Verwandtschaftsbeziehungen bei der Gralssuche (Wolfram von Eschenbach, Parzival)

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Einleitung

Im Zentrum des Buches von Wolfram von Eschenbach stehen ohne Zweifel der Gral und die Tafelrunde. Findet die Tafelrunde ihren Sitz auf dem Hof von König Artus, so hat der Gral die Gralsburg und die damit einhergehende Grasgesellschaft zum Dreh und Angelpunkt. Jedoch im Gegenzug zu Artus und seinem Artushof, herrscht in der Gralsgesellschaft ein anderes Verständnis von Ehre. Diente die Ehre in der Tafelrunde als Kriterium zur Aufnahme, da sie Ritterlichkeit und Wertschätzung widerspiegelt. So ist im gegensätzlichen Fall die Ehre ein Verständnis das einer religiösen Konnotation folgt.


Doppelwegstruktur

Parzivals Aufnahme in die Tafelrunde ist geprägt von einer Doppelwegstruktur. Er muss sich bewähren, um in die Tafelrunde Eintritt zu finden. Dies ist jedoch in seinem Fall auf eine zweimalige Aufnahme - beim zweiten Male mit allen Ehren - somit eine doppelte Doppelwegstruktur zurückzuführen.

Sein Weg in die Gralsgesellschaft erfüllt jedoch einen vollkommen anderen Ansatz. In diesem Fall ist es auf seiner aventiure so, dass er Unterschlupf in der Burg Munsalvaesche findet. Ohne sein Wissen befindet er sich auf dem Hof des Grals. Dort wird er freudig erwartet. Denn er ist ein direkter Nachkomme des ersten Gralkönigs - Titurel - und damit legitimer Nachfolger auf den Thron. Jedoch versäumt er - seiner ritterlichen Erziehung geschuldet - den Burgherren nach seinem Leiden zu fragen, und damit den Platz auf dem Thron einzunehmen.


Die Geheimnisse des Grals

Gilt der Gral in diverser Literatur als das Symbol der Christenheit, und wurden in der Geschichte seit jeher Kämpfe und Kreuzfahrten aufgenommen um ihn zu finden. Erste Erwähnung findet das Gralsmotiv in der mittelalterlichen Literatur. Das Gralsmotiv wie wir es in heutiger Zeit kennen geht hierbei auf Werke wie Le Conte du Graal ( Erzählungen vom Gral), Chrétien de Troyes Perceval zurück [Graf 2007: vgl. S.3]

Wolframs Gralsdarstellung im Parzival

In Wolframs Parzival hatte Trevrizent angekündigt: Parzival erführe die Geheimnisse des Grals

diu verholnen maere umben grâl (452,30)

Die Neugierde der Rezipienten wird damit gestillt, die der Erzähler im V. Buch auf einen späteren Zeitpunkt verlegt hatte (241,1ff). Parzival als auch dem Rezipienten erschließt sich, dass es eine mächtige Ritterschaft um den Gral gibt ( templeise 468,28 findet erstmalig Erwähnung). Diese Ritterschaft wird vom Gral genährt. Alles übrige ist durch Trevrizent vermittelt: Der Gral sei ein Stein namens lapsit exillîs (469,7) seine Kraft verlieh seit jeher Kraft und Jugend. Das Zeremoniell um den Karfreitag wird ebenso erwähnt. Eine Taube fliegt vom Himmel direkt auf den Gral und legt dort eine Oblate ab. Daraus speise sich die Kraft des Grals. Mitunter zeige sich eine mysteriöse Schrift auf dem Gral, durch die Gott den Gralsanhängern Anweisungen mitteile.

Diese Erkenntnisse zeigen auf, dass Parzival in einen reflektorische Perspektive - zum V. Buch - wechselt. Denn nun ist klar: dass Parzival durch die Erlösung Anfortas - durch eine Frage - selbst zum Gralskönig geworden wäre. Dies ist eine besondere Art der Gnade Gottes, derer ihm beinahe zuteil geworden wäre. [Bumke 2004: vgl. S. 90f]


Blutsbande an den Gral

Titurel und seinen Nachkommen wurde einst von „neutrale Engel“ (471,15-21) ausgehändigt. Dieser Blutlinie folgend ist Parzival einer der direkten Nachkommen dieser Linie. Ebenso wie Gawan und Parzivals Vetter Vergulaht - genauer er ist der Schwesternsohn von Gahmuret. Sie alle entstammen ein und der selben Blutlinie. Erstaunlich und zugleich verwunderlich ist, wenn der Leser feststellt, dass Parzival im Laufe des Buches gegen einen weiteren Verwandten zu Felde zieht. Wie in Buch 8 geschehen, und wie es in Buch 10 ein weiteres Mal geschieht [vgl. Bumke 2004: S 85]. Auch erstaunlich ist das Verwandtschaftsmotiv im Parzival wenn es die religiösen Töne anschlägt.

Parzival und Feirefiz

So tritt Parzival auch gegen seinen Bruder Feirefiz an. Jedoch ist dies unter einem anderen Spektrum zu betrachten. Denn hier treffen heidnisch (nicht christlich) gegen religiös (christlich) aufeinander. Der Gral als Symbolbild des anzustrebenden christlichen Ideals duldet nur christliche Mitglieder. Weshalb sich Feirefiz taufen lassen muss, sobald er mit seiner Secundille eine Ehe schließen möchte. Dies obgleich Feirefiz bei ihrem Aufeinandertreffen im Text als vollkommender Ritter dargestellt wird, und somit sogar über Parzival steht [Raucheisen 1997: vgl S. 71]. Im Buch erfährt man dass der Erzähler Angst um Parzival habe, wäre ihm nicht der Gral und Condwiramurs als Hilfe zu Teil.

Jedoch erhält Feirefiz Unterstützung aus einem Edelstein, und aus seiner Liebe zu Secundille. Während des Kampfes zerbricht Parzivals Schwert - welches er seinerzeit von Ither im Kampf nahm. Gott zerbricht das Schwert um einen Brudermord zu verhindern, der ansonsten unwissentlich durch Parzival geschehen wäre. Zu diesem Zeitpunkt hat Parzival bereits Gott abgeschworen, es sei denn er sähe den Gral ein zweites Mal [Bumke 2004: S. 83 f] Dies ist nicht nur ein Verlust seiner Waffe, sondern eine Demütigung seiner Person. Denn Parzival geht in diesem Kampf als Verlierer hervor. Das erste Mal überhaupt. [Bumke 2004: vgl. S. 115] Erkennen Ither, Artus oder Gawan in Feirefiz bereits den "Sippenkörper", bedarf es für Parzival erst einem Anstoß dazu, Verwandte als solche zu erkennen und folglich auch dementsprechend zu behandeln [Czerwinski 1989: vgl. S.155] Parzival weiß wohl - durch Cundrie - um einen Verwandten aus dem Orient dessen Macht und Reichtum ihresgleichen suchen. [Bumke 2004: S. 77] Feirefiz erkennt in Parzival ein Stück seiner Selbst [Bumke 2004: vgl S. 116]

Mittelhochdeutsch Neuhochdeutsch
beidiu mîn vater unde ouch duo mein Vater und auch du, ihr beiden,
und ich, wir wâren gar al ein und ich, wir waren völlig eins-
doch ez an drîen stücken schein. doch wir erscheinen dreigeteilt.

752,8 -10


"Die Anspielung auf die Trinität veranschaulicht die Erhabenheit der verwandtschaftlichen Identität." [Bumke 2004: S. 116] Jedoch ist die Trinität auch ein wichtiges Merkmal der christlichen Religion, die in der Verwandtschaft ihre göttliche Bestimmtheit findet. Denn die aus Gott herausfließende, heilsame und befreiende Kraft ist im neuen Testament der Bibel als Gottes Gnade umschrieben. Dieses Geistwirken Gottes erweist sich als Gnade auf dieser Welt. Sie verweist aus eine Zueignung beziehungsweise Zusprechung an Vater, Sohn und heiligem Geist.[Gestrich 2001: vgl S.406]


Parzival und Gawan

Im Gawan-Teil des Textes - die Bücher X-XIV umfassend - wird Gawan gebeten die Suche nach dem Gral aufzunehmen.

hêr Gawan ich wil iuch des biten (428,13)

Dies geschieht auf Grundlage des Vorschlages von Liddamus, die Gralsuche auf Gawan zu übertragen. Alle Beteiligten werden damit nicht berührt und vollkommen unbeschadet belassen. Gawan wird zu keiner Zeit in eine Zwangslage gebracht, sondern viel eher wie ein hochgeehrter Gast gebeten. Gawans Antwort ist zustimmend, ohne sich dabei etwas zu vergeben.


Fazit

Quellennachweis

<HarvardReferences />

[*Bumke 2004] Bumke, Joachim: Wolfram von Eschenbach. Achte Auflage. Stuttgart/Weimar: J.B. Metzler, 2004.

[*Czerwinski 1989] Czerwinski, Peter: Der Glanz der Abstraktion. Frühe Formen von Reflexivität im Mittelalter.Frankfurt/New York: Campus Verlag, 1989.

[*Gestrich 2001] Gestrich, Christof: Christentum und Stellvertretung: Religionsphilosophische Untersuchungen zum Heilsverständnis und zur Grundlegung der Theologie.

[*Graf 2007] Graf, Daniel: Kulturgeschichte des Heiligen Grals im Hinblick auf das Gralmotiv im Film. Norderstedt: Grin, 2007

[*Raucheisen 1997] Raucheisen, Alfred: Orient und Abendland. Ethisch-moralische Aspekte in Wolframs Epen Parzival und Willehalm. Frankfurt a.M.: Peter Lang GmbH, 1997.

<references>