Trevrizent (Wolfram von Eschenbach, Parzival)

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Trevrizent ist der Sohn des Frimutel, Enkel des Titurel und außerdem der Onkel Parzivals. Damit stammt er direkt aus der Linie der Gralskönige. Anders als sein älterer Bruder Anfortas hat er jedoch dem Rittertum abgeschworen und lebt seitdem als Einsiedler in den Wäldern von Terre Salvaesche. Im IX. Buch des Parzivalromans trifft Parzival auf Trevrizent. Bei den Gesprächen mit dem Einsiedler wird die ritterliche Erziehung Parzivals zum Abschluss gebracht und sein Gottesbild diskutiert.


Handlung

Am Karfreitag begegnet Parzival einem alten, grauhaarigen Ritter namens "Kahenis" mit seiner Frau, seinen zwei Kindern und Gefolge. Dieser tadelt ihn dafür, am Karfreitag eine Waffe zu tragen und rät ihm die Waffen abzulegen und barfuß zu gehen. Parzival rechtfertigt sich damit, dass er nicht wisse was für ein Tag heute sei mit den Worten "swie die tage sint genant, daz ist mir allez unbekant" ("wie immer die Tage heißen mögen, dass alles ist mir unbekannt", 447, 23-24)[1] und äußert, dass er nicht gottesfürchtig sei, da Gott ihm seine Hilfe also "sîn helfe" (447, 30) verwehren würde. Die Töchter von Kahenis wollen, dass Parzival mit ihnen isst. Dieser jedoch lehnt das Angebot ab, da sie Gott lieben und er ihn deswegen hassen würde. Daraufhin reitet Parzival davon. Jedoch sinnt er darüber nach, ob "es doch wahr wäre, dass in Gottes Hand die Hilfe steht, die mein Elend besiegen kann" ("waz ob got helfe phligt, diu mînem tûren an gesigt?", 451,13–14). Er hält sein Pferd am langen Zügel und gelangt ohne sein Zutun zu dem Einsiedler (452,9–12). Trevrizent hat zu Jugendzeiten im Minnedienst gekämpft, jedoch der Welt entsagt, nachdem sein Bruder Anfortas gelähmt war, seit er sich seine, vom Gral nicht gebilligte, Geliebte Orgeluse erwählte. Trevrizent betet Gott an, er möge seinem Bruder helfen und legt anschließend einen Askeseschwur ab. In diesem verspricht er, auf Fleisch, Wein, Brot sowie alles was Blut in sich trägt zu verzichten (480,11–18). Er zieht sich in die felsige Waldeinsamkeit zurück und ernährt sich lediglich von Kräutern und Wurzeln. Gelegentlich wird er von Pilgern aufgesucht, die bei ihm geistlichen Rat suchen [Heinzle 2011: vgl. S. 928]. Zwar ist er kein Mönch oder Priester sondern lediglich ein frommer Laie, dennoch gilt er als ein heiliger Mann, der die Menschen lehren kann mit sich von ihren Sünden zu entledigen.

ein heilec man: der gît iu rât, ein heiliger Mann, der wird euch sagen,
wandel für iwer missetât. wie eure Sünde gutzumachen ist.

448,23–24

Auch Parzival berichtet dem Einsiedler von seinen Sünden und Sorgen. Trevrizent hört ihm zu und weiht ihn darüber hinaus in die Geheimnisse des Grals ein (468,12–471,29).


Erkenntnisse Parzivals

Parzival kommt zu Trevrizent (UB Heidelberg, Cod. Pal. germ. 339, Bd. 2, Bl. 335r.)

Trevrizent erklärt Parzival exemplarisch am Beispiel des Brudermordes von Kain und Abel die Sündhaftigkeit des Menschen oder "der menschen nît" ("die Bosheit unter den Menschen", 464,21) und die Abkehr von Gott. Ebenfalls klärt Trevrizent ihn über die Verwandtschaftsverhältnisse der Gralsfamilie auf. Daraus folgend erkennt Parzival die Schwere seiner begangenen Sünden. Beispielsweise muss Anfortas wegen Parzivals Versäumnis, bei seinem ersten Besuch auf der Gralsburg nach dem Befinden des Gralskönigs zu fragen, weiter leiden. Denn er fragte nicht: "hêrre, wie stet iwer nôt?" ("Mein Herr, was ist's mit Eurer Not?", 484, 27). Herzeloyde ist in der Trauer über den Verlust von Parzival gestorben. Ebenfalls (und das ist nach Trevrizents Ansicht die größte von Parzivals Sünden) war Ither, den Parzival im Kampf tötete, an dem er Leichenraub beging und in dessen Rüstung Parzival immer noch steckt, der Cousin Parzivals und sein "eigen verch" ("dein eigenes Leben und dein Fleisch", 475, 21).
Trevrizent rät ihm dazu wieder gottesfürchtig zu leben, also in "Treue auf Gott zu vertrauen" (489, 16) und erklärt Parzival, dass er Gottes Güte und Hilfe nicht einfach einfordern könne, sondern derjenige sie erhält, der sich demütig gegenüber Gottes Willen zeigt. Ebenso erlangt Parzival Klarheit über seine Verwandtschaftsbeziehungen (z. B. zu Ither, den er im Kampf getötet hatte).
Im Gespräch mit Trevrizent erkennt Parzival, dass er führungslos und hilflos umhergeirrt ist. Daraufhin gesteht Parzival, dass er Gotteshass in sich trage und seitdem kein Gottesdiest mehr besucht hätte. Trevrizent predigt Parzival, dass Hass auf Gott sinnlos sei und er sich hüten solle "iuch gein im an wanke" ("hütet Euch, ihm abtrünnig zu werden", 462,30), da dies Luzifer in die Hölle gebracht hätte. Darüber hinaus solle Parzival Buße für seine begangenen Sünden tun und darauf achten was er spricht, da derjenige sich selbst verurteilt, der unkiusche spricht. Dies rät ihm sein Onkel mit den Worten: "daz dir dîn arbeit hie erhol daz dort diu sêle ruowe dol" ("Verdiene dir mit Leiden hier Ruhe für die Seele dort", 499,29-30). Resultierend aus diesen Erkenntnissen kommt Parzival zu einem viel tiefgründigerem Gottesbild und erlangt durch die Gespräche mit Trevrizent die Gabe der Selbstreflexion. Es kann jedoch von keiner klassischen Buße Parzivals gesprochen werden, denn auf den wiederholten Hinweis Buße zu tun, reagiert er nicht (499,20–500,22). So besteht seine Buße lediglich aus dem kargen Leben, das er vierzehn Tage mit seinem Onkel teilt (501,11).[Heinzle 2011: vgl. S. 931]
Weiterhin erklärt Trevrizent, dass man den Gral nicht finden kann wenn man danach sucht, da "den gral nieman bejagn"(468,12) kann. Der Gral beruft vielmehr denjenigen zu sich, von dem er gefunden werden will. Dies geschieht durch eine Inschrift, ein "epitafum" (470,24), die auf dem Gral erscheint. Ebenso können nur Berufene den Gral sehen. Des Weiteren müssen Ritter, die sich zum Gralsdienst entschließen, der Minne zu Frauen entsagen, da nur der Gralskönig eine "reine Fraue" heiraten darf.

Anhand der Lebensgeschichte seines Bruders Anfortas erläutert Trevrizent seinem Neffen "den Unterschied von hochvârt und diemüete: Hoffart steht für die Abkehr von Gott und seinen Geboten, Demut für die richtige Haltung". [Heinzle 2011: S. 929] Es stellt sich heraus, dass Parzivals Fehlverhalten Ähnlichkeiten zu den Verfehlungen Anfortas' aufweist:"beide haben sich der hochvârt schuldig gemacht und müssen in die Schule der diemüete gehen".[Bumke 2004: S. 91] Parzivals Hochmut zeigt sich etwa darin, dass er denkt, sein Name würde auf dem Epitaph erscheinen, da er ein so guter Kämpfer sei (472,8–11).

Autorität und Glaubwürdigkeit

Trevrizent führt Parzival weg von seinem Hass gegen Gott, in dem er ihn belehrt, "daß Gott die Liebe und die Wahrheit ist".(462,19 - 462, 25) Er macht ihm klar, dass es unsinnig ist, sich Gott entgegen zu stellen. Auch klärt er Parzival über den Gral, die Gralgesellscahft und Parzivals Verwandtschaft mütterlicherseits auf. Dass er dabei eine wichtige Rolle spielt steht außer Frage.[Bumke 2004: S.132 f.]

Zu Zweifeln kann es aber kommen, als er Parzival über seine Sünden aufklärt. Bumke führt folgende Punkte auf[Bumke 2004: S.133]:

  1. der Sündenbegriff Trevrizents ist nicht klar definiert und theologisch nicht abgesichert
  2. der Erzähler gibt keine Zustimmung zu Trevrizents Worten
  3. Parzivals Reaktion ist sehr einsilbig, zeigt keine Gesinnung zur Buße und er handelt gegen den Rat von Trevrizent

Die Szene im 16. Buch jedoch bestärkt das Zweifeln an Trevrizents Worten zu Parzival. In Buch IX. will er Parzival bekehren, ihm seine Sünden aufzeigen und ihn zur Buße zu bewegen. Später jedoch revidiert er seine Aussage, gibt zu, dass er Parzival bezüglich des Grals angelogen hat und bekennt sich sogar Parzival treu zu sein. (798,6 - 798,10)

Die Wirkung auf den Leser könnte laut Bumke sein, dass es "ein Signal an die Zuhörer, sich nicht unkritisch und vorbehaltlos Trevrizents Deutung von Parzivals Lebensweg anzuschließen"[Bumke 2004: S.134]

Verwandtschaften

Forschungsliteratur

<HarvardReferences />

[*Bumke 2004] Bumke, Joachim: Wolfram von Eschenbach, 8. Aufl., Stuttgart/Weimar 2004.

[*Heinzle 2011] Heinzle, Joachim: Wolfram von Eschenbach. Ein Handbuch, Bd. 2, Berlin/New York 2011, S. 928–931.

  1. Alle Textstellen-Angaben aus Wolfram von Eschenbach: Parzival. Studienausgabe. Mittelhochdeutscher Text nach der sechsten Ausgabe von Karl Lachmann. Übersetzung von Peter Knecht. Mit einer Einführung zum Text der Lachmannschen Ausgabe und in Probleme der 'Parzival'-Interpretation von Bernd Schirok, 2. Aufl., Berlin/New York 2003.