Der Minnegrottenhirsch (Gottfried von Straßburg, Tristan): Unterschied zwischen den Versionen
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Mit dem konkreten Hinweis, der wundersame Hirsch flüchte '' von dannen er ouch dar kam, hin da diu fossiure was'', markiert Gottfried das Geschöpf als unmittelbar aus dem Bezirk der ''fossiure'' enstammend. Dass es sich bei dieser Integration in den komplexen Minnediskurs, sowie darüberhinaus der Gestaltung der gesamten Episode um einen einzigartigen Kunstgriff Gottfrieds handelt, beweist der direkte Vergleich mit seiner Vorlage. | |||
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Version vom 4. Februar 2011, 15:47 Uhr
Der Name ist Programm.
Einordnung in den Gesamtzusammenhang
Um sich von seiner Trauer und bedrückenden Sehnsucht nach Isolde abzulenken, sucht Marke Zerstreuung in einem Jagdausritt (V. 17275-17286). Im Wald angekommen, entdecken die Jäger ein Hirschrudel, aus welchem die losgelassenen Hunde sofort einen vremeden hirz abtrennen und verfolgen, bis sie am Abend seine Fährte verlieren (V. 17286-17302). Der Hirsch flüchtet indes von dannen er ouch dar kam, hin dâ diu fossiure was (V. 17305-17306). Bestürzt über die misslungene Jagd, beschließen Marke und seine Jäger die Nacht zu ruhen, um am nächsten Tag einen Jäger auf die Suche nach der entwichenen Beute zu schicken. Dieser begibt sich mit seinem Hund auf die Reise über manic ungeverte, über velse und über herte, über dürre und über gras, dâ ime der hirz des nahtes was gestrichen unde gevlohen vor (V. 17337-17341).
Zwischenzeitlich verbringen Tristan und Isolde einen Tag außerhalb ihrer Minnegrotte in dem wunnecliche tal (V. 17353). Alarmiert durch den am Vortag zu der Grotte gedrungenen Jagdlärm, überlegen sie nach ihrer Rückkehr, wie sie im Falle einer Entdeckung vorgehen sollen, damit sich ihre Liebesbeziehung nicht offenbart. Tristans Einfall, sich einander abgewandt und durch ein Schwert voneinander getrennt schlafen zu legen, setzen sie sogleich in die Tat um (V. 17395-17416). Unterdessen sichtet der Jäger der spurte in dem touwe (V. 17419), welche das Liebespaar im Gras hinterlassen hat und wähnt sich auf der Fährte des Hirschen. So folgt er dieser nichtsahnend, gelangt zur Minnegrotte und erspäht durch ein oben an der Grotte verborgenes Fenster das getrennt schlafende Paar (V. 17417-17454) Erschrocken über das Schwert eilt er zu dem mittlerweile entgegen reitenden Marke, berichtet ihm von der minnen fossiure (V. 17464) und weist ihm den Weg dorthin. Als Marke daraufhin Tristan und Isolde identifiziert, verspürt er Schmerz und Glück zugleich, da er einerseits über ihre vermeintlich aufrichtige Treue erfreut, andererseits über seine Verdächtigungen betrübt ist. Von Schuldgefühlen geplagt, lässt er sich letztlich derart von der Liebe zu Isolde überwältigen, dass er die beiden scheinbar Unschuldigen an seinen Hof zurückkehren lässt (V. 17455-17701).
Aussehen
Im Gegensatz zu dem eigentlichen Jagdgeschehen, welches Gottfried lediglich in Ansätzen ausführt, widmet er sich dem sonderbaren Erscheinungsbild des vremeden hirz (V. 17293) mit auffällig akribischer Präzision. Bereits das von der Saga Thomas abweichende Attribut vremede, das den bloß als 'gewaltig' zu einem als 'wunderbar' titulierten Hirsch steigert, signalisiert die besondere Bedeutung seines Auftauchens und auch die anfängliche Absonderung von dem restlichen Rudel kennzeichnet seinen Status als seltenes Exemplar und extraordinäre Jagdausbeute[Gruenter: S. 6].
der was reht alse ein ors gemane,
starc unde michel unde blanc,
daz gehürne cleine unde unlanc,
vil kûme wider entworfen,
als er ez hin geworfen
haete in unlanger zîte.
(V. 17294-17299)
Die eminente Größe, die leuchtend weiße Fellfarbe, die pferdegleiche Mähne und das dazu in markantem Kontrast stehende kleine, womöglich kürzlich abgestoßene Geweih wirken auf die Jäger mit derartiger Anziehungskraft[1], dass sie sich mit gewalte (V. 17301) zu einer langen und leidenschaftlichen Jagd hinreißen lassen, an deren Ende sie jedoch jegliche Spur verlieren.
Besonderheit der Gottfriedschen Fassung
Mit dem konkreten Hinweis, der wundersame Hirsch flüchte von dannen er ouch dar kam, hin da diu fossiure was, markiert Gottfried das Geschöpf als unmittelbar aus dem Bezirk der fossiure enstammend. Dass es sich bei dieser Integration in den komplexen Minnediskurs, sowie darüberhinaus der Gestaltung der gesamten Episode um einen einzigartigen Kunstgriff Gottfrieds handelt, beweist der direkte Vergleich mit seiner Vorlage.
von der Änderung abweichende psychologische Motivation der vergeblichen Jagd Markes S.5
routinierte Gewohnheit zum vergnüglichen Zeitvertreib vs. Ablenkung von der tief empfundenen Trauer, kein höfischer Routinevorgang S 5
exakte, sachkundige, analytische, ausführliche, insgesamt realistische, journalistisch-rapportierte Berichterstattung über die einzelnen Etappen einer Jagd: Verhalten des flüchtenden Hirsches, seine zickzackförmige Laufroute und das kurze Verweilen zum Aufhorchen, das Herankommenlassen der Hunde, der SPrung in den Fluss und die anschließende ratlose Verwirrung der Jagdhunde aufgrund der verlorenen Spur (Vordergrund) vs.
wenig ausführliche, lediglich angedeutete Umstände der Jagd, dient der Kulisse für die eigentliche Bedeutung, Hervorhebung zweier Akteuere, der sehnsüchtig melancholische Marke und der sonderbare, enigmatische vremede hirz (Hintergrund)
Symbolik
Fazit
Einzelnachweise
- ↑ nu muote Marken sêre, die jegere michel mere, daz in zem hirze also geschach, do man in alse vremeden sach beide an der varwe und an der mane. (V. 17309-17313)
Literatur
<HarvardReferences />
- [*Rathofer] Rathofer, Johannes: Der 'wunderbare Hirsch' in der Minnegrotte. In: Gottfried von STraßburg, Wege der Forschung. Hrsg. von Alois Wolf. WIssenschaftliche Buchgesellschaft Darmstadt 1973. S 371-391.
- [*Gruenter] Gruenter, Rainer: Der vremede hirz. In: Tristan-Studien, Beihefte zum Euphorion, Zeitschrift für Literaturgeschichte (27. Heft). Hrsg. von Wolfgang Adam. Universitätsverlag C. Winter Heidelberg 1993. S. 1-9.