König Artus (Wolfram von Eschenbach, Parzival)

Aus MediaeWiki
Zur Navigation springen Zur Suche springen

Der Namesgeber der Gattung Artusroman tritt auch im Parzival als Figur auf, wenn auch nicht als Protagonist. Anders als in vielen Artuserzählungen ist König Artus im Parzival vollkommen entmystifziert und tritt nicht als allmächtiger Herrscher auf, sondern als normaler König. In diesem Artikel wird Artus' Verwandtschaft, sein Territorium und seine Herrschaftsweise untersucht. Ebenso wird kurz auf die vorherigen Artusfiguren wie dem mythologischen Artus und dem Artus Hartmanns von Aue, der als Vorlage für Wolframs Artus fungierte.

Exkurs: Ältere Artusdarstellungen

In diesem Abschnitt soll kurz gezeigt werden, in welchen Formen Artus bereits vor seinem Auftritt im Parzival dargestellt wurde. Zuerst wird der mythologische Artus und anschließend die Neuinterpretation Hartmans von Aue untersucht.

Der mythologische Artus

Der mythologische Artus ist vor allem durch den Roman de Brut von Wace und durch History of the Kings of Britain bekannt. Er stammt zwar wie der deutsche Artus von Uther ab, allerdings ist seine Mutter nicht Arnive, sondern Ygerne. Uther schließt einen Pakt mit dem Zauberer Merlin, der dem König hilft eine Nacht mit Ygerne zu verbringen. Merlin verwandelt Uther in den Grafen von Cornwall und zeugt mit dessen Frau ein Kind. Der richtige Graf stirbt im Laufe dieser Nacht und Uther heiratet Ygerne im Laufe des Geschehens. Nach dem Tod Uthers übernimmt Artus die Herrschaft und führt einen Rachefeldzug gegen die Sachsen. Er besiegt diese und sorgt für eine zwölfjährige Friedenszeit, da niemand es wagt, den König anzugreifen. Artus schafft auch Frieden im Inneren. Er gründet die Tafelrunde, an dem alle Anwesenden gleich waren. Während der Friedenszeit gibt es eine Reihe von Abenteuern und Wundern, die zu Märchen wurden. Durch diese Geschehnisse wird Artus zu einem bekannten Kultheros.[Schmid 2011: S. 287-289]
Wesentlich bekannter allerdings ist der Artus, der als Waisenkind bei einem verarmten Ritter und dessen Familie aufwächst.[1] Merlin schließt einen Pakt mit Uther, dass er ihm nur hilft Ygerne zu verführen, wenn er dafür den Erstgeborenen der beiden bekommt. Nach der Geburt gibt der Zauberer das Kind in die Obhut des Ritters Entor. Entor hat einen eigenen Sohn namens Keu, den er zum Ritter macht. Artus hingegen wird Keus Knabe. Um die Herrscher im Land von der Rechtmäßigkeit des verschollenen Utherkinds zu überzeugen, schafft Merlin das legendäre Schwert im Stein, dass nur der rechtmäßige König von England ziehen kann. Keiner der es versucht, schafft es das Schwert zu ziehen. Erst Artus schafft es, ohne zu wissen was er in diesem Moment erreicht hat. Er bringt das Schwert zu Keu, da er dessen Schwert vergessen hat. Keu erkennt das Schwert, nimmt es an sich und prahlt damit, es selbst gezogen zu haben. Keu wird gebeten, das Schwert erneut zu ziehen. Im Glauben, dass das Schwert jetzt locker sitzt, nimmt er sich der Herausforderung an und scheitert. Erst Artus kann das Schwert dann erneut aus dem Stein ziehen. Dies macht ihm zum rechtmäßigen König.[Schmid 2011: S. 292-296] Doch nicht jeder ist bereit ihm zu folgen, da er keine nennenswerte Herkunft besitzt. Sie wissen nicht, dass er der Sohn des letzten Königs ist. Artus wird mehrfach geprüft. Dabei stellt sich heraus, dass er sehr großzügig ist und anderen gerne Geschenke macht, was seine Gegenüber zufrieden macht. Dies zeigt, dass Artus großen politischen Verstand und höfisches Verhalten besitzt. Artus macht seine Geschenke vor allem denen, die sie nötig haben, was der Bevölkerung sehr gefällt.[Schmid 2011: S. 295-297] Die Barone akzeptierten Artus trotzdem nicht und begannen einen Kampf gegen den König. Dieser unterwirft die Barone allerdings mit Hilfe seines Zauberschwerts Exacalibur, der Bevölkerung und nicht zuletzt der Hilfe von Merlin.[Schmid 2011: S. 300]
Der mythologische Artus lebt in einer Welt voller Magie und Wunder. Größtes Beispiel ist der mächtige Zauberer Merlin, der ihm mehrfach hilft und mit seiner Magie für einen guten Ausgang des Romans sorgt. In der höfischen Literatur rückt dieses magische Bild eher in den Hintergrund und nimmt nicht so eine große Rolle ein. Artus wird heute primär mit dem Zauberer Merlin und dem Schwert Excalibur verbunden, da der Artusstoff bis heute als Grundlage für Bücher und Filme verwendet wird.

Hartmanns von Aue Artus

Hartmann schafft einen neuen Artustypus, den viele nachfolgende Dichter, darunter auch Wolfram von Eschenbach, als Vorlage verwendeten. Hartmann verzichtete auf eine überspitze Idealdarstellung von Artus. Er "humanisierte" den König und machte ihn zu einer Figur mit Fehlern. Teilweise kann man sogar von einer Negativzeichnung sprechen.[Virchow 2011: S. 374-375] In der Zeit Hartmanns erlebt die Artusfigur einen Wandel. Artus ist nicht mehr der eigentliche Held der Erzählung sondern der Mittelpunkt einer Welt, der sogenannten Artusgesellschaft.[Virchow 2011: S.377] Dennoch besitzt Artus überragende Fähigkeiten und der Mythos ist auch in den Werken Hartmanns präsent. Im Erec ist Artus daher nicht nur König, sondern auch der beste Jäger und keiner erkennt die Schönheit einer Frau so gut wie er. Diese Kenntnisse sind Grundlagen des höfischen Ideals, dem er so gerecht wird.[Virchow 2011: S. 382-383] Allerdings ist Artus nicht mehr so selbstständig wie in den vorherigen Werken. Keie entschärft den starken Stand von Artus, indem er ihn von seinen Ansichten überzeugt. Auch seine Ehefrau Ginover besitzt einen starken Stand in Hartmanns Roman. Sie stützt ihren Gatten und besitzt einen Einfluss auf Artus wie Keie.[Virchow 2011: S. 386] Obwohl der Artus, den Hartmann erschuf, nicht mehr so stark und selbstbewusst ist, wie der zuvor beschriebene mythologische Artus, bleibt der neuere Artus dennoch ein Symbol für das höfische Leben.

König Artus' Familie und Verwandtschaftsbeziehungen

Über die nahe Verwandschaft von König Artus erfährt man bereits einiges im zweiten Buch des Parzival. Er wird als der einzige Sohn von Utrepandragûn (heute besser bekannt als Uther Pendragon) vorgestellt. Artus' Mutter Arnive (Parzival 661,7f.)[2] wurde von dem Magier Clinschor entführt. Man erfährt außerdem, dass Artus einen Sohn hatte, der ebenfalls umgekommen ist.(Parzival 65,29-66,9) Der Name seines Sohnes war Ilinot, der während seinem Ritterdienst für Florie von Kanadic gefallen ist (Parzival 383,9f; 585,29-586,4). Somit hat Artus keinen männlichen Nachfolger mehr, sodass vermutlich einer seiner Neffen ihn beerben wird. Seine Neffen, die Kinder seiner Schwestern, sind Gawan, Beacurs und Gaherjet. Alle drei sind mögliche Nachfolger. Wer letztendlich als Erbe von König Artus bestimmt wird, bleibt im Parzival offen.[Pratelidis 1994: S. 53] Artus ist mit Ginover verheiratet, die mit ihrem Gemahl das Oberhaupt des Artushofes bildet.
Artus stammt von Mazadan ab. Die Sohne von Madazan bildeten jeweils eine eigene Linie, der Lazaliez-Linie und der Brickus-Linie. Artus entsprang der Brickus-Linie, während Gahmuret, Parzivals Vater, ein Nachfahre der Lazaliez-Linie war.[Pratelidis 1994: S. 46] Somit besteht auch eine entfernte Verwandtschaft zwischen Artus und Parzival.

Artus' Territorium

Wolfram von Eschenbach gibt nur sehr vage Informationen über das Territorium, über das Artus herrscht. Man erfährt von Gramoflanz, dass Artus sehr bekannt ist und über viele Länder regiert (Parzival 685,21-23). Das Kernland von Artus' Reich ist Bertane, was ihm den Namen "Berteneise hêrre" einbrachte (Parzival 273,5). Weitere Länder unter seiner Gewalt sind Engellant und Löver. Innerhalb von seinem Gebiet besitzt er viele Residenzen wie die Hauptstadt Nantes in Bertane und die Orte Dianazdrun und Bems in Löver. Wolfram nennt noch die Stützpunkte Schmailot und Burg Karidoel, lässt aber offen, wo genau diese zu finden sind. Artus besitzt auch eine Lagerstätte am Fluss Plimizoel, die allerdings außerhalb von seinem Herrschaftsbereich zu finden ist. Durch seine zahlreichen Residenzen und Lagerstätten lässt sich erahnen, dass Artus eine Reiseherrschaft betreibt.[Pratelidis 1994: S. 59-60]

Seine Herrschaftsweise

Wie bereits erwähnt, ist die Herrschaft von Artus als Reiseherrschaft zu verstehen.[Pratelidis 1994: S. 78] Er reiste innerhalb seines Reiches von Ort zu Ort und hielt an den jeweiligen Residenzen Hof. Artus war, wie zu Beginn erwähnt, kein allmächtiger Herrscher wie er in vielen anderen Geschichten dargestellt wird. Sogar Parzival fragte zu Beginn bei seinem ersten Besuch am Artushof bereits: "ich sihe hie mangen Artûs: wer sol mich ritter machen?" (Ich sehe hier viele Artûse; wer wird mich zum Ritter machen?)(Parzival 147,22f). Wolfram verhinderte eine sofortige Erkennung von Artus, was seine Herrlichkeit deutlich reduziert.[Pratelidis 1994: S. 65] Somit verliert auch das "Idealbild des Friedenskaisers" seine Wirkung, denn im Parzival wird er sowohl als Feldherr als auch Friedensfürst dargestellt.[Pratelidis 1994: S. 61]

Die Tafelrunde

Etwas besonderes in der Herrschaft von Artus war die Tafelrunde. Sie ist untrennbar mit der Figur des Artus verbunden und findet auch im Parzival ihre Verwendung. Wace, der Dichter von "roman de Brut" beschrieb die Tafelrunde als politisches Instrument, um Randordnungsstreitigkeiten zwischen den Vasallen des Königs einzudämmen. Am runden Tisch saß keiner vorteilhafter als der anderer und alle saßen auf der selben Höhe.[Pratelidis 1994: S. 105] Wolfram beschrieb die Tafelrunde als zweites wichtiges Zentrum der ritterlichen Welt neben der Gralsburg Munsalvaesche[3]. Es fällt auf, dass die Tafelrunde bei Wolfram einen höheren Stellenwert hat, als in der französischen Vorlage, dem Conte du Graal. So findet sich im Parzival eine genauere Schilderung der "Zusammensetzung und [...] Ordnungen"[Mohr 1979: S. 172] der Tafelrunde als bei Chrétien. Dies liegt darin begründet, dass Wolframs Roman, noch mehr als der Conte du Graal, "durch die Pole zweier ritterlicher Gesellschaften bestimmt"[Mohr 1979: ebd.] ist.

Die Tafelrunde war für den Artushof so wichtig, dass an jeder Residenz eine solche zu finden war und die Reisegesellschaft sogar eine improvisierte Tafelrunde mit sich führte. Sie ist außerdem ein Symbol für die Gleichstellung der Anwesenden und somit für das konsensuale Herrschaftsprinzip von Artus.[Pratelidis 1994: S. 106-107] Des Weiteren ist die Tafelrunde "eine Rechtsinstitution des Rittertums, auf die sich z.B. die von Urjans vergewaltigte Dame beruft"[Mohr 1979: S. 173] (526,24–527,14). Zudem scheint Artus' Tafelrunde "gegen Leute, die nicht von Stande sind, [...] durch eine unsichtbare Wand des Respekts abgeschirmt zu sein".[Mohr 1979: S. 173] Denn der Fischer, der Parzival eine Herberge gewährt, verspricht zwar, ihn am nächsten Tag zur Tafelrunde zu bringen, er kehrt jedoch um, als Nantes in der Ferne sichtbar wird (143,15–144,16).

Selbstinszenierung

Wie für Könige üblich waren Artus' Reisen und Auftritte sehr prunkvoll gestaltet und zeigten auf den ersten Blick eine heile, wunderbare Welt. "Selbstinszenierung" war für ihn und seine Verwandten unverzichtbar, um ihre Herrschaft darzustellen.[Pratelidis 1994: S. 63] So herrschaftlich er sich auch gab, er besaß innerhalb seines Territoriums keine uneingeschränkte Macht. Er besaß zwar das letzte Wort, musste allerdings die Entscheidungen mit seiner Gefolgschaft absprechen.[Pratelidis 1994: S. 64] Viele Ereignisse, wie z.B. die Ehestiftungen vor Joflanze galten in der Forschung lange Zeit als alleinige Taten von Artus, die ihn erfolgreich und als "Schöpfer eines 'Super-Happy-Ends'" darstellten. Viele dieser Taten jedoch geschahen aufgrund von vorhergehenden Beratungen mit seiner Gefolgschaft: "Artûs was frouwen milte: sölher gâbe in niht bevilte. des was mit râte vor erdâht" (Artus teile Damen aus mit generöser Hand, zum Schenken war ihm nichts zu teuer. Er hatte es aber vorher mit den Seinen im Rat besprochen.)(Parzival 730,11-13). Dennoch ist er oftmals Initiator von friedlichen Einigungsprozessen. Der Erzähler lobt am Ende des Friedensbeschlusses Artus' Entwicklung und nennt ihn "Artûs der wîse höfische man" (Parzival 717,1).[Bumke 2004: S.115] Die Gefolgschaft des Königs bestand großteils aus unabhängigen Rittern und Frauen, die aufgrund ihres freien und mächtigen Standes, ihren Platz und ihr Mitspracherecht erkämpfen konnten.[Pratelidis 1994: S. 65] Die Stärke des Rates ist nicht zuletzt auf eine mangelnde Entscheidungs- und Durchsetzunsfähigkeit König Artus' zurückzuführen .

Beispiele für Artus' mangelnde Durchsetzungsfähigkeit

Immer wieder trifft man auf Passagen, in denen Artus' mangelnde Entscheidungs- und Durchsetzungsfähigkeit dargestellt wird. Hier sollen einige Beispiele gegeben werden.


Der Konflikt mit Ither

Als Parzival erstmals vor König Artus steht und die rote Rüstung von Ither fordert, übernimmt sofort Keie das Zepter und schickt den unerfahrenen Knaben in den Kampf mit Ither. In Wolframs Version war es Artus nicht möglich sich gegen Keie durchzusetzen. Somit ließ er den unerfahrenen Parzival gegen einen erfahrenen Ritter ziehen. Er rechnet nicht damit, dass Parzival den Kampf gegen den kampferprobten Ither überleben und sogar gewinnen könnte.[Pratelidis 1994: S. 65-66] Diese Entscheidung zeigt nicht nur eine mangelnde Durchsetzungsfähigkeit Artus', sondern realtiviert auch das Bild des moralisch und wohlüberlegt handelnden Friedensstifters Artus, da er Parzival dem vermeintlich überlegenen Ither faktisch ausliefert. Mit dieser Aussage ist allerdings auch der Gedanke widerlegt, dass Artus Parzival hinterhältig dazu angestiftet hat, Ither zu töten um die Fehde zu beenden, was ein Bruch des Fehdeverbots an der Tafelrunde bedeutet hätte.[Pratelidis 1994: S.202-203]

Die Blutstropfenszene

Auch in der Blutstropfenszene sind Beispiele für Artus' Schwäche zu finden. Da sich der Hof zu dieser Zeit auf fremden Territorium befindet, hat Artus ein Kampfverbot ausgesprochen, um Konflikten und potentiellen Verletzungen und Tötungen vorzubeugen. Als wegen Parzival, der vor dem Lager der Tafelrunde erscheint, fälschlicherweise Alarm gegeben wird, stürmt der Ritter Segramors ins Zelt von Artus und bedrängt diesen so lange, bis Artus ihm erlaubt, Parzival auf die Heide zu verfolgen und gegen ihn zu kämpfen. Ein weiteres Beispiel kann wiederholt Keie sein, der Artus mit der Aufkündigung seines Dienstes erpresst, damit Artus sein Kampfverbot zurücknimmt. In dieser Szene ist deutlich sichtbar, dass Artus wesentlich abhängiger von den Rittern ist, als diese von ihm. Einen bedingungslosen Gehorsam kann er nicht erwarten.[Pratelidis 1994: S. 64-65]

Urians' Bestrafung

Auch als es um die Verurteilung des Frauenschänders Urian ging, konnte Artus, der die Gerichtsbarkeit als König in diesem Fall inne hatte, umgestimmt werden. Normalerweise hat Artus die Entscheidungsgewalt bei Gericht, die Hofgesellschaft dagegen lediglich eine appellierende Funktion. Artus verurteilte Urian zum Tode, doch konnten Gawan und Ginover ihn zu einer Abmilderung überreden. Lange wurde diese Entscheidung als Schwäche von Artus beurteilt, doch Anna-Maria Matthias wies nach, dass es sich hierbei ebenfalls um eine Rücksichtnahme auf Gawans "êre" (Parzival 527,26) handeln könnte.[Pratelidis 1994: S. 67-68]

Artus als Friedensstifter

Parzival kehrt drei Mal am Artushof ein. Sowohl bei der ersten Begegnung, als Ither den Artushof herausfordert, als auch bei der zweiten Begegnung, als er nachts von einem Knappen entdeckt wird und für einen Feind des Hofes gehalten wird, zeigt Artus deutliche Mängel in seiner Entscheidungs- und Durchsetzungsfähigkeit. Immer wieder lässt er sich wie gezeigt manipulieren. Der Hof wirkt aufgrunddessen in beiden Szenen chaotisch und ungeordnet. Während allerdings die erste Szene mitunter sehr bedrohlich (durch den scheinbar drohenden Tod Parzivals) wirkt, hat "das Chaos in der zweiten Szene nicht mehr bedrohliche Züge, sondern komische. Alles beruht auf Missverständnissen und Fehldeutungen."[Brüggen 2011: S. 855] Dieses Chaos löst sich erst im dritten Aufeinandertreffen von Parzival und dem Artushof auf, vor allem, weil Artus hier "weit über das hinauswächst, was er vorher verkörpert hat, und zeigt sich als ein souverän agierender und klug und umsichtig handelnder Friedensfürst."[Brüggen 2011: S. 856] Erst hier und unter Mithilfe von Gawan entsteht das Bild des Friedensstifters Artus, der eine Gesellschaftsordnung repräsentiert, in der sich Konflikte auch ohne Kämpfe lösen lassen und in der Frauen ein bedeutender Platz eingeräumt wird.[Brüggen 2011: vgl. S. 856] Beispielhaft wird diese Friendsstifterkompetenz deutlich an der Versöhnung von Gawan und Gramoflanz, deren Zweikampf zunächst unausweichlich schien.

Fazit

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass König Artus als Figur im Parzival keinesfalls als eine perfekte Herrscherfigur auftritt. Vielmehr ist auch Artus fehlerhaft und durchlebt erst im Laufe des Romans eine Weiterentwicklung zu dem Friedensfürst, den der Hörer von Anfang an in ihm vermutet haben mag. Er repräsentiert zudem eine höfisch-elitäre Gesellschaft, die den (weltlichen) Gegenpol zu der vornehmlich religiös geprägten Gralsgesellschaft bildet und in der er zwar die höchste Autorität darstellt, was jedoch nichts daran ändert, dass die Entscheidungen im Konsens mit der Tafelunde und dem restlichen Hof getroffen werden.

Fußnoten:

  1. Die folgende Erzählung basiert auf die im Text von Schmid erwähnte Version Modena.
  2. Alle Versangaben beziehen sich auf die Ausgabe: Wolfram von Eschenbach: Parzival. Studienausgabe. Mittelhochdeutscher Text nach der sechsten Ausgabe von Karl Lachmann. Übersetzung von Peter Knecht. Mit einer Einführung zum Text der Lachmannschen Ausgabe und in Probleme der 'Parzival'-Interpretation von Bernd Schirok, 2. Aufl.,Berlin/New York 2003.
  3. siehe hierzu auch den vergleichenden Artikel Tafelrunde und Gralsgesellschaft.


Literaturnachweise

<HarvardReferences/> [*Brüggen 2011] Brüggen, Elke; Bumke, Joachim: Figuren-Lexikon, Art. "Gramoflanz", in: Heinzle, Joachim (Hrsg.): Wolfram von Eschenbach. Ein Handbuch, Band II, Berlin/Boston 2011.
[*Bumke 2004] Bumke, Joachim: Wolfram von Eschenbach, 8. Aufl., Stuttgart/Weimar 2004 (Sammlung Metzler 36).
[*Mohr 1979] Mohr, Wolfgang: Wolfram von Eschenbach, (Göppinger Arbeiten zur Germanistik 275), Göppingen 1979.
[*Pratelidis 1994] Pratelidis, Konstantin: Tafelrunde und Gral, Die Artuswelt und ihr Verhältnis zur Gralswelt im "Parzival" Wolframs von Eschenbach, Würzburg 1994 (Würzburger Beiträge zur deutschen Philologie 12).
[*Schmid 2011] Schmid, Elisabeth: Der ursprung des König Artus in drei Versionen der Merlin-Erzählung, in: Wolfzettel, Friedrich: Artusroman und Mythos, Berlin 2011.
[*Virchow 2011] Virchow, Corinna: König Artus zwischen Pergament und Phantasie, Wider die Mythisierung?, in: Wolfzettel, Friedrich: Artusroman und Mythos, Berlin 2011.