Die Rolle der Frau am ritterlichen Hof (Gottfried von Straßburg, Tristan)

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Inwiefern hat die Frau bzw. die Minne Einfluss auf die Handlungen eines Ritters in der höfischen Welt und spielt das vertretende Bild der Weiblichkeit im höfischen Roman eine bedeutungskonstituierende Rolle für das Verhalten des Ritters?


"Wenn ich die Wahrheit sagen soll, so hat es, nächst der Majestät Gottes, niemals etwas so Begnadetes gegeben, wie die Frau und ihre Art. [...]"[1]


Der Status einer Frau

Das Ansehen der Frau in der höfischen Welt

Durch die höfischen Dichter erfuhren die Frauen in ihrem Ansehen einen deutlichen Aufschwung, da das bisherige Image, die Minderwertigkeit, von neuen Schönheitsidealen und weiblicher Vollkommenheit abgelöst wurde, und die Dichter es somit schafften ein neues Bild der Frauen zu verfestigen. Durch die äußere Schönheit wurde der Frau auch eine innere Tugendhaftigkeit zugeschrieben und so bildete sich, nur durch Zusammenspiel von Schönheit und Moral, das höfische Frauenbild. Somit ist es auch nicht weiter verwunderlich, dass die Frauen, die in den Erzählungen und Geschichte eine tragende Rolle spielen, meist die schönsten und moralisch vollkommensten Wesen waren.

Jedoch gibt es auch eine Gegenhaltung zu diesem Bild. Einerseits verwendet Gottfried von Straßburg in seinem Tristan das Prinzip der houte, siehe dazu Der Huote-Exkurs, also der Bewachung von Frauen. Es gibt die Auffassung, dass es die höchste Aufgabe der Frau sei, eine moralische Wandlung zu durchleben, um letztlich "zum Mann" zu werden. Andererseits existiert in der Forschung die Ansicht, dass die Dichter, wenn sie einer Frau ein Lob aussprechen wollen, sie diese mit einem Mann verglichen. So war eines der Mittel zur Darstellung der Schwächen einer Frau, die Tugendproben, wie beispielsweise die Keuschheitsprobe. Auch wurden die Schwächen der Frau durch die Schutzlosigkeit dargestellt, die jede Frau durchlebte, wenn sie keinen Mann an ihrer Seite hatte.

Der Wert einer Frau für den Mann

daz Ritter Ritterlichen lebent, daz hant si von den vrowen
[2]

Der Status einer Frau in der höfisch, ritterlichen Welt hat einen nicht geringfügigen Standpunkt, da sich eine Struktur verzeichnen lässt, in der die Minne oftmals einen Bedeutungswandel für den weiteren Verlauf der Erzählung mit sich bringt. Die höfische Dame, die alle Ideale der vollkommenen Frau in sich trägt, hat eine wesentliche gesellschaftliche Funktion für den Mann, das heißt, dass sie die Werte und Normen, die sie nach außen hin verkörpert, im Verlauf auf den Mann überträgt. In den höfischen Dichtungen hat diese Eigenschaft der Frau einzig und allein die Macht die wahre Minne im Mann zu erwecken.

Diese Funktion, die die Dichter den adligen Frauen zusprachen, stellte natürlich nicht die Wirklichkeit da, da die Männer am Hofe die Frauen in diesem Sinne nicht vergötterten. Es besteht eine gewisse Doppelschichtigkeit hinsichtlich des Frauenbildes. Einerseits vertritt die Kirche die Ansicht, dass nur die reinen Jungfrauen einen moralischen Wert für die Männer darstellen können, hingegen die andere Seite die Meinung vertritt, die Frauen würden die Männer hinsichtlich ihrer ritterlichen Aufgaben hindern, bzw. auf einen "nicht-tugendhaften" Weg leiten.

Explizit lässt sich das Frauenbild des Mittelalters teilen und kategorisieren. Jedoch muss unabhängig von den Kategorisierungen festgehalten werden, dass die Frauen hinsichtlich ihrer Darstellung in den mittelalterlichen Romanen, egal ob bei Gottfried von Straßburg oder bei Hartmann von Aue, von ihrem realen Status am mittelalterlichen Hof abweichen. Denn insbesondere in Gottfrieds Roman wird ein eher untypisches Ehebild aufgezeigt, da dieses Bild im Vorfeld einen Ritter zeigte zu dem seine Frau gehörte und ein Bild von einem Paar, welches nicht zusammen war als undenkbar galt.[3]

Die Funktionszuschreibung einer höfischen Dame, bzw. die Werte dieser sind zu differenzieren. Einerseits wird die Frau im Tristanroman als preisende Figur dargestellt, insbesondere Isolde. Ihr wird die ideale Schönheit einer höfischen Dame zugeschrieben, welche sie zu einer Frau macht, die eine gute Heiratspartie für einen tugendhaften Ritter verkörpert. Ferner lässt sich innerhalb des Tristanromans eine Ähnlichkeit der Charakteristiken feststellen, da neben Isolde auch Blanscheflur mit Merkmalen der Schönheit definiert wird. Des Weiteren lässt sich auch ein bezug zu Hartmann von Aue verzeichnen, da dieser hinsichtlich des Enitecharakters ähnlich vorgeht.[4]

Vers: 8463-8469. [5]

diu schoene Îsôt von Îrlant,
als al den landen ist bekant,
diu uns und in gelegen sint,
diu ist ein maget unde ein kint,
an die wîplîchiu saelekeit
alle die saelde hât geleit,
die si dar gelegen kunde, [...]

Vers: 8454-8456. [6]

möhte ez gesînt, diu schoene Îsot
diu gezaeme im wol ze wîbe
an gebürte, an tugende, an lîbe, [...]

Die Rolle der Frau in der höfischen Gesellschaft

In der höfischen Welt fand das Bild der tugendhaften und moralisch starken, schönen Frau ihren Platz, da die Darstellung der Frauen realistisch war. In der höfischen Festgesellschaft wurde der Frau eine schmückende Rolle zugeschrieben, das heißt, ohne die schönen Damen bei den Festen kam keine Hochstimmung unter den Gästen auf, was in den Erzählungen oftmals mit vreude beschrieben wurde.

Im Tristan wird beispielsweise auf dem Fest des Königs Marke die gesamte Aufmerksamkeit seiner schönen Schwester Blanscheflur gewidmet. Dabei wird den Frauen bei höfischen Festen eine repräsentative Aufgabe zuteil, was bedeutet, dass sie den Rittern bei ihren Kämpfen zusahen und sich höfisch mit den Gästen unterhielten. Ferner trugen die Frauen auch zur Unterhaltung der Festgesellschaft bei, indem sie die Gäste mit künstlerischen Darbietungen erfreuten. Durch ihr höfisches Benehmen und ihre Manieren sollten die Frauen den Männern höfische Hochfreude bescheren.[7]

Auswirkungen der Liebe

Tristan findet mit Hilfe der Liebe zu Isolde seinen Bezugspunkt in ihr. Aus reiner Liebe zu Isolde und willens seiner Ehre und Treue übergibt er sie Marke, wodurch Tristan all seine Tugenden und Fähigkeiten in den Dienst der Liebe stellt. Diese gemeinsame Liebe steht im Kontrast zur höfischen Gesellschaft, da sich die Liebe der beiden als Ehebruchsminne definieren lässt.

Ehrgefühl, Moral und die List stehen sich in diesem Kontext also nicht gegenüber, sondern bilden im weitesten Sinne eine Einheit, da das eine Moment die anderen mit sich bringt. Die Minne im Tristan impliziert die List, aber nicht im eigentlichen Sinne, sondern vielmehr als Gegenmaßnahme zum höfischen Gesellschaftsideal. Aufgrund der unhöfischen Minne folgt das Moment der Verderbnis, was heißen soll, dass Marke und weitere Charaktere dazu gebracht werden die Liebenden zu überlisten, sodass sich ein moralischer Verfall verzeichnen lässt. Jedoch gerät die Liebe von Tristan und Isolde zum Ende des Fragments in Zweifel, da Tristan beginnt zu zweifeln, ob er der Liebe zu Isolde nicht nachgeben sollte, womit aufgezeigt wird, dass die Minne letztlich zur Zerstörung führt, da der Held seine Fähigkeiten ausschließlich zur Gewinnung der Liebe verwendet, und nicht wie im höfischen Ideal vorgesehen, für die Gesellschaft, wodurch diese wiederum ins Schwanken kommt. Gottfried von Straßburg löst diese Problematik, indem er dem Leid, hervorgerufen durch die Liebe, und dem Tod eine positive Bedeutung zuweist.[8]

Die Liebesentwicklung

Die Liebe stellt in dem Roman Gottfrieds von Straßburg das zentrale Moment dar. In seinem Roman beginnt die Geschichte mit Liebe und endet mit ihr, und der Weg dorthin ist facettenreich gestaltet worden. Ferner lässt sich die Liebe nicht vom Leid trennen, da Gottfried von Straßburg diese Momente nicht gegeneinander stellt, sondern sie zu einem Ganzen zusammenführt. Des Weiteren gehört das Getrenntsein der Liebenden bei Gottfried von Straßburg zum Konzept seines Minneverständnisses. Die beiden Protagonisten durchlaufen Etappen, in welchen sich ihre Liebe entwickelt und verfestigt. Gottfried von Straßburg weiß diese gut in den Roman einzubinden, was anhand der verschiedenen Exkurse gut zur Deutung kommt.

Vers: 108-118.[9]

swer inneclîche liebe hât,
doch ez im wê von herzen tuo,
daz herze stêt doch ie dar zuo.
der inneclîche minnen muot,
sô der in sîner senegluot
ie mêre und mêre brinnet,
sô er ie sêrer minnet.
diz leit ist liebes alse vol,
daz übel daz tuot sô herzewol,
daz es kein edele herze enbirt,
sît ez hie von geherzet wirt.

Mit der Geschichte zwischen Riwalin und Blanscheflur beginnt Gottfried von Straßburg seinen "Liebesroman". Diese Geschichte markiert den Beginn, bzw. den Vorläufer der Liebesbeziehung zwischen Tristan und Isolde, da in beiden Fällen diese Liebe von Leid und Leidenschaft durchzogen ist.

Jedoch ist es nicht von geringer Bedeutung in dieser Liebesentwicklung zu betonen, dass der Minnetrank eine wesentliche Rolle innehat. So ist dieser für den direkten und absoluten Auslöser der Liebe zu verstehen. Behandelt wird dieses im XVI Kapitel "Der Minnetrank".

Vers: 11707-11712.[10]

Nu daz diu maget unde der man,
Îsôt unde Tristan,
den tranc getrunken beide, sâ
was ouch der werlde unmouze dâ,
Minne, aller herzen lâgaerîn,
und sleich z'ir beider herzen în.

Die Liebe der beiden Protagonisten ist von Beginn an zum Scheitern verurteilt, da sie dem Ideal des mittelalterlichen Hofes und deren Vorstellungen gegenübersteht. Das Scheitern der Liebe zwischen Isolde und Tristan wird durch verschieden Faktoren beeinflusst, wie unter Anderem durch das Auftreten der Isolde Weißhand. Die "verbotene Liebe" endet im Liebestod::Liebestod.[11].

Die List der Frauen

Die weibliche List ist, in Anbetracht der männlichen List, keine List im eigentlichen Sinne. Die Listen, die Isolde nutzt um sich dem Verdacht Markes zu entziehen sind im übertragenden Sinne Wahrheiten, die einen doppelten Boden haben. Sie schafft es immer wieder, die Tatsachen zu verdrehen, sodass sie letztendlich nicht lügen muss. Anhand von verschieden Beispielen legt Gottfried von Straßburg das Nutzen von Listen als eine Charaktereigenschaft der Frauen aus.

Vers: 13895-13902.[12]

wan an den vrouwen allen
enist nimêre gallen,
alsô man ûz ir munde giht,
noch enhabent dekeiner trüge niht
noch aller valsche keinen,
wan daz si kunnen weinen
âne meine und âne muot,
als ofte sô si dunket guot.

In diesen Versen schreibt Gottfried von Straßburg Isolde nicht die Fähigkeit des Lügens zu, sondern vielmehr die Unfähigkeit boshaft, falsch oder tückisch zu sein, lediglich die Fähigkeit ohne nennenswerten Grund weinen zu können. In den folgenden Zeilen schafft es Isolde, durch Betonung ihrer Hilflosigkeit, König Marke ein Schuldbewusstsein zu vermitteln. Diese Fähigkeit gesteht Gottfried von Straßburg den Frauen zu und betont dieses an verschiedenen Stellen im Roman. Den Männern hingegen spricht Gottfried von vornherein eine Chancenlosigkeit zu.

Isolde ist in der Lage aus ihren Schwächen Stärken zu entfalten, insbesondere in den Dialogen mit Marke oder auch Tristan kann man ihr Handlungspotenzial erkennen. Sie schlägt die Gesellschaft mit ihren eigenen Waffen. Ferner schreibt Gottfried den Frauen auch nicht die Fähigkeit von Rachegedanken zu, ganz im Gegenteil, er betont die Inkompatibilität von zorn und wîpheit bei Frauen. Verwunderlich ist auch nicht, dass Gottfried von Straßburg den Frauen eine unschuldigere Rolle zuweist als den männlichen Charakteren, welches sich in der Konstellation Tristan als Lehrer herauskristallisiert.[13]

Vers: 17971-17985.[14]

wan swelh wîp tugendet wider ir art,
diu gerne wider ir art bewart
ir lop, ir êre unde ir lîp,
diu ist niwan mit namen ein wîp
und ist ein man mit muote.
der sol man ouch ze guote,
ze lobe unde z'êren
alle ir sache kêren.
swâ sô daz wîp ir wîpheit
unde ir herze von ir leit
und herzet sich mit manne,
dâ honiget diu tanne,
dâ balsemet der scherlinc,
der nezzelen ursprinc
der rôset ob der erden.

Fazit und Ausblick

Anhand des Frauenbildes im Mittelalter, sowie deren Darstellung in den uns bekannten mittelalterlichen Romanen lässt es sich gut nachvollziehen, dass man ihnen eine nicht unwürdige Funktion zuschreibt. Einerseits werden ihnen verschiedene Handlungsmuster zugeschrieben, die im Verlauf des Werkes zum Vorschein kommen und welche sich in ein komplexes Ganzes einordnen lassen.

Der Frau des Mittelalters und insbesondere der eines ritterlichen Hofes sind unterschiedliche Funktionen zu zuordnen. Zusammenfassend lässt sich konstatieren, dass die Frau bezüglich des Mannes eine Funktion einnimmt, welche den Mann mit und an seinen Aufgaben wachsen lässt, ferner nimmt sie jene Funktion ein, die den Mann an moralischen Ansichten wachsen lässt. Andererseits kann eine Frau auch eine negative Wirkung ausüben, dies ist aber in den meisten Romanen eine kurzlebige Auswirkung, als Beispiel sei an dieser Stelle das "verligen" zu nennen. Im Tristanroman sind wohl beide Seiten der Medaille zu erwähnen. Anhand der Figuren Isoldes und Blanscheflurs lassen sich sowohl die positiven, wie auch die negativen Einflüsse der Frauen auf die Männer nachvollziehen.

Literatur

  1. Vgl. Stricker. 1976.
  2. Vgl. Stricker: Vers 642-643.
  3. Vgl. Goller, Detlef: wan bî mînen tagen und ê hât man sô rehte wol geseit. Intertexzuelle Verweise zu den werken Hartmanns von Aue im Tristan Gottfrieds von Straßburg. Frankfurt am Main 2005. S.138.
  4. Vgl. Goller, Detlef: Intertextuelle Verweise. S.138f.
  5. Vgl. von Straßburg, Gottfried: Tristan. S.506.
  6. Vgl. von Straßburg, Gottfried: Tristan. S.506.
  7. Vgl. Bumke, Joachim: Höfische Kultur. Literatur und Gesellschaft im hohen Mittelalter. Band 2. München 1987.
  8. Vgl. Brunner, Horst: Geschichte der deutschen Literatur des Mittelalters im Überblick. Stuttgart 2007.
  9. Vgl. von Straßburg, Gottfried: Tristan. S.16.
  10. Vgl. von Straßburg, Gottfried: Tristan. S.110.
  11. siehe dazu: Motivationen des Liebestods im Tristan. Artikel: Liebestod.
  12. Vgl. von Straßburg, Gottfried: Tristan. Mittelhochdeutsch/Neuhochdeutsch. Nach dem Text von Friedrich Ranke neu hg., ins Neuhochdeutsche übers., mit einem Stellenkommentar und einem Nachwort von Rüdiger Krohn. Stuttgart 2007-2008. S.240.
  13. Vgl. Maier-Eroms, Verena: Heldentum und Weiblichkeit. Wolframs Parzival, Gottfrieds Tristan und Richard Wagners Musikdramen. Marburg 2009. S.216-219.
  14. Vgl. von Straßburg, Gottfried: Tristan. S.480ff.