Raumsemantik
Der Versuch, die in Wolfram von Eschenbachs Parzival durchwanderten und angestrebten Räume geographisch zu situieren, ist ein Anfang, dem zum Verständnis Szenen manches hinzugefügt werden kann. Orte sind definiert als „lokalisierbarer, oft auch im Hinblick auf seine Beschaffenheit bestimmbarer Platz“. (Duden) Ein Ort ist objektiv beschreibbar und kann so zum Beispiel auch von einer anderen Person, die solcherlei Wegbeschreibung hört, gefunden werden. Dieser Geographie steht eine Semantik des Ortes nicht gegenüber, sondern kann ergänzt. Gerade fiktive Räume der Literatur sind meist auch für das Geschehehn von Bedeutung. Im Parzival haben wir es mit fiktiven Räumen in einem fiktiven Roman zu tun. Nicht nur sind Räume durch die Augen der Protagonisten gesehen, sondern auch durch den Erzähler vermittelt. Auf dieser Metaebene kommt nun noch der moderne Leser ins Spiel, der den Raum in Vorstellungen evoziert. Die Umwelt-gegebenen Räume im Parzival, bezeichnet als Fluss, Wald, Burg, sind nur die Denotation. Auf der Ebene der Konnotation kommt einiges hinzu, so werden sich wahrscheinlich Ritter auf der angestrebten Burg befinden, weil Burgen von Rittern bewohnt sind, und ein Wald impliziert Lebewesen, die Bäume bevölkern. Des Weiteren sind Räume im Parzival nicht einfach da, sie sind konstruiert von der Betrachtungsweise der Protagonisten, also perspektivisch und nicht objektiv zu beschreiben. Sie sind eine Synthese von Handlungen und konstituieren den Verlauf von Handlungen gleichermaßen. So können die Blutstropfen Parzival nur an seine Geliebte erinnern, weil der weiße Schnee dies sichtbar macht. Räume sind also Knoten in einem Netzwerk von Assoziationen, die die Analyse von Geschehnissen im Parzival bedingen. Erwähnten Überlegungen sollen vor allem anhand der Geschehnisse in Schastel Marveile analysiert werden und auf den Überlegungen zum 'Zauberschloss'Geografische Orte im Parzival aufbauen.