"Parzival" im Deutschunterricht (Wolfram von Eschenbach, Parzival)

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Dieser Artikel beschäftigt sich mit der in der Forschung oft diskutierten Frage ob mittelalterliche Literatur, und in diesem Fall der Parzival Wolframs von Eschenbach, im heutigen Deutschunterricht einen Platz finden kann und soll. Jedoch wird die Arbeit mit der Originalversion oft gescheut, da diese sehr umfrangreich ist und eine Beschäftigung mit der mittelhochdeutschen Sprache mit einbegreift. Deshalb wird oft auf Prosaversionen zurückgegriffen, wie das Jugendbuch Parzival von Auguste Lechner für die Klassenstufen 6-8. In der gymnasialen Oberstufe wird häufig auf Adolf Muschgs Der Rote Ritter zurückgegriffen. Im folgenden soll ein Einblick in historische und aktuelle Forschungsperspektiven gegeben werden, die sich mit der Behandlung des Parzival-Stoffes beschäftigten.

Einführung

In seinem Aufsatz Mittelalterliche Literatur im Deutschunterricht betont Werner Wunderlich insbesondere die Funktion von Literatur als "Form ästhetischer und geschichtlicher Wahrnehmung". [Wunderlich 1983: S. 286] Dies legt nahe, dass sich gerade die Artusepik, die sich mit der Gesellschaft des Mittelalters auseinandersetzt, zur Rekonstruktion vergangener Welten eignen kann. Mittelalterliche Literatur wirft Fragen auf, die sich um das "Verhältnis zwischen Autor und Publikum, zwischen literarischen Einzelerscheinungen, literarischen Gattungen und sozialem Leben" drehen. [Wunderlich 1983: S. 287] Schülerinnen und Schüler bekommen durch den Literaturunterricht so Einblick in die Wurzeln einer Literatur, die "politische Prozesse, soziale Entwicklung und historische[n] Wandel spiegelt und zugleich ermöglicht". [Wunderlich 1983: S. 287] Die Alterität dieser mittelalterlichen Welt und ihrer Figuren kann so unter anderem einen Einblick in vergangene Identitätskonzepte geben und zu einer kritischen Auseinandersetzung mit den heutigen anregen. Der Parzival Wolframs von Eschenbach eignet sich für diese Annäherung hervorragend, da er nicht nur einen identitätssuchenden Protagonisten behandelt, sondern auch zahlreiche weitere Figuren, die sich an der Gesellschaft des Mittelalters abarbeiten.

Der Beitrag von Erika Essen

Mit dem Beitrag Gegenwärtigkeit mittelhochdeutscher Dichtung im Deutschunterricht eröffnete Erika Essen in den 60er Jahren des vergangenen Jahrhunderts einen ersten Einblick in eine Herangehensweise an den Parzival. Sie beschreibt einen "Arbeitsplan" für die gymnasiale Oberstufe und betont dabei, "dem Schüler Einblicke in geistesgeschichtliche Betrachtungsweisen zu vermitteln". [Essen 1967: S. 63] Essen wählt den Parzival aufgrund seines "dichterischen Charakter[s]" [ebd.: S. 64] aus. Obwohl sie es für unabdingbar hält, eine Prosaversion als einführende Lektüre zu behandeln, besteht sie auf der Arbeit mit dem mittelalterlichen Text in der Unterrichtspraxis. Allerdings sieht sie den Parzival nur für die Oberstufe vor, hebt aber hervor, dass "die Schüler in der Lage waren, sich in den Text der Dichtung mehr und mehr einzuleben, so daß die Betrachtung der entscheidenden Stellen sich ausschließlich mit dem mittelhochdeutschen Text befassen konnte". [ebd.: S. 68] Ihr Arbeitsplan sieht nun vor, dass sich die Schüler, anhand des mittelalterlichen Textes, mit prägnanten Textstellen der Bücher I-V, sowie VI-XVI befassen. Diese "sinnerschließende[n] Schwerpunkte" [ebd.: S. 71] sollen noch einmal das Ziel verdeutlichen, Einblick in eine mittelhochdeutsche Dichtung, und nicht Wirklichkeit, zu nehmen. [vgl.: S. 73] Anhand verschiedener Themenbereiche, die im Parival abgearbeitet werden, soll nun die dichterische Welt verdeutlicht werden. Dies sind die folgenden Themen: Räume und Orte, Zeit, Lebensformen, Personen. [vgl.: S. 73-95] Mit dieser Vorgehensweise wird ermöglicht, ein Grundgerüst der Handlung zu erlangen. Der Arbeitsplan schreitet nun fort und begibt sich auf eine erste Metaebene mit der Betrachtung des Diskurses. Essen schlägt eine Analyse der Wendepunkte im Parzival vor, die unter anderem folgende wichtige Stellen behandelt: Kundries Erscheinen vor der Tafelrunde, Parzivals Gespräch mit Trevrizent, Parzivals Kampf mit Feirefiz, Parzivals Frage an Anfortas. [vgl.: S. 95-129] Diese Analyse stellt den Weg Parzivals, der die Frage nach seiner Schuld beinhaltet, in den Vordergrund. Eine abschließende Betrachtung erfährt bei Essen der Gral, den sie als zentrales Element in der gesamten Dichtung ansieht. Anhand einer Untersuchung von Textstellen, die sich mit dem "Symbol des Grals" [Essen 1967: S. 129] befassen, will sie den Schülerinnen und Schülern aufzeigen, dass im Parzival keine endgültige Deutung möglich ist.

Ina Kargs "Klassenlektüre eines Klassikers"

Einen modernen Ansatz der Betrachtung eines Klassikers liefert Ina Karg. Ihr kritischer Blick arbeitet sich an der didaktischen Forschung der Vergangenheit ab und kommt zu der Erkenntnis, dass "Wolframs Sensationsgeschichte [...] eher die Reputation eines schwierigen, heutigen Jugendlichen kaum zugänglichen und nur pflichtmäßig zu behandelnden Textes" hat. [Karg 1994: S. 259] Sie stellt in der Folge Lesebücher vor, die ihrer Meinung nach den Versuch zeigen, "das Immergültige eines literarischen Textes zu zeigen und zu retten" [ebd.: S. 261f] und die unter anderem zu dieser schlechten Reputation führten. [Ebd.: vgl. S. 259-261]
Kargs moderner Ansatz liegt nun darin begründet, dass sie gesellschaftliche Diskurse aus dem Parzival herausgreift. Sie will "Themen, wie beispielsweise die Fremde, die Herrschaft, die Natur, die Liebe oder die Frauendarstellungen - und was damit für den heutigen Umgang im Literaturunterricht, jenseits inhaltlicher und didaktisch-methodischer Stereotypen anzufangen ist" präsentieren. [ebd.: S. 264] Hieran ist der deutlich größere Zusammenhang erkennbar, in den sie den Parzival stellt und in dem sie die Aktualität für Jugendliche begründet sieht. Karg ordnet den Klassiker zugleich in einen Literaturkanon ein und vergleicht ihn mit anhand bestimmter Diskurse mit anderen Klassikern. Das so wichtige Thema der "Toleranz" nimmt sie als Anlass, Parzival mit Gotthold Ephraim Lessings Nathan der Weise zu vergleichen. [ebd.: Vgl. S. 264-282] Desweiteren befasst sie sich mit dem "Herrschafts"-Begriff und führt einen Vergleich mit William Goldings Der Herr der Fliegen an. [ebd.: S. 282-298] Um die wichtige Rolle der Frau in den Mittelpunkt zu rücken, vergleicht sie Theodor Fontanes Effi Briest mit Parzial. [ebd.: S. 314-330]

Fazit

"auch die literaturwissenschaftliche Forschung geht weiter, und es wäre vermessen zu glauben, es könne je eine allseits befriedigende Situtation eintreten, in der sozusagen die Parzival- [...]forschung an ihr Ende gekommen wäre.


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Quellenverzeichnis


<HarvardReferences/> [*Essen 1967] Essen, Erika: Gegenwärtigkeit mittelhochdeutscher Dichtung im Deutschunterricht. Ansätze und Betrachtungsweisen im Deutschunterricht, Heidelberg 1967.
[*Karg 1994] Karg, Ina: ...und waz si guoter lêre wernt... Mittelalterliche Literatur und heutige Literaturdidaktik, in: Beiträge zur Geschichte des Deutschunterrichts, hg. v. Prof.Dr.Dr Joachim S. Hohmann, Frankfurt a.M., Berlin, Bern, New York, Paris, Wien 1994 (Bd. 35).
[*Wunderlich 1983] Wunderlich, Werner: Mittelalterliche Literatur im Deutschunterricht, in: Handbuch Deutschunterricht, Band 2 Literaturdidaktik, hg. v. Peter Braun und Dieter Krallmann, Düsseldorf 1983, S. 279-298.