Die Rolle der Frau am ritterlichen Hof (Gottfried von Straßburg, Tristan): Unterschied zwischen den Versionen

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Durch die äußere Schönheit wurde der Frau auch eine innere Tugendhaftigkeit zugeschrieben und so bildete sich, nur durch Zusammenspiel von Schönheit und Moral, das höfische Frauenbild.  
Durch die äußere Schönheit wurde der Frau auch eine innere Tugendhaftigkeit zugeschrieben und so bildete sich, nur durch Zusammenspiel von Schönheit und Moral, das höfische Frauenbild.  
Somit ist es auch nicht weiter verwunderlich, dass die Frauen, die in den Erzählungen und Geschichte eine tragende Rolle spielen, meist die schönsten und moralisch vollkommensten Wesen sind.
Somit ist es auch nicht weiter verwunderlich, dass die Frauen, die in den Erzählungen und Geschichte eine tragende Rolle spielen, meist die schönsten und moralisch vollkommensten Wesen sind.
Jedoch gibt es auch eine Gegenhaltung zu diesem Bild. Zum einen verwendet Gottfried von Straßburg in seinem Tristan das Prinzip der ''houte'', also der Bewachung von Frauen. Es gibt die Auffassung, dass es die höchste Aufgabe der Frau sei, eine moralisch Wandlung zu durchleben, um letztlich "zum Mann" zu werden. In der Forschung existiert die Ansicht, dass die Dichter, wenn sie einer Frau ein Lob aussprechen wollen, sie mit einem Mann zu vergleichen. So war eines der Mittel, zur Darstellung der Schwächen einer Frau, die ''Tugendproben'', wie beispielsweise die Keuschheitsprobe. Auch wurden die Schwächen der Frau durch die Schutzlosigkeit dargestellt, die jede Frau durchlebte, wenn sie keinen Mann an ihrer Seite hatte.  
Jedoch gibt es auch eine Gegenhaltung zu diesem Bild. Zum einen verwendet Gottfried von Straßburg in seinem Tristan das Prinzip der ''houte'', siehe dazu [[Der Huote-Exkurs (Gottfried von Straßburg, Tristan)| Der Huote-Exkurs]], also der Bewachung von Frauen. Es gibt die Auffassung, dass es die höchste Aufgabe der Frau sei, eine moralisch Wandlung zu durchleben, um letztlich "zum Mann" zu werden. In der Forschung existiert die Ansicht, dass die Dichter, wenn sie einer Frau ein Lob aussprechen wollen, sie mit einem Mann zu vergleichen. So war eines der Mittel, zur Darstellung der Schwächen einer Frau, die ''Tugendproben'', wie beispielsweise die Keuschheitsprobe. Auch wurden die Schwächen der Frau durch die Schutzlosigkeit dargestellt, die jede Frau durchlebte, wenn sie keinen Mann an ihrer Seite hatte.  


===Der Wert einer Frau für den Mann===
===Der Wert einer Frau für den Mann===
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Diese  Funktion, die die Dichtern den adligen Frauen zusprachen, stellte  natürlich nicht die Wirklichkeit da, da die Männer am Hofe die Frauen in  diesem Sinne nicht vergötterten. Es besteht eine gewisse  Doppelgeschtigkeit hinsichtlich des Frauenbildes. Zum einen die  Rückschlüsse auf die Ansicht der Kirche, nämlich das nur die [[Brangäne#Brautnachtbetrug|reinen  Jungfrauen]] einen moralischen Wert für die Männer darstellen können.
Diese  Funktion, die die Dichtern den adligen Frauen zusprachen, stellte  natürlich nicht die Wirklichkeit da, da die Männer am Hofe die Frauen in  diesem Sinne nicht vergötterten. Es besteht eine gewisse  Doppelgeschtigkeit hinsichtlich des Frauenbildes. Zum einen die  Rückschlüsse auf die Ansicht der Kirche, nämlich das nur die [[Brangäne#Brautnachtbetrug|reinen  Jungfrauen]] einen moralischen Wert für die Männer darstellen können.


daz Ritter Ritterlichen lebent, daz hant si von den vrowen [Stricker: Vers 642.643]
:''daz Ritter Ritterlichen lebent, daz hant si von den vrowen''<br /> [Stricker: Vers 642.643]


===Die Rolle der Frau in der höfischen Gesellschaft===
===Die Rolle der Frau in der höfischen Gesellschaft===
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Jedoch gerät die Liebe von Tristan und Isolde zum Ende des Fragments in Zweifel, da Tristan beginnt zu zweifeln, ob er der Liebe zu Isolde nicht nachgeben sollte, womit aufgezeigt wird, dass die Minne letztlich zur Zerstörung führt, da der Held seine Fähigkeiten ausschließlich zur Gewinnung der Liebe verwendet, und nicht wie im höfischen Ideal vorgesehen, für die Gesellschaft, wodurch diese widerrum ins Schwanken kommt. Gottfried von Straßburg löst diese Problematik, indem er dem Leid, hervorgerufen durch die Liebe, und dem Tod eine positive Bedeutung zuweist.<ref>Brunner, Horst: Geschichte der deutschen Literatur des Mittelalters im Überblick. Stuttgart 2007.</ref>
Jedoch gerät die Liebe von Tristan und Isolde zum Ende des Fragments in Zweifel, da Tristan beginnt zu zweifeln, ob er der Liebe zu Isolde nicht nachgeben sollte, womit aufgezeigt wird, dass die Minne letztlich zur Zerstörung führt, da der Held seine Fähigkeiten ausschließlich zur Gewinnung der Liebe verwendet, und nicht wie im höfischen Ideal vorgesehen, für die Gesellschaft, wodurch diese widerrum ins Schwanken kommt. Gottfried von Straßburg löst diese Problematik, indem er dem Leid, hervorgerufen durch die Liebe, und dem Tod eine positive Bedeutung zuweist.<ref>Brunner, Horst: Geschichte der deutschen Literatur des Mittelalters im Überblick. Stuttgart 2007.</ref>


===Die List der Frauen===
Die weibliche List ist, in Anbetracht der männlichen List, keine List im eigentlichen Sinne. Die Listen, die Isolde nutzt um sich dem Verdacht Markes zu entziehen sind im übertragenden Sinne ''Wahrheiten, die einen doppelten Boden'' haben. Sie lügt in diesem Sinne nicht. Anhand von verschieden Beispielen legt Gottfried von Straßburg das Nutzen von Listen als eine Charaktereigenschaft der Frauen aus.
Vers: 13895-13902.<ref>von Straßburg, Gottfried: Tristan. Mittelhochdeutsch/Neuhochdeutsch. Nach dem Text von Friedrich Ranke neu hg., ins Neuhochdeutsche übers., mit einem Stellenkommentar und einem Nachwort von Rüdiger Krohn. Stuttgart 2007-2008.</ref>
:''wan an den vrouwen allen''<br />
:''enist nimêre gallen,''<br />
:''alsô man ûz ir munde giht,''<br />
:''noch enhabent dekeiner trüge niht''<br />
:''noch aller valsche keinen,''<br />
:''wan daz si kunnen weinen''<br />
:''âne meine und âne muot,''<br />
:''als ofte sô si dunket guot.''<br />
In diesen Versen schreibt Gottfried von Straßburg Isolde nicht die Fähigkeit des Lügens zu, sondern vielmehr die Unfähigkeit boshaft, falsch oder tückisch zu sein, lediglich die Fähigkeit ohne nennenswerten Grund weinen zu können.
In den folgenden Zeilen schafft es Isolde, durch Betonung ihrer Hilflosigkeit, König Marke ein Schuldbewusstsein zu vermitteln. Diese Fähigkeit gesteht Gottfried von Straßburg den Frauen zu und betont dieses an verschiedenen Stellen im Roman. Den Männern hingegen spricht Gottfried von vornherein eine Chancenlosigkeit zu.




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[[Kategorie:Frauen im Mittelalter]] [[Kategorie:Minne]] [[Kategorie:höfische Gesellschaft]] [[Kategorie:List]]

Version vom 4. Februar 2011, 14:50 Uhr

Inwiefern hat die Frau bzw. die Minne Einfluss auf die Handlungen eines Ritters in der höfischen Welt und spielt das vertretende Bild der Weiblichkeit::Weiblichkeit im höfischen Roman eine bedeutungskonstituierende Rolle für das Verhalten des Ritters?

"Wenn ich die Wahrheit sagen soll, so hat es, nächst der Majestät Gottes, niemals etwas so Begnadetes gegeben, wie die Frau und ihre Art. [...]" [Stricker 1976]

Der Status einer Frau

Das Ansehen der Frau in der höfischen Welt

Durch die höfischen Dichter erfuhren die Frauen in ihrem Ansehen einen deutlichen Aufschwung, da das bisherige Image, die Minderwertigkeit, von neuen Schönheitsidealen und weiblicher Vollkommenheit abgelöst wurde, und die Dichter es somit schafften ein neues Bild der Frauen zu verfestigen. Durch die äußere Schönheit wurde der Frau auch eine innere Tugendhaftigkeit zugeschrieben und so bildete sich, nur durch Zusammenspiel von Schönheit und Moral, das höfische Frauenbild. Somit ist es auch nicht weiter verwunderlich, dass die Frauen, die in den Erzählungen und Geschichte eine tragende Rolle spielen, meist die schönsten und moralisch vollkommensten Wesen sind. Jedoch gibt es auch eine Gegenhaltung zu diesem Bild. Zum einen verwendet Gottfried von Straßburg in seinem Tristan das Prinzip der houte, siehe dazu Der Huote-Exkurs, also der Bewachung von Frauen. Es gibt die Auffassung, dass es die höchste Aufgabe der Frau sei, eine moralisch Wandlung zu durchleben, um letztlich "zum Mann" zu werden. In der Forschung existiert die Ansicht, dass die Dichter, wenn sie einer Frau ein Lob aussprechen wollen, sie mit einem Mann zu vergleichen. So war eines der Mittel, zur Darstellung der Schwächen einer Frau, die Tugendproben, wie beispielsweise die Keuschheitsprobe. Auch wurden die Schwächen der Frau durch die Schutzlosigkeit dargestellt, die jede Frau durchlebte, wenn sie keinen Mann an ihrer Seite hatte.

Der Wert einer Frau für den Mann

Der Status einer Frau in der höfisch, ritterlichen Welt hat einen nicht geringfügigen Standpunkt, da sich eine Struktur verzeichnen lässt, in der die Minne oftmals einen Bedeutungswandel für den weiteren Verlauf der Erzählung mit sich bringt. Die höfische Dame, die alle Ideale der vollkommenen Frau in sich trägt, hat eine wesentliche gesellschaftliche Funktion für den Mann, das heißt, dass sie die Werte und Normen, die sie nach außen hin verkörpert, an den Mann überträgt. In den höfischen Dichtungen hat diese Eigenschaft der Frau einzig und allein die Macht die wahre Minne im Mann zu erwecken. Diese Funktion, die die Dichtern den adligen Frauen zusprachen, stellte natürlich nicht die Wirklichkeit da, da die Männer am Hofe die Frauen in diesem Sinne nicht vergötterten. Es besteht eine gewisse Doppelgeschtigkeit hinsichtlich des Frauenbildes. Zum einen die Rückschlüsse auf die Ansicht der Kirche, nämlich das nur die reinen Jungfrauen einen moralischen Wert für die Männer darstellen können.

daz Ritter Ritterlichen lebent, daz hant si von den vrowen
[Stricker: Vers 642.643]

Die Rolle der Frau in der höfischen Gesellschaft

In der höfischen Welt fand das Bild der tugendhaften und moralisch starken, schönen Frau ihren Platz, da die Darstellung der Frauen realistisch war. In der höfischen Festgesellschaft wurde der Frau eine schmückende Rolle zugeschrieben, das heißt, ohne die schönen Damen bei den Festen kam keine Hochstimmung unter den Gästen auf, was in den Erzählungen oftmals mit vreude beschrieben wurde. Im Tristan wirde beispielsweise auf dem Fest des Königs Marke die gesamte Aufmerksamkeit seiner schönen Schwester Blanscheflur gewidmet. Dabei wird den Frauen bei höfischen Festen eine repräsentative Aufgabe zuteil, was bedeutet, dass sie den rittern bei ihren Kämpfen zusahen und sich höfisch mit den Gästen unterhielten. Ferner trugen die Frauen auch zur Unterhaltung der Festgesellschaft bei, indem sie die Gäste mit künstlerischen Darbietungen erfreuten. Durch ihr höfisches Benehmen und ihre Manieren sollten die Frauen den Männern höfische Hochfreude bescheren.[1]

Auswirkungen der Liebe

Tristan findet mit Hilfe der Liebe zu Isolde seinen Bezugspunkt in ihr. Aus reiner Liebe zu Isolde und willens seiner Ehre und Treue übergibt er sie Marke::Marke, wodurch Tristan all seine Tugenden und Fähigkeiten in den Dienst der Liebe stellt. Diese gemeinsame Liebe steht im Kontrast zur höfischen Gesellschaft, da sich die Liebe der beiden als Ehebruchsminne definieren lässt.

Ehrgefühl, Moral und die List::List stehen sich in diesem Kontext also nicht gegenüber, sondern bilden im weitesten Sinne eine Einheit, da das eine Moment die anderen mit sich bringt. Die Minne im Tristan impliziert die List, aber nicht im eigentlichen Sinne, sondern vielmehr als Gegenmaßnahme zum höfischen Gesellschaftsideal. Aufgrund der unhöfischen Minne folgt das Moment der Verderbnis, was heißen soll, dass Marke und weitere Charaktere dazu gebracht werden die Liebenden zu überlisten, sodass sich ein moralischer Verfall verzeichnen lässt. Jedoch gerät die Liebe von Tristan und Isolde zum Ende des Fragments in Zweifel, da Tristan beginnt zu zweifeln, ob er der Liebe zu Isolde nicht nachgeben sollte, womit aufgezeigt wird, dass die Minne letztlich zur Zerstörung führt, da der Held seine Fähigkeiten ausschließlich zur Gewinnung der Liebe verwendet, und nicht wie im höfischen Ideal vorgesehen, für die Gesellschaft, wodurch diese widerrum ins Schwanken kommt. Gottfried von Straßburg löst diese Problematik, indem er dem Leid, hervorgerufen durch die Liebe, und dem Tod eine positive Bedeutung zuweist.[2]

Die List der Frauen

Die weibliche List ist, in Anbetracht der männlichen List, keine List im eigentlichen Sinne. Die Listen, die Isolde nutzt um sich dem Verdacht Markes zu entziehen sind im übertragenden Sinne Wahrheiten, die einen doppelten Boden haben. Sie lügt in diesem Sinne nicht. Anhand von verschieden Beispielen legt Gottfried von Straßburg das Nutzen von Listen als eine Charaktereigenschaft der Frauen aus.

Vers: 13895-13902.[3]

wan an den vrouwen allen
enist nimêre gallen,
alsô man ûz ir munde giht,
noch enhabent dekeiner trüge niht
noch aller valsche keinen,
wan daz si kunnen weinen
âne meine und âne muot,
als ofte sô si dunket guot.

In diesen Versen schreibt Gottfried von Straßburg Isolde nicht die Fähigkeit des Lügens zu, sondern vielmehr die Unfähigkeit boshaft, falsch oder tückisch zu sein, lediglich die Fähigkeit ohne nennenswerten Grund weinen zu können. In den folgenden Zeilen schafft es Isolde, durch Betonung ihrer Hilflosigkeit, König Marke ein Schuldbewusstsein zu vermitteln. Diese Fähigkeit gesteht Gottfried von Straßburg den Frauen zu und betont dieses an verschiedenen Stellen im Roman. Den Männern hingegen spricht Gottfried von vornherein eine Chancenlosigkeit zu.



  1. Bumke, Joachim: Höfische Kultur. Literatur und Gesellschaft im hohen Mittelalter. Band 2. München 1987.
  2. Brunner, Horst: Geschichte der deutschen Literatur des Mittelalters im Überblick. Stuttgart 2007.
  3. von Straßburg, Gottfried: Tristan. Mittelhochdeutsch/Neuhochdeutsch. Nach dem Text von Friedrich Ranke neu hg., ins Neuhochdeutsche übers., mit einem Stellenkommentar und einem Nachwort von Rüdiger Krohn. Stuttgart 2007-2008.