Der Prolog (Gottfried von Straßburg, Tristan)

Aus MediaeWiki
Zur Navigation springen Zur Suche springen
Gedaehte mans ze guote niht,
von dem der werlde guot geschiht,
sô waere ez allez alse niht,
swaz guotes in der werlde geschiht.

Diesen vier ersten Versen folgen weitere 240, die zusammen den Prolog in Gottfried von Straßburgs Tristan bilden.
Beeinflusst von der Tradition der klassisch-lateinischen Rhetorik war der Prolog im Mittelalter die Stelle im Roman, an der der Autor üblicherweise sich und seinen Auftraggeber vorstellte, eine kurze Einführung in das Thema gab und beschrieb, welchen Nutzen die Lektüre des Textes für den Leser haben würde.[1]
„Der Prolog nahm innerhalb der mittelalterlichen Dichtungslehre einen besonderen Rang ein“[2], so schreibt Rüdiger Krohn in seinem Stellenkommentar. Ein Prolog war wichtig für den mittelalterlichen Schreiber, hier konnte er seine „poetische Kraft frei entfalten“[3], hatte „Raum für Individualität“[4], „Gelegenheit für Erklärungen und Adressen, für Grundsätzliches und Theoretisches“. Oftmals waren nämlich die, dem Prolog folgenden Inhalte und Geschichten in vielerlei Hinsicht vorgegebene Stoffe mit zwingenden Mustern in Inhalt oder Form. Als Einleitung trug der Prolog so, nicht selten die Gedanken des Autors und hatte oft eine Schlüsselfunktion für die Bedeutung der Geschichte inne.

Aufgrund seines Inhaltes, seines bemerkenswerten Aufbaues und weil man sich außerdem durch die Aufschlüsselung seiner Aussagen mehr Verständnis für den restlichen Text erwartete, gehört der Prolog zu den meistdiskutierten Stellen des Tristan Romans von Gottfried.[5]


Inhalt

Zu Beginn philosophiert der Autor allgemein über das Gute und über seine Tätigkeit und sein Wirken als Künstler.(1-44)
Er erklärt für das Publikum der edelen herzen zu dichten und mit ihm eine Gemeinschaft zu bilden. Das Publikum weiß um die Vorteile des Leides, welches bei der Lektüre eine Liebesgeschichte entstehen kann. Ihre Einstellung dem Leid gegenüber vereint Autor und Publikum und schafft eine Harmonie.(45-70)
Im weiteren Verlauf schildert Gottfried, welchen Wirkung sein Roman als Liebesgeschichte auf die Leser hat und warum auch ein Liebender sie lesen sollte.(71-122).
Nach einer Erläuterung, warum er gerade den Tristanstoff als Thema seines Romans gewählt habe und wie er bei der Bearbeitung vorgegangen sei,(123-171) betont Gottfried ein weiteres Mal die Wirkung von Liebeserzählungen auf das Publikum.(172-240)
Der Prolog endet mit der Bitte Gottfrieds an sein Publikum, ihm Aufmerksamkeit zu schenken. Während des gesamten Prolog geht es zudem bereits auch immer wieder um Gottfrieds Definition der minne.

Aufbau und sprachliche Auffälligkeiten

Reimschema

Der Prolog beginnt mit elf Strophen (1-44), die aus jeweils vier Versen bestehen und zwei Reimwörter aufweisen. Die Strophen eins bis fünf sowie die elfte Strophe sind kreuz-, die restlichen Strophen umarmend gereimt.
Es folgen durchgehend stichische Reime (45-244), die einmal kurz vor dem Ende (233-240) von zwei vierzeiligen Strophen unterbrochen werden. Da die Überlieferungslage an dieser Stelle lückenhaft ist, kann der Aufbau der beiden Strophen jedoch nicht als gesichert gelten.[Krohn 2008: 35f]
Das folgende Textbeispiel stellt den beschriebenen Übergang von den umarmenden zu den stichischen Reimen dar:


Vers 41ff.

Trîbe ich die zît vergebene hin,
sô zîtic ich ze lebene bin,
sône var ich in der werlt sus hin
niht sô gewerldet,alse ich bin.
Ich hân mir eine unmüezekeit
der werlt ze liebe vür geleit
und edelen herzen z'einer hage,
den herzen, den ich herze trage,
der werlde, in die mîn herze siht.


Akrostichon

Die ersten Strophen weisen außerdem hervorgehobene Initialen auf. Sie bilden das Akrostichon DIETERICH[6] und den Auftakt zu einem, den ganzen Roman durchziehenden Kryptogramm. Im weiteren Verlauf des Romans tauchen immer wieder solche Initialen auf, die in einem verschachtelten System weitere Namen, etwa den des Autors Gotefrid, darstellen.[7]

Wortwiederholungen

AUSBAUBAR
Auffallend sind zudem die Häufungen von bestimmten Wörtern in einzelnen Teilen des Prologes, etwa gout zu Beginn, in der Mitte sene und am Ende leben.[8]

Paradoxien

Forschungsüberblick

Wie bereits erwähnt, gehört der Prolog zu den meistdiskutierten Stellen im Tristanroman. So haben unter anderem die Verse elf und zwölf sowie die Interpretation der Bedeutung von 'edlen herzen (47) eine eigene Forschunsgeschichte.[9]
Generell lassen sich in der Forschungsmeinungen vier Richtungen ausmachen:[10]
Während etwa Arthur Hatto[Hatto 1976] der Ansicht ist, zumindest der strophische Prolog habe überhaupt keine Aussage, erkennt Albrecht Schöne[Schöne 1973] im dem Textstück vor allem ethnische-, Helmut Brinkman [Brinkmann 1966]wirkungsästhetischen Inhalte. Eine vierte Gruppe wiederrum sucht einen Deutungs-Mittelweg.


Anmerkungen

  1. Zum Prolog im Mittelalter allgemein vgl. etwa [Brinkmann 1966]
  2. Gottfried von Straßburg Tristan Band 3, Stellenkommentar und Nachwort Rüdiger Krohn, S.15
  3. ebendies, S.15
  4. ebendies, S.15
  5. [Krohn 2008: 15] Siehe dazu auch Kapitel 3.
  6. Vermutlich ein Hinweis auf den Auftraggeber des Werkes siehe dazu den Artikel zum Kryptogramm im Tristan
  7. Vgl. etwa: [Fourquet 1973]; [Schirok 1984]; [Huber 2000: 27ff.];.
  8. Vgl. dazu: [Schöne 1973: 152ff.]; Zur Bedeutung von gout vgl. etwa: [Peschel 1976: 28-3; 46-49]
  9. Zu den Versen elf und zwölf vgl. etwa: [Quint 1966: 71ff.];[Winkelmann 1980: 244ff.]. Zur Definition der edelen herzen vgl. etwa die umfangreiche Problematisierung in [Krohn 2008: 25ff]; Auch: [Mazzadi 2000: 66ff.].
  10. Vgl. dazu die Erläuterungen von: [Keck 1998: 186ff.]


Literatur

<HarvardReferences />

  • [*Brinkmann 1966] Brinkmann, Hennig: Der Prolog im Mittelalter als literarische Erscheinung. In: Studien zur Geschichte der deutschen Sprache und Literatur Bd.2. Düsseldorf 1966, S. 79-105.
  • [*Fourquet 1973] Fourquet, Jean: Das Kryptogramm des „Tristan“ und der Aufbau des Epos. In: Gottfried von Straßburg. Hrsg. Von Alois Wolf. Darmstadt 1973 (WdF, 320),S. 362-370.
  • Gottfried von Straßburg: Tristan. Nach dem Text v. Friedrich Ranke neu hg., ins Neuhochdeutsche übers., mit e. Stellenkommentar u. e. Nachw. v. Rüdiger Krohn. Bd. 1–3 Stuttgart 1980.
  • [*Hatto 1976] Hatto, Arthur: Instruction. In: Hatto, Arthur (Hrsg.): Gottfried. Tristan, Harmondsworth 1976, S. 1-35.
  • [*Huber 2000] Huber, Christoph: Gottfried von Straßburg. Tristan und Isolde. Eine Einführung. Berlin 2000.
  • [*Keck 1998] Keck, Anna: Die Liebeskonzeption der mittelalterlichen Tristanromane. Zur Erzähllogik der Werke Bérouls, Eilharts, Thomas‘ und Gottfrieds. München 1998 (Beihefte zur Poetica, 22).
  • [*Krohn 2008] Gottfried von Straßburg: Tristan. Band 3. Kommentar. Hrsg. von Rüdiger Krohn. Stuttgart 2008.
  • [*Mazzadi 2000] Mazzadi, Patrizia: Autorreflexion zur Rezeption: Prolog und Exkurse in Goffrieds “Tristan“. Trieste 2000 (Quaderni di Hesperides. Serie Saggi 2).
  • [*Peschel 1976] Peschel, Gerd-Dietmar: Prolog Programm und Fragment-Schluß in Gofrits Tristanroman. Erlangen 1976 (Erlanger Studien, 9).
  • [*Quint 1966] Quint, Josef: Ein Beitrag zur Textinterpretation von Gottfrieds Tristan und Wolframs Parzival. I. Zu Tristan v. 11-12. II: Der Gralstein in Wolframs Parzival und der Paradiesstein im Strassburger Alexander. In: Festschrift Helmut de Boor zum 75. Geburtstag am 24. Marz 1966. Tübingen 1966, S. 71-91.
  • [*Schirok 1984] Schirok, Bernd: Zu den Akrosticha in Gottfrieds Tristan. Versuch einer kritischen und weiterführenden Bestandsaufnahme. In: ZdA 113 (1984), S. 188-213.
  • [*Schöne 1973] Schöne, Albrecht: Zu Gottfrieds Tristan-Prolog (1955). In: Gottfried von Straßburg. Hrsg. Von Alois Wolf. Darmstadt 1973 (WdF, 320), S. 147 -181.
  • [*Winkelmann 1980]Winkelmann,J.H.: „Das ist des lützelen ze vil“. Zur Erkenntnisproblematik in Gottfrieds Tristanroman. In: Neophil. 64 (1980), S. 244-261.