Figurencharakteristik (Reinhart Fuchs): Unterschied zwischen den Versionen

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=== Reinhart als Verlierer ===
=== Reinhart als Verlierer ===
In den anfänglichen Episoden scheitert Reinhart zu genüge: Er will Bauern Lanzelins seine Hühner stehlen, die sich aber in Sicherheit bringen. Reinhart schnappt sich mit einer List den Hahn Scantecler, der dem Fuchs aber wieder entkommen kann, indem er ihn provoziert. Auch die Miese entwischt Reinhart, die schon vor ihm gewarnt wurde. Der Rabe Diezelin ergatterte einen Käse, den der Fuchs begehrt und deswegen den Raben hintergehen will, bringt sich dabei jedoch selbst in Gefahr, vor der er flüchten kann. Anschließend begegnet er dem Kater Diepreht, der der Fuchs in eine Wildfalle zu locken versucht, in die er selbst hinein fällt und sich noch rechtzeitig mit einer List vor der Axt des Bauern retten kann. All diesen Tieren versucht Reinhart Leid zuzufügen und will sie zu seinen Gunsten hintergehen. Jedoch gelingt ihm zunächst keine seiner Taten und seine Opfer kommen immer wieder davon. "Ein Unglückstag Reinharts, und dies, obschon er seine ''kundekeit'' mannigfach unter Beweis stellt. Das steht im krassen Gegensatz zum Erfolg von Reinharts Finten in der Haupthandlung. Das epische Vorzeichen ist wohl deshalb verquer gesetzt, weil es im Hinblick auf die späteren, vielfach kriminell zu nennenden Taten des Protagonisten nötig schien, diesem beim Publikum einige Sympathien zu sichern: dem Erfolglosen mit reichen Gaben werden sie nie verwehrt."  
In den anfänglichen Episoden scheitert Reinhart zu genüge: Er will Bauern Lanzelins seine Hühner stehlen, die sich aber in Sicherheit bringen. Reinhart schnappt sich mit einer List den Hahn Scantecler, der dem Fuchs aber wieder entkommen kann, indem er ihn provoziert. Auch die Miese entwischt Reinhart, die schon vor ihm gewarnt wurde. Der Rabe Diezelin ergatterte einen Käse, den der Fuchs begehrt und deswegen den Raben hintergehen will, bringt sich dabei jedoch selbst in Gefahr, vor der er flüchten kann. Anschließend begegnet er dem Kater Diepreht, der der Fuchs in eine Wildfalle zu locken versucht, in die er selbst hinein fällt und sich noch rechtzeitig mit einer List vor der Axt des Bauern retten kann. All diesen Tieren versucht Reinhart Leid zuzufügen und will sie zu seinen Gunsten hintergehen. Jedoch gelingt ihm zunächst keine seiner Taten und seine Opfer kommen immer wieder davon. "Ein Unglückstag Reinharts, und dies, obschon er seine ''kundekeit'' mannigfach unter Beweis stellt. Das steht im krassen Gegensatz zum Erfolg von Reinharts Finten in der Haupthandlung. Das epische Vorzeichen ist wohl deshalb verquer gesetzt, weil es im Hinblick auf die späteren, vielfach kriminell zu nennenden Taten des Protagonisten nötig schien, diesem beim Publikum einige Sympathien zu sichern: dem Erfolglosen mit reichen Gaben werden sie nie verwehrt." <ref>  </ref>


=== Gerechtigkeit unter den Tieren ===
=== Gerechtigkeit unter den Tieren ===

Version vom 7. Juli 2020, 12:53 Uhr

Der folgende Beitrag analysiert die Figur Reinhart Fuchs aus dem gleichnamigen Tierepos von Heinrich der Glîchezâre und dessen Charakter.

Dabei werden verschiedene Verse mit Wortbelegen von "kvndikeit" und das Verhalten des Protagonisten in den Episoden untersucht und auf Deutungen und Zitate zurückgegriffen.


Übersetzungen [1]

Verse mit Wortbelegen „kvndikeit“

V. 217

Mittelhochdeutsch Übersetzung
REinhart kvndikeite pflac. Reinhart pflegte seine Listigkeit.

V. 307

Mittelhochdeutsch Übersetzung
do was im kvndikeite zit. Da brauchte er dringend einen Einfall.

V. 364

Mittelhochdeutsch Übersetzung
do bedorfte er wol kvndikeit: Jetzt kam es wohl auf seine Geschicklichkeit an.

V. 1162 - 1163

Mittelhochdeutsch Übersetzung
siner amien warf er dvrch den mvnt Hinterlistig wedelte er seiner Geliebten
sinen zagel dvrch kvndikeit. den Schwanz durch ihren Mund.

V. 1420 - 1421

Mittelhochdeutsch Übersetzung
ez sold in wol erlozen Reinhart hätte ihn wohl
Reinhart mit seiner kvndikeit. von seiner Listigkeit erlösen können.

V. 1822 - 1823

Mittelhochdeutsch Übersetzung
nieman evch gezelen mack Niemand kann euch erzählen,
Reinharts kvndikeit -, wie hinterlistig Reinhart war-,

V. 2037

Mittelhochdeutsch Übersetzung
Reinhart sich kvndikeite vleiz: Reinhart wandte seine Listigkeit an:

Verse mit Aussagen über Reinharts Charakter

Der Protagonist wird am Beginn des Tierepos wie folgt vorgestellt: [RF, V 9-10]

Mittelhochdeutsch Übersetzung
Iz hate vil vnchvste erkant vnd ist Reinhart genant. Er trug viel Bosheit mit sich und wurde Reinhart genannt.


Reinhart will Scantecler fangen, der aber zu hoch auf einem Ast sitzt. Der Fuchs überlegt, wie er an Scantecler herankommt[RF, V 104-105]

Mittelhochdeutsch Übersetzung
Reinhart begonde uben baz sine Liste, Reinhart setzte am liebsten seine Listen ein,
die er hat. die er besaß.


Reinhart will auch die Meise überlisten, aber sie hat schon viel über den Fuchs gehört und ist vorgewarnt. [RF, V 189 - 191]

Mittelhochdeutsch Übersetzung
die meyse sprach: "Reinhart, Die Meise sprach: "Reinhart,
mir ist vil manic ubel [] art man hat mir häufig von vielen deiner bösen Eigenschaften
von dir gesagt dicke. […]" berichtet. […]"


Nun will die Meise Reinharts Vertrauen testen und ihm drei Küsse geben, während er die Augen schließen soll, aber Reinhart hat nur böses im Sinn und versucht, sie zu fangen. [RF, V 197 - 199]

Mittelhochdeutsch Übersetzung
Reinhart wart vil gemeit Reinhart war vergnügt
von der cleinen leckerheit, über die kleine Hinterlist,
er vrevte sich vaste. er freute sich sehr.


Während der Wolf Isengrin und seine Söhne auf Beutejagd sind, wittert Reinhart die Gelegenheit und umwirbt Isengrins Frau. Später vergewaltigt Reinhart sie sogar. [RF, V 416 - 421]

Mittelhochdeutsch Übersetzung
sin wip nam er bi der hant Er nahm seine Frau bei der Hand
vnde bevalch si Reinharte sere und empfahl sie an Reinharts
an sine trewe vnde an sine ere. Treue und an seine Ehre.
Reinhart warb vmb di gevatern sin. Aber Reinhart warb um seine Gevatterin.
do hat aber er Ysengrin einen vbelen kamerere. Da hatte Isengrin aber einen üblen Kämmerer,
hi hebent sich vremde mere. Denn von jetzt an begeben sich schändliche Geschichten.


Eines Nachts geht Reinhart mit Isengrin zu einem zugefrorenen Weiher und bindet einen Eimer an dessen Schwanz, um Fische zu fangen. Isengrin bedenkt dabei aber nicht die Kälte, sondern ist nur auf seine Beute fixiert, sodass ihm der Schwanz festfriert. Damit geht Reinharts Plan auf. [RF, V 744]

Mittelhochdeutsch Übersetzung
Reinhart was los […]. Reinhart war hinterhältig […].


Reinhart warnt Isengrin nicht vor den Gefahren der Kälte, obwohl sie sich Treue geschworen haben. [RF, V 753]

Mittelhochdeutsch Übersetzung
Reinhartis driuwe warin laz, […]. Reinharts Treue war unzuverlässig.


Isengrin wird von einem Ritter unabsichtlich gerettet: Dieser will ihn eigentlich töten, schneidet dem Wolf aber lediglich den Schwanz mit seinem Schwert ab, woraufhin dieser fliehen kann. Reinhart flüchtete schon längst vorher. [RF, V 823 - 826]

Mittelhochdeutsch Übersetzung
Reinhart, der uil hat gelogin, Reinhart, der selbst schon viel gelogen hatte,
der wirt noh hut betrogin. wird heute noch selbst betrogen.
doch behalf ime sin kundigkeit von notlichir arbeit. Doch half ihm seine listige Art aus feindlicher Bedrängnis.


Reinhart wird aufgrund seiner zahlreichen Hinterlisten und auch Morde verurteilt. Aber selbst im Gericht scheut er nicht davor, den König, der gleichzeitig Richter ist, zu hintergehen.' [RF, V 1865]

Mittelhochdeutsch Übersetzung
Reinhartes liste waren gros, […]. Aber Reinharts Hinterlistigkeit war unendlich, […].


Reinhart gibt vor, den kranken König durch einen Trank zu heilen, jedoch braut Reinhart ihm seinen Tod: Der Trank ist vergiftet.[ RF, V 2172 - 2175]

Mittelhochdeutsch Übersetzung
Reinhart was vbele vnde rot, Reinhart war böse und rot,
daz tet er da vil wol schin: das machte er vollends deutlich:
er vergab dem herren sin. er vergiftet seinen Herrn.

Der Protagonist und seine Eigenschaften

Die Rückschlüsse über Reinharts Eigenschaften, sein Verhalten und auch das Äußere werden im Folgenden interpretiert. Ebenso dienen die oben zitierten Verse und verschiedene Auslegungen des Wortes "kvndikeit" der Analyse und Charakterisierung der Figur.

Reinhart wird als Protagonist oft mit dem Wort "kvndikeit" beschrieben, das je nach Kontext positiv oder negativ ausgelegt wird. Das Wort wird unter anderem mit 'Einfall' oder 'Geschicklichkeit' Reinharts übersetzt, aber auch mit 'Listigkeit' oder 'Hinterlistigkeit' des Fuchses. Der Protagonist stellt anderen Tieren gerne eine Falle oder hintergeht sie und macht sich ein Spaß daraus, wenn er erfolgreich war. Als schlauer, kluger Fuchs ist er den anderen Tieren oft überlegen und nutzt deren Leichtgläubigkeit und Naivität gerne mit einer List aus. Hinterlistig ist jemand, der heimlich bestrebt anderen Schaden zuzufügen oder sie zu betrügen. [2] Listig sein bedeutet, "die Fähigkeit verfügend, sich Umstände zur Erreichung seiner Absichten zu bedienen, die anderen verborgen sind" [3] . Und genau das ist Reinhart Fuchs: Er ist fähig, andere zu hintergehen und seine Eigenschaft als Fuchs auszunutzen, denn die meisten Tiere erkannten seine Überlegenheit nicht. Es bereitet dem Fuchs Freude, seine Listen vergnügen ihn und es macht ihm Spaß, wenn er andere Tiere hintergeht. Sicherlich ist er auch ein einsames Tier, denn er macht sich nicht viele Freunde: Alle Tiere, denen er begegnet, fügt er irgendein Leid zu und schikaniert sie. Der Leser selbst kann über die Dummheit der anderen Tiere nur lachen und entwickelt Sympathie für den schlauen Fuchs. Für seine Einsamkeit ist der Fuchs selbst verantwortlich, denn in der Brunnenepisode wird klar, dass auch Reinhart eine Frau hat. Der Fuchs meint, im Spiegelbild des Brunnenwassers (V. 840 - 849 [4] ) seine Frau zu erblicken, die er wie sich selbst liebt. Aber er könne es nicht lassen, noch eine Geliebte, eine Minne zu haben. Die tiefere, emotionale Bindung besteht aber zu der Ehefrau, denn er erkennt sie in seinem eigene Spiegelbild und springt zu ihr hinunter. "Damit ist die Beziehung zwischen Fuchs-Mann und Fuchs-Frau entlang der im literarischen Diskurshöfischer Literatur diskutierten Idee einer Trennung von Ehe und Minne konstruiert [...]." [5] Zum Beginn des Tierepos wird Reinhart Fuchs als "außergewöhnliches Tier" bezeichnet, das sein ganzes Trachten und seine Sinne auf Betrug und schlaue Winkelzüge richte und sich auf vielerlei Bosheit wohl verstanden habe (V. 1-10) [6]. Schon im Prolog wird regelrecht vor dem Fuchs gewarnt. Auch im Tierreich erzählt man nur schlechtes über Reinhart, die Meise habe schon viel über ihn und seine Taten gehört. Als Reinhart seinen König vergiftet, wird er als rot und böse betitelt. Im Tierepos wird der Protagonist einem Fuchs zugeordnet. Dieses Tier ist den andern Tieren körperlich nicht oft überlegen, aber er trotzt mit seiner Überlegenheit in Klugheit und Listigkeit. Die Hauptrolle kann nur einem Fuchs mit den zentralen Charaktereigenschaften Reinharts, wie seine Klugheit, Hinterlistigkeit und Tücke und seine Freude daran, zugeordnet werden, die er bewusst einsetzt, um seine Handlungsziele zu erreichen.

Reinhart als Täter und Opfer

Der Protagonist Reinhart Fuchs schadet im Tierepos vielen Tieren, nutzt deren Naivität aus und hintergeht sogar seine Verbündeten. Immer wieder setzt Reinhart seine Listen um und strebt lediglich nach seinem eigenen Wohlergehen. Er nimmt dabei bereitwillig in Kauf, dass er andere verletzt, sowohl seelisch als auch körperlich. Die Bedürfnisse seiner Umwelt interessieren ihn nicht. Aufgrund seiner Taten muss er sich vor Gericht behaupten, wo ihm die Todesstrafe droht. Niemand setzt sich vorerst für eine Verhandlung im Sinne einer verbindlichen Justiz ein. Die Episode der Gerichtsverhandlung offenbart somit auch den Egoismus und die Rücksichtslosigkeit der anderen Tiere. Auf diese Weise wird der Angeklagte vor Gericht selbst zum Opfer, denn ihm wird die formale Möglichkeit verwährt, sich gegen die zahlreichen Anschuldigungen zu verteidigen.

Reinhart als Verlierer

In den anfänglichen Episoden scheitert Reinhart zu genüge: Er will Bauern Lanzelins seine Hühner stehlen, die sich aber in Sicherheit bringen. Reinhart schnappt sich mit einer List den Hahn Scantecler, der dem Fuchs aber wieder entkommen kann, indem er ihn provoziert. Auch die Miese entwischt Reinhart, die schon vor ihm gewarnt wurde. Der Rabe Diezelin ergatterte einen Käse, den der Fuchs begehrt und deswegen den Raben hintergehen will, bringt sich dabei jedoch selbst in Gefahr, vor der er flüchten kann. Anschließend begegnet er dem Kater Diepreht, der der Fuchs in eine Wildfalle zu locken versucht, in die er selbst hinein fällt und sich noch rechtzeitig mit einer List vor der Axt des Bauern retten kann. All diesen Tieren versucht Reinhart Leid zuzufügen und will sie zu seinen Gunsten hintergehen. Jedoch gelingt ihm zunächst keine seiner Taten und seine Opfer kommen immer wieder davon. "Ein Unglückstag Reinharts, und dies, obschon er seine kundekeit mannigfach unter Beweis stellt. Das steht im krassen Gegensatz zum Erfolg von Reinharts Finten in der Haupthandlung. Das epische Vorzeichen ist wohl deshalb verquer gesetzt, weil es im Hinblick auf die späteren, vielfach kriminell zu nennenden Taten des Protagonisten nötig schien, diesem beim Publikum einige Sympathien zu sichern: dem Erfolglosen mit reichen Gaben werden sie nie verwehrt." Referenzfehler: Ungültige Verwendung von <ref>: Der Parameter „ref“ ohne Namen muss einen Inhalt haben.

Gerechtigkeit unter den Tieren

Die Konstruktion der Tierfiguren

"Ein Wesenszug und das in perfekter Ausprägung bestimmt Charakter und damit Funktion der Tierfigur. Die Episierung geschieht, indem die Tiere handelnd ihre eigene Natur enthüllen. […] Man kann auch sagen: die Tiere geben sich menschlich, nehmen noble Lebensformen, Sitte, Vernunft, Ideologien in Anspruch, handeln indes immer als Tiere, ihrer Natur entsprechend. Das aber bedeutet, da die handelnden Tiere die Menschenwelt spiegeln, Demaskierung. Der Widerspruch zwischen Ideal und Wirklichkeit tut sich drastisch auf, die Menschen, hier die adlige Gesellschaft, enthüllen ihre wahren, nämlich die kreatürlichen Kräfte. […] Eine besondere Rolle kommt dem Protagonisten zu. Reinhart ist es nämlich, der durch seine kundekeit die wahre Natur der Tierfiguren entlarvt."

Ruh_Reinhart Fuchs (1982)

Der Fuchs als Spiegel der Menschen

Der folgende Abschnitt bezieht sich auf Zitate und Forschungen und deren Deutungsvorschläge zu Wiederspiegelung der Menschen durch Reinharts Charakters.

Literaturhinweise

  1. Heinrich der Glîchezære: Reinhart Fuchs. Mittelhochdeutsch / Neuhochdeutsch, hg. Karl-Heinz Götter, Stuttgart 1995.
  2. https://www.duden.de/rechtschreibung/hinterlistig
  3. https://www.duden.de/rechtschreibung/listig
  4. Heinrich der Glîchezære: Reinhart Fuchs. Mittelhochdeutsch / Neuhochdeutsch, hg. Karl-Heinz Götter, Stuttgart 1995.
  5. Mecklenburg, Michael: mir ist lait, daz der man min / ane zagel muz wesen (V. 1058f.). Zur Überlagerung von Animalität, Geschlecht und Emotion in Heinrichs Reinhart Fuchs, in: Abenteuerliche ‚Überkreuzungen‘. Vormoderne intersektional, Göttingen 2017, S. 96-97.
  6. Heinrich der Glîchezære: Reinhart Fuchs. Mittelhochdeutsch / Neuhochdeutsch, hg. Karl-Heinz Götter, Stuttgart 1995.