, da Gawan sofort einschläft. Bene verlässt den Raum und verbringt die Nacht bei ihrer Mutter. Im Text heißt es dazu:

Original __________ Übersetzung
het er iht hin zir gegert, __________ Wenn er etwas von ihr gewollt hätte, ich glaube,
ich wæn si hetes in gewert. __________ sie hätte es ihm erlaubt.
er sol ouch slâfen, ob er mac. __________ Es ist aber auch besser so - er soll schlafen, wenn er kann.
got hüete sîn, sô kom der tac. __________ Gott möge ihn beschützen an dem Tag, der dann anbricht. __________ (552,27-30)

Nach dem Aufwachen sieht Gawan die Burg und die sich darin befindenden Frauen. Er schläft noch einmal ein und findet Bene vor, als er erneut erwacht. Gawan fragt bei Bene nach den Frauen in der Burg, was diese zu Tränen rührt. Eine Antwort bleibt sie ihm schuldig. Plippalinot stößt dazu und nimmt an, Bene weine, weil Gawan mit ihr intim geworden sei. Dies klärt sich erst nach mehrmaligem Insistieren, als Plippalinot erklärt, die Burg sei ein Ort der Gefahr: "dâ ist nôt ob aller nôt" (556.16). Sowohl Plippalinot als auch Bene warnen Gawan ausdrücklich vor dem Unterfangen, Schastel marveile zu betreten (557, 15-22). Gâwan folgt dem "ritterlichen Appell" am Ende jedoch trotzdem. [Mohr 1958]

Plippalinot und seine Tochter scheinen den Ritter insgeheim auf bevorstehende âventiuren vorbereiten zu wollen. Bene lässt Gawan seinen Schlaf und auch ihr Vater Plippalinot trifft Vorkehrungen für die Abenteuer von Gawan. So legt Bene Gawan seine Rüstung an und Plippalinot gibt ihm seinen Schild. Weiter erteilt Plippalinot Gawan klare Instruktionen zum Umgang mit dem Händler, welchen er vor Schastel marveile antreffen werde. Außerdem sagt ihm der Fährmann voraus, dass er in der Burg ein Bett, das lit marveile, vorfinden werde.

Plippalinots soziale Stellung

Otto hält fest, dass Plippalinot dank seiner adeligen Herkunft zwar finanziell privilegiert ist, jedoch besteht "seine einzige Einnahmequelle im Zusammenhang mit dem Fährdienst". [Otto 1993: 209] Dass der Fährmann einer beruflichen Tätigkeit nachgeht, steht in einer elementaren Opposition zu dessen adligem Hintergrund. Otto verweist auf diesen Widerspruch, löst diesen aber wiederum auf, wenn er ausführt: "das Pferd des bezwungenen Lischoys (...) ist nicht die Gebühr für den Fährdienst, der Fährdienst ist nur mit seinem Lebensrecht gekoppelt." [Otto 1993: 263] Folglich stellt die Möglichkeit des Fährdiensts ein Privileg und nicht primär eine bezahlte Arbeit dar. Plippalinot ist als ritterlicher Fährmann einzuordnen. Er hat adlige Vorfahren (644,3-4), verkehrt jedoch nicht am Hof. Gawans Mahl im Haus des Fährmanns ist „bereits dem Gepräge und dem Stand seines Ausrichters nach ein höfisches. Doch der Ort, an dem es stattfindet, gehört nicht zur höfischen Lebenswelt.“ [Höhner 2015: 106] Das Mahl wird deutlich von höfischer Esskultur geprägt. [Höhner 2015: vgl. 107] Dieser Ausschnitt aus dem Roman verdeutlicht, was Höhner „das verzerrte Spiegelbild höfischer zuht“ nennt. [Höhner 2015: 107] Plippalinot ist Stellvertreter für die adligen Landsleute, welche durchaus im Stande sind, Gawan standesgemäß gegenüberzutreten. Gleichsam sind die beiden Welten voneinander getrennt. Als Gawan beim Mahl im Haus des Fährmanns um die Gesellschaft dessen Tochter Bene bittet, macht Plippalinot explizit auf den Standesunterschied aufmerksam (550,16-19).

Verweise auf höfisches Leben im Haus des Fährmanns

Die Wohnverhältnisse Plippalinots sind für einen Fährmann ausserordentlich ungewöhnlich. Sein Haus hat mehrere Zimmer, sowie eine kemenâte. Kemenaten sind beheizte Zimmer, welche sonst nur in Burgen als Frauengemach zu finden sind. [Höhner 2015: vgl. 107] Im Anwesen von Plippalinot finden sich eine Reihe von Luxusgütern, welche sich ein normaler Fährmann unmöglich leisten könnte. Die Fenster sind verglast (553,5), was zu Wolframs Lebenszeiten höchst selten war. [Höhner 2015: vgl. 107] Gawans Lager und das Bett werden mit höfischen Stoffen gepolstert (549,23-30 sowie 552,7-39). Der Ritter erhält als Bettdecke den Mantel von Bene, welcher aus hermelîn gefertigt ist, sowie ein Federkissen (552,22 und 552,90).

Gawan und Bene

Auf die Beziehung zwischen Gawan und Bene wird bereits in einem bestehenden Artikel bereits kurz eingegangen. Im Hinblick auf die soziale Stellung des Fährmanns ist die Art des Umgangs von Gawan mit Bene zentral. Der Ritter spricht Bene mit frouwe an. Diese Anredeform ist auch für eine adlige Tochter eines Fährmanns nicht angemessen.

Plippalinot als Brückenbauer

Ohne die Hilfe des Fährmanns wäre Gawan sehr schlecht auf die Ereignisse in Schastel marveile vorbereitet. Der Besuch im Haus des Fährmanns ist als wichtige Station auf dem Weg ins Zauberschluss einzuordnen. Der Fährmann setzt Gawan nicht nur über den Fluss, sondern ermöglicht ihm auch eine geistige Annäherung an das Zauberschloss. Dabei geht der Fährmann äußerst geschickt vor. Er verschweigt Informationen über das Zauberschloss und die Schwierigkeiten auf dem Weg dahin solange, bis Gawan nicht mehr aufhört zu fragen. Im Wissen darum, dass Gawan am Ende sowieso den Weg zum Schloss nehmen wird, findet sich der Gastgeber in einer emotionsgeladenen Situation wieder, als er annimmt, seine Tochter Bene weine, weil Gawan mit ihr geschlafen hat. Er sieht sich nun gezwungen, detaillierte Informationen zum Zauberschloss zu liefern.

Als Gastgeber kümmert sich Plippalinot in seinem Haus sowohl um die physische als auch um die mentale Vorbereitung des Gastes, indem er nicht nur um dessen leibliches Wohl besorgt ist, sondern ihm auch noch diverse Annehmlichkeiten bietet und ihn mit Informationen versorgt, welche die bevorstehende aventiure erst möglich machen.

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Literaturnachweise:

[*Höhner 2015] Höhner, Jens: Zu Tisch mit König Artus und Parzival: Mähler in epischen Texten des Mittelalters im Kontext höfischer Etikette, höfischer Kommunikationsformen und rhetorischer Darstellung. Hamburg 2015.
[*Otto 1993] Otto, Dietmar: Definition, Darstellung und Bewertung von Arbeit und Tätigkeit in den deutschen Epen des Hohen Mittelalters, Frankfurt am Main 1993.
[*Mohr 1958] Mohr, Wolfgang: Parzival und Gawan. In: Euphorion, Zeitschrift für Literaturgeschichte 52, (1958). S. 1-22.