Morgan (Gottfried von Straßburg, Tristan): Unterschied zwischen den Versionen
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Riwalin steht somit unter der Lehnsherrschaft von Morgan, was bedeutet, dass er ihm Treue und Gefolgschaft schuldig ist. [Weddige 2006: 162ff] Morgan hat | :und ein zusätzliches Land | ||
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:Dieser Bretone hieß Herzog Morgan.<ref>Die Übersetzung wird im Folgenden zitiert nach Rüdiger Krohn aus Gottfried von Straßburg: Tristan. Hrsg. von Rüdiger Krohn. Stuttgart 1993 (Universalbibliothek 4471, 4472).</ref> | |||
Riwalin steht somit unter der Lehnsherrschaft von Morgan, was bedeutet, dass er ihm Treue und Gefolgschaft schuldig ist.[Weddige 2006: 162ff] Morgan hat also Einfluss auf und Macht über Riwalin, der ihm untergeben ist. Nach der geltenden Ordnung im deutschen Lehnsrecht im Mittelalter könnte Morgan, unter Berücksichtigung der Stellung von Riwalin und [[Rual li Foitenant|Rual]], im dritten Heerschild eingeordnet werden.[Combridge 1964:S. 15-19] Er befindet sich somit eine Stufe über dem Heerschild, das den üblichen Herzögen zukommt. Dies verdeutlicht noch einmal seine besondere Verfügungsgewalt, die er als Herzog ausübt und die er über Riwalin hat. Ob Morgan selbst einem weiteren Lehnsherren untersteht, wie es üblicherweise sein müsste, geht aus der Erzählung Gottfrieds nicht hervor.[Combridge 1964:S. 17]</br> | |||
Zu dem Verhältnis zwischen Morgan und Riwalin an sich äußert sich der Erzähler nicht. Es wird für den Rezipienten nicht ersichtlich, ob Morgan seine Macht ausnutzt und wie Riwalin dem Lehnsverhältnis gegenüber steht. Somit fehlt auch eine Begründung, weshalb sich Riwalin eines Tages gegen das Lehnsverhältnis auflehnt. | |||
===Riwalins Auflehnung gegen das Lehnsverhältnis=== | ===Riwalins Auflehnung gegen das Lehnsverhältnis=== | ||
Drei Jahre nach seiner Schwertleite zum Ritter beginnt Riwalin einen [[Kampf|Krieg]] mit Morgan. Der Erzähler gibt an dieser Stelle an, nichts über die Motive Riwalins zu wissen | Drei Jahre nach seiner Schwertleite zum Ritter beginnt Riwalin einen [[Kampf|Krieg]] mit Morgan. [[Der Erzähler]] gibt an dieser Stelle an, nichts über die Motive Riwalins zu wissen: Es sei scheinbar unklar, ob Morgan ihn zu diesem Schritt reizt und Riwalin aus Not handelt, oder ob der Angriff aus ''"übermuot"'' (Vers 342) heraus erfolgt. Da die Beweggründe nicht genannt werden, erscheint es umso weniger nachvollziehbar, dass Riwalin Morgan "als einen schuldegen man" angreift (Vers 346), also in der Art und Weise, als ob Morgan den Kampf durch eine Verletzung des Lehnsverhältnnisses provoziert hätte. Der Erzähler gibt sich an dieser Stelle betont neutral und stellt sich weder auf die eine, noch auf die andere Seite, sodass auch der Rezipient die Szene nicht genau zuordnen kann.<br/> | ||
Riwalin | Der Verlauf des Angriffs wird dann als zunächst äußerst erfolgreich für Riwalin beschrieben. Morgans Burgen und Städte werden eingenommen, außerdem werden Güter und Geld so stark vermehrt, dass das Heer vergrößert werden kann. Jedoch setzt sich Morgan standhaft zur Wehr, bekommt ebenfalls Städte und Burgen unter seine Gewalt und beraubt sie. Das Kräfteverhältnis scheint ausgeglichen, dennoch ist Morgan Riwalin später unterlegen,[Hollandt 1966:S. 16] sodass Morgan schließlich zu Verhandlungen einlenkt. Es wird für die Zeit von einem Jahr Frieden vereinbart. | ||
===Morgan hebt den Waffenstillstand auf=== | ===Morgan hebt den Waffenstillstand auf=== | ||
Während sich Riwalin an [[Marke|Markes]] Hof in Tintajol befindet, fällt Morgan in sein Reich ein und der Krieg wird wieder aufgenommen. Riwalin kehrt deshalb zurück nach [[Parmenien|Parmenien]] und will sein Land aus Morgans Bedrängnis befreien. Für den Kampf setzen die Parmenier ihre ganze Streitmacht ein und es kommt zu einem heftigen Gefecht. Dieses Mal behält jedoch Morgan die Oberhand, sodass "der vil clagebaere erslagen" (Vers 1677) wird. Riwalins Tod ändert jedoch nichts an der Bedrohung durch Morgan, der Krieg wird weiter fortgeführt. Da [[Rual li Foitenant]] keine Chance mehr auf eine Verteidigung sieht, ergibt er sich schließlich seinem "tôtvînt" (Vers 1845). In welche Hände das Lehen nach Riwalins Tod fällt, bleibt im Text ungeklärt. Den üblichen Lehnsregelungen zufolge müsste es zurück an Morgan gehen. [Combridge 1964: 28]. Offen bleibt auch, ob Morgan die Waffenruhe frühzeitig beendet hat, oder ob die Frist bereits abgelaufen war. | Während sich Riwalin aufgrund einer Bildungsreise an [[Marke|Markes]] Hof in Tintajol befindet, fällt Morgan in sein Reich ein und der Krieg wird wieder aufgenommen. Riwalin kehrt deshalb zurück nach [[Parmenien|Parmenien]] und will sein Land aus Morgans Bedrängnis befreien. Für den Kampf setzen die Parmenier ihre ganze Streitmacht ein und es kommt zu einem heftigen Gefecht. Dieses Mal behält jedoch Morgan die Oberhand, sodass "der vil clagebaere erslagen" (Vers 1677) wird. Riwalins Tod ändert jedoch nichts an der Bedrohung durch Morgan, der Krieg wird weiter fortgeführt. Da [[Rual li Foitenant]] keine Chance mehr auf eine Verteidigung sieht, ergibt er sich schließlich seinem "tôtvînt" (Vers 1845). In welche Hände das Lehen nach Riwalins Tod fällt, bleibt im Text ungeklärt. Den üblichen Lehnsregelungen zufolge müsste es zurück an Morgan gehen. [Combridge 1964: 28]. Offen bleibt auch, ob Morgan die Waffenruhe frühzeitig beendet hat, oder ob die Frist bereits abgelaufen war.<br/> | ||
Der Tot Riwalins wird durch den Erzähler nur kurz erwähnt, obwohl er Blanscheflur und später für Tristan eine besondere Rolle spielt. | |||
==Morgan und Tristan== | ==Morgan und Tristan== |
Version vom 25. Januar 2011, 16:37 Uhr
Morgan, was so viel bedeutet wie "meergeboren" [Krohn 2008:S. 40], ist in Gottfried von Straßburgs 'Tristan' die Figur eines bretonischen Herzogs, der sich mit den Regenten des Landes Parmenien (zunächst kämpft mit::Riwalin, später kämpft mit::Tristan) in einem beständigen Machtkampf befindet.
Riwalin und Morgan
Das Verhältnis zwischen Morgan und Riwalin ist im Allgemeinen bedeutend für Tristans Schicksal und im Speziellen ausschlaggebend für Tristans Rache an Morgan.
Lehnsverhältnis
Riwalin und Morgan befinden sich in einem Abhängigkeitsverhältnis, das sich aus der Übergabe eines Landes von Morgan an Riwalin ergibt. So schildert der Erzähler, dass Riwalin aus Parmenien kommt
- und haete ein sunderes lant
- von eines Britûnes hant
- und solte dem sîn untertân:
- der selbe hiez li duc Morgân. (Verse 331-334)[1]
- und ein zusätzliches Land
- aus der Hand eines Bretonen erhalten hätte,
- wofür er diesem Gefolgschaft schuldete.
- Dieser Bretone hieß Herzog Morgan.[2]
Riwalin steht somit unter der Lehnsherrschaft von Morgan, was bedeutet, dass er ihm Treue und Gefolgschaft schuldig ist.[Weddige 2006: 162ff] Morgan hat also Einfluss auf und Macht über Riwalin, der ihm untergeben ist. Nach der geltenden Ordnung im deutschen Lehnsrecht im Mittelalter könnte Morgan, unter Berücksichtigung der Stellung von Riwalin und Rual, im dritten Heerschild eingeordnet werden.[Combridge 1964:S. 15-19] Er befindet sich somit eine Stufe über dem Heerschild, das den üblichen Herzögen zukommt. Dies verdeutlicht noch einmal seine besondere Verfügungsgewalt, die er als Herzog ausübt und die er über Riwalin hat. Ob Morgan selbst einem weiteren Lehnsherren untersteht, wie es üblicherweise sein müsste, geht aus der Erzählung Gottfrieds nicht hervor.[Combridge 1964:S. 17]
Zu dem Verhältnis zwischen Morgan und Riwalin an sich äußert sich der Erzähler nicht. Es wird für den Rezipienten nicht ersichtlich, ob Morgan seine Macht ausnutzt und wie Riwalin dem Lehnsverhältnis gegenüber steht. Somit fehlt auch eine Begründung, weshalb sich Riwalin eines Tages gegen das Lehnsverhältnis auflehnt.
Riwalins Auflehnung gegen das Lehnsverhältnis
Drei Jahre nach seiner Schwertleite zum Ritter beginnt Riwalin einen Krieg mit Morgan. Der Erzähler gibt an dieser Stelle an, nichts über die Motive Riwalins zu wissen: Es sei scheinbar unklar, ob Morgan ihn zu diesem Schritt reizt und Riwalin aus Not handelt, oder ob der Angriff aus "übermuot" (Vers 342) heraus erfolgt. Da die Beweggründe nicht genannt werden, erscheint es umso weniger nachvollziehbar, dass Riwalin Morgan "als einen schuldegen man" angreift (Vers 346), also in der Art und Weise, als ob Morgan den Kampf durch eine Verletzung des Lehnsverhältnnisses provoziert hätte. Der Erzähler gibt sich an dieser Stelle betont neutral und stellt sich weder auf die eine, noch auf die andere Seite, sodass auch der Rezipient die Szene nicht genau zuordnen kann.
Der Verlauf des Angriffs wird dann als zunächst äußerst erfolgreich für Riwalin beschrieben. Morgans Burgen und Städte werden eingenommen, außerdem werden Güter und Geld so stark vermehrt, dass das Heer vergrößert werden kann. Jedoch setzt sich Morgan standhaft zur Wehr, bekommt ebenfalls Städte und Burgen unter seine Gewalt und beraubt sie. Das Kräfteverhältnis scheint ausgeglichen, dennoch ist Morgan Riwalin später unterlegen,[Hollandt 1966:S. 16] sodass Morgan schließlich zu Verhandlungen einlenkt. Es wird für die Zeit von einem Jahr Frieden vereinbart.
Morgan hebt den Waffenstillstand auf
Während sich Riwalin aufgrund einer Bildungsreise an Markes Hof in Tintajol befindet, fällt Morgan in sein Reich ein und der Krieg wird wieder aufgenommen. Riwalin kehrt deshalb zurück nach Parmenien und will sein Land aus Morgans Bedrängnis befreien. Für den Kampf setzen die Parmenier ihre ganze Streitmacht ein und es kommt zu einem heftigen Gefecht. Dieses Mal behält jedoch Morgan die Oberhand, sodass "der vil clagebaere erslagen" (Vers 1677) wird. Riwalins Tod ändert jedoch nichts an der Bedrohung durch Morgan, der Krieg wird weiter fortgeführt. Da Rual li Foitenant keine Chance mehr auf eine Verteidigung sieht, ergibt er sich schließlich seinem "tôtvînt" (Vers 1845). In welche Hände das Lehen nach Riwalins Tod fällt, bleibt im Text ungeklärt. Den üblichen Lehnsregelungen zufolge müsste es zurück an Morgan gehen. [Combridge 1964: 28]. Offen bleibt auch, ob Morgan die Waffenruhe frühzeitig beendet hat, oder ob die Frist bereits abgelaufen war.
Der Tot Riwalins wird durch den Erzähler nur kurz erwähnt, obwohl er Blanscheflur und später für Tristan eine besondere Rolle spielt.
Morgan und Tristan
Die von Morgan ausgehende Bedrohung ist für Tristan bereits bei seiner Geburt von Bedeutung. Aus Angst vor Morgan gibt Rual den Erben von Riwalin als seinen eigenen Sohn aus.
Tristans Rache
Als Tristan im Jugendalter von seinem wahren Vater und dessen Tod erfährt, lässt ihm der Gedanke an Morgan keine Ruhe. Er kehrt nach Parmenien zurück, berät sich mit seinen Vasallen und fährt mit seinem Gefolge nach Britannien, wo er Morgan während einer Jagd antrifft. Morgan begrüßt den Fremden sehr höflich und Tristan bittet ihn um die Rückgabe des Lehens. Als der Herzog von der Herkunft Tristans erfährt, schlägt seine Gastfreundschaft um. Er beleidigt Tristan mit der Behauptung, er sei unehelich geboren worden und könne das Erbe deshalb nicht antreten. Als Morgan auch nach Tristans Beteuerung, die Abstammung beweisen zu können, nicht einlenkt, tötet Tristan Morgan. Das Lehen fällt Tristan zu.
Beurteilung der Rache
Ob Tristans Rache gerechtfertig ist oder nicht, ist umstritten. Rechtlich gesehen ist die Rache nicht zulässig, da Riwalin in einem Krieg zwischen ebenbürtigen Gegnern getötet wird und nicht einer Gewalttat zum Opfer fällt. [Combridge 1964: 25, 26]
Die Rolle Morgans innerhalb der Erzählung
Morgan nimmt ab dem Zeitpunkt von Riwalins Angriff die Rolle eines beständigen Feindes ein. Im Zusammenhang mit Morgan ist immer wieder die Rede von Feindseligkeit, Kummer und Schmerz. So veranlasst die Angst vor einem Angriff Rual schließlich dazu, Tristan als seinen Sohn auszugeben. Trotzdem bleibt Morgan für den Leser sehr lange nur die gestaltlose Verkörperung einer Gefahr, ohne konkret als Charakter aufzutreten. Er dient somit nur als Schablone des Gegenspielers, an dem die Qualitäten des Helden Tristans zutage treten.
Anmerkungen
- ↑ Mit Versangabe im Folgenden zitiert aus Gottfried von Straßburg: Tristan. Hrsg. von Rüdiger Krohn. Stuttgart 1993 (Universalbibliothek 4471, 4472).
- ↑ Die Übersetzung wird im Folgenden zitiert nach Rüdiger Krohn aus Gottfried von Straßburg: Tristan. Hrsg. von Rüdiger Krohn. Stuttgart 1993 (Universalbibliothek 4471, 4472).
Literatur
<HarvardReferences />
- [*Combridge 1964] Combridge, Rosemary Norah: Das Recht im Tristan Gottfrieds von Strassburg. Berlin 1964².
- [*Hollandt 1966] Hollandt, Gisela: Die Hauptgestalten in GottfriedsTristan. Berlin 1966.
- [*Krohn 2008] Gottfried von Straßburg: Tristan.Band 3. Kommentar. Hrsg. von Rüdiger Krohn. Stuttgart 2008.
- [*Weddige 2006] Weddige, Hilkert: Einführung indie Germanistische Mediävistik. München 2006.