Der Prolog (Gottfried von Straßburg, Tristan)

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1
G edaehte mans ze guote niht,
von dem der werlde guot geschiht,
sô waere ez allez alse niht,
swaz guotes in der werlde geschiht.

Diesen vier Versen folgen weitere 240, die zusammen den Prolog in Gottfried von Straßburgs Tristan bilden.
Beeinflusst von der Tradition der klassisch-lateinischen Rhetorik war der Prolog im Mittelalter die Stelle im Roman, an der der Autor üblicherweise sich und seinen Auftraggeber vorstellt, eine kurze Einführung in das Thema gibt und beschreibt, welchen Nutzen die Lektüre des Textes für den Leser haben werde.[1]
Aufgrund seines Inhaltes, seines bemerkenswerten Aufbaues und weil man sich außerdem durch die Aufschlüsselung seiner Aussagen mehr Verständnis für den restlichen Texte erwartete, gehört der Prolog zu den meistdiskutierten Stellen des Tristan Romans von Gottfried.[2]

Aufbau und sprachliche Auffälligkeiten

Der Prolog beginnt mit elf Strophen (1-44), die aus jeweils vier Versen bestehen und zwei Reimwörter aufweisen. Die Strophen eins bis fünf sowie elfte Strophe sind kreuz-, die restlichen Strophen umarmend gereimt.
Es folgen durchgehend stichische Reime (45-244), die einmal kurz vor dem Ende (233-240) von zwei vierzeiligen Strophen unterbrochen werden. Da die Überlieferungslage an dieser Stelle lückenhaft ist, kann der Aufbau der beiden Strophen jedoch nicht als gesichert gelten.[3]
Das folgende Textbeispiel stellt den beschriebenen Übergang von den umarmenden zu den stichischen Reimen dar:


41
T rîbe ich die zît vergebene hin,
sô zîtic ich ze lebene bin,
sône var ich in der werlt sus hin
niht sô gewerldet,alse ich bin.
45
I ch hân mir eine unmüezekeit
der werlt ze liebe vür geleit
und edelen herzen z'einer hage,
den herzen, den ich herze trage,
der werlde, in die mîn herze siht.



Die ersten Strophen weisen außerdem Initialen auf, die zusammengesetzt das Akrostichon GDIETERICH bilden und einen wahrscheinlich ein Hinweis auf den Auftraggeber des Werkes sind. Im weiteren Verlauf des Romans tauchen immer wieder solche Initialen auf, die in einem verschachtelten System weitere Namen, etwa den des Autors Gotefrid, darstellen.[4]
Auffallend sind zudem die Häufungen von bestimmten Wörtern in einzelnen Teilen des Prologes, etwa gout zu Beginn, in der Mitte sene und am Ende leben.[5]

Inhalt

Zu Beginn philosophiert der Autor allgemein über das Gute und über seine Tätigkeit und sein Wirken als Künstler.(1-44)
Er erklärt, für das Publikum der edelen heerzen zu dichten und mit ihm eine Gemeinschaft zu bilden. Das Publikum weis um die Vorteile des Leides, welches bei der Lektüre eine Liebesgeschichte entstehen kann. Ihre Einstellung dem Leid gegenüber vereint Autor und Publikum und schafft eine Harmonie.(45-70)
Im weiteren Verlauf schildert Gottfried, welchen Wirkung sein Roman als Liebesgeschichte auf die Leser hat und warum auch ein Liebender sie lesen sollte.(71-122).
Nach einer Erläuterung, warum er gerade den Tristanstoff als Thema seines Romans gewählt habe und wie er bei der Bearbeitung vorgegangen sei,(123-171) betont Gottfried ein weiteres Mal die Wirkung von Liebeserzählungen auf das Publikum.(172-240)
Der Prolog endet mit der Bitte Gottfrieds an sein Publikum, ihm Aufmerksamkeit zu schenken. Während des gesamten Prolog geht es zudem bereits auch immer wieder um Gottfrieds Definition der minne.

Forschungsüberblick

Wie bereits erwähnt, gehört der Prolog zu den meistdiskutierten Stellen im Tristanroman. So haben unter anderem die Verse elf und zwölf sowie die Interpretation der Bedeutung edlen herzen (47) eine eigene Forschunsgeschichte.[6]
Generell lassen sich in der Forschungsmeinungen vier Richtungen ausmachen:[7]
Während etwa Arthur Hatto der Ansicht ist, zumindest der strophische Prolog habe überhaupt keine Aussage, erkennt Albrecht Schöne im dem Textstück vor allem ethnische-, Helmut Brinkman wirkungsästhetischen Inhalte. Eine vierte Gruppe wiederrum sucht einen Deutungs-Mittelweg.

Primärliteratur

  • Gottfried von Straßburg: Tristan. Nach dem Text v. Friedrich Ranke neu hg., ins Neuhochdeutsche übers., mit e. Stellenkommentar u. e. Nachw. v. Rüdiger Krohn. Bd. 1–3 Stuttgart 1980.

Sekundärliteratur

  • Brinkmann, Hennig: Der Prolog im Mittelalter als literarische Erscheinung. In: Studien zur Geschichte der deutschen Sprache und Literatur Bd.2.Düsseldorf 1966,S. 79-105.
  • Fourquet, Jean: Das Kryptogramm des „Tristan“ und der Aufbau des Epos. In: Gottfried von Straßburg. Hrsg. Von Alois Wolf. Darmstadt 1973 (Wege der Forschung, 320),S. 362-370.
  • Hatto, Arthur: Instruction. In: Hatto, Arthur (Hrsg.): Gottfried.Tristan,Harmondsworth 1976, S. 1-35.
  • Huber, Christoph: Gottfried von Straßburg. Tristan und Isolde. Eine Einführung. Berlin 2000 (Klassiker Lektüren, 3).
  • Keck, Anna: Die Liebeskonzeption der mittelalterlichen Tristanromane. Zur Erzähllogik der Werke Bérouls, Eilharts, Thomas‘ und Gottfrieds. München 1998 (Beihefte zur Poetica, 22).
  • Mazzadi, Patrizia: Autorreflexion zur Rezeption: Prolog und Exkurse in Goffrieds “Tristan“. In: Quaderni di Hesperides. Serie Saggi 2, Trieste 2000.
  • Peschel, Gerd-Dietmar: Prolog Programm und Fragment-Schluß in Gofrits Tristanroman. Erlangen 1976 (Erlanger Studien, 9).
  • Qunit, Josef: Ein Beitrag zur Textinterpretation von Gottfrieds Tristan und Wolframs Parzival. I. Zu Tristann v. 11-12. II: Der Gralstein in Wolframs Parzival und der Paradiesstein im Strassburger Alexander. In: Festschrift Helmut de Boor zum 75. Geburtstag am 24. Marz 1966. Tübingen 1966, S. 71-91.
  • Schirok, Bernd: Zu den Akrosticha in Gottfrieds Tristan. Versuch einer kritischen und weiterführenden Bestandsaufnahme. In: Zeitschrift für deutsches Altertum und deutsche Literatur 113 (1984), S. 188-213.
  • Schöne, Albrecht: Zu Gottfrieds Tristan-Prolog (1955). In.: Gottfried von Straßburg. Hrsg. Von Alois Wolf. Darmstadt 1973 (Wege der Forschung, 320), S. 147 -181.
  • Winkelmann,: „Das ist des lützelen ze vil“. Zur Erkenntnisproblematik in Gottfrieds Tristanroman. Dordrecht 1980 [u.a] (Neophilologus 64), S. 244-261.

Anmerkungen

  1. Zum Prolog im Mittelalter allgemein vgl. etwa Brinkmann, Hennig: Der Prolog im Mittelalter als literarische Erscheinung
  2. Krohn, Rüdiger: Stellenkommentar, 15, siehe dazu auch Kapitel 3
  3. Vgl.: Krohn, Rüdiger: Stellenkommentar, 35f.
  4. Vgl. etwa: Fourquet, Jean: Das Kryptogramm des „Tristan“ Huber, Christoph: Gottfried von Straßburg. Tristan und Isolde, 27ff. Schirok, Bernd: Zu den Akrosticha in Gottfrieds‘ Tristan
  5. Vgl. dazu: Schöne, Albrecht: Zu Gottfrieds Tristan-Prolog, 152ff. Zur Deutung der Bedeutung von gout vgl. etwa: Peschel, Gerd-Dietmar: Prolog Programm und Fragment-Schluß, 28-3; 46-49.
  6. Zu den Versen elf und zwölf vgl. etwa: Quint, Josef: Ein Beitrag zur Textinterpretation von Gottfrieds Tristan und Wolframs Parzival, 71ff.; Winkelmann,: „Das ist des lützelen ze vil“, S. 244ff. Zur Definition der edelen herzen vgl. etwa die umfangreiche Problematisierung in Krohn, Rüdiger: Stellenkommentar, 25ff; Auch: Mazzadi, Patrizia: Autorreflexion zur Rezeption, 66ff.
  7. Vgl. dazu die Erläuterungen von: Keck, Anna: Die Liebeskonzeption der mittelalterlichen Tristanromane, 186ff.