Marke (Gottfried von Straßburg, Tristan)

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Detail from window of King Mark of Cornwall illustrating "Death of Sir Tristram", designed by Ford Madox Brown (1821-93) for William Morris, from building in Bradford area.

Marke ist König und Herrscher über die Länder herrscht über::Cornwall und herrscht über::England. Er ist eine der Hauptfiguren der Erzählung und taucht bereits in der Eltern-Vorgeschichte auf, als Riwalin eine Reise an den Hof des jungen Marke unternimmt. Dort, in Tintajol, lernt Riwalin Markes Schwester Blanscheflur kennen, mit der er Tristan zeugt. Tristan ist also Markes Neffe.
Um Tristan, Isolde und Marke entspannt sich im Laufe der Erzählung eine Dreiecksbeziehung, in der Marke plötzlich in einem völlig anderen Licht erscheint. Zunehmend wird er darin vom mächtigen Herrscher zum eifersüchtigen und ausgetricksten Ehemann, für den Herrschertugenden immer mehr in den Hintergrund rücken.

Marke als Herrscher

Durch verschiedene Handlungen kann eine Positionierung von Marke als Herrscher vorgenommen werden. Dabei wird insbesondere sein Status während Riwalins Aufenthalt in Tintajol untersucht. Seine Herrscherrolle verändert sich jedoch, als Tristan an seinen Hof kommt. Marke wird dann zunehmend zum passiven Herrscher.[Hollandt 1966:S. 57] Auch seine Rolle als Ehemann verändert sein Herrscherkonzept negativ.

Am Hof

König Marke wird bereits vor der ersten Begegnung mit Riwalin als fein und vornehm ("höfsch" und "êrbaere", Vers 421) beschrieben und ist durch diese Eigenschaften in anderen Ländern bekannt. So hat zum Beispiel Riwalin bereits von den genannten Eigenschaften gehört. Im Allgemeinen wird Marke als Herrscher sehr geschätzt und geachtet:

ouch saget die istôrje von im daz,
daz allen den bîlanden,
diu sînen namen erkanden,
kein künec sô werder was als er. (Verse 450-453)[1]
Auch sagt die Geschichte von ihm, / daß in allen Nachbarländern, / die seinen Ruf kannten, / kein König so hochgeachtet war wie er.[2]

Sein Ansehen spiegelt sich auch in der Tatsache wider, dass er Obhut und Macht über das Land England bekommen hat. [3] Dass die Erwartungen an Marke nicht unbegründet sind, bestätigt sich, zumindest für Riwalin, bei seiner Ankunft in Tintajol. "swaz ich von Markes tugenden ie/gehôrte sagen, deist allez hie." (Verse 499f: Was auch immer ich je von Markes Vorzügen / sagen gehört habe - alles finde ich bestätigt.). Beim Empfang Riwalins zeigt sich die großzügige und gastfreundliche Art des Königs. Er stellt sich selbst und seinen Besitz zu Riwalins Verfügung und entspricht damit der Tugend der milte. [Hauenstein 2006: 17] Die höfische Seite wird außerdem durch die alljährlichen Feste, die nahe Tintajol ausgerichtet werden, verdeutlicht. [Karg 1994:S. 71] Zugleich sind die Feste auch von politischer Bedeutung, denn durch die Versammlung der Landesfürsten kann Marke seine Position als König und somit den Frieden der Länder stabilisieren. [Hauenstein 2006:S. 18] Marke versteht es also, sich als Herrscher und Gönner darzustellen und seine Macht zu demonstrieren. In dieser Hinsicht lassen sich bei ihm als Herrscher keine Anzeichen von Schwäche finden.

Im Kampf

Kurz nachdem das alljährliche Fest endet, wird Marke herausgefordert, sein Reich zu verteidigen. Ein Gegner droht sein Land einzunehmen, sodass Marke die Möglichkeit erhält, seine Macht zu legitimieren. Er tritt den Kampf gegen den Widersacher an und tötet ihn schließlich. Auch hier entspricht Marke einem idealtypischen Herrscher, der mutig sein Reich verteidigt. Jedoch bleibt es im Verlauf der Erzählung die einzige Auseinandersetzung, in der Marke als überlegener Held dargestellt wird.[Hauenstein 2006:S. 23]

Viel mehr versagt sich Marke in allen weiteren Fällen den Kämpfen, mit denen er konfrontiert wird. Weder wagt er es, sein Königreich aus der Unterwerfung durch Gurmun zu befreien, wie es der Zinsvertrag ermöglicht, indem er den als Zinseintreiber fungierenden Morold zum Zweikampf herausfordert, noch geht er auf Gandins Angebot ein, Isolde durch Zweikampf zurückzuerlangen, als jener Isolde nach Irland entführen will (V.13210-13253 / 13441-13450). Sein Versagen in der Herrscherrolle wird zunehmend greifbar.

Markes Versagen als Herrscher

Für Markes Rolle als Herrscher lässt sich ein ambivalentes Herrscherbild konstatieren. In seinen jungen Jahren als Herrscher lassen sich durchaus positive Züge seiner Herrschaft erkennen, jedoch ändert sich dies, als zuerst Tristan und später Isolde in sein Leben treten. Auch als sich Riwalin mit Markes Schwester Blanscheflur mühelos vom Hof in Cornwall entfernen kann, entspricht dies nicht dem idealen Bild eines Herrschers. Jedoch ist Marke an dieser Stelle für die Handlung noch nicht bedeutend, sodass der Erzähler nicht weiter darauf eingeht, was in Tintajol nach dem Verschwinden Blanscheflurs vor sich geht. Das Kind der beiden, Tristan, nimmt Marke schließlich sohnesgleich an seinem Hofe auf und will ihn zu seinem Thronerben machen. Doch unterliegt Marke dem Druck seines Hofes und gibt schließlich dem Drängen der Barone, durch welche sich selbst der junge Tristan bedroht sieht, nach. Er entbindet Tristan seines Versprechens, ihn als Erben einzusetzen. Markes Macht und Einfluss gegenüber seinen untergebenen Vasallen erhält hiermit einen klaren Dämpfer; Markes herrschaftliche Macht scheint an seinem Hofe nicht mehr allzu weit zu reichen. Parallel zur "Entführung" Blanscheflurs scheint später die Entführung seiner Gattin Isolde durch Gandin. Auch hier ist eine Person in direktem Verhältnis zu Marke, aus engstem Kreise betroffen, doch schreitet Marke nicht ein. Die Gewährung der listreichen Bitte des Rottenspielers mag zwar der höfisch-herrschaftlichen Prämisse der milte entsprechen, jedoch bietet Gandin den Zweikampf zur Rücküberlassung Isoldes an, den Marke aber nicht annimmt. Dies mag an dieser Stelle persönliche Ablehnung des Kampfes oder auch Feigheit sein, doch entspricht dies genauso konsequent Markes herrschaftlicher Passivität. Denn auch, wenn Marke nicht in seinem persönlichen Umfeld direkt betroffen ist, sondern sein Volk, sein Königreich, also unmittelbar seine Herrschaft bedroht ist, verwährt er sich jeglichen persönlichen Einsatzes, wie dies durch die Moroldepisode deutlich wird, in der Marke jedes Recht auf landvehte gegenüber Morold fahren, und diese unterbleiben lässt(V.5872-5877 / 6285-6295).[Combridge 1964:S.55]

Einer Kritik an Markes Verhalten verwehrt sich Gottfried lange, bezeichnenderweise bezüglich des herrschaftlichen Versagens gegenüber Land und Leuten.[Combridge 1964:S.124] Erst im Zuge der Gandinepisode, also auch Markes Versagen in seiner Rolle als Ehemann, kommt Tristan mit einer Kritik Markes zu Wort:

und strâfete in starke:
»hêrre« sprach er »wizze crist,
sô lieb als iu diu künegîn ist,
sô ist ez ein michel unsin,
daz ir si gebet sô lîhte hin
durch harpfen oder durch rotten.
ez mac diu werlt wol spotten:
wer gesach ie mêre künegîn
durch rottenspil gemeine sîn?
her nâch sô bewâret daz
und hüetet mîner vrouwen baz!« (V.13440-13450)
und [Tristan] wies ihn streng zurecht: / »Herr« sagte er, »Gott weiß, / so sehr Ihr die Königin liebt, / so unklug ist es, / daß ihr sie so leicht weggebt / für ein Rotten- oder Harfenspiel. / Jetzt kann die Welt gut spotten: / wer hat je eine Königin gesehen, / die um ein Rottenspiel zu haben war? / Unterlaßt das in Zukunft, / und behütet meine Herrin besser!«

Tristan wirft Marke also unkluges Verhalten vor, seine Frau Isolde, eine Königin, kampflos hergegeben zu haben, weil er sich so in seiner herrschaftlichen Position als König dem Spott aussetzten muss. In Zukunft solle er das besser handhaben.

Am Ende ist es Tristan selbst, der Markes Ehre und Position als Herrscher durch seine Liebe zu Isolde gefährdet. Doch ihm gelingt es weder, die Liebenden zweifelsfrei zu überführen, noch seine königliche Würde zu bewahren. So soll auch die Verbannung der Liebenden in einem letzten Schritt dazu dienen, sein Ansehen wieder herzustellen (V.16576-16582 / 16605-16620), doch stellt dieser Versuch "in Wirklichkeit eine Verringerung [seiner herrschaftlichen Würde] dar, weil er den Gesichtspunkt der Gerechtigkeit gänzlich preisgibt."[Combridge 1964:S.127] Denn Marke hätte als Herrscher schon längst Genugtuung verlangen müssen und nicht darauf verzichten dürfen. Er hätte vielmehr eine Anklage wegen Hochverrates erheben müssen.

Marke als Ehemann

Illustration of King Mark of Cornwall, published in The Champions of the Round Table (1905) by Howard Pyle (1853-1911)

Im Verhältnis zu Tristan und Isolde kann Marke, wie dargelegt wurde, nicht mehr als überlegener Herrscher angesehen werden. Abgesehen vom Verlust seiner herrscherlichen Tugenden wird er zum gehörnten Ehemann und Opfer.[Karg 1994:S. 67] Isolde und Tristan leben heimlich ihre Liebe aus und können durch verschiedene Listen immer wieder den Fallen von Marke entgehen und somit seinen Verdacht zerstreuen. In einigen Passagen des Tristan tritt Markes Stellung als Ehemann deutlich in Erscheinung und es zeigt sich, dass Marke Isolde insbesondere aufgrund ihrer Schönheit liebt.

Markes Vorstellung von minne

Marke wird aufgrund des Lobpreises von Tristan auf Isolde aufmerksam. Seine daraus entstehende Liebe ist dementsprechend eine Fernliebe, entstanden durch Hörensagen. Hierbei ist jedoch auffällig, dass nur ihre Schönheit gepriesen wird, nicht jedoch ihre inneren Vorzüge.[Schnell 1985:S. 335] Auch willigt Marke, obwohl er Isolde völlig verfallen ist, der Brautfahrt zunächst nur deshalb ein, da ihm die Werbung unmöglich erscheint und er so eine Ehe, zugunsten Tristans[4], zu vermeiden hofft[Hauenstein 2006: S. 67].

Die Beziehung Markes zu Isolde wird auch im weiteren Verlauf auf das rein Äußere, das Sexuelle reduziert. So stellt Marke beispielsweise in der Hochzeitsnacht keinerlei Unterschied zwischen Brangänes und Isoldes Körper und Verhalten fest: [Schnell 1985:S. 335]

in duhte wip alse wip:
er vant ouch die vil schiere
von guoter maniere.
ime was ein als ander:
an ietwederre vander
golt unde messinc.(V. 12666-12671)
Ihm schien Frau gleich Frau./ Auch an dieser fand er bald / große Vorzüge. / Ihm war eine wie die andere. / An jeder von ihnen hatte er / Gold und Messing.

Auch als Marke Tristan und Isolde in der Minnegrotte liegen sieht, wird sein Begehren nach Isolde nur durch die Schönheit ihres Körpers entfacht, wodurch erneut die Reduzierung Isoldes durch Marke auf ihr Äußeres zu Tage tritt:[Schnell 1985:S. 335]

„ir kinne, ir munt, ir varwe, ir lîch
daz was sô rehte wunneclîch,
sô lieplîch und sô muotsam,
daz ir Marken gezam.
[..]
Minne diu warf ir vlammen an,
Minne envlammete den man
mit der schoene ir lîbes.(V. 17587-17595)
Ihr Kinn, ihr Mund, ihr Aussehen, ihre Gestalt, / das alles war so beglückend, / so anmutig und lieblich, / daß Marke ihr erlag. / [...] /Die Liebe entfachte ihr Feuer, / sie entflammte den Mann / mit der Schönheit ihres Körpers.

Markes Beziehung zu Isolde ist also weitestgehend auf die Fokussierung ihrer äußeren Schönheit und damit ihrer körperlichen Anziehung beschränkt. Diese Tatsache ist insofern beachtlich, als dass es sich bei Marke nicht um eine typologisierte Figur handelt, wie sie in mittelalterlicher Literatur üblich ist, sondern um einen Protagonisten, der erstaunlich viele charakterliche Merkmale aufweist und im Laufe der Erzählung eine Entwicklung durchlebt.

Markes Verständnis der minne entspricht demnach nicht der Tristanliebe, wie sie Gottfried zwischen Tristan und Isolde entwickelt. Doch unbewusst huldigt er diese 'wahre Minne' gerade durch die Verbannung der beiden Liebenden,[Combridge 1964:S.127] indem er ihnen erst auf diese Weise die Möglichkeit der bedingungslosen und grenzenlosen Auslebung ihrer minne bietet.

Opfer- und Versagerrolle

In verschiedenen Situationen wird deutlich, dass Marke im Bereich der Minne im Vergleich zu Tristan und Isolde eher negativ dargestellt wird. So erlaubt sich Marke bereits mit der Brautwerbung eine Schwäche: Nicht er selbst, sondern Tristan soll um die Braut werben.[5] Es wird bereits deutlich, dass Tristan wichtige Handlungen ausführt, die Marke zum Aufbau seiner Macht hätte nutzen können und der Eindruck des vollendeten Herrschers bröckelt. Marke erscheint einerseits als zu unfähig und schwach, um um seine Braut zu werben,[Karg 1994: S. 83] andererseits ist eine erfolgreiche Brautwerbung gar nicht sein Ziel (siehe oben). Dass Tristan, und nicht Marke, den Drachen tötet und somit Isolde gewinnt, scheint theoretisch die spätere, heimliche, Beziehung der beiden zu legitimieren.[Karg 1994: S. 82] Jedoch ist eine stellvertretende Brautwerbung in mittelalterlicher Literatur rechtmäßig und üblich, weshalb hier die rechtliche Legitimation von Marke als Ehemann nicht angezweifelt werden kann.[Hauenstein 2006:S. 56]

Anders ist die Situation in der Hochzeitsnacht zu beurteilen. Isolde muss sich von Brangäne zunächst vertreten lassen, da sie ihre Jungfräulichkeit bereits mit Tristan verloren hat. So vollzieht Marke unwissend die Ehe mit Brangäne und als er später mit der richtigen Isolde Sex hat, bemerkt er keinen Unterschied zwischen den Frauen. Obwohl Marke Isolde als seine Ehefrau sehr schätzt, kann er in und an ihr demnach nichts erkennen, was sie von anderen Frauen abhebt.[Hauenstein 2006: S. 70] Ob Gottfried von Straßburg Marke mit der Aussage in dúhte wîp alse wîp (V. 12666) eine Mitschuld am Ehebruch seiner Frau zuschreiben will, da er keine persönliche Bindung zu ihr herstellen könne, ist fraglich.[Hauenstein 2006:S. 69] Zum Zeitpunkt der Hochzeitsnacht kann Isolde ihm kaum so vertraut sein, um bereits eine enge persönliche Beziehung zu ihr zu haben. Dennoch bleibt ihm das Besondere an Isolde verborgen.

Auch in der Szene mit Gandin wird Markes Liebe zu Isolde äußerst negativ behaftet. Leichtgläubig verspricht Marke dem Rottenspieler aus Irland jeden Lohn für sein Harfenspiel, den er sich wünscht - und das stellt sich als Isolde heraus. Als Marke den Lohn verweigern will, erinnert Gandin ihn jedoch an seine Pflicht, als König Wort halten zu müssen. Andernfalls stellt er einen Zweikampf in Aussicht. Weder Marke noch ein anderer Ritter am Hof sieht sich in der Lage, gegen ihn anzutreten, sodass Isolde tatenlos Gandin überlassen wird. An dieser Stelle wird deutlich, dass Marke nicht der heldenhafte Herrscher ist, als der er zunächst dargestellt wird, seine Macht bröckelt mehr und mehr.[Tomasek 2007:S. 105] Er scheint zu schwach, um Isolde als Ehefrau vor Nebenbuhlern, sei es Gandin oder Tristan, zu verteidigen.

In zunehmender Spirale zwischen List und Gegenlist erscheint Marke außerdem als Marionette der Gegenspieler Tristans und Isoldes[Karg 1994: S. 68] und unfähig, seine Interessen durchzusetzten. Ein "Zerrüttungsprozess" setzt ein, den Marke nicht aufhalten kann: Zweifel ob Isoldes Schuld oder Unschuld lassen ihn zunehmend vom geselligen Herrscher zum geplagten Ehemann werden.[Tomasek 2007: S.104] Nachdem er Tristan und Isolde erst verbannt und dann am Hof rehabilitiert hat, wird er erstmals wahrhaftig Zeuge ihres Ehebruchs. Doch gerade in dem Moment, als er über jeden Zweifel erhaben ist, lässt ihn der Hofrat im Stich und spricht sich für Isolde aus: Marke solle sie nicht grundlos beschuldigen. Tristan hat sich unterdessen bereits vom Hof entfernt. An dieser Stelle scheint Marke an seinem persönlichen Tiefpunkt angekommen zu sein. Er hat nicht nur den endgültigen Beweis dafür erhalten, dass seine engsten Vertrauten ihn hintergehen, sondern verliert gleichzeitig seine politischen Verbündeten, die Hofräte. Auch hat Tristan ihm durch seinen Weggang vom Hof die Möglichkeit verwehrt, Konsequenzen zu ziehen und seine Macht zu demonstrieren. Marke kann weder Isolde noch Tristan für ihr Verhalten bestrafen, sondern muss weiter mit Isolde leben, als ob alles in bester Ordnung wäre.

Marke als Vaterfigur

Die Beziehung zwischen Marke und Tristan ist äußert vielschichtig und muss im Rahmen der Erzählung verschiedenen äußeren Ereignissen Stand halten. Die Liebe Markes zu Tristan und umgekehrt kann jedoch als die einer Vater-Sohn-Beziehung angesehen werden. Das zeigt sich deutlich an der Aufnahme Tristans an Markes Hof, denn Tristan erhält schon bald den Status eines engen Vertrauten. Als Tristan und Marke von Rual erfahren, dass Rual nicht sein wahrer Vater ist, bekennt Marke: und zwâre, soltu leben und ich / ich wil dîn erbevater sîn. (V.4301f: Und wahrlich, solange du lebst und ich, will ich dir wie ein Vater sein.). Marke ermöglicht Tristan eine Ausbildung zum Ritter und beschenkt ihn reichlich. Den Höhepunkt findet die Vater-Sohn-Beziehung in dem Versprechen Markes, für Tristan auf eine Eheschließung zu verzichten (vgl V.5156-5161). Ohne eigenen Nachfolger kann nach seinem Tod Tristan das Erbe antreten.
Dieses enge Verhältnis zu Tristan ist schließlich auch Grund für Markes Misere mit seiner Eifersucht: Er will seiner Ehefrau und seinem sohnähnlichen Neffen nicht misstrauen, aber die Hinweise sprechen gegen sie. So ergibt sich eine Situation, in der Marke gerne auf sein Gefühl hören und das Vertrauen aufrechterhalten will, andererseits aber auf seinen Verstand und seine "hofinternen" Vertrauten, Marjodo und Melot hört. Obwohl Marke seinen Verdacht des Öfteren erhärtet sieht, liebt er Tristan trotzdem weiter wie einen Sohn und ist deshalb immer wieder bereit, seine Zweifel aufzugeben und wieder Vertrauen zu schenken.

Positionen der Forschung und Fazit

In der Forschung gilt Marke als eine der umstrittendsten Figuren, denn einerseits wird er als höfischer Mensch dargestellt, andererseits als Schwächling. [Hollandt 1966: 53] Einen "leicht einfältigen Herrscher", der Tristan und Isolde intellektuell unterlegen sei, sich von seinen Gegnern einschüchtern lasse und den Kampf scheue, sieht Albrecht Classen in der Figur von Marke. [Classen 1992: 37f] Dabei pauschalisiert Classen jedoch die verschiedenen Rollen, die Marke innerhalb der Erzählung einnimmt: Zwar ist er der "gehörte Ehemann" [Karg 1994: 67] Isoldes, im Gegensatz dazu steht jedoch seine Funktion und sein Ansehen als Herrscher. Auch in der Rolle des Vaters wird Marke positiv dargestellt. Es zeigt sich deutlich, dass Marke nicht der vorherrschenden Typologisierung des Mittelalters unterliegt, sondern Anzeichen eines selbständigen Charakters aufweist. Erstaunlich oft stellt der Erzähler Markes Empfindungen und seine Innenwelt dar.
Innerhalb der Erzählung ist Marke notwendig, um ein Konfliktpotential entstehen zu lassen. Nur durch sein Eindringen in das Minneverhältnis zwischen Tristan und Isolde entsteht für beide die beständige Gefahr der Entdeckung und somit das Leid, das die edelen herzen des Publikums ergötzen soll. Dass Marke aufgrund seiner Liebe zu Isolde seiner Herrscherpflichten vernachlässigt, verdeutlicht, welchen Stellenwert die minne innerhalb Gottfrieds Roman einnimmt. So mag Marke zwar auf das Äußere Isoldes fixiert sein, aber seine Liebe hält bis zum endgültigen Beweis zu ihr und ist bereit, zu verzeihen. Der Makel seiner Liebe besteht jedoch darin, das Nebeneinander von Freude und Leid nicht befürworten zu können, so wie es die edelen herzen fordern, sondern sich selbst über die Tatsache des Betrugs hinweg zu täuschen.[Hauenstein 2006:S. 177] Seine jeweiligen Rollen sind als Gegenpol zu Tristan und Isolde anzusehen. Somit wird Marke zum Bewertungsmaßstab der Liebe zwischen Tristan und Isolde herangezogen und stellt eine Kritik an der Art der Eheschließung dar.[Hauenstein 2006:S. 67]

Anmerkungen

  1. Mit Versangabe im Folgenden zitiert aus Gottfried von Straßburg: Tristan. Hrsg. von Rüdiger Krohn. Stuttgart 1993 (Universalbibliothek 4471, 4472).
  2. Die Übersetzung wird im Folgenden zitiert nach Rüdiger Krohn aus Gottfried von Straßburg: Tristan. Hrsg. von Rüdiger Krohn. Stuttgart 1993 (Universalbibliothek 4471, 4472).
  3. Während Cornwall das rechtmäßige Erbland von Marke ist, hat er über England nur die Obhut (vgl. Verse 428 bis 449): Verschiedene Könige regierten gleichzeitig das Land und bekämpften sich gegenseitig. Schließlich einigten sie sich darauf, Marke zum Oberherren zu ernennen.[Hollandt 1966:S. 54].
  4. Marke verspricht Tristan, nicht zu heiraten, um ihm sein Land vererben zu können (V. 5156-5161) Die Landbarone drängen ihn jedoch zu einer Eheschließung, da sie neidisch auf Tristan sind und ihn vom Hof vertreiben möchten
  5. Zwar geht dieser Vorschlag auf die Landbarone zurück und Tristan stellt sich schließlich selbst zur Verfügung, doch schlägt Marke zu keiner Zeit vor, er könne selbst nach Irland fahren (vgl. Verse 8325 bis 8600).

Literatur

  • Gottfried von Straßburg: Tristan. Hrsg. von Rüdiger Krohn. Stuttgart 1993 (Universalbibliothek 4471, 4472).


  • [*Classen 1992] Classen, Albrecht: König Marke in Gottfrieds von Straßburg Tristan. Versuch einer Apologie, in: Amsterdamer Beiträge zur älteren Germanistik 35 (1992), S. 37-63.
  • [*Combridge 1964] Combridge, Rosemary Norah: Das Recht im 'Tristan' Gottfrieds von Straßburg. Berlin 1964.
  • [*Hollandt 1966] Hollandt, Gisela: Die Hauptgestalten in Gottfrieds Tristan. Berlin 1966.
  • [*Hauenstein 2006] Hauenstein, Hanne: Zu den Rollen der Marke-Figur in Gottfrieds 'Tristan'. Göppingen 2006.
  • [*Karg 1994] Karg, Ina: Die Markefigur im 'Tristan'. Versuch über die literaturgeschichtlche Position Gottfrieds von Straßburg, in: Zeitschrift für deutsche Philologie 113 (1994), S. 66-87.
  • [*Schnell 1985] Schnell, Rüdiger: Causa amoris. Liebeskonzeption und Liebesdarstellung in der mittelalterlichen Literatur. Bern, München 1985.
  • [*Tomasek 2007] Tomasek, Tomas: Gottfried von Straßburg. Stuttgart 2007.