Gattungszuordnung (Gottfried von Straßburg, Tristan): Unterschied zwischen den Versionen
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Der Stoff des Tristans ist keltischen Ursprungs, was aufgrund der verwendeten Motive angenommen wird. | Der Stoff des Tristans ist keltischen Ursprungs, was aufgrund der verwendeten Motive angenommen wird. | ||
Er steht seit Beginn in Konkurrenz zu anderen literarischen Werken. Zur gleichen Zeit erscheinen die Artusgeschichten, jedoch unterscheiden sich die Geschichten in ihrer Erzählstruktur.<ref>Vgl. Haferland, Harald: Mündlichkeit, Gedächnis und Medialität. Heldendichtung im deutschen Mittelalter. Göttingen 2004. S.357-373.</ref> | |||
Die Artusgeschichte bringt eine optimistische Gesellschaftsutopie hervor, und das trotz der Selbstzerstörung des Reiches. Es handelt sich um ein Strukturenmodell, welches eine Balance schaffen will und die Integration der Protagonisten in die Gesellschaft verlangt. | Die Artusgeschichte bringt eine optimistische Gesellschaftsutopie hervor, und das trotz der Selbstzerstörung des Reiches. Es handelt sich um ein Strukturenmodell, welches eine Balance schaffen will und die Integration der Protagonisten in die Gesellschaft verlangt. | ||
Hingegen fordert der Tristanstoff diese Ordnung heraus.<ref>Vgl. Huber, Christoph: Gottfried von Straßbourg. Tristan. Berlin 2001.</ref> | Hingegen fordert der Tristanstoff diese Ordnung heraus.<ref>Vgl. Huber, Christoph: Gottfried von Straßbourg. Tristan. Berlin 2001.</ref> |
Version vom 29. Juni 2018, 09:21 Uhr
Ordnet man das Werk "Tristan" von Gottfried von Straßburg dem Heldenpos oder der Struktur des Artusromans zu?
Definition
Das Heldenepos
Das Heldenepos, oder auch die Heldenepik bzw. Heldendichtung, bezeichnet ein Genre, in welchem die heroische Figur einer Erzählung im Mittelpunkt steht. Zur Charakteristik der Großepik müssen die verschriftlichte Heldenepik, wie auch die Romane einbezogen werden. Die Quellen, auf deren Grundlage die Heldenepen entstanden, sind meist auf historische Ereignisse zurückzuführen, welche aber nicht auf die historische Realität schließen lassen. Die Verfasser flochten beispielsweise neue Handlungsstränge ein und schmückten ihre Erzählungen mit eigenen Ansichten und Erfahrungen aus. Durch ihre weite Verbreitung erfuhren die Heldenepen ein hohes Ansehen beim Adel.[1] Durch die zunehmend stärker werdende Verschriftlichung an den Höfen entstand letztlich auch der Tristanroman des Thomas von Bretagne, welcher den französischen Vorgänger Estoire aufgriff und durch "höfischere" Elemente veredelte.
Der Artusroman
Die heutige Auffassung des klassischen Artusromans wurde insbesondere von Chrétien de Troyes geprägt. Er verwendet, wohl als erster Autor, mündliche Überlieferungen als Grundlage für seine Aufzeichnungen, somit solche, welche nicht überprüft werden können, wohingegen der Antikenroman auf schriftlichen Übertragungen basiert. Als eines seiner ersten Werke gilt der höfische Roman Erec et Enide, der um 1170 entstanden sein soll. Im Gegensatz zu dem Heldenepos stehen im Artusroman der Ritter und sein Werdegang, insbesondere die vollkommene Lebensführung im Zentrum, sprich, die Abenteuer die er bewältigen muss und die Liebe zwischen Adligen. Die Grundlage dieser Darstellungen stammen aus der römisch-griechischen Antike. Ferner stellt diese Form der Literatur einen kulturellen Faktor für die Adelsgesellschaft dar. In diese Zeit fallen neben dem Werk Gottfrieds von Straßburg auch die Werke Hartmanns von Aue, sowie die des Wolframs von Eschenbach.[2]
Einordnung des Tristanstoffes
Der Stoff des Tristans ist keltischen Ursprungs, was aufgrund der verwendeten Motive angenommen wird. Er steht seit Beginn in Konkurrenz zu anderen literarischen Werken. Zur gleichen Zeit erscheinen die Artusgeschichten, jedoch unterscheiden sich die Geschichten in ihrer Erzählstruktur.[3] Die Artusgeschichte bringt eine optimistische Gesellschaftsutopie hervor, und das trotz der Selbstzerstörung des Reiches. Es handelt sich um ein Strukturenmodell, welches eine Balance schaffen will und die Integration der Protagonisten in die Gesellschaft verlangt. Hingegen fordert der Tristanstoff diese Ordnung heraus.[4]
Version commune und Version courtoise
In der Forschung wird zwischen zwei Fassungen differenziert. Eine der Fassungen, die Version commune, als Vertreter gilt Eilhart von Oberg, bezeichnet jene, deren Inhalt des Öfteren unhöfische Züge reflektiert, ferner wird die Liebe zwischen Tristan und Isolde mit obstrusen Beurteilungen gestaltet, und die Version courtoise, wobei hier Thomas von Bretagne und Gottfried von Straßburg::Gottfried von Straßburg als Vertreter zu nennen sind, welche den Tristanstoff in höfischer Anlehnung gestaltet und die Liebe positiv dargestellt haben.[5]
Der Unterschied des Tristanromans zu anderen mittelalterlichen Romanen
Gottfried von Straßburg erschuf in seinem Tristan eine ganz bestimmte Art des Erzählens, da er seine Geschichte nicht nur rhetorisch ausschmückte, sondern sie auch mit regelmäßigen Kommentaren und Exkursen füllte.
Im Gegensatz zu anderen ritterlichen Helden in den Geschichten, muss Tristan seine Fertigkeiten und Wesensart nicht erlernen, bzw. entfalten, wie ein Erec oder Iwein bei Hartmann von Aue. Tristan verkörpert, im Gegensatz zu anderen Helden, eine Art Selbstgänger, da er im Verlauf meist auf sich selbst gestellt ist und er in dieser Funktion eine wichtige Bedeutung für Marke, aber auch allgemein für den ritterlichen Hof hat.
Der Tristanroman unterscheidet sich, sowohl äußerlich als auch innerlich, von der vorherrschenden Struktur des Ritterromans. Tristan enthält alle wesentlichen Gesichtspunkte eines Artusromans, sprich von den Abenteuern, über die Gesellschaftsethik als auch die Minne, jedoch, darüber hinaus, steht der Tristanroman für eine Einzigartigkeit unter den höfischen Romanen. Gottfried von Straßburg schaffte es mit diesem Roman, der Gesellschaft moralische und ästhetische Werte, die er für richtig empfand, zu vermitteln.[6]
Die Überlieferungen-der Bezug zu Artus
Es lassen sich drei Beziehungstypen der unterschiedlichen Überlieferungen der Tristantexte unterscheiden. Die romanhafte Gestaltung der Tristantexte ist jedoch eine Gemeinsamkeit der aufgeführten Überlieferungen. Zum einen ist der Text aus dem Walisischen zu nennen. In dieser Textüberlieferung besteht eine Verbindung zwischen Tristan und Artus, in welche auch die Charaktere des Marke und Isolde einbezogen sind. Parallelen zu Charakteren, die der Artussage entspringen, sind in dieser Tristanüberlieferung vorhanden.
Weitere Überlieferungen der frühen französischen Romane weisen zwei Arten von Bezug zu Artus auf. Bei Eilhart und Béroul greift Artus als Person in die Ereignisse ein, wohingegen er bei Thomas von Bretagne lediglich als ein Repräsentant der Vergangenheit genannt wird. Bei Gottfried von Straßburg wird Artus als das "Überbotene" bezüglich des Überbietungstopos erwähnt.
Der dritte Beziehungstyp lässt sich anhand des Tristan en prose und den dazugehörigen Gattungen feststellen. In diesen Überlieferungen erfährt die Handlung eine Veränderung. Der Stempel, den Tristan hier bekommt, lässt ihn als einen Helden der Artussage erscheinen, welcher die gesamte Struktur der Tristanhandlung beeinflusst. Die Vollendung dieser Struktur findet sich aber erst in Überlieferungen des Spätmittelalters, also ab 1250-1500. Beispiel hierfür sind der italienische Tavola Ritonda und Le morte d`Arthur.[7]
Artus im Tristanroman?
Auf der anderen Seite gibt es diverse Theorien, die eine Parallele des Tristanromans und der Artussage, bzw. Anlehnungen an den klassischen Artusroman sehen. Die Forschungsansätze enthalten grundsätzlich die gleiche Aussage, nämlich, dass die Geschichte von Tristan eng mit der Artussage verknüpft ist, wenn nicht sogar einen Teil der Artusgeschichte reflektiert.[8]
Diesbezüglich gibt es jedoch auch Argumente, die gegen eine Anlehnung sprechen oder besser gesagt, Argumente die überzeugen, dass der Tristan dem klassischen Artusroman nicht zugeordnet werden darf. Eine besonders typische Eigenschaft des Artusromans ist die Doppelwegstruktur. Dieser "Weg" bezeichnet den Werdegang eines Ritters, auch der Weg der Âventiure genannt. Auf diesem Weg muss der Ritter in die Welt ausziehen und sich beweisen, sich Tugenden und Ehre zu eigen machen, vorher gilt er nicht als Ritter. Der Doppelweg beschreibt indes die Dopplung seines Weges, indem er Etappen erfolgreich meistert, dann an einen Tiefpunkt gelangt und, nachdem er zu seinen ritterlichen Idealen zurückgekehrt ist, den selben Weg erneut gehen muss, um letztlich die ritterlichen Tugenden für sich zu gewinnen.[9]
Fazit und Ausblick
Der Tristanroman von Gottfried von Straßburg zeichnet sich aufgrund seines Facettenreichtums aus und bleibt eines der bekanntesten mittelalterlichen Werke der damaligen Zeit. Interessant erscheint das Werk aufgrund seiner Struktur, da diese einerseits dem Heldenepos, bzw. der klassischen Heldendichtung zugeschrieben werden kann, andererseits hingegen auch Strukturen des Artusromans reflektiert. Das wohl klassischste Zeichen des Artusromans ist seine Doppelwegstruktur, die sich in solcher Form im Tristanroman nicht finden lässt. Doch aufgrund der Erzählstruktur Gottfrieds von Straßburg sowie aufgrund des zentralen Moments im Roman, nämlich der Liebe zwischen Tristan und Isolde, zeichnet sich der Tristanroman aus und hebt sich somit zugleich von anderen ritterlichen Romanen ab.
Literatur
- ↑ Vgl. Millet, Victor: Germanische Heldendichtung im Mittelalter. Eine Einführung. Berlin 2008. S.95f.
- ↑ Vgl.Millet, Victor: Heldendichtung. S.327ff.
- ↑ Vgl. Haferland, Harald: Mündlichkeit, Gedächnis und Medialität. Heldendichtung im deutschen Mittelalter. Göttingen 2004. S.357-373.
- ↑ Vgl. Huber, Christoph: Gottfried von Straßbourg. Tristan. Berlin 2001.
- ↑ Vgl. Brunner, Horst: Geschichte der deutschen Literatur des Mittelalters im Überblick. Stuttgart 2007.
- ↑ Vgl. Brunner, Horst: Mittelhochdeutsche Romane und Heldenepen. Stuttgart 2007.
- ↑ Vgl. Stein, Peter K.: Tristan-Studien. Stuttgart/Leipzig 2001. S.8.
- ↑ Vgl. McDonald, William C.: On the Intersection of Legends in German Medieval Literature. New York 1991.
- ↑ Vgl. Wolfzettel, Friedrich; Ihring, Peter (Hg.): Erzählstrukturen der Artusliteratur. Forschungsgeschichte und neue Ansätze. Tübingen 1999.