Parzival: Seine Schönheit und Stärke (Wolfram von Eschenbach, Parzival)

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Dieser Artikel wird sich mit der Schönheit und Stärke des Parzivals beschäftigen. Immer wieder wird im Buch auf diese Eigenschaften eingegangen und es soll nun näher beleuchtet werden, wo diese Stellen zu finden sind und inwiefern diese Vorzüge Einfluss auf die Handlung nehmen. Dabei werden seine Schönheit und Stärke immer wieder im Kontrast zu seiner tumpheit betrachtet werden.

Schönheitsbegriff im Mittelalter

Im Mittelalter beschäftigte man sich auch schon mit der Schönheit und ob sie als etwas gutes anzusehen ist. Festzuhalten ist zunächst einmal, dass die mittelalterlichen Romane meistens einen schönen Helden haben. Dieser setzt sich wiederum in vielen Fällen von seinem bösen Widersacher, in Bezug auf sein Äußeres ab. Diese Vorstellung findet sich auch schon in der Antike bei Platon und in diesem Zusammenhang ist der Begriff der "Kalokagathia" zu nennen, der innere und äußere Schönheit vereint. [Michel 1976: vgl. S. 89.] Deskriptionen von Schönheit korrelieren in mittelalterlichen Texten oftmals mit Charaktereigenschaften - was schön ist, ist also auch gut, was der Schönheit einen hohen Stellenwert verleiht. Auch wichtig ist in diesem Zusammenhang die vorherrschende mittelalterliche Vorstellung, dass Licht ein Widerschein Gottes ist und alles Helle, Strahlende (Beschreibungen, die besonders auf den schönen Parzival zutreffen und wiederholt aufgegriffen werden) somit ein Zeichen von Göttlichkeit ist. [Huber 1981] Ein weiterer wichtiger Punkt, der in direktem Zusammenhang mit Parzvial steht, ist der, dass Schönheit auf die Standeszugehörigkeit verweist. Ist man mit äußerlicher Schönheit beschenkt, so wird man gleichzeitig als jemand aus höherem Stand oder dem Adel zugehörig betrachtet. Interessant hierbei ist auch, dass es die Vorstellung der Vererbung von Schönheit gibt. In diesem Fall spricht man von der Schönheit der Sippe. [Wuthe 2008: vgl. S. 29.]

Weitere Informationen zur Einstellung zum Aussehen im Mittelalter entnehmen Sie dem Artikel: Schönheit und Hässlichkeit.

Schönheit

Die Geburt

Zu Beginn der Handlung wird die Schönheit Parzivals nicht als hervorstechendstes Merkmal beschrieben, vielmehr ist die Rede davon, dass er kräftig gebaut sei und er seiner Mutter aufgrund dieser Tatsache eine schwere Geburt bereitet (112, 7f). Dennoch wird hervorgehoben, dass Herzeloyde, seine Mutter, stolz auf seine Männlichkeit und sein Äußeres ist. [Reichert 2007: vgl. S. 47.] Er wird aufgrund seiner Männlichkeit, die wie eben erwähnt schon bei seiner Geburt vorhanden ist, immer wieder geherzt und so der Stolz der Mutter deutlich gemacht (112, 23-27).

Steigerung der Schönheit

Während Parzivals Erziehung durch Herzeloyde macht Wolfram von Eschenbach deutlich, dass Parzival ein schöner Junge ist und darüber hinaus der wahren Schönheitsvortellung des Mittelalters entspricht. Dies wird in der ersten Begegnung Parzivals mit Rittern deutlich.


Dô lac diu gotes Kunst an im. [...], dass Gott an ihm ein wahres Wunderwerk vollbracht hatte.
von der âventiure ich daz nim, Der Erzählung entnehme ich,
diu mich mit wârheit des beschiet. die es verlässlich überlieferte
nie mannes varwe baz geriet dass es keinen schöneren Mann gegeben hat
vor im sît Adâmes zît. seit Adams Zeit.

123, 13-17 [1]


In dieser Textpassage findet sich erstmals eine starke Steigerung seiner Schönheit, denn sie wird als Gott gegeben angesehen und Parzival wird als jemand betrachtet, an dem ein Wunderwerk geschehen ist. Man kann hier sogar eine religiöse Bestimmung vorausahnen, die durch die von Gott gegebene Schönheit garantiert ist. [Huber 1981: vgl. S. 157.] Es ist festzuhalten, dass in der Szene mit den Rittern, in der Parzival sie als Götter, nicht aber als Ritter, erkennt und somit weltfremd erscheint, auf seine Schönheit verwiesen wird. Diese Technik setzt Wolfram immer wieder ein. In Situationen in denen Parzivals Weg gefährdet scheint, wird Bezug auf sein Äußeres und damit seine Verbindung zu Gott genommen. [Huber 1981: vgl. S. 157.] Auch in seiner ersten Begegnung mit Sigune wird wieder sofort auf seine Schönheit hingewiesen (139, 25-27). Sie erzählt ihm von ihrem bösen Schicksal, erwähnt jedoch nochmals, dass er Gottes Kunst am Körper trägt (140, 5). Seine erste Begegnung mit Sigune stellt eine wichtige Station auf seinem Weg dar, da er in dieser Szene, neben seiner besonderen Schönheit, noch eine andere elementare Eigenschaft freilegt. [Huber 1981: vgl. S. 166.] Parzival zeigt Mitleid mit seiner Cousine. Er geht sogar soweit, dass er ihr Unglück rächen will (141, 25-30).


Für Wolfram stellt das Mitleid eine wesentliche Erscheinungsform der "triuwe" (Treue, Zuverlässigkeit, Aufrichtigkeit) dar. Das Herausheben seiner Schönheit in dieser Szene kann nur heißen, dass sein von Gott verliehenes Äußeres, zugleich Signum der "triwe" und Gnade ist. Zwar ist Parzival immer noch tump, doch seine Schönheit und vor allem seine "triwe" überstrahlen diesen Fakt und es treten dabei herausragende Eigenschaften unter seiner tumpheit hervor. [Huber 1981: vgl. S. 166-167.]

Die Begegnung mit Ither und den Rittern des Artushof

Auf seinem weiteren Weg trifft er auf seinen Verwandten Ither, welchen er allerdings nicht als solchen erkennt. Auch dieser hebt die Schönheit Parzivals hervor und beschreibt diese mit folgenden Worten:


,gêret sî dîn süezer lîp: Bewundern muss man deinen süßen Leib,
dich brâht zer werlde ein reine wîp dich hat ein reines Weib zur Welt gebracht
wol der muoter diu dich bar! Wohl der Mutter, die dich gebar!
ine gesach nie lîp sô wol gevar Nie habe ich einen so schönen Leib gesehen

146, 5-8


Auch hier verwendet Wolfram wieder das Mittel der Schönheit, um Parzivals spätere Tat, die Tötung seines Verwandten Ithers, zu relativieren. Klar ist, dass er mit dessen Tötung Schuld auf sich lädt, dennoch wird darüber wieder die Verbindung zu Gott gehoben und herausgestellt, dass er von Gott erwählt ist. [Huber 1981: vgl. S. 169.] Doch bevor dies geschieht, reitet Parzival weiter zum Artushof. Sein Auftreten dort wird durch seine Schönheit legitimiert, denn sie zeigt, dass er trotz seiner tumpheit und seines torenhaften Auftretens von höherer Art ist und somit mindestens auf einer Stufe mit den Rittern des Artushof steht. [Huber 1981: vgl. S. 168.] Wolfram hebt bei Parzivals Einzug zum Artushof nochmals seine tumpheit und seine Torheit hervor. Die Frage, wer von den ganzen "Artussen" ihn zum Ritter machen wird, zeigt diese Unwissenheit und tumpheit ganz deutlich (147, 22-23). Auch die Art wie er die Tafelrunde begrüßt, lässt seine Torheit nochmals deutlich werden. Doch wie schon öfters zuvor wird sein Aussehen vorgeschoben und gibt ihm, in gewissem Sinne, eine Entschuldigung für sein Auftreten. Er ist ja von Gott auserwählt und keiner soll daran zweifeln müssen. [Huber 1981: vgl. S. 168.] Hätte er nicht dieses Aussehen, wäre ihm vieles nicht möglich auf seinem Weg. Seine Schönheit rettet ihn vor seinem weltfremden Auftreten und gibt ihm, wie vorher erwähnt, eine Art Legitimation. Parzival will unbedingt die Rüstung des Ither besitzen, um nun selber wie ein echter Ritter auszusehen. An dieser Schwelle zum Unglück und zur Schuld, die Parzival auf sich lädt, verweist Wolfram ein weiteres Mal auf dessen Schönheit. Die Tatsache, dass er auserwählt ist, soll hier wieder im Kontrast zu seiner tumben Tat stehen. Die Schönheit wird hierbei nicht nur als Zeichen, sondern vielmehr als Instrument der göttlichen Gnade gesehen. [Huber 1981: vgl. S. 170.] Bevor Parzival an die Rüstung des Roten Ritters gelangt, stehen seine Schönheit und sein torenhafter Aufzug immer in Opposition zueinander. Seine Kleidung zeigt auf, dass er durch seine Mutter von tumpheit befallen ist, jedoch gleichzeitig durch seine äußere Erscheinung eine Verbindung zu Gott hat und durch ihn zu Höherem berufen ist. [Hahn 1975: vgl. S. 218.]


Wie man sieht gibt es im Parzival schon zu Beginn des Romans eine Fülle von Schönheitsbeschreibungen des Parzival. Im weiteren Verlauf der Handlung taucht dieses Motiv immer wieder auf. Das Prinzip bleibt jedoch über weite Strecken dasselbe. Seine Schönheit wird als von Gott gegeben angesehen und er wird somit als jemand gesehen, der von ihm berufen wurde. [Huber 1981: vgl. S. 157.] Interessant ist hier nochmals herauszustellen, dass er durch sein Äußeres eine Art Legitimation seiner folgenden Taten erfährt. [Huber 1981: vgl. S. 168.] Zwar ist Parzival durch die Erziehung der Mutter tumb und viellicht auch in einer gewissen Weise weltfremd, doch seine äußerliche Erscheinung lässt diese Tatsache immer wieder in den Hintergrund rücken.

Stärke

Kindheit

Neben seinem schönen Äußeren findet sich im Roman oftmals die Aussage, dass Parzival unheimlich stark sei. Vor allem wird aber zu Beginn der Handlung klar, dass er seinem Alter in körperlicher Hinsicht voraus ist. Dies zeigt sich zum einen bei seiner Geburt, bei der seine Glieder als stark beschrieben werden (112, 7-8) und darüber hinaus festgehalten wird, dass er die Glieder eines ausgewachsenen Mannes hat (112, 26-27). Zum anderen wird dies deutlich, wenn man sich seine Zeit im Wald mit seiner Mutter vor Augen führt. Obwohl er noch recht jung ist, schnitzt er sich Bogen und Bolzen und macht Jagd auf Vögel. Er zeigt sich für sein Alter ziemlich geschickt im Umgang mit der Waffe und tötet viele dieser flinken Federtiere (118, 3-6). Auch die Tatsache, dass er auf die Jagd nach Hirschen geht und dadurch für Nahrung für die ganze Gefolgschaft sorgt (120, 2-4), zeigt seine reife körperliche Verfassung. Es darf vermutet werden, dass er zu diesem Zeitpunkt noch nicht allzu alt ist, doch seine Fähigkeit mit dem Bogen und auch dem Speer umzugehen sind jetzt schon beeindruckend. Auch die Tatsache, dass er die geschossenen Tiere immer selbst heim trägt (120, 8-10), zeigt, dass er körperlich seinem Alter entsprechend weit voraus ist.

Begegnung mit Ither und ritterliche Erziehung

Auch in der Begegnung mit Ither zeigen sich schon Parzivals kämpferische Fähigkeiten und die Tatsache, dass er einen Ritter nur mit einem Speer bewaffnet tötet (155, 5-9), beeindruckt. Die Tatsache, dass Parzival die Tat aus kindlicher Dummheit heraus begangen hat (156,24), überschattet jedoch seine kämpferische Leistung. Mit Ithers Tod hat der tumbe Held Sünde auf sich geladen, da die beiden verwandt sind. Trevrizent sieht hier die zweite große Sünde des Parzival (499, 20).

Seine Fähigkeiten im Kampf und seine Stärke werden in der ritterlichen Unterweisung durch Gurnemanz nochmals deutlicher. Parzival erfährt durch Gurnemanz zum einen eine ritterliche Erziehung und zum anderen wird er in der Kunst des Kampfes ausgebildet. In der praktischen Unterweisung zeigt er sich derart geschickt, dass er sofort alles gelernte umsetzen kann. So wird ihm gezeigt, wie eine Tjost geritten wird und Parzival kann dies direkt so gut umsetzen, dass er die erfahrenen Ritter in den Übungen gleich vom Pferd stößt. [Bumke 2004: vgl. S. 60.]

In dieser Szene wird deutlich, dass Parzival neben seiner Schönheit eine zweite herausragende Eigenschaft besitzt. Er ist derart stark und geschickt im Umgang mit der Waffe, dass er nicht lange braucht um gelerntes im Kampf anzuwenden.

Die Kämpfe mit Gawan und Feirefiz

Parzival im Zweikampf gegen den unterlegenen Gawan

Auch im Kampf mit Gawan wird deutlich, dass Parzival ein starker Kämpfer ist, jedoch durch seine tumpheit wieder in einen Verwandtschaftskampf gerät. [Bumke 2004: vgl. S. 112.] Wie auch schon vorher bei dem Aspekt der Schönheit, stehen hier tumpheit und Stärke des Parzival im Kontrast zueinander. Einerseits ist er ein außerordentlich guter und starker Kämpfer, andererseits verwickelt er sich immer wieder in Kämpfe mit Verwandten und stellt seine Fähigkeiten somit ein wenig in den Schatten. Der Kampf mit Gawan zeigt jedoch auch, wie stark Parzival wirklich ist. Seine Kraft und Stärke ist derart übermächtig, dass Gawan, der auch ein guter Kämpfer ist, eigentlich keine Chance gegen Parzival hat (688, 11-18).

Einen weitere tumbe Tat zeigt sich im letzten Kampf des Parzival gegen seinen Bruder. Auch hier kämpft er wieder gegen einen Verwandten und es ist somit festzuhalten, dass seine tumpheit bis zum Schluss bestehen bleibt. Der Kampf zwischen den beiden ist von der Stärke beider geprägt, doch es zeigt sich, dass Feirefiz ein wenig stärker zu sein scheint. Dieser Kampf überragt von seiner Qualität sicherlich alle anderen Kämpfe (738, 11- 744, 24), doch die Tatsache, dass hier zwei Brüder aufeinandertreffen, lässt diese Situation dumm und bizarr erscheinen. Durch das Zerbrechen des Schwertes Parzivals kommt es, dass er seinen ersten Kampf verliert, doch seiner Kampfkunst tut dies keinen Abbruch. [Bumke 2004: vgl. S. 115.]

Fazit

Es ist festzuhalten, dass Parzival von einer außergewöhnlichen Schönheit und Stärke gesegnet ist. Immer wieder wird im Verlauf der Handlung darauf eingegangen. Seine Verbindung zu Gott wird dabei in den Vordergrund gerückt. Die Tatsache, dass er ein tumber Held ist, relativieren seine Fähigkeiten etwas. Doch zumindest seine Schönheit wird immer wieder vor seine tumpheit gestellt und als eine Art Legitimation gesehen. Er ist durch seine von Gott gegebene Schönheit mit ihm verbunden und seine Sünden werden damit etwas relativiert. Die Tatsache, dass Parzival immer wieder gegen Verwandte kämpft und ihnen dadurch Schaden zufügt, zieht sich wie ein roter Faden durch den Roman. Klar ist, dass er sehr stark ist und als einer der besten Kämpfer überhaupt dargestellt wird. Doch seine Verfehlungen, in Bezug auf die zahlreichen Verwandtenkämpfe, lassen dies in den Hintergrund rücken. Anders als bei der Schönheit findet sich in seiner Stärke keine Legitimation seiner Taten. Es wird mehrmals daraufhin gewiesen, dass er durch seine tumpheit und die daraus resultierenden Kämpfe Sünde auf sich lädt. Es ist somit zu sagen, dass seine Schönheit als herausstechendstes Merkmal zu sehen ist und sein Äußeres klaren positiven Einfluss auf die Handlung nimmt. Seine Stärke wird deutlich negativer dargestellt und der Einfluss auf den Handlungsverlauf ist weitestgehend schlecht und negativ. Doch zumindest ist festzuhalten, dass der Roman durch diese zwei Eigenschaften vorangetrieben wird, im positiven wie im negativen Sinne.









Quellennachweise

[*Reichert 2007] Reichert, Hermann: Mittelalterliche Literatur als Männerliteratur. Vorlesung WS 2005/2006. Wien: Facultas Verlags- und Buchhandels AG 2007.

[*Huber 1981] Huber,Hanspeter Mario: Licht und Schönheit in Wolframs „Parzival“. Ab- handlung zur Erlangung der Doktorwürde der Philosophischen Fakultät I der Universität Zürich. Inaug. Diss. Zürich, Bern: Juris Druck + Verlag 1981.


[*Hahn 1975] Hahn, Ingrid: Parzivals Schönheit. Zum Problem des Erkennens und Verken- nens im „Parzival“. In: Verbum et signum. Zweiter Band. Beiträge zur mediä- vistischen Bedeutungsforschung. Studien zur Semantik und Sinntradition im Mittelalter. Hrsg. von Hans Fromm, Wolfgang Harms, Uwe Ruberg. Mün- chen: Wilhelm Fink Verlag 1975

[*Michel 1976] Michel, Paul: Formosa deformitas. Bewältigungsformen des Häßlichen in mittelalterlicher Literatur, Bonn 1976.

[*Wuthe 2008] Wuthe, E. Hermine: Die schönen Männer im Parzival, Wien 2008.

[*Bumke 2004] Bumke, Joachim: Wolfram von Eschenbach, Stuttgart/Weimar, 8. Auflage 2004.

  1. Alle Versangaben beziehen sich auf die Ausgabe: Wolfram von Eschenbach: Parzival. Studienausgabe. Mittelhochdeutscher Text nach der sechsten Ausgabe von Karl Lachmann. Übersetzung von Peter Knecht. Mit einer Einführung zum Text der Lachmannschen Ausgabe und in Probleme der 'Parzival'-Interpretation von Bernd Schirok, 2. Aufl., Berlin/New York 2003.