Landschaft (Gottfried von Straßburg, Tristan): Unterschied zwischen den Versionen

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In der gesamten Dichtung lassen sich grob gefasst zwei kontrastierende Darstellungsformen eines Waldes erkennen, zum einen als wilde Gebirgsgegend, zum anderen als fruchtbares Kultur- und Nutzland. Mittels stereotyper Formulierungen wird eine bestimmte Landschaft dem einen oder anderen Typus zugeordnet und mit wenigen, aber prägnanten und vor allem immer wiederkehrenden Attributen beschrieben.  
In der gesamten Dichtung lassen sich grob gefasst zwei kontrastierende Darstellungsformen eines Waldes erkennen, zum einen als wilde Gebirgsgegend, zum anderen als fruchtbares Kultur- und Nutzland. Mittels stereotyper Formulierungen wird eine bestimmte Landschaft dem einen oder anderen Typus zugeordnet und mit wenigen, aber prägnanten und vor allem immer wiederkehrenden Attributen beschrieben.  
Beim Vergleich der einzelnen Szenerien wird offensichtlich, dass der Erzähler immer wieder bestimmte charakteristische Leitbegriffe, wie "wilde" (V. 2502; V. 12769; V. 16680) oder alternativ "walt" (V. 8996), sowie "wüeste" (V. 12769) und  "ungeverte" (V. 16767), hier im Sinne von Enge und Weglosigkeit, verwendet. Variation in der Landschaftsschilderung wird dementsprechend auch nicht durch Variation in der Wortwahl, sondern lediglich durch die unterschiedlich intensive Füllung der Rahmenbeschreibung mit dem erwähnten, recht allgemein gehaltenen Vokabular erzeugt. Während sich die Darstellung der Szene um die Entführung [[Brangäne|Brangänes]] auf recht spärliche Bestandteile, genau genommen einen Baumstamm (V. 12866), beschränkt, wird die unheimliche Wildnis in der Kampfszene mit dem Riesen [[Urgan]] weitaus detailreicher ausgeschmückt. So ist an dieser Stelle von einem "harte wilden walt" (V. 15965), einem "steingevelle" (V. 8991) und einer "steinwant" (V. 9002), also insgesamt einer kargen, unkultivierten Gebirgsgegend die Rede. Am ausführlichsten ist hinsichtlich der Ausschmückung und damit analog zu ihrer zweifellos außerordentlichen Signifikanz die Schilderung der [[Minnegrotte]]. Nicht nur, dass deren Umgebung hier durch "die Doppelformel 'wüeste unde wilde' (V. 16764) [ihren] spezifischen Wertakzent erhält"<ref>Hahn, Ingrid. S. 11.</ref>, sie wird auch an insgesamt vier Stellen im Rahmen der Möglichkeiten der schematischen Phrasen als von Felsen (V. 16763; V. 6772; V. 17338) und Bergen (V. 16684; V. 16761; V. 17081) beherrscht veranschaulicht. Im Gegensatz zu vorangegangenen Szenen wird besonders die Unwegsamkeit des die Minnegrotte umgebenden Gebietes akzentuiert und dieses somit auch auf symbolischer Ebene als von jeglichem gesellschaftlichen Einfluss abgeschieden verdeutlicht.
Beim Vergleich der einzelnen Szenerien wird offensichtlich, dass der Erzähler immer wieder bestimmte charakteristische Leitbegriffe, wie "wilde" (V. 2502; V. 12769; V. 16680) oder alternativ "walt" (V. 8996), sowie "wüeste" (V. 12769) und  "ungeverte" (V. 16767), hier im Sinne von Enge und Weglosigkeit, verwendet. Variation in der Landschaftsschilderung wird dementsprechend auch nicht durch Variation in der Wortwahl, sondern lediglich durch die unterschiedlich intensive Füllung der Rahmenbeschreibung mit dem erwähnten, recht allgemein gehaltenen Vokabular erzeugt. Während sich die Darstellung der Szene um die Entführung [[Brangäne|Brangänes]] auf recht spärliche Bestandteile, genau genommen einen Baumstamm (V. 12866), beschränkt, wird die unheimliche Wildnis in der Kampfszene mit dem Riesen [[Urgan]] weitaus detailreicher ausgeschmückt. So ist an dieser Stelle von einem "harte wilden walt" (V. 15965), einem "steingevelle" (V. 8991) und einer "steinwant" (V. 9002), also insgesamt einer kargen, unkultivierten Gebirgsgegend die Rede. <br />
Ausführlicher ist hinsichtlich der Ausschmückung, und damit analog zu ihrer zweifellos außerordentlichen Signifikanz, die Schilderung der [[Minnegrotte]]. Nicht nur, dass deren Umgebung hier durch "die Doppelformel 'wüeste unde wilde' (V. 16764) [ihren] spezifischen Wertakzent erhält"<ref>Hahn, Ingrid. S. 11.</ref>, sie wird auch an insgesamt vier Stellen im Rahmen der Möglichkeiten der schematischen Phrasen als von Felsen (V. 16763; V. 6772; V. 17338) und Bergen (V. 16684; V. 16761; V. 17081) beherrscht veranschaulicht. Im Gegensatz zu vorangegangenen Szenen wird besonders die Unwegsamkeit des die Minnegrotte umgebenden Gebietes akzentuiert und dieses somit auch auf symbolischer Ebene als jeglichem gesellschaftlichen Einfluss entrückt verdeutlicht. Auffällig ist außerdem, dass wohl erst [[Gottfried von Straßburg|Gottfried]] in seinem [[Tristan]] die scharfe Abgrenzung zwischen einigermaßen zivilisierten Wald- und steinigen Gebirgslandschaften vollzieht. "Die Vorstellung der steinigen, dürren, felszerklüfteten Einöde ist sehr wahrscheinlich ebenso Gottfrieds Eigentum wie die Verwendung des Wortes 'wüeste' überhaupt"<ref>Hahn, Ingrid. S. 13.</ref><ref>Die Vorlage von Thomas, auf welcher Gottfrieds "Tristan" basiert, spricht an dieser Stelle nämlich nur von "une vaste forêt sauvage" und bezeugt, dass er nur eine abgeschiedene wilde Waldgegend, nicht aber die völlige Abgeschiedenheit vermittels einer Gebirgslandschaft markiert.</ref><br />
Des Weiteren besitzt die Szene um den als Knaben an der Küste Cornwalls ausgesetzten Tristan durch die vergleichsweise explizite Illustration einen außerordentlichen Stellenwert. Neben dem wilden Meer (V. 2509) und einem bedrohlichen Gebirge (V. 2509) tun gefährliche Tiere (V. 2512) und die einbrechende Dunkelheit der Nacht (V. 2514) ihr Übriges, um eine unheimliche und Furcht einflößende Atmosphäre zu evozieren. Interessanterweise muss Tristan erst die gänzlich unbetretende, weglose Felswand erklimmen, um daraufhin auf einen unscheinbaren Pfad und schließlich in dessen Mündung auf eine schöne Straße (V. 1571) zu gelangen, auf welcher er Hilfe von zwei Pilgern erfährt. Anhand der erkennbaren Metamorphose der umgebenden Landschaft ist auch Tristans Wiedereintritt in die kulturelle Gesellschaft als Ausgangspunkt für die weiteren Entwicklungen verbildlicht.<br />
Weiter oben wurde bereits auf die sehr konzise, beinahe triviale Darstellung der einzelnen Landschaften, seien diese nun Küstengebiet, Riesenwohnsitz oder Grottenumgebung, hingewiesen. "Eine solche Welt ist nicht irgendwo fest in der Wirklichkeit erfahrungsbedingter Anschauung angesiedelt, sondern verfügbares dichterisches Bild, das zu bestimmten darstellerischen Zwecken eingesetzt werden kann."<ref>Hahn, Ingrid. S. 14.</ref>Und obwohl, oder womöglich gerade weil Gottfried nicht mit individuell gestalteten Räumen von der Handlung ablenkt, sondern sich konsequent aus dem Zeichenfundus "idealtypische[r] Grundformen"<ref>Hahn, Ingrid. S. 14.</ref> bedient, "prägt sich (...) in seiner formelhaften Darstellung ein Spezifisches aus, dass den 'Tristan' als Gattung zum Beispiel vom Artusroman unterscheidet."<ref>Hahn, Ingrid. S. 14.</ref>


===Das Meer===
===Das Meer===

Version vom 10. Januar 2011, 20:07 Uhr

Raum und Landschaft im Tristan.

Landschaftselemente[1]

Der Wald

In der gesamten Dichtung lassen sich grob gefasst zwei kontrastierende Darstellungsformen eines Waldes erkennen, zum einen als wilde Gebirgsgegend, zum anderen als fruchtbares Kultur- und Nutzland. Mittels stereotyper Formulierungen wird eine bestimmte Landschaft dem einen oder anderen Typus zugeordnet und mit wenigen, aber prägnanten und vor allem immer wiederkehrenden Attributen beschrieben. Beim Vergleich der einzelnen Szenerien wird offensichtlich, dass der Erzähler immer wieder bestimmte charakteristische Leitbegriffe, wie "wilde" (V. 2502; V. 12769; V. 16680) oder alternativ "walt" (V. 8996), sowie "wüeste" (V. 12769) und "ungeverte" (V. 16767), hier im Sinne von Enge und Weglosigkeit, verwendet. Variation in der Landschaftsschilderung wird dementsprechend auch nicht durch Variation in der Wortwahl, sondern lediglich durch die unterschiedlich intensive Füllung der Rahmenbeschreibung mit dem erwähnten, recht allgemein gehaltenen Vokabular erzeugt. Während sich die Darstellung der Szene um die Entführung Brangänes auf recht spärliche Bestandteile, genau genommen einen Baumstamm (V. 12866), beschränkt, wird die unheimliche Wildnis in der Kampfszene mit dem Riesen Urgan weitaus detailreicher ausgeschmückt. So ist an dieser Stelle von einem "harte wilden walt" (V. 15965), einem "steingevelle" (V. 8991) und einer "steinwant" (V. 9002), also insgesamt einer kargen, unkultivierten Gebirgsgegend die Rede.
Ausführlicher ist hinsichtlich der Ausschmückung, und damit analog zu ihrer zweifellos außerordentlichen Signifikanz, die Schilderung der Minnegrotte. Nicht nur, dass deren Umgebung hier durch "die Doppelformel 'wüeste unde wilde' (V. 16764) [ihren] spezifischen Wertakzent erhält"[2], sie wird auch an insgesamt vier Stellen im Rahmen der Möglichkeiten der schematischen Phrasen als von Felsen (V. 16763; V. 6772; V. 17338) und Bergen (V. 16684; V. 16761; V. 17081) beherrscht veranschaulicht. Im Gegensatz zu vorangegangenen Szenen wird besonders die Unwegsamkeit des die Minnegrotte umgebenden Gebietes akzentuiert und dieses somit auch auf symbolischer Ebene als jeglichem gesellschaftlichen Einfluss entrückt verdeutlicht. Auffällig ist außerdem, dass wohl erst Gottfried in seinem Tristan die scharfe Abgrenzung zwischen einigermaßen zivilisierten Wald- und steinigen Gebirgslandschaften vollzieht. "Die Vorstellung der steinigen, dürren, felszerklüfteten Einöde ist sehr wahrscheinlich ebenso Gottfrieds Eigentum wie die Verwendung des Wortes 'wüeste' überhaupt"[3][4]
Des Weiteren besitzt die Szene um den als Knaben an der Küste Cornwalls ausgesetzten Tristan durch die vergleichsweise explizite Illustration einen außerordentlichen Stellenwert. Neben dem wilden Meer (V. 2509) und einem bedrohlichen Gebirge (V. 2509) tun gefährliche Tiere (V. 2512) und die einbrechende Dunkelheit der Nacht (V. 2514) ihr Übriges, um eine unheimliche und Furcht einflößende Atmosphäre zu evozieren. Interessanterweise muss Tristan erst die gänzlich unbetretende, weglose Felswand erklimmen, um daraufhin auf einen unscheinbaren Pfad und schließlich in dessen Mündung auf eine schöne Straße (V. 1571) zu gelangen, auf welcher er Hilfe von zwei Pilgern erfährt. Anhand der erkennbaren Metamorphose der umgebenden Landschaft ist auch Tristans Wiedereintritt in die kulturelle Gesellschaft als Ausgangspunkt für die weiteren Entwicklungen verbildlicht.
Weiter oben wurde bereits auf die sehr konzise, beinahe triviale Darstellung der einzelnen Landschaften, seien diese nun Küstengebiet, Riesenwohnsitz oder Grottenumgebung, hingewiesen. "Eine solche Welt ist nicht irgendwo fest in der Wirklichkeit erfahrungsbedingter Anschauung angesiedelt, sondern verfügbares dichterisches Bild, das zu bestimmten darstellerischen Zwecken eingesetzt werden kann."[5]Und obwohl, oder womöglich gerade weil Gottfried nicht mit individuell gestalteten Räumen von der Handlung ablenkt, sondern sich konsequent aus dem Zeichenfundus "idealtypische[r] Grundformen"[6] bedient, "prägt sich (...) in seiner formelhaften Darstellung ein Spezifisches aus, dass den 'Tristan' als Gattung zum Beispiel vom Artusroman unterscheidet."[7]

Das Meer

Der schöne Naturort

Der geographische Raum

Fazit

Einzelnachweise

  1. Die grobe inhaltliche Einteilung folgt vorerst der Gliederung Ingrid Hahns.
  2. Hahn, Ingrid. S. 11.
  3. Hahn, Ingrid. S. 13.
  4. Die Vorlage von Thomas, auf welcher Gottfrieds "Tristan" basiert, spricht an dieser Stelle nämlich nur von "une vaste forêt sauvage" und bezeugt, dass er nur eine abgeschiedene wilde Waldgegend, nicht aber die völlige Abgeschiedenheit vermittels einer Gebirgslandschaft markiert.
  5. Hahn, Ingrid. S. 14.
  6. Hahn, Ingrid. S. 14.
  7. Hahn, Ingrid. S. 14.

Literatur

  • Gruenter, Rainer: Zum Problem der Landschaftsdarstellung im höfischen Versroman. In: Euphorion (Band 56), Zeitschrift für Literaturgeschichte, Hg. von Rainer Gruenert und Arthur Henkel, Heidelberg 1962. S.248-278.
  • Hahn, Ingrid: Raum und Landschaft in Gottfrieds Tristan. Reihe: Medium Aevum Philologische Studien Band 3. Hg. von Friedrich Ohly, Kurt Ruh und Werner Schröder. Eidos Verlag München 1963.