Träume und ihre Bedeutungen im Parzival (Wolfram von Eschenbach, Parzival)

Aus MediaeWiki
Zur Navigation springen Zur Suche springen

Dieser Artikel beschäftigt sich mit Träumen in Wolfram von Eschenbachs Parzival. Ein kurzer Einblick in die Visions- und Traumtheorie des Mittelalters [Bumke 2001: Vgl. S. 50 - 54] soll die Basis bilden, auf der die Betrachtung verschiedener exemplarischer Traumszenen, wie beispielsweise Herzeloydes Traum (103, 25 - 104, 30) oder Parzivals Traum auf der Gralsburg ( ), aufbaut. Kontrastierend sollen hierbei die Unterschiede zwischen der literarischen Beschreibung von Träumen im Mittelalter und dem heutigen Schreiben über Träume aufgezeigt werden. Hinsichtlich der Deutung und Interpretation der Träume in Wolframs Parzival ist zu beachten, dass dies natürlich fiktive Träume in Literatur sind. Somit ist die Traumdeutung in diesem Falle eher eine Deutung der durch Träume vermittelten erzählerischen Effekte und der Ansichten über Träume, die im fiktiven Traum gespiegelt werden. [Manuwald 1994: Vgl. S. 38]


Träume im Mittelalter

Während Träume aus heutiger Sicht als ein sich im Unterbewusstsein abspielendes Phänomen betrachtet werden, werden sie im Mittelalter als "eine Erfahrung, die geistlich und sinnlich zugleich ist und Leib und Seele umfasst."[Langer 1994: S. 80] Der Träumende wird somit vollkommen vom Traum beeinflusst, sowohl psychisch, als auch körperlich, was den Traum einflussreicher darstellt - einerseits, da er allumfassend auf das Individuum wirkt und andererseits, da das mittelalterliche Wissen hinsichtlich des Entstehens von Träumen beschränkt ist.

Im Christentum sind Träume Bestandteil des Glaubens und befinden sich "auf einem schmalen Grat zwischen Heiligkeit und Dämonie, zwischen Glaube und Häresie. Dieser Eindruck drängt sich auf, wenn man die Aufzeichnungen der Träume und die Dikussionen über sie verfolgt."[Busse 1994: S. 53] Die Kirche versucht hierbei als Kontrollinstanz zu wirken, welche entscheidet, welche Art von Traum (ob gottgesandt oder teuflischen Ursprungs) geträumt wurde: "Über Träume und ihre vorausdeutende Kraft Verbindliches auszusagen, ist allein Vorrecht der Klerikalen, ist Monopol der Kirche."[Busse 1994: S. 57] Im 12. Jahrhundert ändert sich dies mit Hereinbreichen des Wandels durch Humanismus und Entdeckung des Individuums[Busse 1994: Vgl. S. 57] und Träume werden als etwas verschleiertes, codiertes wahrgenommen, welches einer Deutung bedarf, die sich "von dem Stigma des Diabolischen emanzipiert."[Busse 1994: S. 59] Eine Unterscheidung zwischen Vision und Traum findet im Mittelalter kaum statt, was den zukunftsorientierten Charakter des Traumes unterstreicht. Stets wichtig ist die prophetische Rolle des Traums, welcher Zukünftiges vorhersagt. Auch im Parzival verwendet Wolfram Träume für diesen Zweck.


Herzeloydes prophetischer Traum vor Parzivals Geburt

(siehe auch: Herzeloydes Traum und Leid)

Im II. Buch des Romans träumt die schwangere Herzeloyde, seit Monaten sehnsuchtsvoll auf ihren Ehemann Gahmuret wartend, einen prophetischen Traum, in dem feurige Donnerstrahlen auf sie niederfahren, bevor sie einen Drachen stillt, der ihr schließlich das Herz aus der Brust reißt und davonfliegt. Nach dem Erwachen wird Herzeloyde die Nachricht vom Tod ihres Mannes überbracht, woraufhin sie in Ohnmacht fällt und vor Trauer beinahe stirbt.


Diu frouwe umb einen mitten tac Eines Mittags schlief die Dame einen
eins angestlîchen slâfes pflac. Schlaf, der war voll Angst. Es kam ihr ein
ir kom ein forhtlîcher schric. Erschrecken, das sie zusammenzucken
ließ.

(103, 25 - 27)

Hier zeigen sich bereits Differenzen in der Darstellung und Bedeutung von Träumen im Mittelalter und der Darstellung und Bedeutung von Träumen heute. Während wir uns heute oftmals an der Freudschen Traumdeutung [1] orientieren, bei der durch codierte Träume Unterbewusstes verarbeitet wird. Basal gesprochen sind Träume damit eine Kommunikation mit sich selbst, die entschlüsselt werden muss. Herzeloydes Traum hingegen ist eher als eine Prophezeiung zu verstehen, die nicht aus ihr selbst kommt, sondern transzendent ist. Dafür spricht auch, dass sie zwar schläft, jedoch noch eher bewusst reagiert, sogar erschrickt und zusammenzuckt. Damit vollzieht sich eine Trennung zwischen ihrer Person und dem quälenden Traum.

Parzivals Alpträume auf der Gralsburg

Parzivâl niht eine lac: Parzivâl lag nicht alleine; mit ihm in
geselleclîche unz an den tac seinem Bett war bis zum Morgen die böse
was bî im strengiu arbeit. Qual. Sie schickte ihre Leute zu ihm in
ir bote künftigiu leit den Schlaf und ließ ihm künftige Leiden
sanden im in slâfe dar, bringen. So wurde an dem jungen Schö-
sô daz der junge wol gevar nen der Traum in seiner ganzen Schwere
sîner muoter troum gar widerwac, aufgewogen, den seine Mutter nach
des si nâch Gahmurete pflac. Gahmuret träumte.

(245, 1 - 8)[2]

Interessant ist bei dieser Beschreibung, dass Alpträume als eine beinahe greifbare Qual dargestellt werden, die anwesend und materialisiert den Träumenden beeinflusst. Die Qual des Alptraums wird hierbei personifiziert und ist eine aktive Kraft.

Fazit

Literaturnachweise

<HarvardReferences />

[*Bumke 2001] Bumke, Joachim: Die Blutstropfen im Schnee. Über Wahrnehmung und Erkenntnis im Parzival Wolframs von Eschenbach. Tübingen 2001.

[*Busse 1994] Busse, Wilhelm G.: Träume sind Schäume. In: Hiestand, Rudolf (Hg.): Traum und Träumen. Inhalt - Darstellung - Funktionen einer Lebenserfahrung in Mittelalter und Renaissance. Düsseldorf 1994, S. 43 - 65.

[*Langer 1994] Langer, Otto: Vision und Traumvision der spätmittelalterlichen dominikanischen Frauenmystik. In: Hiestand, Rudolf (Hg.): Traum und Träumen. Inhalt - Darstellung - Funktionen einer Lebenserfahrung in Mittelalter und Renaissance. Düsseldorf 1994, S. 67 - 84.

[*Manuwald 1994] Manuwald, Bernd: Traum und Traumdeutung in der griechischen Antike. In: Hiestand, Rudolf (Hg.): Traum und Träumen. Inhalt - Darstellung - Funktionen einer Lebenserfahrung in Mittelalter und Renaissance. Düsseldorf 1994, S. 15 - 42.

Anmerkungen

  1. Freud, Sigmund: Über den Traum. Die Traumdeutung. Inauguriert 1899. Frankfurt am Main 1991.
  2. Alle folgenden Versangaben beziehen sich auf die Ausgabe: Wolfram von Eschenbach: Parzival. Text und Übersetzung. Studienausgabe. Mittelhochdeutscher Text nach der sechsten Ausgabe von Karl Lachmann. Übersetzung von Peter Knecht. Mit einer Einführung zum Text der Lachmannschen Ausgabe und in Probleme der 'Parzival'-Interpretation von Bernd Schirok, 2. Aufl., Berlin/New York 2003.