Narrenkleid und Rüstung: Standesidentität im Parzival
Der Ritterstand im Parzival[1] ist schwer zu fassen und eine übergreifende Standesidentität nicht leicht zu finden. Was macht einen Ritter zum Ritter? Besonders am Beispiel Parzival selbst steht die Erziehung als zentrales Kriterium im Raum, denn gerade durch sein gezielt antihöfisches Aufwachsen im Wald soll Gahmurets Sohn von einem ritterlichen Leben ferngehalten werden. Dies gelingt jedoch nicht, da die höfische Erziehung, wie sich an der Entwicklung Parzivals zeigt, nachgeholt werden kann.
Dem gegenüber stehen diverse Textpassagen in denen der ritterliche Prunk und die profane Zurschaustellung von Luxus als äußeres Merkmal von Ritterlichkeit und Adel festgehalten werden. Parzival vertritt, dazu passend, anfangs die Meinung, dass eine Rüstung genüge, um ihn zum Ritter zu machen. Dies führt zur gewaltsamen Auseinandersetzung mit seinem Verwandten Ithêr, die mit dessen Tod endet. Demnach spielt der Kampf ebenfalls eine Hauptrolle bei der Bildung einer Standesidentität. Hierbei ist hervorzuheben, dass es sich bei Parzival zu diesem Zeitpunkt eben noch nicht um einen Ritter handelt. Der ritterliche Kampf umfasst einerseits feste Normen und andererseits die Nutzung bestimmter Waffen, nämlich Lanze und Schwert. Indem Parzival Ithêr also mit einem Wurfspieß tötet, gibt er sich gleich doppelt als „Nichtritter“ zu erkennen. Das unausgesprochene Gebot zur Schonung von Besiegten setzt klar eine moralische Komponente in der Standesidentität voraus.
Problematisch wird dies jedoch, als Parzivâl die Rüstung des Toten an sich nimmt und dadurch trotzdem zum Ritter wird. Der Knappe Iwânet bringt ihm zwar vor seinem Aufbruch vom Artushof die Grundbegriffe des ritterlichen Kampfes bei, Parzival durchläuft aber weder eine Knappenphase noch wird er durch die Schwertleite förmlich zum Ritter gemacht.
Religionszugehörigkeit als Kriterium einer übergeordneten Standesidentität?
Religion scheint in Wolframs Parzival kein Teil der ritterlichen Standesidentität zu sein. Als Parzival und dessen Bruder Feirefiz aufeinandertreffen, finden sich bei dem Heiden dieselben Zuschreibungen von Ehre, Mut und Stärke wie bei christlichen Rittern. Selbst die Art zu kämpfen ist über die Religionsgrenze hinweg gleich. Zudem wird Feirefiz im Text explizit als Ritter bezeichnet:
[…] daz nie von rîters hand geschach
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mir groezer nôt, für wâr ichz weiz, |
dan von iu,‘ sprach der von Kanvoleiz. (V. 749,12 – 14) |
Verbindende Charaktereigenschaften und höfische Tugenden
Kampf und Gewalt als Zentrales Merkmal einer Kriegerkaste
Körperliche Schönheit und profane Prachtentfaltung als Ausdruck ständischer Vollkommenheit?
Einfluss der mînne auf die ritterliche Standesidentität
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Anmerkungen
- ↑ Im Folgenden stets zitierte Ausgabe: [Parzival].
Literaturnachweis
Textausgabe
<Harvardreferences /> [*Parzival]Wolfram von Eschenbach: Parzival. Studienausgabe. Mittelhochdeutscher Text nach der sechsten Ausgabe von Karl Lachmann. Übersetzung von Peter Knecht. Mit einer Einführung zum Text der Lachmannschen Ausgabe und in Probleme der 'Parzival'-Interpretation von Bernd Schirok, 2. Aufl., Berlin/New York 2003.