Mutter-Sohn-Beziehung (Herzeloyde-Parzival)
Dieser Artikel beschäftigt sich mit der Beziehung zwischen Herzeloyde und Parzival. Welche Absichten hatte Herzeloyde und aus welchen Gründen? Wie verhält sich Parzival?
Herzeloyde
Bereits während der Schwangerschaft ist es ihr enorm wichtig, dass das Kind gedeiht, da es Gahmurets Sohn ist: "Sie umfing das Kind und ihren Bauch mit Armen und mit Händen, sie sprach: Die edle Frucht von Gahmuret soll Gott mir schenken, das ist meines Herzens Bitte." [Wolfram von Eschenbach 2003: 110,11 ff.]
Nach Parzivals Geburt, beschloss Herzeloyde sich in die Einsamkeit von Soltane zurückzuziehen. Fern ab vom ritterlichen Leben will sie Parzival aufziehen. Auslöser war der Schmerz, den sie erlebte, als ihr geliebter Mann – Gahmuret – bei einem Kampf ums Leben kam. Das gleiche Schicksal wollte sie nicht für ihren Sohn, weshalb sie ihn vom Ritter Dasein fernhalten wollte (117,24 - 117,28):
Mittelhochdeutsch | Übersetzung |
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`wan friesche das mîns herzen trût, | "Denn wenn mein liebster Schatz erführe, |
welch ritters leben wære, | was es mit dem ritterlichen Leben auf sich hat, |
das wurde mir vil swære. | so wäre das ein großes Unglück für mich. |
nu habt euch an der witze kraft, | Drum seid vernünftig |
und helt in alle rîterschaft.´ | und haltet vor ihm alles geheim, was mit Ritterschaft zu tun hat." |
Als das Vogelgezwitscher Sehnsüchte in Parzival auslöst, lässt Herzeloyde die Vögel umbringen, weil sie ihren Sohn anscheinend unglücklich machen. Obwohl sie gegen Gottes Gebot verstößt.
Als Parzival beschließt zum Artushof zu reiten, um dort Ritter zu werden, versucht Herzeloyde alles, damit sie ihren Sohn nicht verliert. Als letzten Ausweg wählt sie torenhafte Kleidung für Parzival und ein lahmes Pferd, in der Hoffnung, ihr Sohn würde von allein wieder zurückkommen, wenn er nur erst mal verspottet würde. Da sie aber beim Wegreiten Parzivals schon stirbt, verliert diese verzweifelte Tat jeden Sinn. Sollte eine Mutter nicht genug Vertrauen zu ihrem Kind haben und es bei allem nach bestem Wissen und Gewissen unterstützen? Hätte sie Parzival deshalb nicht die besten Kleider und das beste Pferd geben sollen, die sie hätte auftreiben können?
Sie versucht verzweifelt Parzival an sich zu binden. Er ist ihr einziges Kind und gleichzeitig die Erinnerung an Gahmuret, ihren verstorbenen Ehemann. Alle Vorkehrungen, die Herzeloyde getroffen hatte, nützen ihr nichts.
Parzival
Umsorgt und behütet [Bumke 2004: vgl. S. 55] hat Parzival in Soltane keine andere Bezugsperson, als seine Mutter. Da ist es nur natürlich, dass er eine starke Bindung zur Mutter entwickelt. Parzival nimmt die Lehren seiner Mutter sehr wörtlich und versteht den Sinn dahinter nicht. Dies fällt in verschiedenen Situationen außerhalb Soltane auf. Er kommt nicht schon als Kind in den Genuss der ritterlichen Ausbildung, bei der er normalerweise von Vater, Onkel oder eines anderen Mannes der Erziehung unterwiesen worden wäre. Als er den Rittern im Wald begegnet und mit einer anderen Welt konfrontiert wird, brennt er darauf Neues kennenzulernen.
Widersprüchlich ist, dass er seine Mutter dennoch so schnell verlässt. Die Neugier und der Eindruck, den die Ritter bei ihm hinterlassen haben, sind stärker als das Bitten seiner Mutter. Er erfährt erst sehr spät von Trevrizent, dass seine Mutter nicht mehr lebt. Warum hat er sie nie besucht? Auf seiner Reise hingegen erinnert er sich immer wieder an sie und ihre Worte und handelt danach. Oder versucht es zumindest so gut er kann.
Erzähler
Als Parzival wegreitet um am Artushof Ritter zu werden, fällt Herzeloyde tot um. Durch den Erzähler wird sie zu einer Art Heiligen. Sie wird als besonders treu dargestellt und ihr Handeln wird als Mutterliebe gewertet.
Fazit
Als Leser kann durchaus ein Verständnis für Herzeloyde entwickelt werden. Schließlich will sie ihren Sohn nur schützen und ihn nicht auch verlieren. Dennoch darf nicht in Vergessenheit geraten, dass sie dies auch für sich selbst macht. Leider macht sie alles falsch. Sie verliert ihren Sohn trotzdem und geht daran zu Grunde. Ihren Sohn beraubt Herzeloyde einer angemessenen Ausbildung und dem freien Willen seinen eigenen Weg zu gehen.
Quellenverzeichnis
<HarvardReferences />
Primärtext
[*Wolfram von Eschenbach 2003] Wolfram von Eschenbach: Parzival. Zweite Auflage. Berlin, New York 2003.
Sekundärtexte
[*Bumke 2004] Bumke, Joachim: Wolfram von Eschenbach. Achte Auflage. Stuttgart, Weimar 2004.