Tristans Nutzen falscher Identitäten (Gottfried von Straßburg, Tristan)

Aus MediaeWiki
Version vom 25. Februar 2016, 14:12 Uhr von Nico Kunkel (Diskussion | Beiträge)
(Unterschied) ← Nächstältere Version | Aktuelle Version (Unterschied) | Nächstjüngere Version → (Unterschied)
Zur Navigation springen Zur Suche springen
Tristan und Isolde, Ölgemälde von 1902 von Edmund Blair Leighton (1853–1922); Tristan nutzt die falsche Identität des kranken Spielmanns Tantris

1 Tristans Entführung

Als junger Mann wird Tristan von Norwegern entführt, die von seiner guten Bildung und Erziehung begeistert sind. Die Kaufleute erhoffen sich von ihm Ansehen und Nutzen, weshalb sie beschließen, ihn zu entführen.

alsolher cûrtôsîe
treip er vil und sô vil an,
biz aber die werbenden man
ze râte wurden under in:
kunden s´in iemer bringen hin
mit keiner slahte sinnen,
sî möhten sîn gewinnen
grôzen vrumen und êre.
(V. 2296-2303)

Dieses völlig überraschend auftretende Ereignis erschüttert Tristan so, dass er im Nachhinein vorsichtiger ist und seine Talente nur noch bewusst vorsichtig einbringt. Vor allem kam die Entführung Tristans sehr spontan zustande, denn eigentlich war die ganze Unternehmung der Norweger nicht geplant. Somit haben diese sein Vertrauen in die Menschen erschüttert. Durch die Entführung wird Tristan erst bewusst, wie sehr er Menschen beeinflussen und sich selbst dadurch schützen kann, wenn er nur seinen Verstand einsetzt. So nutzt er einen Sturm aus dem Meer, um die Kaufleute davon zu überzeugen, ihn freizulassen, die den Sturm auch als Strafe Gottes ansehen.

Die Entführung, die Tristan widerfährt, löst des Weiteren ein Gefühl aus, welches ihm bis dato womöglich noch gänzlich fremd war, nämlich, dass nicht alle Menschen nur Gutes in sich tragen und zum Wohle der Anderen handeln. Tristan erfuhr bis zu der Entführung meist Respekt und Vertrauen, welches er auch anderen gab, wohingegen die Kaufleute ihn aus purem Eigennutz entführen und nicht um ihn vor einer Gefahr oder Schlechtem zu schützen. Tristan werden im Roman größtenteils positive Züge und Fähigkeiten zugeschrieben, die er nicht eigensinnig für sich behält, sondern ganz im Gegenteil mit allen teilen möchte. Er klärt zum Beispiel die Jagdgesellschaft, die er bald schon trifft, darüber auf, wie man einen Hirsch ordnungsgemäß und fachmännisch zerlegt.

2 Tristans Lügengeschichten

2.1 Vor den Pilgern

Beim Aufeinandertreffen von Tristan und den Pilgern erfindet Tristan zum ersten Mal eine Lügengeschichte. Diese Lügen ziehen sich von da an durch sein ganzes Leben und er benutzt sie immer wieder um seine Identität zu verschleiern oder sich aus komplizierten Situationen zu befreien. Bei den Pilgern lügt er, um sich selbst zu schützen. Die Kaufleute setzen Tristan mit genügend Proviant an der Küste Cornwalls aus und fahren weiter. Da Tristan nicht weiß, wo er ist, setzt er sich nach einer Weile an einem breiten Weg zur Rast. Da sieht er von weitem zwei Männer auf ihn zukommen. Obwohl er erkennt, dass es sich bei den beiden Männern um Pilger handelt, misstraut er ihnen und gibt seine wahre Identität nicht preis. Das gibt ihm die Sicherheit, sich vorerst nicht fürchten zu müssen. Er kann sich, ohne seinen Stand und Status völlig preiszugeben, zuerst durch seine Charaktereigenschaften beweisen und zeigen, dass er eine höfische Erziehung genossen hat und in guter Gesellschaft aufgewachsen ist. Sein erstes Auftreten ist für seine Umwelt sehr beeindruckend, sodass die Bekanntgabe seiner Identität die Begeisterung für ihn später noch steigert.

er haete sîne mâze
an rede und an gelâze
sô wol, daz es die wîsen,
die getageten und die grîsen
ze grôzen saelden jâhen
und aber ie baz besâhen
sîne gebaerde und sîne site
und sînen schoenen lîp dâ mite;
(V. 2739-2746)

Mit der Maskerade bezweckt Tristan in diesem Fall nicht mehr als seine Sicherheit, bis er weiß, welche Verhältnisse in diesem Land herrschen und ob er den Menschen vertrauen kann.

2.2 Vor Marke und der Jagdgesellschaft

Als Tristan auf dem Weg mit den Pilgern das Horn einer Jagdgesellschaft hört verabschiedet er sich höflich von den Pilgern mit der Erklärung, dass das die Jagdgesellschaft ist, die er verloren hatte, bevor er auf die zwei Pilger traf. Als Tristan auf die Jagdgesellschaft trifft, sieht er wie der erlegte Hirsch hingelegt wird ûf alle viere alsam ein swîn (V. 2791) (auf alle viere, wie ein Schwein.) Er spricht den Jägermeister darauf an, wieso sie den Hirsch so unangebracht zerlegen wollen. Die Jagdgesellschaft ist zuerst erstaunt, bietet Tristan jedoch an ihnen zu erklären, wie man einen Hirsch nach allen Regeln der Kunst zerlegt. Tristan willigt ein und erklärt ihnen fachmännisch mit großem Fachvokabular (Furkie/Curie)wie man einen Hirsch professionell zerlegt. Die Jagdgesellschaft ist von Tristans Bildung und seinen Fertigkeiten so begeistert, dass sie ihm ein Pferd geben und ihn bitten, nach Brauch und Sitte mit ihnen an den Hof Markes zu reiten. So geschiet es dann auch. Auf dem Weg zu Marke fragen sie ihn nach seiner Lebensgeschichte. Da nutz Tristan seine Schläue und erzählt ihnen eine neue Lügengeschichte. Er gibts sich als Kaufmannssohn aus, den sein Vater wohl erzogen hat. Er berichtet, dass er seinem Vater weggelaufen wäre um mehr von der Welt kennenzulern.

dâ ist mîn vater ein koufman,
der wol nach sîner ahte kan
der werlde leben schône unde wol,
(V. 3099-3101)

(Dort ist mein Vater ein Kaufmann,/ der seinem Stande angemessen / behäbig und gut lebt,)

der hiez mich lêren, daz ich kan
(V. 3107)

(Der hat mir beibringen lassen, was ich kann)

So zieht Tristan mit der Jagdgesellschaft vom ganzen Hof bewundert, am Hof seines Onkels Marke und wird von diesem, ohne zu wissen das dies sein Neffe ist, wegen seiner vielen Tugenden freudig aufgenommen.

2.3 Tantris

Tristan erfährt am Hofe seines Onkels von dem Zinseintreiber Morold, der Jahr für Jahr für sein Schwager und König Gurmun von Irland Zinsen eintreibt und dabei viel Besitz, wie auch Jünglinge des Landesmit sich fortnimmt. Um das zu stoppen, stellt sich Tristan Morold im Kampf und tötet Morold dabei. Tristan wird aber durch dessen Schwert vergiftet. Morold teilt ihm vor seinem Tod mit, dass ihm nun nur seine Schwester, Königin Isoldevon Irland helfen kann. Also macht Tristan sich nach einigem Überlegen zu ihr auf um mit Hilfe einer List von ihr geheilt zu werden. Er lässt sich kurz vor der Küste Irlands auf einer Bahre aussetzen und wird dort gefunden und an den irischen Hof gebracht. Dort erzählt er, er wäre ein reicher Kaufmann, der zuvor ein begnadeter Spielmann war, der sich durch seine vielen Künste viele Reichtümer erworben hatte. Als er als Kaufmann auf dem Meer von Piraten überfalen wurde, ließ man nur ihn am Leben und setzte ihn mit der Wunde, die ihm bis jetzt blieb mit Proviant auf dem Meer aus. Durch seine Schläue und den Beweis, das er alle seine Fertigkeiten sehr gut beherrscht, erreicht Tristan als Tantris getarnt schließlich, was er wollte. Die Königin Isolde heilt ihn von seiner Vergiftung. Er unterrichtet als Gegenleistung deren Tochter Isolde in alen seinen Fertigkeiten. Ihm wird nach seiner Genesung sogar die Heimfahrtgestattet und so reist er ohne große Schwierigkeiten zurück an den Hof seines Onkels Marke.


Literatur

[*Ranke 1980] Gottfried von Straßburg: Tristan. Mittelhochdeutsch/Neuhochdeutsch. Nach dem Text von Friedrich Ranke neu hg., ins Neuhochdeutsche übers., mit einem Stellenkommentar und einem Nachwort von Rüdiger Krohn. Band 1-3. Stuttgart 1980.