Raumsemantik

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Hinweis: Dieser Artikel entsteht im Rahmen des Haupt- und Oberseminars zu Wolframs Parzival (Sommersemester 2015) und wird laufend überarbeitet.


Einleitung

Der Versuch, die in Wolfram von Eschenbachs Parzival durchwanderten und angestrebten Räume geographisch zu situieren, ist ein Anfang, dem zum Verständnis der Szenen manches hinzugefügt werden kann. Orte sind definiert als „lokalisierbarer, oft auch im Hinblick auf seine Beschaffenheit bestimmbarer Platz“.[Stang 2014] Ein Ort ist objektiv beschreibbar und kann so zum Beispiel auch von einer anderen Person, die solcherlei Wegbeschreibung hört, gefunden werden. Dieser Geographie steht eine Semantik des Ortes nicht gegenüber, sondern kann sie ergänzen. Gerade fiktive Räume sind meist auch für das Geschehen in der Literatur von elementarer Bedeutung. Im Parzival haben wir es mit fiktiven Räumen in einem fiktiven Roman zu tun. Räume werden nicht nur durch die Augen der Protagonisten gesehen, sondern auch durch den Erzähler vermittelt. Auf dieser Metaebene kommt nun noch der moderne Leser ins Spiel, der den Raum in Vorstellungen evoziert. Die durch die Umweltgegebenen Räume im Parzival, bezeichnet als Fluss, Wald oder Burg, sind nur die Denotation. Auf der Ebene der Konnotation kommt einiges hinzu, so werden sich wahrscheinlich Ritter auf der angestrebten Burg befinden, weil Burgen von Rittern bewohnt sind, und ein Wald impliziert Lebewesen, die ihn bevölkern. Des Weiteren sind Räume im Parzival nicht einfach da, sie sind konstruiert von der Betrachtungsweise der Protagonisten, also perspektivisch und nicht objektiv beschrieben. Sie sind eine Synthese von Handlungen und konstituieren den Verlauf von Handlungen gleichermaßen. Räume sind also Knoten in einem Netzwerk von Assoziationen, die die Analyse von Geschehnissen im Parzival bedingen. Erwähnte Überlegungen sollen vor allem anhand der Geschehnisse in Schastel Marveille analysiert werden und auf den Überlegungen zum 'Zauberschloss', welche sich im Artikel Geografische Orte im Parzival finden lassen, aufbauen.

Des Weiteren soll die Überlegung untersucht werden, nach der die Beziehung Räume und Grenzen zur Handlung reziprok ist – gerade auf Grenzen wirkt sich die Handlung aus, und, so meine These, werden nach der Intention des Dichters Wolfram sogar teilweise aufgelöst.

Topologische Räume und ihre Gestaltung

Zur Raumsemantik gibt es einschlägige Artikel von Jurji M. Lotman, die hier kurz umrissen und mit weiteren raumtheoretischen Aspekten verknüpft werden sollen, um im zweiten Schritt an ausgewählten Szenen im Parzival angewendet zu werden. Wichtig ist nach Lotman, dass die räumliche Ordnung einer literarischen und damit künstlichen Welt das organisierende Moment auch im Verlauf der Handlung darstellt, der Raum aber vor allem semantische Relationen ausdrückt. Räumliches wird so zum organisierenden Moment, um das sich nicht-räumliche Charakteristiken ordnen.[Scheffel 2009:141] Topologische Räume, wie sie im Artikel Geographische Orte im Parzival vermerkt sind, können mit semantischen Räumen zusammenfallen und topographisch artikuliert sein.[Schulz 2012:177] Die rein topologische Beschreibung einer Burg kann also, wie in unserem Fall und auch im Artikel vermerkt, mit der Bedeutung, ‚Schastel marveille‘ sei ein ‚Zauberschloss‘ (siehe Geografische Orte) und damit Höhepunkt auf Gâwâns ‚Aventiure‘, zusammenfallen. ‚Schastel marveille‘ ist somit nicht nur Ort auf der Landkarte, sondern mit Bedeutung versehen. Des Weiteren kann häufig von topologischer Komplementarität auf nicht topologische, semantische Gegensatzpaare geschlossen werden. Lotmann rekurriert auf das Beispiel oben versus unten, welches semantisch eine Dichotomie von Himmel und Hölle, Diesseits und Jenseits ausdrücken könne.[Schulz 2012:177] Eine kulturelle Ordnung kann somit topologisch strukturiert sein, die räumliche Trennung von göttlicher Instanz im Himmel und weltlicher auf der Erde macht dies deutlich.

Raumkonstruktion

Ein Kunstwerk selbst ist nicht mimetisches Abbild der Wirklichkeit, es ist immer eine Übersetzung, die ein Weltbild in ihrer eigenen, unbegrenzten Welt erstellt. [Lotman 1993:311] Die erzählte Welt ist somit eine konstruierte Welt, welche auf kulturell Vorgegebenem basiert, aber durch literarische Verfahren etwas anderes entstehen lässt. So konstituieren textinterne und extra-textuelle Elemente das Verständnis des Raumes. Zusätzlich ist ihre Deutung Rezipient-abhängig: „Das Verstehen fiktionaler Welten und Handlungen wird nicht alleine vom Text gesteuert, sondern auch vom Kontext und von Erfahrungen, Kenntnissen, Dispositionen und kognitiven Strukturen des Leser.“[Scheffel 2009:145] Anhand kognitionspsychologischer Untersuchungen konnte identifiziert werden, dass die Strukturierung unserer Wirklichkeitserfahrung räumlich unterstützt ist. [Scheffel 2009:143] Durch die Fokalisierung wird der Leser an einer bestimmten Perspektive orientiert, mit der er sich durch den Roman bewegt. So wird eine Sicht ermöglicht, die den Tiefenwahrnehmungen beispielsweise des Protagonisten folgt, worauf der Fokus der Betrachtung gelegt wird und worauf nicht. Dabei ist „Raumdarstellung nicht mimetisch, nicht Abbild irgendwelcher Wirklichkeit, sondern funktionale auf Handlung bezogen.“[Kellner 2009:25]


Spezifische Grenzen zwischen Räumen

Lotman geht insbesondere auf die Grenzen zwischen disjunkten Räumen ein, die hier insofern betrachten werden sollen, als dass sie topographisch markiert sein können. In einer Analyse des Schlosses ‚Schastel marveille‘ soll hier auf die Trennung zwischen innerhalb und außerhalb der verfluchten Burg rekurriert werden, zwei Räume, die durch ein Tor voneinander getrennt sind. Gâwân überquert diese Grenze. Auch interessant werden könnte die Trennung in einen Raum des Wissens und einen des Nicht-wissens. So geht es nach Schulz manchmal auch darum, „einen gemeinsamen Wissens- und Kommunikationsraum zu etablieren, der gegenüber der bedrohlichen gesellschaftlichen Außenwelt abgeschottet werden muß.“[Schulz 2012:178]

Auch brauchbar werden kann folgender theoretischer Aspekt: Figuren, die den Helden an seinem Tun hindern (Gegner), des Weiteren natürliche Widrigkeiten wie Berge und Flüsse, können Grenzen zwischen „sujetrelevanten semantischen Felder“ darstellen.[Schulz 2012:181] Auch bei Beate Kellner heißt es bezüglich der Transgressionen und damit Überschreitungen der Protagonisten, diese seien meist topographisch markiert, beispielsweise durch einen Fluss oder ähnliches.[Schulz 2012:294] Unter anderem dadurch sind Räume wichtig für die Charakterisierung der Protagonisten, sie geben Aufschluss über dieselben.


Gawan in Schastel marveille

a) Das Tor: Raumgrenzen

‚Ich sag alz ichz hân vernomn. Do er waz für di porten komn, er vant den krâmaere, und des krâm niht laere‘ (562,21.24) Gâwân betritt die verfluchte Burg durch ein Tor, an dem ein ‚krâmaere‘ sitzt. Diese Schwelle zwischen Welt außerhalb der Burg und einem Innerhalb, dessen gesellschaftliche Ordnung zerstört ist, ist durch ein Tor markiert. Bei Betreten der Burg wird diese als wehrhaft beschrieben, sie ist der Ort anstrengender Aufgaben für Gâwân: ‚er vant der bürge wîte, daz ieslîch ir sîte, stuont mit bûwenlîcher wer. für allen sturm niht ein ber Gæb si ze drîzec jâren, op man ir wolte vâren.' Diese räumlich ausgestaltete Wehrhaftigkeit kann mit Lotman als „Abstraktion des Unheils in Dinghaftigkeit“ (Lotmann 325) verstanden werden. Die Aufgabe, die Gâwân zu bewältigen hat, ist trotz ihrer Transzendenz (Verfluchung) räumlich charakterisiert und ausgestaltet. Gleichzeitig ist damit die Grenze zwischen innerhalb und außerhalb der Burg, die den Held von seiner ‚Aventiure‘ trennt, manifest und handlungsleitend, sie verweist auf zu bestehende Abenteuer. (564,27-565,2) Eines dieser Abenteuer besteht in dem Kampf mit einem verzauberten Bett, wodurch ein Kontrast zur folgenden Szene herstellt wird: Nach der Befreiung wird der Held in ein gemütliches Bett gebracht und umsorgt: ‚Diu alte küniginne wîs ein bette hiez bereiten, dâ für ein teppech breiten, bî einem guoten fiure‘ (578,7). Damit ist nicht nur eine andere Konnotation des Bettes aufgerufen, es ist nun nicht mehr gefährliches ‚Lit marveille‘ sondern zur Ruhe Bringendes, gleichzeitig verweist es auf nun in der Burg herrschende Sicherheit. Die Semantik der Burg hat sich damit geändert, aus der bedrohlichen, wehrhaften Burg stechen nun Attribute der Sicherheit und Umsorgtheit hervor.

Lotman spricht von Grenzen zwischen disjunkten Teilräumen mit je eigener Struktur und Schulz resümiert Grenzen teilten zwischen unterschiedlichen Normbereichen. [Schulz 178] So muss auch zunächst anerkannt werden, dass die Burg innerhalb als bedrohliches Abenteuer gesehen werden kann, in welches sich Gâwân mit dem Eintritt durch das Tor begibt. Doch nun kommt eine zeitliche Ebene hinzu. Gâwân befreit die Burg, und damit ist die Grenze zwischen einem Innerhalb mit zerstörter gesellschaftlicher Ordnung und einem Außerhalb aufgelöst. Damit verlieren sich auch weitere topographische Merkmale einer Grenze, nach denen man im Text eine Weile vergeblich suchen kann. Die klare Trennung ist im Auflösen begriffen, der Held Gâwân hat seien Aufgabe erledigt und ‚Schastel marveille‘ ist nun wieder in die höfische, nicht heidnische Welt eingegliedert und kann sich eines christlichen Herrschers rühmen.


b) Künstlerische Ausgestaltung der Räume

Hier folgt eine Tabelle mit Textausschnitt: 565,13-566,30

Der Abschnitt, in welchem Gâwâns erster Eindruck der Burg ‚Schastel marveille‘ geschildert wird, macht durch lange Beschreibungen der Örtlichkeit auf sich aufmerksam. Insofern es heißt: 'Innen er was gezieret' wird das Schloss als schön 'geschmückt', prächtig und elegant dargestellt. Doch in den Räumen, an denen Gâwân vorbeischreitet, sind vor allem Betten vorzufinden 565,17-18. Diese sehr weltlichen Einrichtungsgegenstände könnten als Minneverweis gelten. Denn die Abenteuer, die Gâwân hier bestehen muss, besteht er im Namen seiner angebeteten Orgeluse. Näheres zum Bett als Minneverweis lässt sich im Artikel 'Das Zelt als Zeichen und Handlungsraum' finden. Dieser sehr weltlichen Verankerung, denn das Minneprinzip ist tragender Moment der höfischen Motive, um auf ‚Aventiure‘ zu ziehen (Ritter als Rastlose im Parzival), steht die eigentliche Verfluchung gegenüber: Clinschor, der Besitzer des 'palastes' (566,4), brachte Schmuck in den Raum, darunter viele Edelsteine, 'uz mangegem lande [...]' 566,24. Da der Ursprung Clinschors magischer Kräfte und auch seiner Verbitterung in seiner Reise in den Orient zu sehen ist, wird die Verfluchung heidnischer Art und damit nicht christlich sein. Durch sie geschehen wundersame Dinge auf der Burg: ‚Lit marveille‘ (das wunderbare Bett) bewegt sich wie von Zauberhand, nur knapp kann es, in einem beinah tödlich endenden Kampf, von Gâwân bezwungen werden.


Um in den Raum mit diesem Bett zu kommen, bemerkt er zunächst eine offen stehende Tür. In Rekurrenz auf oben zitierte Theorie Lotmans kann die Offen- oder Geschlossenheit von Räumen ein Merkmal der Bedeutung für Handlungen sein. Hier scheint die offene Tür eine Art Einladung, eine Aufforderung zum Abenteuer, die Gâwân den Weg weist. Durch die Tür ist der Ort der Folgehandlung konstruiert: Eine Kemnate, leer bis auf das in ihr stehendes Bett 'lit marveille'.


Leere ist hier im Gesamten als Ordnungsprinzip zu verstehen. Die Abwesenheit der 400 Damen ob der Verfluchung des Schlosses lässt eine bedrohlich düstere Atmosphäre entstehen, die erst nach der Befreiung durch Gâwân aufgelöst wird und sich in dem wieder-Auftauchen der Damen äußert.

„Erst durch die Befreiung der vierhundert gefangenen Frauen kehrt auf dem Schloss wieder Freude ein." (Geographsiche Orte im Parzival) Der Burgraum lässt sich also zeitlich in ein vorher und nachher separieren. Vor Gâwâns Rettung ist die Burg ein Raum der Trauer, Düsternis, der mythischen Verwünschung und der zerstörten gesellschaftlichen Ordnung. Der Raum ist semantisch als Raum des Bösen aufgeladen. Nach der Befreiung ändert sich die Semantik des Raumes vollkommen, was jedoch kaum topographisch, sondern mehr dadurch deutlich wird, dass Leben in die Burg kommt und plötzlich 400 Jungfrauen die Burg bevölkern. So ist die Burg nach der Erlösung mehr über Geschehnisse charakterisiert und nun positiv konnotiert, die sich in räumlich ausgestalteter Leere artikulieren.

c) Nachbarschaften: Mystik der Burg chiastisch zur göttlichen Gralsburg

Wir haben es hier nicht - wie auf der Gralsburg – mit einer göttlichen Burg zu tun, sondern im Gegenteil, ‚Schastel marveille‘ ist mystisch und teuflisch verflucht. Clinschor belegte die Burg mit einem Fluch, der 400 Damen in seinem Bann hält. Hier geschehen übernatürlich begründete Dinge, das Bett ‚lit marveille‘ zum Beispiel bewegt sich ohne mechanischen Antrieb. Dies ist eine Überkreuzung mit der in Nachbarschaft liegenden Gralsburg. Eben diese Burg wird durch den dort befindlichen Gral in Verbindung mit Gott gebracht. Gott spricht durch den Gral, die Burg ist das Bindeglied zwischen Weltlichem und Göttlichem. Auffallend aber sind die übernatürlichen Beschreibungen auf der Burg, welche keiner christlichen Zeremonie gleichen. Ein am Rande genanntes Beispiel soll Vers 231,15-30 darstellen, in dem eine Lanze herein getragen wird, ‚an der snîden huop sich pluot‘ (231,20). Diese wird von allen Anwesenden gemeinsam beweint, eine rituell anmutende Szene fern jeder christlichen Zeremonie. Stattdessen ist auch hier Transzendentes mythisiert. Vor allem die Performanz, das Sprechen über die Burg, lässt sie als göttlich identifizieren. Schon hier zeigen sich erste Anzeichen des Verschwimmens von Grenzen zwischen Heidnischem und Christlichem. Gleichzeitig tritt Cundrîe zwischen diesen zwei Burgen als Bindeglied auf, sie bringt Arznei für Gâwân. (579,24-25) Hierzu siehe auch: Gegenüberstellung der Herrschaftskonzeptionen im Parzival. Cundrîe, die des Öfteren als Botin auf sich aufmerksam macht, überschreitet Grenzen jeglicher Art. Sie kommuniziert zwischen ‚Schastel marveille‘ und Gralsburg, aber auch zum Artushof und damit zu der sehr weltlichen Sphäre hat sie Kontakt, beziehungsweise bricht Nachrichten bringend als Unheilsbotin (siehe auch Zusammenspiel von äußerer und innerer Schönheit) in die Artusrunde ein. Dadurch verbindet sie zum einen Heidnisches und Christliches, sowie Weltliches und Transzendentes im Allgemeinen. Eine weitere Auffälligkeit kommt hinzu, die im Artikel ‚Zusammenspiel von äußerer und innerer Schönheit‘ näher erläutert ist: Cundrîe ist hässlich, gleichzeitig aber eine weise Frau. Damit ist sie auch als Grenzgänger der Ideale zu bezeichnen, die die Dichotomie schön und klug versus hässlich und unwissend durchbricht. Cundrîe also überquert die Grenze zwischen Gralsburg und ‘Schastel marveille‘, der Weg dazwischen scheint bereisbar (579,24-25) und somit sind die beiden Burgen auch in geographischer Nähe zu sehen.

Schon eigenständig betrachtet ist die Gralsburg nicht nur christlich, sondern mystisch besetzt. Sie ist als christliche Burg bezeichnet, die Beschreibungen der Zeremonien weichen allerdings davon ab. Das Bild der göttlichen Gralsburg ist fluide, statt eines Statischen, Abgegrenzten haben wir es mit einer Burg zu tun, die trotz anderer Behauptung verschiedene Traditionen in sich trägt. Vor allem aber in der geographischen Nähe, die durch Cundrîe zudem überbrückt wird, scheint die Grenze zwischen den beiden Burgen und damit auch zwischen Christlichem und Heidnischem in Auflösung begriffen. Insofern Figuren ohne Mühe die scheinbar klare Grenze zwischen Eigen- und Fremdbestimmung, zwischen dem christlichen Abendland und dem heidnischen Orient (geographisch und in Wert-orientierter Ausdehnung) überqueren können, wird die klassische Grenze in Frage gestellt und zeigt sich nicht nur permeabel, sondern die scheinbar dichotomen Welten greifen gewollt ineinander.

Zweck der Grenzen und Räume

Zu Beginn des Werks in Buch VI wird, zur selben Zeit, als Parzival seine Verfluchung erfährt, Gâwân aus der Artusrunde ausgegrenzt. Um weltliche Huld wieder zu erklangen, muss er Abenteuer bestehen und auf die Suche nach ‚Aventiure‘ gehen. So stellt die Burg ‚Schastel marveille‘ eine klassische Aufgabe dar. Diese dialektische Bewegung des Ausgrenzens und dem Weg zu Eingrenzung bewirkt eine Entwicklung des Helden. Gâwân ist am Ende nicht nur Mann Orgeluses und Herrscher über Burgen, sondern auch wieder Mitglied der Artusrunde. Damit hat Gâwân zum Ende hin eine Harmonie erreicht (Schulz 181), er hat zur Selbstfindung durch Grenzüberschreitung gefunden. Die Trennung zwischen einem höfischen außen und der nicht höfischen, verfluchten Burg ‚Schastel marveille‘ wird durch Gâwân aufgehoben, durch ihn sieht sich die Burg mit ihren Bewohnern wieder in die höfische Welt eingegliedert. (Schulz 182) Dabei wird also durch Übertritt in das Mystische weltliche Huld erlangt.


Zwischenfazit

Geographische Orte im Parzival sind mehr als rein objektive erfassbare Orte. Sie konstituieren die Handlung, wie an der Szene mit ‚lit marveille‘ deutlich wird. Die Kemnate als Aufforderung zur ‚Aventiure‘ beinhaltet ein Bett, dessen mysthisches und teuflsiches Gebaren eine Sequenz in Gâwâns Überlebenskampf darstellt. Auch Grenzen sind auszumachen, die den Helden von einem Abenteuer trennen, hier analysiertes Tor und offen stehende Tür. Gleichzeitig aber ist das Werk Wolframs häufig durch aufgelöste Grenzen charakterisiert. Gerade die typologische Grenze zwischen Heiden und Christen ist weder religiös noch geographisch manifest. Durch chiastische Verschränkungen, wie sie an Grâlsburg und ‚Schastel marveille‘ deutlich werden, werden Grenzen aufgelöst und ihre topographische Realisierung rückwirkend aufgelöst. Das Werk verschränkt Grenzen, um sie aufzulösen. Mein Fazit, welches an einer spezifisch ausgewählten Szene im Parzival orientiert ist, ist also in Bezug auf anfänglich aufgestellt These ambivalent. Zwar sind Räume nicht rein topologischer Natur, sondern semantisiert, und Grenzen zu Beginn annähernd topologisch artikuliert, gleichwohl aber bezweckt das Werk meiner Meinung nach ihre Permeabilität und sogar Auflösung, Grenzen verflüssigen sich und Raumsemantiken sind variabel.


Systemräume

Hier soll diskutiert werden, inwiefern Räume im "Parzival" als Systemräume charakterisiert werden können. Denn im klassischen Sinne können sie eher weniger identifiziert werden, eher über die Stimmung, die in ihnen vorherrscht. Das soll am Beispiel der in Munsalvesche vorherrschenden Trauer analysiert werden.

Bewegungsräume

Die Grahlsburg Munsalvesche und der Artushof sind klassische Bewegungsräume. Inwiefern sie sich aber unterscheiden, und welche Rolle die unterschiedliche Konzeption für den Gesamtkontext spielt, soll an dieser Stelle ausgearbeitet werden.

Literaturverzeichnis

Textausgabe

[*Parzival]Wolfram von Eschenbach: Parzival. Studienausgabe. Mittelhochdeutscher Text nach der sechsten Ausgabe von Karl Lachmann. Übersetzung von Peter Knecht. Mit einer Einführung zum Text der Lachmannschen Ausgabe und in Probleme der 'Parzival'-Interpretation von Bernd Schirok, 2. Aufl., Berlin/New York 2003.

Forschungsliteratur

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  • [*Schulz 2012] Schulz, Armin, 2012: Erzähltheorie in mediävistischer Perspektive. Berlin: de Gruyter.

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  • [*Stang 2014] Stang, Christian, 2014: Ort; Rechtschreibung und Grammatik. Dudenredaktion, Bibliographisches Institut <Berlin> /. Berlin ; Mannheim ; Zürich. Dudenverl.

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  • [*Scheffel 2009] Scheffel, Michael; Matias Martinez, 2009: Einführung in die Erzähltheorie. München: C.H. Beck, S.141.

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  • [*Schulz 2012] Schulz, Armin, 2012: Erzähltheorie in mediävistischer Perspektive. Berlin: de Gruyter. S.177.

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  • [*Lotman 1993] Lotman, Jurij M., 1993: Die Struktur literarischer Texte. München: Fink, S.311.

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  • [*Kellner 2009] Kellner, Beate, 2009: Wahrnehmung und Deutung des Heidnischen in Wolframs von Eschenbach "Parzival" S. 23-50 in: (Hg.), Wechselseitige Wahrnehmung der Religionen im Spätmittelalter und in der Frühen Neuzeit Berlin: de Gruyter. S.25.