Der Huote-Exkurs (Gottfried von Straßburg, Tristan)

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Dieser Artikel beschäftigt sich mit dem Huote-Exkurs in dem Tristanroman von Gottfried von Straßburg. Die "Huote" bezeichnet die mittelalterliche Kontrollinstanz zur Überwachung der Frau.


Gliederung des Huote-Exkurses

Der Huote-Exkurs aus dem Kapitel "Rückkehr und Trennung" ist einer von drei Exkursen innerhalb des Tristanromans, der sich mit dem Wesen der Minne auseinandersetzt. Der Rezipient soll mit Hilfe dieses Exkurses verstehen, warum die Liebe von Tristan und Isolde scheitert.

Wie andere Dichterkommentare im Tristan ist der Huote-Exkurs mit kunstvollen rhetorischen Mitteln ausgeschmückt, die an das Gefühl appellieren. Zudem ist er nach dem Vier-Punkte-Schema aufgebaut, welches sich folgendermaßen zusammensetzt: Zuerst enthält der Exkurs die Darstellung, dann den Tadel, danach die Belehrung und zuletzt das Lob.

Zu Beginn des Exkurses verdeutlicht der Autor seine eigene Position. Daraufhin folgt der Tadel jener Frauen, die dem Beispiel Evas folgen. Schließlich belehrt Gottfried das Publikum über das Wesen der Frauen. Zuletzt geht er auf das Glück ein, das ein Mann durch eine Frau erleben kann. [1]

Begierde und Verlangen

Hinführend zum Huote-Exkurs schreibt von Straßburg über die Blindheit der Liebe. Tristan und Isolde sind nach der Verbannung vom Hof wieder zurückgekehrt. Marke weiß letztendlich von der Liebe der beiden, will diese aber nicht wahrnehmen. Hier kommt das interessante Motiv der Begierde und des Verlangens auf, siehe dazu folgenden Abschnitt:

da hat geluste gezogen den nacken vür diu ougen.
gelange der ist daz lougen,
daz al der welde und alle zit in wol gesehen ougen lit


Thematisiert wird hier die verkehrte Liebeshaltung Markes. Seine Liebe, sein Begierde und sein Verlangen nach Isolde machen ihn blind. Die strahlende Schönheit von Isolde ist es, die Marke blendet, denn:

Schone daz ist hoene (17803)

Die unerwiderte Liebe und das blinde Verlangen werden auch von Gottfried als negativ dargestellt. Unerwiderte Liebe kann krank machen .( Die Todesmetaphorik ).

Bewachung und Leid

Neben den Schlüsselworten Verlangen und Begierde ist Bewachung ein wesentlicher Aspekt der mittelalterlichen Huote-Schilderung. Das Verlangen und die Begierde wird durch die Bewachung, das Entsagen der begehrten Person, verstärkt.

so man s´ie harter dannen nimet,
so si des spiles ie me gezimet
undo so sie harter clebent an.
Je strenger man es ihnen vorenthält,
desto mehr gefällt ihnen das Spiel
und desto fester hängen sie daran.(17830ff.)

Zurück in der höfischen Welt unterliegt die Liebe von Tristan und Isolde wieder der Überwachung und der Verheimlichung. Die Begierde wächst dadurch nicht nur, sondern sie schmerzt auch und verursacht Leid. Die Frauenfigur Isolde wird in diesem Kontext als schwächer dargestellt, mit der Schilderung, dass gerade ihr die Überwachung besonderes Leid zufügt. Leid ist eine wesentliche Komponente des Huote-Exkurses. Der Autor will seiner Leserschaft zeigen, dass die Akzeptanz des Leids notwendig ist, um die Erfüllung der Liebe zu finden.[2]

Die drei Frauenfiguren

In seinem Huote-Exkurs nimmt Gottfried von Straßburg eine Kategorisierung der verschiedenen Frauenfiguren vor. Die erste Kategorie ist die der "Übelen":

huote is verloren an wibe,
dar umbe daz dekein man
der übelen niht gehüeten kan (17872 ff.)

Die zweite Kategorie beschreibt die Frauen mit der Eva-Natur. Eigentlich wären sie gut, nur die Versuchung des Verbotenen lockt sie:

Eve enhaete ez nie getan
und enwäere ez ir verboten nie" (17948ff.)

Die dritte Kategorie ist die "Gute Frau", die die Idee des "reinen wip" verkörpert und dem Verlangen widersagt:

wan swelh wip tugendet wider ir art,
diu gerne wider ir art bewart ir lop ,
ir ere unde ir lip ,
diu ist niwan mit namen ein wip und ist ein man mit muote.(17971ff.)

Durch diese idealen Eigenschaften wird die Frau, laut Gottfried, "männlich"[3]

Zwischen dem Spannungsfeld von Verlangen und Ehre soll die Frau sich ausgleichend verhalten. Dies wird mit den Begriffen: guote state 18000) und maze (18919) bezeichnet. Dieser Gedanke wird mit der Idee der Selbstliebe kombiniert:

Ezn ist al der dinge kein,
der ie die sunne beschein,
so rehte saelic so daz wip,
diu ir leben unde ir lip,
an die maze verlat,
sich selben rehte liebe hat (18015ff.)

Mit dem Gedanken der sich selbst liebenden Frau, wird ein Gegenbild zur bösen Eva-Natur geschaffen, das eines saeligen wibes, welche die Rückkehr zur inneren Harmonie findet und damit den Ausgleich mit der Gesellschaft schafft.[4]

Funktion der Huote

Die höfische Lebenswelt beeinhaltet die Huote. Es wird im Tristan die Ambivalenz von Reiz und Gefährdung innerhalb und durch die höfische Lebenswelt deutlich. Huote ist immer mit dem Reiz der Versuchung verbunden. Geht man aber der Versuchung nach, riskiert man die Gefährdung. Das Zusammenspiel zwischen Reiz und Gefährung ist ein wichtiger Aspket, der den ganzen Tritsanroman durchzieht.

So ist es die Huote, die das Normsystem der höfischen Welt repräsentiert und unter dem Tristan und Isolde zu leiden haben. Beide handeln nicht nach dem Huote-Kodex, da sie sich körperlich vereinen, was nach der Huote nicht vorgesehen ist. Dies zeigt deutlich, dass Isolde und Tristan damit die Gefahr eingehen und sich außerhalb der höfischen Welt stellen. In der Minnegrotte wird die Huote-Überwachung aufgehoben. Ein interessanter Aspekt hierzu ist die Jagdgruppe um Marke, die als Huote-Instanz innerhalb des Romans funktioniert: Siehe dazu den Artikel: Der Minnegrottenhirsch

Fazit

Der Huote-Exkurs ist ein wichtiger Dichterbeitrag um das Scheitern der Liebenden nachzuvollziehen. Mit den Motiven Verlangen und Bewachung werden in diesem Dichterkommentar wichtige Aspekte der Liebe beschrieben. Die Überwachung im Rahmen der höfischen Welt lässt die Liebenden leiden und stellt sie vor eine Herausforderung. Erst mit der Flucht aus der höfischen Welt fällt die Huote-Instanz weg, da Tristan und Isolde dieses Ideal nicht verinnerlicht haben.


Quellenangaben

  1. Mazzadi Patrizia:Autoreflexion zur Rezeption.Prolog und Exkurse in Gottfrieds Tristan. Parnaso 2000. Zitiert als Mazzadi S.201-202
  2. Vgl Mazzadi S.202.
  3. Haas, Alois Maria: Deutsche Literatur von den Anfängen bis 1700. Bern 1994. S. 40
  4. Tomasek, Tomas: Gottfried von Straßburg. Stuttgart 2007. S.171-172.