Fuchs und Kater (Reinhart Fuchs): Unterschied zwischen den Versionen

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== Fazit Beziehung Reinhart und Diepreht ==
== Fazit Beziehung Reinhart und Diepreht ==
== Literatur ==
<HarvardReferences />
*[*Ruh 1980] Ruh, Kurt: Höfische Epik des deutschen Mittelalters. Von den Anfängen bis zu Hartmann von Aue, Berlin 1967-1980 (Grundlagen der Germanistik 25)
<HarvardReferences />
*[*Huebner 2016] Hübner, Gert: Schläue und Urteil. Handlungswissen im ‚Reinhart Fuchs‘, in: Techniken der Sympathiesteuerung in Erzähltexten der Vormoderne. Potentiale und Probleme, hg. von Friedrich M. Dimpel und Hans Rudolf Velten, Heidelberg 2016, S. 77-96
<HarvardReferences />
*[*Dietl 2010] Dietl, Cora: Violenta und potestas: Ein füchsischer Blick auf ritterliche Tugend und gerechte Herrschaft im ›Reinhart Fuchs‹, in: Dichtung und Didaxe : Lehrhaftes Sprechen in der deutschen Literatur des Mittelalters, Berlin 2009, S.41-54.

Version vom 7. Juli 2020, 12:57 Uhr

Fuchs und Kater (Reinhart Fuchs)

Dieser Artikel bietet einen Überblick über die Nebenfigur Kater Diepreht im "Reinhart Fuchs" und beleuchtet darauf aufbauend das Verhältnis des Katers zum Protagonisten Reinhart. Nachdem Reinhart beim ersten Zusammentreffen der beiden, durch eine List Dieprehts, fast mit dem Leben bezahlen muss und sich in letzter Sekunde aus einer Wildfalle befreit, endet "Reinharts schlechter Tag" (vgl. Seite 16 in [1]) und er rächt sich in zwei folgenden Zusammentreffen an Diepreht.


Kater und Fuchs allgemein

Gemeinsamkeiten und Beziehung

Kater und Fuchs sind auf den ersten Blick zwei sehr ähnliche Tiere, wenn man von der Fortbewegung und dem Aussehen aus, diese Beziehung betrachtet. Wichtig ist jedoch einmal festzuhalten, dass Fuchs und Kater/Katze nicht miteinander verwandt sind. Jedoch teilen die beiden Tiere einige Gemeinsamkeiten, wie etwa die gezielte Benutzung ihrer Krallen oder auch die Eigenschaft, dass beide Tiere vertikale Pupillen besitzen.

Im natürlichen Zusammenleben der beiden Tiere gibt es kaum Konflikte zwischen ihnen. Es gibt keine Belege für den Tod einer Katze durch den Biss eines Fuchses und auch in der freien Wildbahn gehen sich beide meist aus dem Weg, obwohl es nachts zwangsläufig zu einigen Begegnungen kommen kann. Katzen werden von Füchsen meist einfach ignoriert, da sie dem Wissen folgen, dass Katzen durchaus wehrhafte Tiere sind. [2] Die Bezeichnung "Vetter" (V.315 in RF [3] ), welche Reinhart für seinen Gegenspieler Diepreht im vorliegenden Tierepos verwendet trifft also nur teilweise zu. Eigentlich besteht zwischen den beiden Tieren keine direkte Verwandtschaftsbeziehung; Ähnlichkeiten der beiden Widersacher sind jedoch nicht von der Hand zu weisen. Dementsprechend lässt sich über diese Verwandtschaftsbezeichnung durchaus diskutieren, sie ist jedoch durchaus legitim, da ähnliche Verhaltensweisen und Gemeinsamkeiten vorhanden sind.

Rollen in weiteren Texten

In der bekannten Geschichte "Pinocchio" bilden der hinterlistige Fuchs und der räudige Straßenkater ein Team und versuchen immer wieder den kleinen Pinocchio hinters Licht zu führen und und ihn um seine Goldstücke zu bringen. Vergleicht man dieses Verhalten der beiden Tiere mit ihrem Verhalten beim ersten Zusammentreffen im "Reinhart Fuchs", lässt sich eine gewisse Ähnlichkeit zum Verhalten im "Pinocchio" erkennen. Denn auch hier versuchen beide Charaktere ständig den jeweils anderen zu betrügen und agieren ähnlich zwielichtig, wie in der bekannten italienischen Kindergeschichte. [4]

Auch in einem bekannten Tiermärchen der Gebrüder Grimm spielen der Fuchs und die Katze die Hauptrollen, der Name des Märchens "Der Fuchs und die Katze" zeigt dies auch sehr deutlich. Inhaltlich geht es in diesem Märchen darum, dass der Fuchs und die Katze sich im Wald begegnen. Während der Fuchs übermütig und arrogant agiert und damit prahlt, hundert Künste und einen Sack voll Listen zu beherrschen, verhält sich die Katze eher bescheiden und berichtet, dass sie nur eine Kunst beherrscht. Es ist die Kunst, sich vor Hunden auf einen Baum zu retten; wenige Augenblicke später betreten mehrere Hunde die Szenerie und die Katze kann sich auf einen Baum retten. Der Fuchs wird hingegen von den Hunden gepackt und muss anhören wie die Katze vom Baum ruft: „Ihr bleibt mit Euren hundert Künsten stecken. Hättet ihr heraufkriechen können wie ich, so wärs nicht um Euer Leben geschehen.“ (vgl [5] )

Interessant an diesem Märchen ist zum einen, dass die Katze als Sieger hervorgeht und der Fuchs mit dem Leben bezahlen muss. Ähnlichkeiten zum ersten Aufeinandertreffen der beiden im "Reinhart Fuchs" sind durchaus erkennbar, da auch hier der Fuchs sich für deutlich schlauer hält, am Ende jedoch dem Tod nur knapp entkommen kann. Zum anderen, und noch viel entscheidender ist es, dass dieses Märchen, welches im 19.Jahrhundert entstand, laut Anmerkungen Grimms auch die Rolle der beiden Tiere aus dem Tierepos "Reinhart Fuchs" als Grundlage nahm und dementsprechend die Rollen Dieprecht und Reinhart in der Entstehung dieses Märchens eingearbeitet wurden.

Erstes Aufeinandertreffen(V. 313-384)

Beschreibung der vorangegangen Ereignisse

Zum Beginn des Tierepos verlaufen Reinharts Pläne alles andere als erfolgreich. Nachdem ihm am Anfang des Tages der Hahn Scantecler entwischt, er sich von der Meise betrügen lässt und auch seine List beim Rabe Diezelin nicht gelingt, hofft er bei seinem Zusammentreffen mit dem Kater Dieprecht auf mehr Erfolg seiner Listen. Er ahnt jedoch nicht, dass es ihm "bei dieser Begegnung am schlimmsten ergehen wird".(vgl. S.18 in [6])

Übersetzung der Textstelle

Mittelhochdeutscher Text Neuhochdeutscher Text
Die katze Diepreht im wider gienc, Dort kam ihm der Kater Diepreht entgegen,
Reinhart si al vmbe viene. Reinhart umarmte ihn freundlich.
er sprach: willekvme, neve, tvsent stvnt! Er sagte:"Vetter, tausendmal willkommen!
daz ich dich han gesehen gesvnt, Dass ich dich gesund sehe,
des bin ich vro vnde gemeit. freut mich ungemein.
mir ist von dir snellekeit vil geseit, Mir hat man viel von deiner Schnelligkeit erzählt,
daz solt dv mich lazen sehen. das solltest du mich sehen lassen.
ist iz war, so wil ich iz iehen. Ist dies wahr, dann will ich es rühmen."
Dipreht sprach do: Diepreht erwiderte:
,neve Reinhart, ich bin vro, "Vetter Reinhart, ich bin froh,
daz dir von mir ist wol geseit. dass man dir Gutes von mir erzählt hat.
min dinest sol dir sin bereit.' Ich will dir gerne behilflich sein."
Reinhan vntreuwen pflac, Aber Reinhart war unehrlich,
er wisete in, da ein drvck lac. denn er wies ihn in eine Richtung, in der eine Wildfalle aufgestellt war.
iz was ein bose neveschaft. Reinhart war eine böse Verwandtschaft!
,nv wil ich sehen dine kraft ! "Nun werde ich deine Kraft sehen!"
iz was ein enges phedelin, Vor ihnen war ein enger Pfad
er sprach: ,nv lovf, trvt neve min!` und er rief: "Lauf los, mein lieber Vetter!"
Dipreht weste wol die valle. Diepreht aber wusste von der Falle
er sprach: ,nv beschirme mich sente Galle und betete: "Sankt Gallus, beschütze mich vor
vor Reinhartes vbelen dingen.' Reinharts üblen Winkelzügen"
vber die vallen begond er springen Er sprang über die Falle
vnde lief harte sere. und lief so schnell er konnte.
an dem widerkere Am Wendepunkt
sprach zv im Reinhart: meinte Reinhart zu ihm:
,nie kein tier sneller wart, "Noch nie ist ein Tier schneller gelaufen
denne dv, trvt neve, bist. als du, mein lieber Neffe.
ich wil dich leren einen list: Ich will dir aber noch eine weitere Kunst beibringen:
dv solt so hohe sprvnge ergeben, du musst sehr hoch springen,
dv macht verlisen wol din leben, sonst kommst du noch ums Leben,
bestet dich ein stritiger hvnt. wenn mal ein bissiger Hund hinter dir her ist.
mir ist svst getan geverte wol kvnt.' Mir sind solche Begegnungen bekannt."
Dipreht sprach: ,dv endarft noh niht iehen: Diepreht antwortete: "Warte mal ab;
,lauf nach mir', ich laz dich sehen lauf mir hinterher und ich zeige dir
edele sprvnge ane lygen.' ungelogen die schönsten Sprünge."
sie wolden beide ein ander betrigen. Beide hatten jetzt vor sich gegenseitig zu betrügen.
Reinhart lief sinem neven nach, Reinhart folgte seinem Vetter,
donen was dem vorderen niht gach. wobei es der vordere nicht eilig hatte.
Dyprecht vber die vallen spranc Diepreht übersprang die Falle
vnde gestvnt ane widerwanc. und blieb dann wie angewurzelt stehen.
an sinen neven stiez er sich, Dadurch ließ er seinen Vetter gegen sich prallen,
deiswar, daz was niht vnbillich; was wahrlich keine unrechte Tat wahr, wodurch
der vuz im in die vallen qvam. Reinharts Fuß in die Falle geriet.
Diprecht do vrlovp nam Diepreht verabschiedete sich daraufhin
vnde bevalch in Lucifere. und empfahl im Lucifer.
dannen hvb er sich schire. Schnell lief er davon.
Reinhart bleib in grozer not, Reinhart blieb in großer Not zurück:
er wante, den grimmigen tot er sah den grausamen Tod schon
vil gewislichen han. vor seinen Augen.
do gesach er den weideman, Da erblickte er schon den Jäger,
der die drvch dar het geleit. welcher die Falle aufgestellt hatte.
do bedorfte er wo! kvndikeit: Hier brauchte er sicher Geschicklichkeit:
daz hovbet er vf di drvch hieng. er legte seinen Kopf über die Falle.
der gebvr lief balde vnde gieng. Eilig kam der Jäger herbei;
die kele was im wiz als ein sne: Reinhart´s Kehle schimmerte für ihn weiß wie Schnee:
vumf schillinge oder me fünf oder sogar mehr Schillinge
want er vil gewis han. war er hier sich gewiss schon gewonnen zu haben.
die axs er vfheben began Er begann die Axt anzuheben
vnde slvc, swaz er mochte erziehen. und schlug dann so fest zu, wie es ging.
Reinhart mochte niht gevliehen, Reinhart konnte eigentlich nicht entkommen
mit dem hovbte wanckt er hin baz, doch er zog den Kopf
an der zi t tet er daz. noch im richtigen Moment weg.
der gebvr slvc, daz die drvhe brach Der Bauer hatte so fest zugeschlagen, dass die Falle zerstört wurde.
Reinharte nie liber geschach: Noch nie war Reinhart etwas Besseres geschehen,
er wonte han verlern daz leben, er hatte schon sein Leben verloren geglaubt,
sine kel was vm vunf schillige geben. nachdem seine Kehle auf 5 Schillinge geschätzt worden war.
Reinhart sich niht sovmte, Reinhart wartete keinen weiteren Moment,
die herberge er rovmte, um sein Quartier zu verlassen,
in dvchte da vil vngemach. welches ihm sehr unangenehm vorkam.
der gebvr im iemerliche nach sach. Der Bauer schaute ihm jammernd nach
er begende sich seihen scheiden, und schimpfte auf sich selber;
er mvste mit anderm gvte gelden. er musste jetzt mit anderer Münze bezahlen.
(V.313-384 in RF [7])

Interpretation der vorliegenden Textstelle

Die vorliegende Textstelle stellt die vierte und letzte Fehlaventiure Reinharts in den ersten 375 Versen des Tierepos dar. Nach dem Hahn, der Meise und dem Rabe entscheidet sich Reinhart den Kater Diepreht aufzusuchen, welcher einen "sportlichen Wettlauf akzeptiert." (vgl. S.18 in RF [8]). Die Begrüßung "Vetter" (V.315 in RF [9]), welche Reinhart für Diepreht wählt, unterstreicht die äußerlichen Ähnlichkeiten der beiden Tiere - eine direkte Verwandtschaftsbeziehung der beiden Tiere gibt es jedoch nicht. Zudem steht sie im Spannungsfeld mit dem Gedanke, dass Verwandte im Normalfall zusammenhalten würden, welchen beide Charaktere im folgenden verletzen werden. Dies unterstreicht auch nochmal der Vers 327 "Reinhart war eine böse Verwandtschaft".(V.327 in RF [10])

Als Aufhänger zum sportlichen Wettlauf, nutzt Reinhart Berichte über Diepreht's Schnelligkeit. Dennoch lässt sich Reinhart auch in dieser finalen Fehlaventiure erneut als "physisch stärker als sein Widersacher einstufen" (vgl S.87 in [11]), wobei Diepreht Reinhart körperlich gesehen allerdings nur minimal unterlegen ist. Entscheidend ist Reinhart's, wenn auch minimale, körperliche Überlegenheit dennoch, da so "seine Schlauheit erneut nicht für den Handlungserfolg ausreicht". (vgl S.87 in [12]) Reinhart's Plan ist es Diepreht durch ein Wettrennen abzulenken, sodass er in einer Wildfalle gefangen wird, wobei die "Wildfalle in diesem Zusammenhang die menschliche Gegenwelt symbolisiert. Reinhart missgönnt es Diepreht, dass dieser nicht im Konflikt mit der Welt der Menschen steht und versucht den Kater nun in einen Konflikt mit eben dieser Welt zu verwickeln. Abschließend sitzt jedoch Reinhart in dieser Fuchsfalle gefangen, welche ihrerseits Ausruck seines Konflikts mit der menschlichen Welt ist." (vgl. S. 47 [13]) Der Konflikt Reinhart's mit der menschlichen Welt wird durch die Flucht vor den Hunden des Jägers in der dritten Fehlaventiure nochmal unterstrichen, was Reinhart selbst in Vers 340-344 noch einmal aufgreift und zu nutzen versucht. Nachdem Diepreht Reinhart's Plan antizipert und die Falle überspringt, muss Reinhart sich an der Wendemarke einen neuen Plan zurechtlegen, wobei er hier Diepreht beibringen will hoch zu springen, um sich im Notfall auch mal vor Hunden retten zu können. Erneut antizipiert Diepreht jedoch diese List und schafft es durch seinen eigen ausgedachten Plan, Reinhart in die Wildfalle zu bugsieren. Diepreht ist sich der Gefahr in dieser Situation bewusst und weiß auch von Reinhart's Heimtücke; sein Vorteil ist jedoch vor allem, dass er präventiv und aktiv agiert und selber eigene Listen plant, um sein Leben zu retten.

Diese Selbstverteidigungsstrategie behält der Kater auch nach seiner erfolgreichen List bei, da er Reinhart hilflos in der Wildfalle zurücklässt. Jedoch "empfiehlt er Reinhart zum Abschluss noch Lucifer." (vgl. V. 357 in [14]) Diese Aussage lässt sich schwerer deuten, da Luzifer historisch zum einen als Engel, zum anderen aber als auch als Inkarnation des Teufels verstanden werden kann. In diesem Zusammenhang könnte Diepreht ihn also entweder mit dem Wunsch zur Rettung oder mit dem Wunsch, dass Reinhart sein Leben verliert, zurücklassen, wobei die letztere Variante deutlich plausibler erscheint. Ist dies der Fall, handelt Diepreht zum Abschluss dieser Textstelle sehr abgebrüht, selbstsicher und den Umständen angepasst, da er sich nicht noch einmal auf einen lebensbedrohlichen Wettkampf mit Reinhart einlassen will, nachdem er ihn nur knapp überlisten konnte.

Beschreibung der nachfolgenden Ereignisse

Nachdem Reinhart mit großem Glück lebend aus der Wildfalle entkommt, wendet er sich an den Wolf Isengrin. Diese Situation stellt gewissermaßen ein Wendepunkt in der Geschichte dar, da Reinhart´s Unglückstag nach 375 Versen ein Ende hat. Im folgenden Abschnitt dieses Artikels soll genauer auf diesen Umstand eingegangen werden.

Folgen des ersten Treffens

Das erste Zusammentreffen von Reinhart und Diepreht bildet den Abschluss "einer vorspielartigen Aventiurenreihe, welche als Reinharts schlechter Tag eingeordnet werden kann. Anknüpfend daran beginnt nun mit der Fuchs-Wolf-Auseinandersetzung der erste der zwei großen Hauptteile." (vgl. S. 16 in [15]) Wichtig ist, dass Reinhart nun nach vier unglücklichen Begegnungen, welche ihm großen Hunger und fast den Tod bescherten, es schafft mit seinen Listen erfolgreich sein zu sein, um das Pech und Unglück aus den ersten 375 Versen des Tierepos hinter sich zu lassen. Die Befreiung aus der Wildfalle leitet diesen Prozess gewissermaßen ein, da er hier mit Glück und Geschick entkommen konnte. Entscheidend im nun folgenden ersten Hauptteil ist vor allem, dass es sich beim "Wolf um einen körperlich überlegenen Co-Akteur handelt, wobei Reinhart's selbsterhaltende Schlauheit jetzt für den Handlungserfolg notwendig wird." (vgl. S.87 in [16]) Dies war in den 375 Versen zuvor nicht der Fall.

Zweites Aufeinandertreffen beim "Mäusehaus" (V.1645-1742)

Beschreibung der vorangegangen Ereignisse

Nachdem Reinhart vom Gerichtstermin geflohen ist und sich anschließend an Isengrins Frau Hersant vergangen hat, fordern Isengrin und seine Fürsprecher am Hoftag des Königs die Verhaftung und Hinrichtung Reinharts, welche auch vom Hirsch Randolt rechtens erklärt wird. Das weise Kamel aus Thuschalan hingegen erinnert die Anwesenden, dass der verdächtigte Reinahrt zunächst dreimal an den Hofe des Königs Vrewel vorgeladen werden muss. Der erste der drei Boten des Königs ist der Hofkaplan Herr Brun, welcher von Reinhart durch einen angeblichen Baum voller Honig hereingelegt wird und dabei seine Haare auf dem Kopf verliert. Nachdem Brun geschändet an den Hof zurückkehrt, wird Diepreht nun zum zweiten Boten bestimmt, welcher Reinhart aufsuchen soll.

Übersetzung der Textstelle

Mittelhochdeutscher Version Neuhochdeutsche Version
Des wart da gevolgot. Dem wurde Folge geleistet,
des kam Diebreht ze not. wodurch Diepreht in Bedrängnis geraten sollte.
der kunic hiez in vur in stan, Der König ließ ihn zu sich kommen
er sprach: ,du solt nach Reinharte gan.' und befahl ihm: "Du wirst Reinhart aufsuchen."
da sprach Diebreht: Diepreht entgegnete:
,herre, daz lan ich an reht; "Herr, das kann ich rechtens ablehnen,
er ist min liebir kunnelinc.' denn er ist mein lieber Verwandter."
,dv enmaht durh dehein dinc "Du kannst diesen Auftrag durch nichts
sin vber werdin', sprach Randolt, in dieser Welt loswerden", sprach Randolt,
,ir sint ein andir doch borholt!' "ihr seid einander doch sowieso wenig zugetan!"
Der kvnic gebot imez an den lip. Der König befahl es ihm bei seinem Leben
Diebreht sprach: ,nu han ich cit. und Diepreht antwortete: "Dann werde ich mich beeilen"
er huob sich harte balde. Er machte sich sofort auf und
da vant er in deme walde im Wald begegnete er dann
sinen neuen Reinhart, seinem Vetter Reinhart,
der kunde manigen vbil art. welcher üble Machenschaften beherrschte.
nu horint, wie Reinhart sprach, Nun hört, wie Reinhart sprach,
do er sinen neuen ane sach. als er seinen Vetter sah:
er sprach: ,willikomen, sippebluot "Willkommen Verwandter,
wie we mir min herze tvot, wie schmerzt mir mein Herz,
daz du mich hast vermiten so, dass du mich so gemieden hast
ich newart nie gastes so fro.' ich war nie glücklicher über einen Gast"
Diebreht sprach: ,des habe danch! Diepreht erwiderte: "Vielen Dank dafür!
ez duhte oh mih harte lanch. Auch mir kam die Zeit ähnlich lange vor.
der kunic hat mich ze dir gesant Der König hat mich zu dir geschickt
vnde swert sere, daz dv ime daz lant und schwört einen Eid, dass du das Lande verlassen musst
rumist, kumistu vur niet. solltest du nicht vor ihn treten.
vf dich clagit alliv div diet. Das ganze Volk klagt dich an,
dv hast vil vbile getan, denn du hast entsetzliches getan
daz dv den capilan als du den Kaplan
wider santest ane hvot.' ohne Kopffell zurückschicktest."
Reinhart sprach: ,neve gvot, Reinhart entgegnete: "Lieber Vetter,
ich gesach her Brun zeware ich habe Herrn Brun wirklich
niht in diseme iare, dieses Jahr nicht gesehen.
wan domich iagite lsingrin. Außer als Isengrin mich verfolgte.
waz sagistv mir, neve min? Was willst du mir also sagen, mein Vetter?
woltistv sammir gan, Wenn du mich aber begleiten willst,
ich gebe dir gerne des ih han: dann gebe ich dir gerne, was ich habe:
ich han hie ein ode hus, ich kenne hier ein verlassenes Haus,
da han ich inne manige mus in dem ich manche Maus
gehaltin minin gestin, als Gäste halte,
da nim dv dir die bestin.' also nimm dir nur die besten davon."
Div naht was heiter unde lieht, Die Nacht war heiter und klar
sinen neven Reinhart da verriet. und Reinhart betrog seinen Vetter.
ze deme hus fuorter in sa. Er führte ihn zum besagten Haus und
Diebrehte wart ze der spise ze ga. Diepreht hatte großen Appetit auf die Speise.
da lac ein gebur inne, Im Haus wohnte ein Pfarrer,
deme michel unminne welchem Reinhart oft
Reinhart hate gitan. übel mitgespielt hatte.
daz muose uf Diebrehten gan. Dafür sollte Diepreht nun büßen.
einen stric rihter vur ein loch, Der Pfarrer hatte nämlich einen Strick vor den Eingang gehängt,
also duont gnuoge lute och noh. wie man es heute auch noch tut.
Reinharte was da gelagot, Eigentlich war dies für Reinhart gedacht,
des kam sin neue [ ] in groze not. aber jetzt kam sein Vetter in große Not.
dar in was Diebrehte gab, Diepreht hastet nach drinnen,
do viel er in den stric sa. doch hing dann direkt in der Schlinge.
daz gehorte des geburis wip, Die Frau des Pfarrers wurde darauf aufmerksam
siv sprach: ,uf, semmir min lip!' und sie rief: "Wach auf, bei meinem Leben!"
der gebur fuor uf unde irscricte... Der Pfarrer fuhr hoch und erschrak.
eine hepin mit der hant. Er nahm sein Messer
unde huop sich, da er Diebrehten vant. und rannte zu Diepreht
er wande, daz ez ware Reinhart. im Glauben, es wäre Reinhart.
Diebrehtin rov div vart. Diepreht bereute sein Vorhaben;
vil harte grogezende er screi. er heulte und schrie.
der gebur sluoc die snuor in zvei: Da schnitt der der Pfarrer den Strick entzwei,
daz kam von der vinsterin. was an der Dunkelheit lag.
Diebreht walte dannin sin, Diepreht wollte nichts wie weg
dem det ir sciere vil gelich: und handelte auch direkt so,
wider uz huob er sich. erhob sich und rannte davon.
[...] [...]
Diebreht lie die muse da, Diepreht ließ die Mäuse zurück
dannan wart ime harte ga. und er hatte es eilig schnell wegzukommen.
do lief er al die naht Er lief die ganze Nacht
wider ze haue mit grozir maht. mit großer Anstrengung zum Hof zurück.
er vant den kunic des morgenes fruo, Früh morgens war er beim König
mit sime stricke gie er da zuo. und trat mit dem Strick um den Hals vor ihn.
do clagite vil harte Diepreht beschwerte sich sehr
Diebreht von Reinharte. über Reinhart
er sprach: ,kunic, ich was in not. und er berichtete: "König, ich war in einer misslichen Lage
mir walte Reinhart den dot und Reinhart wollte mich aufgrund eurer
frumen in iwir botescaft, Botschaft töten,
do beschirnde mih div gotis craft. jedoch beschütze mich noch Gottes Kraft.
herre, ich vnde iwer capilan Herr, ich und euer Kaplan,
suln nimme nah ime gan.' werden nie wieder zu ihm gehen."
(V.1645-1742 in RF [17])

Interpretation der vorliegenden Textstelle

Nachdem Diepreht von Vrewel und Randolt als zweiter Bote ausgewählt wird, merkt man bereits, dass der Kater eine gewisse Angst über das drohende Wiedersehen mit Reinhart verspürt. Grund hierfür ist natürlich Diepreht's List am Ende der vierten Fehlaventiure gegenüber Reinhart. Der Kater versucht sich argumentativ durch seine Verwandtschaftsbeziehung zu Reinhart aus seiner misslichen Lage zu befreien; er erkennt jedoch schnell, dass er bei weitem nicht die Macht besitzt, um dem König Widerstand zu leisten und akzeptiert sein Schicksal sogleich.

Beim Aufeinandertreffen der beiden Charaktere im Wald, lässt sich eine deutliche Ironie in Reinhart's Begrüßungsworten erkennen, welcher seinen Vetter überschwänglich begrüßt und vorgibt traurig zu sein, dass er Diepreht schon länger nicht mehr gesehen hat. Reinhart's Freude über das Wiedersehen ist hier wahrscheinlich viel mehr durch die Möglichkeit bedingt, sich endlich an Diepreht rächen zu können als an der eigentlichen Freude über ein erneutes Zusammentreffen der beiden. Durch diese Aussage wird klar, dass Diepreht nach dem missglückten Tod Reinharts, diesem in den folgenden Tagen und Wochen absichtlich aus dem Weg gegangen ist, um einer Rache zu entgehen. Diepreht's Begrüßung fällt dementsprechend auch sehr kurz und kühl aus, möglicherweise auch dadurch bedingt, da er ahnt, dass Reinhart's Begrüßung nicht wirklich ernst gemeint ist. Er kommt im Zuge dessen direkt zum Grund für seinen Besuch und überbringt dem Fuchs die Botschaft des Königs. Reinhart verleumdet nun seine Tat gegenüber Brun, welcher vom Fuchs auch menschlicher Gewalt ausgesetzt wurde, und führt nun seine geplante List ein.

Anders als beim ersten Zusammentreffen versucht Reinhart Diepreht nun nicht über einen Wettstreit hinters Licht zu führen, sondern wählt einen neueren, viel trivialeren Weg. Sein Vorhaben basiert auf dem klassische Katze-Maus-Klischee, denn er bietet dem hungrigen Diepreht ein Haus voller Mäuse an. Der Kater macht nun einen großen Fehler, denn erkennt nicht, dass Reinhart ihm durch das Angebot zum Stillen seines Hungertriebs, welches bei vielen Tieren ein Grundbedürfnis bedeutet, eine Lüge unterbreitet. Diepreht weiß in diesem Moment, dass er den Mäusen physisch überlegen ist und es kaum Aufwand und Cleverness bedarf, mehrere von ihnen zu verspeisen. Der Drang Dieprehts sein Grundbedürfnis des Hungers zu stillen lässt ihn leichtsinnig und naiv werden, was Reinhart schlussendlich schamlos ausnutzt. Der Begriff "Bestechung, welchen Krimel anschließend am Hof des Königs verwendet", beschreibt diese Situation durchaus sehr treffend. (vgl V.770-775 in RF [18])

Diepreht's Leichtsinnigkeit zeigt sich dann auch, als er unvorsichtig und viel zu schnell in das angebliche "Mäusehaus", worin ein Pfarrer mit seiner Frau lebt, eindringen will. Da dem Pfarrer bereits mehrmals von Reinhart übel mitgespielt wurde, hat er zur Sicherheit ein Strick mit einer Schlaufe im Eingangsbereich aufgehängt, in welchem Diepreht sich dann verfängt. Der Strick, ist ähnlich wie die Wildfalle im ersten Treffen, ein Symbol der menschlichen und nicht der tierischen Gewalt, welcher der Kater nun zum Opfer fällt. "Reinhart lockt nun nach Isengrin und Brun zum krönenden Abschluss den Kater Diepreht in eine Falle, indem er ihn auf menschlichem Terrain der menschlichen Gewalt aussetzt. Nach seinem Scheitern beim ersten Aufeinandertreffen der beiden, gelingt es Reinhart also nun, den Kater in einen Konflikt mit den Menschen zu bringen. Ähnlich wie bei den Aventiuren, bringt Reinhart den Kater hier mit einer anderen Welt in Kontakt. Allerdings nicht, um seine Ehre verteidigen oder Ruhm erlangen zu können, sondern um Diepreht schaden zu können. Reinhart bemüht sich hier sogar, im Gegensatz beispielweise zu Artusrittern, um eine Vermehrung der ‘âventiure’ zum Schaden seiner ‘Verwandten’." (vgl S.50 in [19]).

Es lassen sich nun durchaus Parallelen zu Reinhart's Situation zuvor in der Wildfalle erkennen, da auch Diepreht ähnlich hilflos der menschlichen Gewalt ausgesetzt wird. Wie Reinhart gelingt es auch Diepreht aus seiner "Falle" zu entkommen, im Gegensatz zu Reinhart ist es jedoch nicht die eigene Geschicklichkeit oder Raffinesse die ihm hier zur Flucht verhilft, sondern vielmehr die Dunkelheit und der daraus resultierende Fehler des Pfarrers. Diepreht erscheint in dieser Situation auch deutlich hilf - und ratloser als Reinhart bei seiner Flucht. Er kann in dieser Situation im Gegensatz zu Reinhart keinen klaren Gedanken fassen; er wirkt ängstlich, überfordert und eingeschüchtert. Dies unterstreicht auch sein "Schreien und Heulen" (vgl. V. 1711 in RF [20]) und seine anschließend überhastete Flucht zurück zum Hof des Königs, wo er sogar noch mit der Schlinge um den Hals ankommt. Diese Szene zeigt sehr gut, dass Diepreht zwar, ähnlich wie Reinhart, einige Listen beherrscht, es jedoch nicht schafft auch in Drucksituationen die Ruhe zu behalten, um seinen Verstand entscheidend einzusetzen. Im Gegensatz zu Reinhart ist nicht die eigene "kündikeit" (V.364 in RF [21]) der Grund für die Rettung, sondern der "Schutz durch Gottes Kraft". (vgl. V. 1740 in RF [22]) Dies lässt Reinhart's Charakter und Cleverness nun deutlich stärker erscheinen.

Resultierend aus dieser "Nahtod"-Erfahrung Diepreht's schwört der Kater nie wieder sich alleine mit Reinahrt zu treffen; die zu Beginn dieser Szene merkbare Angst wurde durch Reinhart's Rache noch einmal intensiviert, was durch die Ereignisse im dritten und abschließenden Aufeinandertreffen der beiden Charaktere auch gerechtfertigt wird.

Beschreibung der nachfolgenden Ereignisse

Infolge Reinhart's erneuter List gegen einen Boten des Königs, wird dieser nun umso zorniger. Erneut wird von den Anwesenden, unter anderem von Isengrin und dem Eber, Reinharts Todesurteil gefordert. Krimel hingegen erklärt, dass Diepreht im zweiten Aufeinandertreffen der beiden Unrecht hat, da er sich auf eine Bestechung Reinharts eingelassen habe. Deshalb wird nun Krimel selbst vom König losgeschickt, um Reinhart aufzusuchen.

Drittes Aufeinandertreffen am Hof des Königs

Beschreibung der vorangegangen Ereignisse

Reinhart kommt schlussendlich mit Krimel, dem dritten Boten des Königs, an den Hof, wobei er sich mit Hofgewand, Arzttasche und Kräutern als fähiger Arzt ausgibt. Reinhart bietet dem König an ihn zu heilen, da er lebensrettende Informationen von Meister Bendin, einem bekannten Arzt aus Salerno, bekommen habe. Neben dem Essen von Heilkräutern, müssen auch verschiedenen Tieren die Haut respektive das Fell abgezogen werden, um das Leben des Königs zu retten.

Übersetzung der Textstelle(V.1901-1904)&(V.1932f.)

Mittelhochdeutscher Version Neuhochdeutsche Version
,da mite genezet ir, herre gvt. "Damit werdet ihr genesen, guter Herr.
vz einer katzen einen hvt Eine Mütze aus Katzenfell
mvzet ir han ze aller not, ist auch noch nötig
oder iz were, weizgot, ewer tot oder euer Tod ist, weiß Gott, sicher.
(V.1901-1904 in RF[23])
[...] [...]
man schinte si, ovch wart Dipreht Man zog ihnen das Fell ab und auch Diepreht
beschindet also harte. wurde entblößt.
(V.1932f. in RF[24])

Interpretation der vorliegenden Textstelle

Diese nun abschließende Textstelle, in der Diepreht das letzte mal eine entscheidende Rolle spielt, kann schlussendlich als Ergebnis der Fehde zwischen den beiden Gegenspielern Reinhart und Diepreht gesehen werden.

Rollen wir die Fehde der beiden Tiere noch einmal chronologisch auf, erinnern wir uns an das erste Zusammentreffen der beiden, bei dem Reinhart dem Tode ausgeliefert in einer Wildfalle zurückgelassen wird. Reinhart's Ziel Diepreht in einen Konflikt mit der menschlichen Welt zu bekommen, misslingt hier noch. Jedoch merkt man beim zweiten Aufeinandertreffen, dass Reinhart dieses Ziel nicht aus den Augen verloren hat und es schafft einen Konflikt Dieprehts mit der menschlichen Welt zu erzwingen. Reinhart hat es geschafft den Kater menschlicher Gewalt auszusetzen, sein Ziel und seine Genugtuung ist erreicht.

Zurück auf dem Terrain der Tiere kann die hier nun abschließende Textstelle als Krönung Reinhart's erreichtem Ziel verstanden werden, da er es nun schafft Diepreht körperlich sowie geistig überlegen zu sein; Reinhart verfügt über jegliche Macht - Diepreht bleibt nur die Opferrolle. Reinhart nutzt die Hilflosigkeit und Gewalttätigkeit des Königs aus, um unter anderem an Diepreht Rache zu nehmen, wobei die Gewaltausübung sich nun zurück auf der tierischen Ebene befindet. Es wird von Reinhart erneut keine direkte Gewalt verwendet, da sie vom König angeordnet wird; befindet sich aber jetzt nicht mehr auf der menschlichen Ebene. Die Gewalt wirkt nun deutlich persönlicher, direkter und unmittelbarer, als wenn sie von einem Menschen ausgehen würde. Diepreht ist bei diesem Rachefeldzug jedoch nur noch einer unter vielen Tieren, welche Reinhart zum Opfer fallen; er bekommt in dieser Szene nicht mal mehr die Chance sich beziehungsweise genauer gesagt sein Fell vor Reinhart zu verteidigen. Isengrin, welcher auch Reinhart hier zum Opfer fällt, versucht als einziger zwar noch den König zur Vernunft zu bringen, jedoch bleibt dieses Vorhaben erfolglos. .

Abschließend kann festgehalten werden, dass Diepreht mit dem Abziehen seines Fells sogar relativ gut bedient ist. Der Löwe Vrewel und das Huhn Pinte bezahlen aufgrund Reinhart's Machenschaften mit dem Leben und auch der Eber und der Hirsch Randolt tragen vom Hoftag schlussendlich schwerwiegende körperliche Verstümmelungen davon. Diepreht's Überleben ist in diesem Zusammenhang sogar überraschend, denn war er es doch, welcher Reinhart zu Beginn des Tierepos zum Sterben in einer Wildfalle zurückließ. Eine Rache, welche den Tod Dieprehts bedeutet hätte, wäre also durchaus denkbar gewesen, unter anderem dadurch, da Diepreht dem Tod beim "Mäusehaus" noch entkommen konnte. Diepreht's Überleben lässt sich dementsprechend möglicherweise durch Reinhart's Willkür erklären - er will sich einfach an jedem am Hofe anwesenden Tier rächen, auf welche Weise auch immer.

Beschreibung der nachfolgenden Ereignisse

Neben Diepreht, Isengrin und Brunn werden anschließend noch weitere Tiere Opfer Reinhart's Rachefeldzug, bei dem unter anderem das Huhn Pinte ihr Leben lässt. Schlussendlich stirbt auch König Vrewel, nachdem ihm Reinhart einen Gifttrank verabreicht hat; Diepreht hingegen kommt mit dem Leben davon.

Charakterisierung Kater Diepreht

Diepreht stellt im Tierepos eine wichtige Rolle dar und agiert dahingehend auch als Gegenspieler zum Protagonisten Reinhart. Diepreht ist einer der wenigen Akteure, der es schafft Reinhart zu Beginn der Handlung zu überlisten. Neben ihm schaffen dies nur der Hahn, der Rabe und die Meise. Dieser Umstand zeigt, dass Diepreht durchaus als schlauer und gerissener Charakter eingeschätzt werden kann. Beim ersten Treffen der beiden schafft es Diepreht Reinhart's List zu antizipieren und ihn dann durch seine eigene List hereinzulegen. Man könnte sogar soweit gehen, ihn als hinterhältig und kaltblütig einzustufen, da Diepreht Reinhart hilflos und dem Tod ausgesetzt in der Wildfalle zurücklässt. Dennoch ist sein Verhalten in dieser Situation weitestgehend verständlich, da er aus Notwehr handelt und sich selber vor Reinhart's Machenschaften in Sicherheit bringen will. Nach der ersten Episode kann man Diepreht also durchaus als sehr klugen Charakter einordnen, der er es nicht nur schafft schnell zu Fuß sein-sondern auch schnell im Kopf. Zudem ist im Verhalten auch eine gewisse Ähnlichkeit zu Reinhart zu erkennen, da er ebenso hinterlistig agiert und keine Rücksicht auf Verluste anderer macht.

Physisch gesehen ist Diepreht zwar schnell und wird zumindest von Reinhart so dargestellt, dennoch ist Reinhart physisch der deutlich Stärkere der beiden. In solchen Situationen reicht Reinharts Schlauheit oft nicht für den Handlungserfolg aus und so ist es auch in diesem Fall, da er am ähnlich starken Diepreht scheitert. (vgl. S.87 in [25])

Betrachtet man nun die zweite Episode, in der Reinhart sich am Kater rächt, lassen sich durchaus die ähnlichen Charakterzüge erkennen. Der Kater agiert wieder sehr schnell hier und erkennt es sofort, wie er sich einen Vorteil aus der Situation verschaffen kann. Zudem stellt er wieder sein Leben über das anderer, da er die vermeintlichen Mäuse nur als Nahrung begreift und sich von Reinahrt bestechen lässt. Im Gegensatz zur ersten Episode kann man aber feststellen, dass Diepreht deutlich naiver agiert und sehr leicht auf Reinhart's List hereinfällt. Eigentlich müsste er wieder antizipieren, dass Reinhart etwas heimtückisches plant, jedoch lässt er hier seinen Verstand viel zu einfach durch die Befriedung seines Hungerdrangs beeinflussen und verliert dadurch seine Fähigkeit des cleveren Handelns. Auch bei der anschließenden Befreiung aus der misslichen Lage handelt Diepreht hektisch, unsicher und ängstlich; er schafft es folgendermaßen nicht immer in Drucksituationen die Ruhe zu bewahren.

Abschließend kann man festhalten, dass Diepreht ein durchaus gefährlicher und intelligenter Gegenspieler Reinahrts ist und er es fast schafft diesen mit dem Leben bezahlen zu lassen. Diepreht handelt im Tierepos aktiv und präventiv und versucht Reinhart eher zuvorzukommen, als abzuwarten, was dieser vorhat. Dennoch handelt Diepreht auch gierig und selbstorientiert, was Reinhart schlussendlich im zweiten Treffen ausnutzen kann.

Fazit Beziehung Reinhart und Diepreht

Literatur

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  • [*Ruh 1980] Ruh, Kurt: Höfische Epik des deutschen Mittelalters. Von den Anfängen bis zu Hartmann von Aue, Berlin 1967-1980 (Grundlagen der Germanistik 25)

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  • [*Huebner 2016] Hübner, Gert: Schläue und Urteil. Handlungswissen im ‚Reinhart Fuchs‘, in: Techniken der Sympathiesteuerung in Erzähltexten der Vormoderne. Potentiale und Probleme, hg. von Friedrich M. Dimpel und Hans Rudolf Velten, Heidelberg 2016, S. 77-96

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  • [*Dietl 2010] Dietl, Cora: Violenta und potestas: Ein füchsischer Blick auf ritterliche Tugend und gerechte Herrschaft im ›Reinhart Fuchs‹, in: Dichtung und Didaxe : Lehrhaftes Sprechen in der deutschen Literatur des Mittelalters, Berlin 2009, S.41-54.
  1. Ruh, Kurt: Höfische Epik des deutschen Mittelalters. Von den Anfängen bis zu Hartmann von Aue, Berlin 1967-1980 (Grundlagen der Germanistik 25)
  2. https://cat-news.net/fuchs-und-katze-2648/
  3. Heinrich der Glîchezâre (1976): Reinhart Fuchs. Mittelhochdeutsch/Neuhochdeutsch, Stuttgart: Reclam.
  4. https://de.wikipedia.org/wiki/Pinocchio
  5. https://de.wikipedia.org/wiki/Der_Fuchs_und_die_Katze
  6. Ruh, Kurt: Höfische Epik des deutschen Mittelalters. Von den Anfängen bis zu Hartmann von Aue, Berlin 1967-1980 (Grundlagen der Germanistik 25)
  7. Heinrich der Glîchezâre (1976): Reinhart Fuchs. Mittelhochdeutsch/Neuhochdeutsch, Stuttgart: Reclam.
  8. Ruh, Kurt: Höfische Epik des deutschen Mittelalters. Von den Anfängen bis zu Hartmann von Aue, Berlin 1967-1980 (Grundlagen der Germanistik 25)
  9. Heinrich der Glîchezâre (1976): Reinhart Fuchs. Mittelhochdeutsch/Neuhochdeutsch, Stuttgart: Reclam.
  10. Heinrich der Glîchezâre (1976): Reinhart Fuchs. Mittelhochdeutsch/Neuhochdeutsch, Stuttgart: Reclam.
  11. Hübner, Gert: Schläue und Urteil. Handlungswissen im ‚Reinhart Fuchs‘, in: Techniken der Sympathiesteuerung in Erzähltexten der Vormoderne. Potentiale und Probleme, hg. von Friedrich M. Dimpel und Hans Rudolf Velten, Heidelberg 2016, S. 77-96
  12. Hübner, Gert: Schläue und Urteil. Handlungswissen im ‚Reinhart Fuchs‘, in: Techniken der Sympathiesteuerung in Erzähltexten der Vormoderne. Potentiale und Probleme, hg. von Friedrich M. Dimpel und Hans Rudolf Velten, Heidelberg 2016, S. 77-96
  13. in Dietl, Cora: Violenta und potestas: Ein füchsischer Blick auf ritterliche Tugend und gerechte Herrschaft im ›Reinhart Fuchs‹, in: Dichtung und Didaxe : Lehrhaftes Sprechen in der deutschen Literatur des Mittelalters, Berlin 2009, S.41-54.
  14. Heinrich der Glîchezâre (1976): Reinhart Fuchs. Mittelhochdeutsch/Neuhochdeutsch, Stuttgart: Reclam.
  15. Ruh, Kurt: Höfische Epik des deutschen Mittelalters. Von den Anfängen bis zu Hartmann von Aue, Berlin 1967-1980 (Grundlagen der Germanistik 25)
  16. Hübner, Gert: Schläue und Urteil. Handlungswissen im ‚Reinhart Fuchs‘, in: Techniken der Sympathiesteuerung in Erzähltexten der Vormoderne. Potentiale und Probleme, hg. von Friedrich M. Dimpel und Hans Rudolf Velten, Heidelberg 2016, S. 77-96.
  17. Heinrich der Glîchezâre (1976): Reinhart Fuchs. Mittelhochdeutsch/Neuhochdeutsch, Stuttgart: Reclam.
  18. Heinrich der Glîchezâre (1976): Reinhart Fuchs. Mittelhochdeutsch/Neuhochdeutsch, Stuttgart: Reclam.
  19. in Dietl, Cora: Violenta und potestas: Ein füchsischer Blick auf ritterliche Tugend und gerechte Herrschaft im ›Reinhart Fuchs‹, in: Dichtung und Didaxe : Lehrhaftes Sprechen in der deutschen Literatur des Mittelalters, Berlin 2009, S.41-54.
  20. Heinrich der Glîchezâre (1976): Reinhart Fuchs. Mittelhochdeutsch/Neuhochdeutsch, Stuttgart: Reclam. der Wildfalle und Rückkehr zum Hof.
  21. Heinrich der Glîchezâre (1976): Reinhart Fuchs. Mittelhochdeutsch/Neuhochdeutsch, Stuttgart: Reclam.
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  25. Hübner, Gert: Schläue und Urteil. Handlungswissen im ‚Reinhart Fuchs‘, in: Techniken der Sympathiesteuerung in Erzähltexten der Vormoderne. Potentiale und Probleme, hg. von Friedrich M. Dimpel und Hans Rudolf Velten, Heidelberg 2016, S. 77-96.