Das Lachen (Ulrich von Liechtenstein, Frauendienst): Unterschied zwischen den Versionen

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(Strophe: 1493)
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Auch hier wird ein Mann (Herr Papot) aufgrund seines Nicht-''lachens'', was von Ulrich als Zeichen seiner unhöfischen Art interpretiert wird, als "übel man"[FD mhd: 1493, 1] bezeichnet. Dies sei der Grund dafür, dass er "vil maniger lachen"[FD mhd: 1439, 2] ausgesetzt ist. Sein Nicht-''lachen'' grenzt den Ritter aus und er kann keinen Teil der höfischen Gesellschaft bilden. Zudem kann er nicht den Dienst an einer edlen Dame ausführen, da das Lachen hierbei ein wichtiges Kommunikationsmittel darstellt und er zudem seine Freude über den Dienst nicht zum Ausdruck bringen könnte.
Auch hier wird ein Mann (Herr Papot) aufgrund seines Nicht-''lachens'', was von Ulrich als Zeichen seiner unhöfischen Art interpretiert wird, als "übel man"[FD mhd: 1493, 1] bezeichnet. Dies sei der Grund dafür, dass er "vil maniger lachen"[FD mhd: 1439, 2] ausgesetzt ist. Sein Nicht-''lachen'' grenzt den Ritter aus und er kann keinen Teil der höfischen Gesellschaft bilden. Zudem kann er nicht den Dienst an einer edlen Dame ausführen, da das Lachen hierbei ein wichtiges Kommunikationsmittel darstellt und er zudem seine Freude über den Dienst nicht zum Ausdruck bringen könnte. Das Lachen der Ritter markiert die Grenzen der höfischen Gesellschaft.


=== Zusammenfassung 2. Dienst ===
=== Zusammenfassung 2. Dienst ===

Version vom 16. Juli 2013, 23:23 Uhr

Was bedeutet das Lachen im Frauendienst? Welche Funktion erfüllt es? Dies soll folgend untersucht und analysiert werden. Zunächst werden verschiedene theoretische Perspektiven des Lachens beleuchtet wonach anschließend zunächst der 1. Frauendienst Ulrichs auf unterschiedlichen Formen des Lachens und dessen Funktion hin näher betrachtet wird. In einem zweiten Schritt wird dann der 2. Frauendienst anhand von exemplarischen Strophen untersucht.

Hintergrund

Geschichte des Lachens

Bereits die abendländische Philosophie beschäftigte sich mit dem Lachen. Vor allem Platon war ein Gegner des Lachens und assoziierte das Ernste mit dem Guten und das Lächerliche mit dem Schlechten.[Schörle 2007:S.19] Auch die Bibel hat ein ambivalentes Verhältnis zum Lachen weist ihm zwei Bedeutungen zu: das negative und das positive Lachen. Auf Gott bezogen umfasst das negative Lachen das spottende, oft auch überlaute Lachen der Toren, das positive Lachen ist das Lachen der Gläubigen. Auch der Zisterzienserabt Burchard von Bellevaux hat, in der Mitte des 12. Jahrhunderts, in seiner Apologia de barbis zwei verschiedene Formen des Lachens unterschieden: das heitere Lachen der Weisen und das scherzende, spaßende Lachen der Dummen, welches zugleich ein Verlachen, ein Auslachen war. Das erste Lachen billigte von Bellevaux, während er das zweite Lachen, verständlicherweise, ablehnte. Lachen gehört demnach unabtrennbar zur menschlichen Natur. Und auch im biblischen Kontext geht es also keineswegs darum, das Lachen zu verbieten. Eine Schlüsselszene der Bibel ist die Namensgebung des Isaak, dem Sohn von Sara und Abhraham: Isaak bedeutet Lachen oder Sohn der Lust und des Lachens.[Wolff 2009:86ff.] Dem entgegnet Auffarth, dass gerade die Ambivalenz der theologischen Auffassung und vor allem auch die Ablehnung des Lachens auffalle. Denn neben dem zugelassenen erlösenden Lachen[1] wurde Gelächter "verboten, verpönt und tabuisiert"[Auffarth 2008: S. 10]. Es wurden allein Formen des Lachens zugelassen, die den "Wertevorstellungen"[Dartmann 2011: S. 48] der Kirche entsprachen. Diese zeigten sich in Regeln, Normen und Lachverboten. In der striktesten Form der Ablehnung wurde das Lachen gar als Leugnung Gottes und Zeichen des Teufels interpretiert.[Auffarth 2008: S. 11][2]

Verschiedene Perspektiven und Formen

Gerd Althoff schreibt, dass im Mittelalter verschiedene Formen des Lachens in den „unterschiedlichsten Situationen als Codes“ [Althoff 2005: S. 4] verwendet wurden um bestimmte Botschaften zu transportieren. Eine allein affektive Ursache schließt er aus. Er sieht das Lachen, Gelächter oder Lächeln u.a. als „Mittel zur Konstitution von Gemeinschaften“ [Althoff 2005: S.4] fungieren. Anja Grebe hingegen bezeichnet in ihren Überlegungen zu Sakralität und Komik im Mittelalter das Lachen als "unkontrollierte Körperäußerung".[Grebe 2005:9] Gegen die einseitige Betrachtung von Grebe pflichtet Christoph Auffarth Althoff in seiner gemeinschaftsbildenden Funktion zu und führt diese weiter aus. Er differenziert das Lachen in seiner Funktion der Gemeinschaftsbildung zum einen als abgrenzendes und aggressives Lachen (im Hinblick auf andere Gruppen) und zum anderen als bestätigendes und zur Unterstützung aufforderndes Lachen innerhalb einer Gruppe. [Auffarth 2008: S. 8] Er weist des Weiteren darauf hin, dass es nicht nur der Gemeinschaftsbildung diene, sondern zudem, nach einem „Prozess der zeitweiligen Solidarisierung“[Althoff 2005: S. 9], diese nach dem Gelächter schnell wieder zerfallen und die Ordnung der Zugehörigkeit gar verändern könne – Gelächter sei demnach „sozialdynamisch“[Althoff 2005: S. 9].

Auch Eckart Schörle pflichtet Auffarths und Althoffs Auffassung des Lachens bei. Er betont, dass Lachen „immer kulturell geprägt“ sei „in seiner Äußerung, Wahrnehmung, Akzeptanz und Bedeutung“[Schörle 2007: S. 14]. Doch zugleich teilt er Anja Grebes Verständnis des Lachens als unkontrollierte Körperäußerung und hebt hervor, dass es ungleich schwieriger sei ein unkontrolliertes Lachen zu unterdrücken, als höfliche Umgangsformen zu erlernen. Gerade die Kombination von Kontrolle und Unkontrolliertheit des Lachens mache seine Bedeutungsvielfalt und Unberechenbarkeit aus.[Schörle 2007: S. 14] Christine Ackermann zitiert Bachtin, der die Behauptung aufstellt, dass es Lachgemeinschaften gebe, die „über die Zwänge der normativen Welt“[Ackermann 2009: S. 72] lachen können. Inwiefern dies auf den „Frauendienst“ zutrifft wird noch gezeigt werden.

Abschließend soll hervorgehoben werden, dass das Lachen „immer eine Reaktion auf Gegebenheiten […] [des] sozialen Umfelds“[Dartmann 2011: S. 54] ist. Das heißt, dass das Lachen sich meistens auf das Verhalten des Gegenüber bezieht. Doch auch beim Lachen über sich selbst, distanziere man sich und beobachte sich selbst als Gegenüber.[Dartmann 2011: S. 54]

Die folgenden drei Grundmuster des Lachens sind angelehnt an Christine Dartmanns Untersuchung zum Lachen der frouwe im Mittelalter.[Dartmann 2011: S. 55ff] Es wird sowohl das Lachen der frouwe, als auch das Lachen der auftretenden Personen im "Frauendienst" betrachtet.

1. Freundliches lachen

Das freundliche lachen signalisiert das Wohlwollen und Entgegenkommen bezüglich der Kommunikation und des Austausches mit der betreffenden Person. Das mhd. Wort lachen wird hier häufig auch mit 'lächeln' ins Nhd. übersetzt.[Dartmann 2011: S. 55] Das wohlwollende Lachen der vrouwe gegenüber einem Ritter spiegelt zudem häufig ihr Wissen um ihre Position als Umworbene wider, sodass das Lachen der Minnedame, so Dartmann, sie stets "als Beherrscherin der Situation"[Dartmann 2001: S. 65] kennzeichne.

2. lachen über

Das Hohn- und Spottgelächter dient vor allem dem lächerlich und verächtlich machen des oder der Verlachten.[Althoff 2005: S. 10] Man lacht über das unabsichtliche oder absichtliche komische Verhalten, Handeln oder Sprechen einer Person. Häufig geschieht dies auch, um bewusst sein gegenüber zu reizen. Dies sollte zum einen der Erhöhung der eigenen Person dienen und zum anderen den oder die Gegenüber verunsichern und zu unüberlegten Handlungen reizen, die das Ansehen weiter herabsenken würden. Dies entspricht auch einer der Theorien Freuds, der drei Theorien des Lachens [3] unterscheidet. Als erste Theorie führt Freud, so La Goff, das beschriebene machtbewusste Lachen aus einer Position der Überlegenheit auf.[La Goff 2008: S. 28]

3. Soziales lachen und Nicht-lachen

Die Bedeutung des bereits aufgeführte Lachens zum Zwecke der Gemeinschaftsbildung, als auch der Zerstörung, soll hier näher charakterisiert und auf seine Problematik hingewiesen werden.

Gerade beim Zusammenkommen bei Turnieren oder convivias, "gemeinschaftsstiftenden oder -stärkenden Gelagen"[Althoff 2005:S.8] waren Provokationen zwischen den, zum Teil auch verfeindeten, Gruppen üblich. Durch das Lachen und Scherzen konnte dies in friedlicher Form geschehen und durch das zustimmende, auf eine Provokation folgende Lachen konnten die Anwesenden ihre Position deutlich machen. Aber auch das Nicht-lachen konnte Positionen verdeutlichen oder die höfische Kommunikation direkt stören, denn es drückte „die fehlende Bereitschaft oder Fähigkeit des nicht lachenden Akteurs zu freundlicher Kommunikation“[Dartmann 2011: S. 55]

Formen des Lachens im "Frauendienst"

Nachfolgend werden die verschiedenen Muster des Lachens, die zuvor definiert wurden sowie deren Bedeutung im Bezug auf die Handlung im Frauendienst analysiert. In einem ersten Schritt wird das Lachen des ersten Dienstes näher betrachtet um in einem zweiten Schritt die Formen des Lachens im zweiten Frauendienst aufgezeigt und abschließend möglich Differenzen zwischen dem 1. Dienst und dem 2. Dienst erfasst[4].

Erster Dienst (Strophe 8-1389)

Freundliches lachen

(Strophe: 54, 119, 1090, 1100, 1111)

Es gibt mehrere Stellen im „Frauendienst“, die ein freundliches lachen im Sinne der gegebenen Definition, also als Ausdruck des Wohlwollens gegenüber dem Empfänger oder der Empfängerin. Mit einem „ich lache din“[FD mhd: 54, 1], das übersetzt wird mit „Sie lächelte“[FD nhd: 54, 1] berichtet die niftel Ulrich, dass die Dame zugestimmt habe mit ihm zu sprechen. Dies signalisiert und unterstützt, durch die niftel vermittelt, klar die Zustimmung von Ulrichs Herrin sich mit ihm zu treffen. Dies wird ein weiteres Mal durch die niftel, „diu lachet“[FD mhd: 119, 7], bestätigt, sodass Ulrich noch am selben Tag zur Herrin reiten kann um mit ihr zu sprechen (FD: 120). Die Funktion des Lachens hier ist „zwischenmenschliche Beziehungen anzubahnen“[Fietz 1996: S. 15]. Auch im weiteren Verlauf des Dienstes drückt die Dame wiederholt durch Lachen (FD: 1090, 5; 1100, 7) ihr Wohlwollen und ihre Gunst gegenüber Ulrich aus, jedoch nicht im Bezug auf seine Erwartungen der Erfüllung des von ihm geforderten Minnelohns (FD: 1097). Auch Seeber bestätigt, dass das Lachen einer Dame ein "auszeichnendes Kriterium für den Angelachten darstellt"[Seeber 2010: S. 143].

lachen über

(Strophe: 134, 538, 676, 688, 933, 945, 989, 1054)

Obwohl die Dame im ersten Dienst Ulrich gegenüber ihr Wohlwollen ausdrückt, gibt es Situationen, in denen sie auf Ulrichs Kosten lacht, bzw. durch abwertende Aussagen Anwesende zum Spottgelächter reizt. So beim ersten Zusammentreffen: Ulrich ist vor Angst nicht dazu in der Lage sich der Dame mitzuteilen (FD: 131). Er scheitert trotz mehrerer Anläufe und als er der Dame vom Pferd helfen möchte spottet sie über ihn:

Mittelhochdeutscher Text [FD mhd] __________ Neuhochdeutsche Übersetzung [FD nhd]
[...] "ir sit niht starc genuoc, __________ [...] »Ihr seid nicht stark genug,
ir mügt mich abe geheben niht __________ um mich zu heben von dem Pferd,
ir sit chranc, dar zuo enwiht."

__________ ihr seid zu schwach, auch viel zu klein.« 

Des schimpfes wart gelachet da. __________ Man lachte über diese Red’.
(FD: 133, 6 - 134, 1)

Die Männer lachen hier aus „Überlegenheit und Überheblichkeit“[Fietz 1996: S. 16] und der Chance, die eigene Position zu erhöhen und die des Konkurrenten zu erniedrigen. Kann hier behauptet werden, dass die Herrin genau dies mit ihrer Aussage bezweckt hat? Sie muss um die Wirkung ihrer Aussage auf die weiteren anwesenden Ritter gewusst haben und hat somit bewusst ein Verlachen Ulrichs provoziert.

Weiteres Lachen im ersten Dienst wird häufig durch Ulrichs Verkleidung als Frau während der Venusfahrt hervorgerufen. Im Gegensatz zum eben geschilderten Verlachen Ulrichs hat das Lachen hier jedoch keine negative Komponente, sondern ist meistens positiv besetzt, wie die Entdeckung seines wahren Geschlechts beim Tausch des Friedenskusses mit einer Gräfin (FD: 538, 1). Es drückt die Überraschung und das Erstaunen der Gräfin über die wahre Identität der vermeintlichen Königin aus.

Nach der Mitteilung des Boten, dass seine Herrin ihn hasse, da sein Dienst einer anderen Frau gelte, weint Ulrich jämmerlich und klagt ob seiner Unglückseligkeit (FD: 1021-1024). Er müsse nun, ohne Schuld daran, für immer in Trauer leben (FD: 1053). Herr Heinrich, dem er sein Leid geschildert hatte, beginnt daraufhin zu lachen (FD: 1054, 2). Er lacht über Ulrichs Verzagtheit und seinen fehlenden Mut. Er versucht Ulrich von seiner Schwäche abzulenken und ihm zu helfen seinen "hohen muot"[FD mhd: 1053, 4] zurück zu gewinnen.

Soziales lachen und Nicht-lachen

(Strophe: 491, 536, 600, 744 und Lied VII)

Die zweite Strophe des 7. Lieds im "Frauendienst" zeigt deutlich die soziale Funktion des Lachens:

Mittelhochdeutscher Text [FD mhd] __________ Neuhochdeutsche Übersetzung [FD nhd]
Wir süln tanzen, singen, lachen __________ Wir sollen tanzen, singen, lachen
durch diu wip, __________ der Frauen willen,
da mit mac ein man gemachen __________ dadurch kann ein Mann erreichen,
(FD: Lied VII, II, 1-3)

dass sein eigener Wert steigt. Damit und durch die verallgemeinernde Form des "wir" hat das Lachen hier die Funktion, als Teil des höfisch richtige Verhaltens, die erfolgreiche Kommunikation mit der frouwe zu ermöglichen.[Dartmann 2011: S. 172]

In seinem schönstes Frauenkleid angekleidet geht Ulrich-Venus zur Messe und verlässt die Kirche wieder, woraufhin „lachet do manic man [FD mhd: 600, 8] – welche Funktion erfüllt das Lachen hier? Ist es ein Zeichen der Bewunderung und die Männer lachen in der Gruppe um der vermeintlichen Dame ihr Wohlwollen mitzuteilen? Oder wird gelacht, da sie Ulrichs männliche Gestalt unter der Verkleidung entdeckt haben. Denn wenige Strophen darauf erhält Ulrich den Brief einer Unbekannten, die ihm für seinen Dienst in Frauenkleidern zur Ehre aller Damen dankt und ihm ihre Verehrung mitteilt (FD: Brief d, S. 215). Demnach könnte geschlussfolgert werden, dass inzwischen herausgekommen ist, wer die edle Königin Venus in Wirklichkeit ist. Doch dann wäre das Lachen der Männer spöttisch zu interpretieren. Der Text liefert hierzu jedoch keinen Hinweis dafür. Folglich hat das Gruppenlachen der Männer hier die Funktion der scheinbaren Dame das Wohlwollen ihr gegenüber auszudrücken.

Die Unfähigkeit zum Lachen zeigt sich im "Frauendienst", als Ulrich von einer edlen Unbekannten Geschenke erhält und nicht um ihre Identität weiß. "wan zornic muot niht lachen wil"[FD mhd: 744, 5] - das er nicht lacht hat nicht nur den Grund des verärgert Seins, es zielt zudem darauf ab, dass die anderen, also das soziale Umfeld, seine Traurigkeit und Wut sehen und ihm so ihr Mitleid und Anteilnahme ausdrücken können. Sein Unmut soll öffentlich sichtbar sein. Somit kann das Nicht-lachen auch als Kommunikationsmittel, das mitteilen soll in welchem Gemütszustand Ulrich sich befindet, fungieren. Dartmann differenziert generell zwischen dem Nicht-lachen des Minnenden und dem Nicht-lachen der frouwe. Der Unterschied bestehe darin, dass der Minnende nicht lacht, da sein Werben auf keine Resonanz stößt, hingegen die Dame nicht lacht, wenn sie nicht auf das höfische Werben des Minnenden eingeht.[Dartmann 2011: S. 175.] Ulrich berichtet während der Venusfahrt von einem freudlosen Mann, dem das Lachen völlig fremd sei (FD 491, 6-8). Durch sein Nicht-lachen ist er nicht dazu in der Lage einen Frauendienst erfolgreich auszuüben, da das Lachen eien Teil des höfisch richtigen Werbens bildet und die Kommunikation mit der Dame ohne Lachen nicht möglich ist. Hier zeigt sich deutlich die Wichtigkeit bzw. Unerlässlichkeit der Freude und des Lachens im sozialen Kontext des Mittelalters.

Zusammenfassung 1. Dienst

Es kann resümiert werden, dass das Lachen im ersten Dienst sehr spärlich auftaucht. Es fällt auf, dass Ulrich niemals lacht, sondern entweder über ihn gelacht wird, mal positiv mal negativ konnotiert, oder, zumindest vereinzelt, die Dame, der sein erster Dienst gilt, durch ein Lächeln ihr Wohlwollen ihm gegenüber ausdrückt. Sie lacht jedoch niemals im Sinne der Erfüllung seines Frauendienstes, dem Erhalt seines Minnelohns, sondern lediglich als Zeichen ihrer Gunst.

Dartmann behauptet gar, der Minnende dürfe nicht nur Nicht-lachen wenn er auf sein Minnebedürfnis aufmerksam machen möchte, sondern er sei" dazu verpflichtet, lachen und jedes Zeichen höfischer Fröhlichkeit zu verweigern, solange sich die Dame ihm nicht zuwendet"[Dartmann 2011: S. 175]. Dies trifft auf den ersten Frauendienst auch zu, denn der Dienst bleibt unerfüllt und Ulrich lacht nicht. Zugleich kann festgehalten werden, dass lachen für eine funktionierende Kommunikation innerhalb des Frauendienstes und für den Erfolg desselben unerlässlich ist

Zweiter Dienst (Strophe 1390-1835)

Freundliches lachen

(Strophe: 1645 - 1648, Lied XLIII, Lied XLVII, Lied XLVIII, 1732, 1733)

Ulrich ist bereits im 2. Dienst und preist seine neue Herrin über alle Maßen [FD: Lied XLII). Er ist glücklich in seinem nun erfolgreichen Frauendienst und schreibt mehrer Lieder zum Lob der edlen Dame (Lied XXXIX - XLIV). Nach Lied XLII taucht in den Strophen 1645-1648 zehnmal das Wort lachen auf. In welchem Zusammenhang, in welcher Funktion und warum taucht es auf einmal derart gehäuft auf? Ulrich beschreibt hier seine grenzenlose Freude und Fröhlichkeit, da die frouwe ihm das Lachen ihres Mundes und ihrer Augen schenkt und ihm dadurch die Bestätigung seines Dienstes vermittelt. Das Lachen beschreibt das Privileg, dass Ulrich nun besitzt indem die Dame nur ihm dieses Lachen schenkt. Die Funktion des Lachens ist demnach zum einen die kommunikative Vermittlung des erfolgreichen Dienstes Ulrichs, das ihm die Dame durch ihr Lachen mitteilt und zum anderen fungiert es hier als Zeichen für Ulrichs Glück, bzw. das Lachen der Dame vertreibt jeglichen Gram ("trurens"[FD mhd: 1648, 7]) und bringt Ulrich höchste Freude ("hohiu freude"[FD mhd: 1648, 8]) - deshalb auch die Ballung des Wortes lachen in den Strophen.

Das Lied XLIII behandelt ebenfalls in besonders ausgeprägter Form das Lachen der frouwe. Es thematisiert, wie die vorangegangenen Strophen, das weibliche Lachen als Kommunikationssignal und rückt die „Motivik des lachens der Augen bzw. des roten Mundes der Dame“[Dartmann 2011: S. 83] in den Fokus des Liedes.

Mittelhochdeutscher Text [FD mhd] __________ Neuhochdeutsche Übersetzung [FD nhd]
Diu vil guote zweier hande lachen __________ Die so Edle lacht wohl doppelt nun
lachet, diu ich nennen wil: __________ was ich euch jetzt gerne sagen will:
diu chan si so minneclichen machen, __________ Sie kann es so minniglich dann machen,
daz si sint min herzen spil; __________ daß sie echt mein herz erfreut;
so ich ir süezze lachen einez sol __________ wenn ich selbst ihr liebes Lachen seh’
sehen, so ist mir in dem herzen wol, wol, wol. __________ dazu ist mir in meinem Herzen wohl, wohl, wohl.
(FD: Lied XLIII, II)

Das dreimalige Auftauchen des Wortes lachen spiegele sich in dem dreimaligen wol am Ende der Strophe, so Dartmann.[Dartmann 2011: 85] Welches Glück Ulrich empfindet zeigt sich zudem auch im doppelten Lachen ("zweier hande lachen", Vers 1) der Dame, das Ulrichs Herz hoch erfreut. Ulrich bezieht das Lachen im Lied vor allem auf die Augen ("ougen lachen schoene"; "ougen güetlich lachent"[FD mhd: Lied XLIII: V, 1; IV, 5]) und den rosafarbenen Mund ("ir lachen"[FD mhd: Lied XLIII: III, 6]) der Herrin. Der Mund symbolisiere hierbei eher erotische Reize, die Augen hingegen sind Ausdruck der Tugendhaftigkeit, so Dartmann.[Dartmann 2011: S. 87]

lachen über

(Strophen: 1461, 1469, 1510)

Sowohl in Strophe 1461 als auch in Strophe 1469 lacht man über die Aussagen Ulrichs ("Der rede wart vil (gelachet) da."FD mhd: 1463, 1]), sowie über die Aussagen eines weiteren Ritters :

Mittelhochdeutscher Text [FD mhd] __________ Neuhochdeutsche Übersetzung [FD nhd]
ich han ze geben also vil, __________ Ich hab' ihm doch sehr viel zu geben,
(bescheidenlich ich sprechen wil) __________ ich weiß darüber schon Bescheid,
swaz er von miner hant enpfaht, __________ was er aus meiner Hand empfängt,
min lip niht deste miner hat."

__________ und das ist wirklich nicht gering.«

Der rede wart vil (gelachet) da. __________ Man lachte, als ich das gesagt
(FD: 1460, 5-8, 1661, 1)

Im Gegensatz zum lachen über im ersten Dienst ist das Lachen hier eindeutig positiv besetzt. Die umstehenden lachen aufgrund der Komik des Gesagten und drücken dadurch ihr Wohlwollen gegenüber der Redner aus.

Dasselbe kann über dir Rede des "schench Heinrich"[FD mhd: 1467, 1] gesagt werden:

Mittelhochdeutscher Text [FD mhd] __________ Neuhochdeutsche Übersetzung [FD nhd]
Do ich nu jungest von iu schiet, __________ Als ich zuletzt da von euch schied,
do sunget ir guot niuwiu liet, __________ da sanget ihr ein neues Lied,
der selben liet sprach einez so, __________ das Lied das wirkte auf euch so,
daz iwer herze sprünge ho __________ daß euer Herz sprang in die Höh'
und wie ez stiez an iwer prust: __________ und stieß mit Macht an eure Brust:
daz was der ritterschaft gelust, __________ Das war der Drang nach Rittertum,
daz ich nu wol verstanden han." __________ was ich erst heute gut versteh'.«
der rede man lachen do began. __________ Man lachte über diese Red'.
(FD: 1469)

Er berichtet vom letzten Zusammentreffen mit Ulrich und dessen Lobeslied auf das Rittertum, das er jetzt erst wirklich verstehen kann. Die Umstehenden lachen über das Gesagte, da Heinrich nun auch die Freude und den Drang zum Frauendienst, der ihm bis dahin fremd war, verspürt. Das Lachen hat hier ebenfalls die Funktion, die Zustimmung und Bestätigung des Gesagten auszudrücken. Die Wichtigkeit des Rittertums und des beinhalteten Frauendienstes auch für den sozialen Status wird dadurch bestätigt.

Soziales lachen und Nicht-lachen

(Strophe: 1493)

Auch hier wird ein Mann (Herr Papot) aufgrund seines Nicht-lachens, was von Ulrich als Zeichen seiner unhöfischen Art interpretiert wird, als "übel man"[FD mhd: 1493, 1] bezeichnet. Dies sei der Grund dafür, dass er "vil maniger lachen"[FD mhd: 1439, 2] ausgesetzt ist. Sein Nicht-lachen grenzt den Ritter aus und er kann keinen Teil der höfischen Gesellschaft bilden. Zudem kann er nicht den Dienst an einer edlen Dame ausführen, da das Lachen hierbei ein wichtiges Kommunikationsmittel darstellt und er zudem seine Freude über den Dienst nicht zum Ausdruck bringen könnte. Das Lachen der Ritter markiert die Grenzen der höfischen Gesellschaft.

Zusammenfassung 2. Dienst

Im 2. Dienst fällt auf, dass das Wort lachen vermehrt und konzentrierter auftaucht. Es drückt Ulrichs Glück und Freude über seinen neuen Dienst aus. Die Zuwendung der Dame zeigt sich im Lachen. Ulrich lacht wie ihm 1. Dienst nicht selbst, die Beschreibung des Lachens der Dame, durch die "Ein lieplich liep mir do geschach"[FD mhd: 1653, 1] (" So herzlich Liebes mir geschah"[FD nhd: 1653, 1]), sind Hinweis für das eigene Lachen Ulrichs. Das Lachen könne durch Weinen ersetzt werden, um besonderer Freude Ausdruck zu verleihen, so Seeber.[Seeber 2010: S. 146] Ulrich beschreibt: "miniu ougen touwes naz"[FD mhd: 1645, 4]. Anstatt des Lachens, weint er vor Freude. Dieses indirekte Lachen Ulrichs verweist auf die Zufriedenheit Ulrichs im 2. Dienst. Denn das Lachen hat auf beiden Seiten des Minnedienstverhältnisses die Funktion die Zustimmung und Bestätigung desselben auszudrücken. demnach symbolisiert das Lachen im 2. Dienst den Erfolg und das Glück für beide Seiten.

Das lachen über zeigt sich vor allem im Rahmen der "höfischen Interaktion"[Seeber 2010: S. 144] und ist positiv konnotiert. Es wird nicht verlacht, sondern zustimmend gelacht. Die einzige Form des abwertenden und herabsetzenden Lachens bezieht sich auf einen Mann der nicht Lachen kann und dadurch aus der höfischen Gesellschaft, die den Frauendienst beinhaltet, ausgegrenzt wird.

Fazit

Wenn man das Lachen des 1. Dienstes mit dem Lachen des 2. Dienstes vergleicht können große Unterschiede festgestellt werden:

1. Das freundliche lachen taucht im 1. Dienst immer wieder vereinzelt auf und symbolisiert häufig die Gunst der Dame gegenüber Ulrich. Im 2. Dienst hingegen tritt das Lachen viel geballter auf und ist Ausdruck von starken, v.a. positiven Emotionen und Zuständen. Ulrich lacht sogar Freudentränen (FD 1645, 4).

2. Die Funktion des lachen über verändert sich ebenfalls im Vergleich der beiden Dienste. Wird Ulrich im 1. Dienst noch häufig verlacht und ist z.T. auch dem Spott der Herrin ausgesetzt taucht das lachen in dieser Form im 2. Dienst nicht wieder auf. Das lachen über im neuen Frauendienst ist wohlwollend und bestätigend und eindeutig positiv besetzt.

3.

Im Vergleich des 1. Dienstes mit dem 2. Dienst zeigt sich, dass sich die Funktion des Lachens verändert hat. Ulrich scheint im 2. Dienst erfüllter und glücklicher zu sein. Er beschreibt in den Liedern XLIII - XLVI und in den dazwischenliegenden Strophen ausführlich und wiederholt die mögliche Nähe und Körperlichkeit mit der Herrin. Die Frage, "ob Ulrich denn Lohn für seinen Dienst erhalten hat"[Pieper 1982: S. 178], konstatiert Pieper, wird im "Frauendienst" hingegen nicht explizit beantwortet. Der Wandel der Funktion des Lachens, sowie die Häufigkeit der Verwendung des Wortes lachen, vor allem im Sinne des freundlichen lachen, im 2. Dienst, kann jedoch als ein Indiz für die Erfüllung von Ulrichs Begehren gedeutet werden. Ulrich schreibt, dass jegliche Trauer weg wäre, wenn er bei dieser Dame läge (FD: 1651, 3-4) und äußert später, dass "diu süeze mich niht truren lat"[FD mhd: 1691, 5]. Dies scheint die Deutung der Funktion des Lachens im 2. Dienst zu bestätigen und weist auf die Verwirklichung von Ulrichs 2. Minnedienst hin[5].


Anmerkungen

  1. Anm.: Im Sinne des Osterlachens, welches nach mehrtägiger Trauer und Stille über den Tod des Erlösers, zeigen soll, dass der Teufel keine Macht über die Menschen hat und selbst der Tod durch den Glauben an die Auferstehung überwunden werde.[Auffarth 2008: S. 10]
  2. Ausführend dazu Auffarth 2008, S. 10ff
  3. Die drei Theorien sind gegliedert in das Lachen aus Überlegenheit, das ungebührliche Lachen und die Theorie der Entspannung, also "des Sich-etwas-Ersparens"[La Goff 2008: S. 29]
  4. Anm.: Aufgrund der Vielzahl an "Lachstellen" im "Frauendienst" können nicht alle Strophen, die das Lachen thematisieren, näher untersucht werden. Die auffallendsten Formen des Lachens werden jedoch der Vollständigkeit halber in einer Klammer unter den verschiedenen Formen des Lachens aufgeführt. Die exemplarisch analysierten Strophen wurden auf Basis ihrer Aussagekraft ausgewählt und stehen stellvertretend für die weiteren nur aufgeführten Stellen.
  5. Anm.: Es sei darauf hingewiesen, dass auf jegliche Untersuchung fiktionaler Elemente im "Frauendienst" und die mögliche Bedeutung auch für die Interpretation des Lachens aufgrund des Umfanges verzichtet wurde. Das Lachen im "Frauendienst", sowie die Häufigkeit des Auftretens sind durch den Verfasser bewusst eingesetzt und haben eine steuernde Funktion - inwieweit das Lachen und weitere Formen als fiktionales Element betrachtet werden können wurde im Artikel Fiktionale Elemente (Ulrich von Liechtenstein, Frauendienst) eingehend untersucht und analysiert.

Literaturverzeichnis

<HarvardReferences />

Primärliteratur

  • [*FD mhd] Ulrich <von Liechtenstein>: Frauendienst. Hrsg. v. Franz Viktor Spechtler. Göppingen: Kümmerle, 1987 (Göppinger Arbeiten zur Germanistik 485) (zit. als FD: Strophe,Vers).
  • [*FD nhd] Ulrich <von Liechtenstein>: Frauendienst. Übers. v. Franz Viktor Spechtler. Klagenfurt: Wieser, 2000.

Sekundärliteratur

  • [*Ackermann 2009] Ackermann, Christiane: Im Spannungsfeld von Ich und Körper. Subjektivität im »Parzival« Wolframs von eschenbach und im »Frauendienst« Ulrichs von Liechtenstein. Köln/ Weimar/ Wien: Böhlau Verlag, 2009.
  • [*Althoff 2005] Althoff, Gerd: „Vom Lächeln zum Verlachen". In: Röcke, Werner / Velten, Rudolf (Hrsg.): Lachgemeinschaften. Kulturelle Inszenierungen und soziale Wirkungen von Gelächter im Mittelalter und in der Frühen Neuzeit. Berlin: Walter de Gruyter, 2005.
  • [*Auffarth 2008] Auffarth, Christoph: „Glaubensstreit und Gelächter: Religion - Literatur - Kunst. Eine Einführung." In: Christoph Auffarth, Sonja Kerth (Hg.): Glaubensstreit und Gelächter. Reformation und Lachkultur im Mittelalter und in der Frühen Neuzeit. Berlin: LIT VERLAG Dr. W. Hopf, 2008.
  • [*Dartmann 2011] Dartmann, Christine: Das lachen der vrouwe Untersuchungen zur Funktion von lachen in der mhd. Epik und im Minnesang. Wissenschaftliche Schriften der WWU Münster, Reihe , Band 3. Münster: Monsenstein und Vannerdat OHG, 2011.
  • [*Fietz 1996] Fietz, Lothar: „Möglichkeiten und Grenzen einer Semiotik des Lachens". In: Lothar Fietz (Hrsg.) et al.: Semiotik, Rethorik und Soziologie des Lachens. Tübingen: Max Niemeyer Verlag, 1996.
  • [*Grebe 2005] Grebe, Anja: „Heilige Narren: Einleitende Überlegungen zur Ästhetik von Sakralität und Komik im Mittelalter". In: Grebe, Anja / Staubach Nikolaus (Hrsg.): Komik und Sakralität, Frankfurt am Main: Lang, Peter, 2005, S.9-15.
  • [*La Goff 2008] La Goff, Jacques: Das Lachen im Mittelalter. Dritte Auflage. Stuttgart: Klett-Cotta, 2008.
  • [*Seeber 2010] Seeber, Stefan: Poetik des Lachens. Untersuchungen zum mittelhochdeutschen Roman um 1200, Berlin: De Gruyter, 2010.
  • [*Schörle 2007] Schörle, Eckart: Die Verhöflichung des Lachens. Lachgeschichte im 18. Jahrhundert. Bielefeld: Aisthesis Verlag, 2007.
  • [*Pieper 1982] Pieper, Michael: Die Funktion der Kommentierung im »Frauendienst« Ulrichs von Liechtenstein. Göppingen: Kümmerle Verlag, 1982.
  • [*Wolff 2009] Wolff, Stefanie: Todesverlachen. Das Lachen in der religiösen und profanen Kultur und Literatur im Frankreich des 17. Jahrhunderts. Frankfurt am Main: Lang, Peter, 2009