Gattungszuordnung (Gottfried von Straßburg, Tristan)

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Ordnet man das Werk "Tristan" von Gottfried von Straßburg dem Heldenpos oder der Struktur des Artusromans zu?

Definition

Das Heldenepos

Das Heldenepos, oder auch die Heldenepik bzw. Hedendichtung, bezeichnet ein Genre, in welchem die heroische Figur einer Erzählung im Mittelpunkt steht. Zur Charakteristik der Großepik muss die verschriftliche Heldenepik, wie auch die Romane einbezogen werden. Die Quellen, auf deren Grundlage die Heldenepen entstanden, sind meist auf historische Ereignisse zurückzuführen, welche aber nicht auf die historische Realität schließen lassen. Die Verfasser schmückten ihre Geschichten aus, flochten beispielsweise neue Handlungsstränge ein und schmückten ihre Erzählungen aus. Durch die zunehmend stärker werdende Verschriftlichung an den Höfen entstand letztlich auch der Tristanroman des Thomas von Bretagne, welcher den französischen Vorgänger Estoire aufgriff und durch "höfischere" Elemente veredelte.

Der Artusroman

Die heutige Auffassung des klassischen Artusromans wurde insbesondere von Chrétien de Troyes geprägt. Er verwendet, wohl als erster Autor, mündliche Überlieferungen als Grundlage für seine Aufzeichnungen, somit diejenigen, welche nicht überprüft werden können, hingegen der Antikenroman auf schriftlichen Übertragungen basiert. Als eines seiner ersten Werke gilt der höfische Roman Erec et Enide, der um 1170 entstanden sein soll. Im Gegensatz zu dem Heldenepos, stehen im Artusroman der Ritter und sein Werdegang, insbesondere die vollkommene Lebensführung im Zentrum, sprich, die Abenteuer die er bewältigen muss und die Liebe zwischen Adligen.

Einordnung des Tristanstoffes

Der Stoff des Tristans ist keltischen Ursprungs, was aufgrund der verwendeten Motive argumentiert wird. Der Stoff des Tristanromans steht seit Beginn in Konkurrenz zu anderen literarischen Werken. Zur gleichen Zeit erscheinen die Artusgeschichten, jedoch unterscheiden sich die Geschichten in ihrer Erzählstruktur. Während die Artusgeschichte eine optimistische Gesellschaftsutopie hervorbringt, und das trotz der Selbstzerstörung des Reiches. Es handelt sich um ein Strukturenmodell, welches eine Balance schaffen will und die Integration der Protagonisten in die Gesellschaft verlangt. Hingegen fordert der Tristanstoff diese Ordnung heraus.[1]

In der Forschung wird zwischen zwei Fassungen differenziert. Eine der Fassungen, die Version commune, als Vertreter gilt Eilhart von Oberg, bezeichnet jene, deren Inhalt des Öfteren unhöfische Züge reflektiert, des Weiteren die Liebe zwischen Tristan::Tristan und Isolde mit obstrusen Beurteilungen gestaltet, und die Version courtoise, wobei hier Thomas von Bretagne und Gottfried von Straßburg::Gottfried von Straßburg als Vertreter zu nennen sind, welche den Tristanstoff in höfischer Anlehnung gestaltet und die Liebe positiv dargestellt haben.[2]

Gottfried von Straßburg erschuf in seinem Tristan eine ganz bestimmte Art des Erzählens, da er seine Geschichte nicht nur rhetorisch ausschmückte, sondern sie auch mit regelmäßigen Kommentaren und Exkursen füllte. Im Gegensatz zu anderen ritterlichen Helden in den Geschichten, muss Tristan seine Fertigkeiten und Wesensart nicht erlernen, bzw. entfalten, wie ein Erec oder Iwein bei Hartmann von Aue. Tristan verkörpert, im Gegensatz zu anderen Helden, eine Art Selbstgänger, da er im Verlauf meist auf sich selbst gestellt ist und er in dieser Funktion eine wichtige Bedeutung für Marke, aber auch allgemein für den ritterlichen Hof hat. Der Tristanroman unterscheidet sich, sowohl äußerlich als auch innerlich, von der vorherrschenden Struktur des Ritterromans. Tristan enthält alle wesentlichen Gesichtspunkte eines Artusromans, sprich von den Abenteuern, über die Gesellschaftsethik als auch die Minne, jedoch, darüber hinaus, steht der Tristanroman für eine Einzigartigkeit unter den höfischen Romanen. Gottfried von Straßburg schaffte es mit diesem Roman der Gesellschaft moralische und ästhetische Werte, die er für richtig empfand, zu vermitteln.[3]

Die Überlieferungen-der Bezug zu Artus

Es lassen sich drei Beziehungstypen der unterschiedlichen Überlieferungen der Tristantexte unterscheiden. Die romanhafte Gestaltung der Tristantexte ist jedoch eine Gemeinsamkeit der aufgeführten Überlieferungen. Zum einen ist der Text aus dem Walisischen zu nennen. In dieser Textüberlieferung besteht eine Verbindung zwischen Tristan und Artus, in welche auch die Charaktere des Marke und Isolde einbezogen sind. Parallelen zu Charakteren, die der Artussage entspringen sind in dieser Tristanüberlieferung vorhanden.

Weitere Überlieferung, der frühen französischen Romane, weisen zwei Arten von Bezug zu Artus auf. Bei Eilhart und Béroul greift Artus als Person in die Ereignisse ein, hingegen er bei Thomas von Bretagne lediglich als ein Repräsentant der Vergangenheit genannt wird. Bei Gottfried von Straßburg wird Artus als das "Überbotene" bezüglich des Überbietungstopos erwähnt.

Der dritte Beziehungstyp lässt sich anhand des Tristan en prose und den dazugehörigen Gattungen feststellen. In diesen Überlieferungen erfährt die Handlung eine Veränderung. Der Stempel, den Tristan hier bekommt, lässt ihn als einen Helden der Artussage erscheinen, welcher die gesamte Struktur der Tristanhandlung beeinflusst. Die Vollendung dieser Struktur findet sich aber erst in Überlieferungen des Spätmittelalters, also ab 1250-1500. Beispiel hierfür sind der italienische Tavola Ritonda und Le morte d`Arthur.[4]

Artus im Tristanroman?

Auf der anderen Seite gibt es diverse Theorien, die eine Parallele des Tristanromans und der Artussage, bzw. Anlehnungen an den klassischen Artusroman sehen. Die Forschungsansätze enthalten grundsätzlich die gleiche Aussage, nämlich, dass die Geschichte von Tristan eng mit der Artussage verknüpft ist, wenn nicht sogar einen Teil der Artusgeschichte reflektiert.[5]

Diesbezüglich gibt es jedoch auch Argumente, die gegen eine Anlehnung sprechen oder besser gesagt, Argumente die überzeugen, dass der Tristan dem klassischen Artusroman nicht zugeordnet werden darf. Eine besonders typische Eigenschaft des Artusroman ist die Doppelwegstruktur. Dieser "Weg" bezeichnet den Werdegang eines Ritters, auch der Weg der Âventiure genannt. Auf diesem Weg muss der Ritter in die Welt ausziehen und sich beweisen, sich Tugenden und Ehre zu Eigen machen, vorher gilt er nicht als Ritter. Der Doppelweg beschreibt indes die Dopplung seines Weges, indem er Etappen erfolgreich meistert, dann an einen Tiefpunkt gelangt und sich, nachdem er zu seinen ritterlichen Idealen zurückgekehrt ist, den selben Weg erneut gehen muss, um letztlich die ritterlichen Tugenden für sich zu gewinnen.[6]



Literatur

  1. Vgl. Huber, Christoph: Gottfried von Straßbourg. Tristan. Berlin 2001.
  2. Vgl. Brunner, Horst: Geschichte der deutschen Literatur des Mittelalters im Überblick. Stuttgart 2007.
  3. Vgl. Brunner, Horst: Mittelhochdeutsche Romane und Heldenepen. Stuttgart 2007.
  4. Vgl. Stein, Peter K.: Tristan-Studien. Stuttgart/Leipzig 2001. S.8.
  5. Vgl. McDonald, William C.: On the Intersection of Legends in German Medieval Literature. New York 1991.
  6. Vgl. Wolfzettel, Friedrich; Ihring, Peter (Hg.): Erzählstrukturen der Artusliteratur. Forschungsgeschichte und neue Ansätze. Tübingen 1999.