Dörperliche Sommerlieder am Beispiel von c 34 (Neidhart)
Ein interessanter und wichtiger Liedtypus des Neidhartschen Œuvres sind die dörperlichen Sommerlieder (Aus der Typologie der Lieder Neidharts nach Schweikle). Diese weichen von der traditionellen Einteilung der Lieder Neidharts in Sommerlieder und Winterlieder ab, da hier typische Eigenschaften der dörper, die hauptsächlich aus den Winterliedern bekannt sind, in eine sommerlichen Umgebung eingebettet werden, in der sich normalerweise die meist fröhlichen Handlungen der Sommerlieder abspielen. Ein Beispiel für ein dörperliches Sommerlied, in welchem das dörperliche Treiben zu gewalttätigen Auseinandersetzungen ausartet, ist das Lied c 34. In diesem Artikel soll das Lied c34 analysiert werden, um beispielhaft die Machart eines dörperlichen Sommerliedes aufzuzeigen. Zudem wird das Lied in Bezug zu den Typologien der Lieder Neidharts insbesondere von Ruh[Ruh 1984] und Schweikle[Schweikle 1990] gesetzt, um eine Antwort auf die Frage zu erhalten, wie der Liedtypus des dörperlichen Sommerliedes im Rahmen der Typusfrage zu klassifizieren beziehungsweise zu behandeln ist. Abschließend soll der Versuch einer Bewertung der Bedeutung der Typologien der Lieder Neidharts für Mischtypen wie die dörperlichen Sommerlieder gemacht werden.
Charakterisierung der dörperlichen Sommerlieder nach Schweikle
Bei einem dörperlichen Sommerlied nach der Kategorisierung von Schweikle[Schweikle 1990] handelt es sich struktural um ein Erzähllied, in welchem das charakteristische Verhalten der dörper gerächt wird.[Schweikle 1990:79] Damit sind etwa die Prügeleien, die Dummheiten und die Angebereien der dörper gemeint. Normalerweise sind die aggressiven, lauten und mitunter auch gewaltsamen Auftritte der dörper mehr eine Thematik der Winterlieder. Gelegentlich sind diese jedoch auch in Neidharts sommerlichen Liedern zu finden. Wenn dies der Fall ist, dann lassen sich besagte Lieder dem Liedtypus der dörperlichen Sommerlieder zuordnen. Die dörperlichen Sommerlieder haben ihren Ursprung im Sommerlied 22, das ebenfalls aus dem Neidhartschen Œvre stammt. Der zentrale Inhalt des Sommerliedes 22 ist die sogenannte Spiegelraubepisode. In vielen Winterliedern, wie auch in einigen Sommerliedern, wird dieses Lied als Bezugspunkt für Klagen über den Sittenzerfall [Schweikle 1990:79]genutzt. In der Spiegelepisode geht es um den dörper Engelmâr, welcher der jungen Frau Vrîderun gewaltsam ihren Spiegel raubt, welcher dabei zerbricht. Auch hier ist demnach das gewaltsame Verhalten der dörper in ein sommerliches Umfeld eingebettet. Im weiteren Verlauf des Liedes werden der Schmerz des Sängers und auch der Schmerz des Mädchens beschrieben. Das Leid des Sängers macht diesen jedoch zum Feind der dörper.[Schweikle 1990:79] Die Spiegelraubepisode wird in vielen Liedern Neidharts erwähnt, beispielsweise in Lied c 13 und in Lied c 33, die ebenfalls aus dem Neidhartschen Œvre stammen. Nach dem ursprünglichen dörperlichen Sommerlied 22 sind weitere dörperliche Sommerlieder entstanden. Beispiele dafür sind c1, c2, c6, c12, c16, und c41. Auch das Lied c34, das in diesem Artikel behandelt werden soll, gehört zu den dörperlichen Sommerliedern, in welchen das Treiben der dörper in zunehmend gewaltsame Auseinandersetzungen ausartet und das mangelhafte Verhalten der dörper gerächt wird.
Typologien der Neidhartlieder
Die Klassifizierung der Lieder Neidharts in die Grundtypen Winterlieder und Sommerlieder ist sehr traditionell. Bereits in den mittelalterlichen Handschriften sind die Lieder nach Winterliedern und Sommerliedern geordnet, wobei man als Unterscheidungskriterium den Natureingang heranzog. So ist es etwa in der Handschrift c, der sogenannten Berliner Neidhart Handschrift oder Riedschen Handschrift, welche zwischen 1461 und 1466 vermutlich in Nürnberg entstand, der Fall.[Bleuler 2017:117] Dasselbe gilt für die bekannte Handschrift R, welche gegen Ende des 13. Jahrhunderts in Niederösterreich entstand.[Bleuler 2017:117] Die Bezeichnungen Sommerlied und Winterlied wurden 1848 von Rochus von Liliencron[Liliencron 1848:79] eingeführt. Bis zur Gegenwart gibt es drei Typologien der Lieder Neidharts: Jene Günther Schweikles von 1990[Schweikle 1990], Kurt Ruhs aus dem Jahr 1984[Ruh 1984] und Anna Kathrin Bleulers aus dem Jahr 2008[Bleuler 2008]. Ruh und Schweikle, deren Typologien der Lieder Neidharts in diesem Abschnitt näher betrachtet werden sollen, verwenden als Basis die ATB-Ausgabe Wiessner-Fischer, 3. Auflage (Die Lieder Neidharts).[Bleuler 2017:117]
Nach Schweikle
Im Folgenden beziehe ich mich auf die Ausführungen von Günther Schweikle aus dem Jahr 1990.[Schweikle 1990] Abgesehen von der Ausgrenzung einiger Lieder mittels der Bildung von Sondergattungen legt Schweikle die traditionelle Grundunterscheidung zwischen Winterliedern und Sommerliedern zu Grunde. Diese unterteilt er jeweils in weitere Unterkategorien. Unabhängig von der Einteilung in Unterkategorien setzt Schweikle für die Sommerlieder einen sommerlichen Natureingang voraus. Zudem konstatiert Schweikle, dass die meisten Sommerlieder in Reienstrophen verfasst seien, einige jedoch auch in Stollen- beziehungsweise Periodenstrophen. Die Stimmung in den Sommerliedern sei fröhlich und bestimmt von Lebens- und Liebeslust. Schweikle verweist jedoch darauf, dass in einigen Sommerliedern Elemente aus dem winterlichen Themenkreis zu finden seien, wie etwa "Dörpertreiben, Rivalendrohung, [...] Minneklagen und v. a. das sog. Friderûn-Ereignis, SL 22"[Schweikle 1990:71]. Die Sommerlieder spielen für gewöhnlich in einem Außenraum der Natur rund um den fiktiven allegorischen Ort Riuwental, was Jammertal bedeutet. Als Unterkategorien für die Sommerlieder nennt Schweikle zunächst die Dialoglieder, welche weiter zu unterteilen sind in die Mutter-Tochter-Gesprächslieder, Gespielinnen-Gesprächslieder und Sänger-Mädchen-Lieder. Desweiteren stellen die Monologlieder eine Unterkategorie der Sommerlieder dar. Diese sind zu unterteilen in Sommerpreislieder, Pastourellenartige Lieder, Minnelieder, Zeit- und Weltklagen sowie die dörperlichen Sommerlieder. Die Winterlieder Neidharts unterteilt Schweikle weiter in die Unterkategorien Dörperlieder und Werltesüeze-Lieder, wobei es bei den Dörperliedern zu unterscheiden gilt zwischen den dörperkonformen Liedern, den dörperkontroversen Liedern, sowie den Friderûn-Liedern.
Nach Ruh
Im Folgenden beziehe ich mich auf die Ausführungen von Kurt Ruh aus dem Jahr 1984[Ruh 1984]. In seiner Typologie der Lieder Neidharts unterscheidet Ruh, wie Schweikle auch, zwischen den traditionellen Grundtypen Sommerlied und Winterlied. Die Einteilung der Lieder in Winterlieder und Sommerlieder differenziert und spezifiziert er jedoch noch weiter. Er betrachtet dabei die Aspekte Natureingang, Thematik, Minneschema, Sängerrolle, Rolle der vrouwe sowie die dörper-Rolle. Bezüglich des Natureingangs wird weiter differenziert zwischen Umfang, Sprecheridentität, Motivik und Funktion. In Bezug auf den Aspekt der Thematik betrachtet Ruh insbesondere die szenischen Elemente und bezüglich der verschiedenen Figurendarstellungen betrachtet er die konstanten und unterschiedlichen Ausprägungen der Sänger,- vrouwen,- beziehungsweise dörper-Rolle.[Bleuler 2017:118] Wie bei Schweikle gibt es bei Ruh einige Sonderfälle, die ausgeklammert werden. So bezieht Ruh die Kreuzlieder und auch das Sommerlied 22, in welchem die Spiegelraubepisode vorgeführt wird, nicht in seine Typologie mit ein.
Für die Sommerlieder hält Ruh fest, dass der Sprecher im Natureingang fast immer der Sänger ist und sich die Motivik im Natureingang auf Wald, Heide, Vögel, Blumen und Tau beschränkt. Zudem finden sich im Natureingang häufig Personifikationen der Naturmächte. Die Funktion des Natureingangs ist fast immer die Aufforderung zur Freude durch Tanz und Liebe. Bezüglich der Thematik stellt Ruh für die Sommerlieder drei Möglichkeiten fest: Mutter-Tochter-Gespräche, die sich um den Tanz und den Geliebten drehen, Gespielinnen-Gespräche über Tanz und Sänger und einige Sonderformen wie das Betrachten der Liebsten, den Liebes- und Treuepreis, die Rivalen-Drohung oder die Sängerklage, welche allerdings für die Sommerlieder untypisch sind. Das Minneschema in Neidharts Sommerliedern lässt sich aus dem klassischen Schema der Hohen Minne ableiten. Das klassische Schema wird lediglich in einigen Punkten modifiziert. Der soziale Status zwischen Dame und Sänger ist vertauscht, der Sänger steht demnach über der Dame. Zudem ist die Minnerelation vertauscht, womit das Dienst-Lohn-Verhältnis entfällt. Dies bedeutet, dass in Neidharts Sommerliedern das Mädchen um den Sänger wirbt und diesen nicht ablehnt, wie es in der klassischen Hohen Minne der Fall ist. Die Gesellschaft ist zudem in fast allen Fällen mit der Rolle der Mutter vertauscht, welche die huote-Funktion übernimmt. Zudem ist die Konfliktsituation bezüglich der Minneproblematik unverbindlich. Durch diese Modifikationen des klassischen Schemas der Hohen Minne kann in den Sommerliedern Komik erzeugt werden, obwohl in den Sommerliedern bezüglich des Minneschemas die gleiche Dreieckskonstellation wie im Schema der Hohen Minne zu erkennen ist. Für die vrouwen-Rolle ist in den Sommerliedern das Werben um den Sänger vorgesehen. Für die Ausprägung der Sänger-Rolle gibt es in den Sommerliedern folgende Möglichkeiten: Entweder der Sänger ist der meist passive Gegenstand der minne des Mädchens oder der Mutter, wobei aus deren Perspektive seine höfischen Vorzüge beschrieben werden oder er ist der aktive Überbringer von Freude.
Betrachtet Ruh die obigen Aspekte bezüglich der Winterlieder, so stellt er fest, dass der Natureingang ebenfalls meist durch den Sänger gesprochen wird und zudem auffallend kurz ist. In den winterlichen Natureingängen lässt sich das Motiv der negierten Sommeranzeichen finden. Der Winter wird meist nicht durch weitere Substantive beschrieben. Die Funktion des Natureingangs im Winterlied besteht darin, ein Kontrastmittel zur schönen Sommerzeit darzustellen und damit in das Leid des Sängers einzuführen. Die Thematik der Winterlieder ist zumeist die Klage und außerdem Tanz, Rangeleien zwischen den dörpern, Würfelspiel und Bedrängnis der Damen durch die dörper. In den Winterliedern ist häufig das stuben-Motiv zu finden. Dort sind die Handlungen der Winterlieder angesiedelt, außerdem in Hausfluren oder Gehöften. Die Form der Klage kann Minne-, Gesellschafts- oder Zeitklage in monologischer Form durch den Sänger sein. Die Klage wird dabei mit der Inszenierung der dörper-Welt verbunden, welche auf negative Art und Weise dargestellt wird, und dadurch Spott, Wut oder Angst des Sängers hervorruft. Im Zusammenhang mit der Klage finden fast nie Dialoge und Gespräche statt, vor allem nicht mit der Dame. Die Klage findet für gewöhnlich in der Form des Berichts, der Apostrophe oder des puppenspielhaften Aufzeigens oder Herbeizitierens statt. Die Rolle des Sängers in den Winterliedern besteht darin, durch seinen Gesang um eine Dame zu werben. Dabei ist er meist erfolglos, da er von den dörpern Konkurrenz erfährt oder da die Dame kein Interesse an ihm hat. Auf diesen Misserfolg hin klagt oder resigniert der Sänger. In dieser Konstellation folgen die Winterlieder dem klassischen Minneklageschema. Der Unterschied ist, dass die dörper als Rivalen dazugeschaltet sind und mitunter gewaltsam konkurrieren oder die Dame des Sängers belästigen. Die dörper provozieren und bedrohen den Sänger, dieser steht allein in seinem Werben. Die Rolle der stets namenlosen vrouwe in den Winterliedern, einem Bauernmädchen aus dörperlichem Milieu, ist es, den Sänger durch eine passive Haltung abzulehnen. Diese wird dabei stets durch den Sänger idealisiert. Die dörper-rolle besteht darin, gegen den Sänger zu rivalisieren. Die dörper treten fast immer als Masse auf. Ihre Namen werden zwar genannt, jedoch tritt nur Engelmâr als Individuum hervor, welches auch alle anderen dörper repräsentiert. Die dörper stehen in Kontrast zur guten und höfischen Sitte, der ins Groteske gezogen wird. Sie sind oft derbe und ruppig, haben anti-höfische Verhaltensweisen und werden als so negativ wie der Winter angesehen. Das Minneschema ähnelt stärker dem klassischen Schema der Hohen Minne als es in den Sommerliedern der Fall ist, hat aber dennoch eine parodistische Wirkung.
Inhaltsübersicht Lied c34
Das Lied wird mit einem sommerlichen Natureingang eingeleitet. Es wird beschrieben wie der Frühling die Natur neu erblühen lässt. Der Sänger drückt aus, dass er trotz des schönen Frühlings leidet, da ihm kein Liebesglück widerfährt. "Er ist hin- und hergerissen zwischen Hoffnung und Verzagen."[Beyschlag 1989:173] Seine Geliebte weist ihn zurück und noch dazu meint der Sänger, dass die dörper ihn an seinem Werben um die Dame hindern. Als einzige Hoffnung bleibt ihm, dass er in seinem Werben um die Dame doch noch erfolgreich ist, wenn er in seinen Liedern in positiver Weise über diese singt. Der Sänger fokussiert sich daraufhin auf die dörper und zeigt in seinem Gesang seinen Unmut gegenüber jenen und spricht Verwünschungen über sie aus. Dabei hat er einerseits gewaltvolle Phantasievorstellungen, die seine Wünsche bezüglich der dörper ausdrücken, andererseits beschreibt er das Verhalten der dörper und verurteilt dieses, als es zwischen Besagten zu einer gewalttätigen Auseinandersetzung kommt.
Übersetzung
Mittelhochdeutsch | Neuhochdeutsch |
---|---|
I | |
Ir schawet an den lenczen gut, | Schaut euch den guten Frühling an, |
wie er die veld beklaidet hat, | wie er die Welt gekleidet hat, |
und der mai mit rechter plut, | und der Mai mit Blüten, wie es sich gehört, |
perg und tal in grune stat: | Berg und Tal stehen in Grün: |
die warn in dem kalten schne erplichen. | Die waren in dem kalten Schnee erblichen. |
das haben uns die plumen abgestrichen, | Das haben uns die Blumen abgestreift, |
die wurczen saftig wollent sein. ei, susser luft, der winter ist entwichen. | Die Kräuter wollen saftig sein. Ei, milde Luft, der Winter ist gegangen. |
II | |
Was acht ich denn des maien zeit | Aber was kümmert mich die Zeit des Mais |
und der plumen wolgetan? | und der Blumen schöne Gestalt? |
an der alle mein freuden leit, | Die, an der all meine Freude liegt, |
die will mich verderben lan, | die will mich zu Grunde richten, |
von der ich keines wandels nicht ensinge, | von der besinge ich keinen Makel, |
des pin ich fro, des tun ich auf gedinge, | deshalb bin ich froh, daher habe ich Zuversicht, |
ob sie mir wolt gnedig sein: doch iren mich die tumen gatteling[e]. | dass sie mir gnädig sein will: Doch stören mich die törichten Bauern. |
III | |
Ubermucz ine nie geprachst, | An Übermut hat es ihnen nie gefehlt, |
sie wollen hewer wesen gail: | sie wollen in diesem Jahr von wilder Kraft sein: |
das ist Hebenstreit und Zerrengast, | Das sind Hebenstreit und Zerrengast, |
ich gewunsch ine nimmer hail, | ich wünsche ihnen nie mehr Glück, |
das ist Wuntelgos, Unrain und Berwein, | das sind Wuntelgos, Unrain und Bärwein, |
von got in nimer liechter tag erscheine. | ihnen möge von Gott nie mehr ein heller Tag erscheinen. |
wenn ich das sih, so pin ich fro, das sie ziehen bei der Tunaw an der leine: | Wenn ich das sehe, so bin ich froh, dass sie bei der Donau Treideln: |
IV | |
Nach einander ein michel schar, | Nacheinander eine große Schar, |
ubermucz ward in puß, | der Übermut machte eine Pause, |
zu allerforderst Engelmair, | ganz vorne Engelmair, |
dem ist vil zu kurcz an einem fuß, | dem ist ein Fuß viel zu kurz, |
er ist umb seinen dencken fuß gefalczen. | er ist um seinen linken Fuß gekommen. |
ir schawet vor hin sein huffehalczen, | Schaut nur hin auf sein Lahmsein an der Hüfte, |
sein hulczer fuß, der strauchet im, des mustens nach im in die Tunaw walczen. | sein hölzener Fuß der stolpert ihm, deshalb mussten sie ihn aus der Donau ziehen. |
V | |
Denselben fuß er rechen will, | Denselben Fuß will er rächen, |
dornach so stet im sein gedanck, | danach steht ihm sein Gedanke, |
er hat der helfer also vil | er hat ja so viele Helfer |
mit iren waibelrauten lanck, | mit ihren langen Waibelruten, |
die sein mer dann halbe seine magen. | die sind mehr als halb so stark wie seine Kraft. |
wurd im das ander bain herab geslagen, | Würde ihm nur das andere Bein auch abgeschlagen werden, |
das im geleg sein gogelhait, das man in must heben und auch tragen. | sodass sein ausgelassenes Wesen zum erliegen käme, sodass man ihn heben und auch tragen müsste. |
VI | |
Und sehe ich das von Hildebolt, | Und sähe ich von Hildebolt, |
das im sein haupt wurd entrant, | dass ihm sein Kopf abgeschlagen würde, |
das hat er wol umb mich verschuldt, | das hat er sich sehr bei mir zu Schulden kommen lassen, |
das er verlur sein rechte handt, | dass er seine rechte Hand verlöre, |
damit er hat die pflanczen abgeprochen. | mit der er die Pflanzen abgebrochen hat. |
des werd ein langer spies enczwai in im gestochen, | Dass ein langer Spieß in ihm entzweit würde, |
das im belieb das lenger ort, aller erst so wurde ich wol an im gerochen. | sodass ihm die Spitze am Platz bliebe, erst dann würde ich mich gewiss daran bereichern. |
VII | |
Da ist Haug und Eck und Irrenfrid, | Da sind Haug und Eck und Irrenfried, |
Limenczun und Regenbart, | Leimenzaun und Regenbart, |
Cunczel, Rinprecht, Swent der schmid, | Cunczel, Rinprecht, Swent der Schmied, |
Gumpolt, Rumpolt, Sigenhart, | Gumpolt, Rumpolt, Sigenhart, |
wann dieselben gen an einem raien, | wenn dieselben einen Reigen tanzen, |
der trucz und tracz, das sich tur iemant zwaien. | dann droht Feindseligkeit, wenn es jemand wagt sie zu trennen. |
sie sind aus der affen tal: ach, wa gesahe iemant so tumbe laien? | Sie sind aus dem Tal der Affen: Ach, wo hat jemand je so dumme Ungelehrte gesehen? |
VIII | |
Doch hett der Damtier gesworn, | Doch hat der Damhirsch geschworen, |
er wölt den raien brechen enczwai. | er wolle den Reigen entzweien. |
er mocht noch lieber sein beschorn: | Er möchte noch lieber eine Tonsur tragen: |
begreifet ine der Koczoldai, | Bekommt ihn der Koczoldai zu fassen, |
er wirt von im zuraufet also sere, | wird er ihm so sehr die Haare raufen, |
das im sein swart erkrachet und noch mêre | dass ihm die Schwarte kracht und noch mehr |
und im sein sinn erkuket wirt, das er den raien brichet nimer mere. | und ihm sein Sinn erquickt wird, sodass er den Reigen nie mehr entzweit. |
XI | |
Eberlein, des maier knecht, | Eberlein, des Maiers Knecht, |
und sein vetter Gundelwein, | und sein Vetter Gundelwein, |
die wolten nie gelauben recht, | die wollten nie recht glauben, |
das sie ackertrappen sein, | dass sie dumme Bauern sind. |
und tet es in noch zu einem mal so zorn, | Und würden sie noch so zornig dabei werden, |
ja wurden sie von adel nie geporn! | ja sie würden niemals von Adel geboren sein! |
irn adel den erkenn ich wol, wann sie den pflug begreifen bei dem horen. | Ihren Adel den erkenne ich wohl, wenn sie den Pflug an der Spitze greifen. |
X | |
Gundelwein der kam alldar | Gundelwein der kam daher |
und wolt schaiden diesen streit. | und wollte diesen Streit schlichten. |
des nam Ungelimpfe war | Das bemerkte Ungelimpf |
und erczaigt im seinen neidt, | und zeigte ihm seine feindselige Gesinnung, |
er slug ine, das er viel auf seine fuesse. | er schlug ihn, sodass er auf seine Füße fiel. |
ei, das im got nimer lonen musse! | Ei, dass ihn Gott nie mehr belohnen muss! |
lung und leber von im fellet: nu wie mocht er in imer mer pas gepusen? | Lunge und Leber fielen von ihm ab: Nun wie könnte er ihn zu einer rechter gelegenen Zeit bestrafen? |
XI | |
Ungelimpf dem ward ein slag, | Ungelimpf dem wurde ein Schlag gegeben, |
der in an den rucken lait, | der ihn auf den Rücken legte, |
und er von herczen sere erkalt, | und es wurde ihm kalt ums Herz, |
da man ine durch sein wange schnaidt. | als man ihm durch seine Wange schnitt. |
im ward eines durch sein sug gemessen, | Ihm wurde ein Schlag durch sein Maul gezogen, |
des widerslagens hett er gar vergessen. | sodass er gar vergessen hat zurückzuschlagen. |
lung und leber man im zalt, zwar mir wer laid, hett ich es versessen. | Lunge und Leber forderte man von ihm, es wäre mir ein Leid, wenn ich das verpasst hätte. |
[1] [SNE 2007]
Kommentar
- Eine Schwierigkeit bereitet das Wort sug (Str. XI, V.5). Dieses ist auch in der Handschrift nicht besonders deutlich zu lesen. Das Wort könnte seinen Ursprung im Wort sûgen (saugen) haben und könnte demnach vulgär als Gosch, Maul (Im Sinne von Mund) gemeint sein und übersetzt werden.[Beyschlag 1989:173]
- Mit den waibelrauten (Str. V, V. 4) sind die Schwerter eines Weibels gemeint. Als Weibel wurde in früheren Zeiten ein Gerichtsdiener, Polizeisergeant oder Feldwebel bezeichnet. Indem die Bauern mit dem langen Schwert des Waibels assoziiert werden, werden sie durch eine Ironie verspottet. Die Ironie sagt aus, dass es fernliegt, dass die Bauern jemals Waibel sein könnten.[Beyschlag 1989:173]
- Mit dem Wort beschorn (Str. VIII, V. 3) ist eine Tonsur gemeint. Damit sagt der Sprecher aus, dass der Beschriebene lieber in einem Kloster sein sollte, als in der jetzigen Situation.[Beyschlag 1989:173]
- Im Lied werden viele Namen aufgezählt, etwa Haug, Eck, Irenfried, Limenczun, Cunczel, Gumpolt, Sigenhart, Hebenstreit, Zerrengast, Wuntelgos, Unrain, Berwein und weitere. Einige davon haben Bedeutungen, in welche man sie übersetzten könnte. Unrain ließe sich etwa in "schmutzig" oder "Drecksau"[Beyschlag 1989:175] übersetzen und Berwein in "Bärwein"[Beyschlag 1989:175]. Diese Namen sind möglicherweise mit Absicht so gewählt, um die besagten streitlustigen dörper mit etwas Negativem zu assoziieren. Bei Neidhart finden sich oft bedeutungsträchtige Namen.
- Mit dem "ziehen bei der Tunaw an der leine" (Str. III, V. 7) ist das Treideln gemeint. Dies bezeichnet eine altertümliche landwirtschaftlich-logistische Vorgehensweise, bei welcher Tiere oder Menschen vom Ufer aus zu Fuß ein Boot oder Floß den Fluss entlangziehen. Hier müssen die Bauern an der Donau treideln und der Sänger ist froh, dass die Bauern mit einer solch schweren Arbeit beschäftigt sind.
- "pflanczen abgeprochen" (Str. VI, V. 5): Dies kann buchstäblich verstanden werden, jedoch auch metaphorisch. Hier findet sich ein typisches Motiv aus den Liedern Neidharts wieder, das "Blumen brechen". Dieses Motiv meint die Defloration. Hier sollte also Hildebolt seine rechte Hand verlieren, damit er nicht mehr bei den Mädchen sein Unwesen treiben und "Blumen brechen" kann.
- "das haben uns die pluomen abgestrichen" (Str. I, V. 6): Damit ist gemeint, dass der Teppich aus Blumen den Bergen und Tälern das bleiche und kalte Erscheinungsbild abgestrichen bzw. abgestreift hat.
Analyse
Das Lied c34 aus den Neidhartschen Œvre, auch genannt Der lein oder pflancz, kann nach der Kategorisierung von Schweikle den dörperlichen Sommerliedern zugeordnet werden. Es entstand etwa um 1210-1240 und wird dem Sänger Neidhart beziehungsweise Nîthart zugeschrieben. Das Lied handelt von einem Sänger, der wegen seiner Dame Liebesleid verspürt. Er ist dennoch hoffnungsvoll und singt in seinen Liedern in positiver Weise über die Dame. Jedoch wird er vermeintlich durch die dörper an seinem Werben gehindert. Daher verschmäht er diese in seinem Gesang. Er beleuchtet dabei ihre tatsächlichen negativen Eigenschaften, singt jedoch auch von seinen rein imaginären Gewaltfantasien über die dörper. Meine These bezüglich des Inhalts ist, dass wir im Lied c34 einen Sänger vorfinden, der von Liebesleid so schmerzlich getrieben wird, dass er fälschlicherweise mit einer Hassrede über die dörper versucht, sein Leiden zu lindern. Meiner Meinung nach nutzt der Sänger die dörper lediglich als Sündenbock, um seinen Misserfolg zu erklären, während er sich von seiner eigentlichen Minneproblematik entkoppelt und bezüglich dieser untätig bleibt.
Meine These bezüglich der Einordnung des Liedes in das Neidhartsche Gesamtwerk ist, dass das Lied c34 und mit ihm die übrigen dörperlichen Sommerlieder, für welche das Lied c34 in diesem Artikel stellvertretend ist, in einem bestimmten Verhältnis zu den Sommer- beziehungsweise Winterliedern steht. Dabei ist fraglich, ob die Eigenschaften des Liedes mehr der Charakterisierung der Winterlieder oder der Sommerlieder entsprechen oder ob sie gar eine ausgeglichene Mischform zwischen den Eigenschaften der beiden Grundtypen darstellen. Auch ist es möglich, dass die dörperlichen Sommerlieder ein neuer, abzugrenzender Typus sind, welcher allein, bar jedes Verhältnisses zur traditionellen Grundunterscheidung betrachtet werden müssen. Neidharts Lieder sind schon in Bezug auf die klassischen Minnesangkonventionen experimentartig, jedoch möchte ich auch in Betracht ziehen, dass die dörperlichen Sommerlieder sich erneut experimentartig von Neidharts klassischen Winterliedern und Sommerliedern abheben, dass man hier möglicherweise von einem „Experiment vom Experiment“ sprechen kann. Dieser These um die besondere Gattung der dörperlichen Sommerlieder und deren Gattungszugehörigkeit soll in dieser Analyse anhand des Liedes c34 und weiterführend auch in den übrigen Abschnitten des Artikels nachgegangen werden, indem die verschiedenen Merkmale und Motive aus c34 herausgearbeitet, untersucht und zu den Merkmalen der Sommerlieder und Winterlieder, nach den Typologien von Schweikle und Ruh, in Bezug gesetzt werden.
Form
Das Lied c34 besteht aus elf Strophen zu jeweils sieben Versen. Nach dem Normaltakt des mittelhochdeutschen Verses lassen sich in den Versen unterschiedlich viele Hebungen erkennen. Für jede Strophe sieht das Muster an Hebungen fogendermaßen aus: [4,4,4,4,5,5,9]. Vers eins bis vier haben damit jeweils vier Hebungen, Vers fünf und sechs fünf Hebungen und der letzte Vers jeweils neun Hebungen. Das Muster der Taktzahlen (mit vollständigen Takten) sieht folgendermaßen aus: [3,3,3,3,5,5,9]. Hier lassen sich jedoch gelegentlich Abweichungen feststellen. Als Reimschema lässt sich für jede Strophe das Muster [ababccc] erkennen. Demnach liegt in den Strophen ein Kreuzreim vor und daraufhin ein Dreireim. Es handelt sich stets um Endreime. Reimschema und Taktzahl ergeben zusammen das Metrum. Aufgrund der Hebungen und Senkungen liegt ein alternierender Rhythmus vor. Das Lied c34 hat einen "kanzoneförmigen Ton"[Brunner 2017], wobei der Ton die Verbindung aus Strophe und Melodie bezeichnet. Die Strophen, bei welchen es sich um Stollenstrophen handelt[Schweikle 1990:71], bestehen jeweils aus einem Aufgesang, der zwei zweizeilige Stollen enthält, und einem dreizeiligen Abgesang.[Brunner 2017] Für die Kadenzen lässt sich das Muster [m,m,m,m,w,w,w] feststellen. Jedoch gibt es auch hier hin und wieder Abweichungen. Gleich bleibt jedoch, dass die Strophen immer erst mit männlichen Kadenzen beginnen und es dann nach einer gewissen Anzahl von Versen einen Umschlag in weibliche Kadenzen gibt. Lediglich diese Anzahl ändert sich. In einigen Versen findet sich ein Auftakt. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass im Lied c34 die Strophenformel nicht immer identisch ist. Es gibt gelegentlich kleine Abweichungen, etwa bei den Taktzahlen oder den Kadenzen.
Interpretation
Allgemeine Bemerkungen
Ein Sänger-Ich beschreibt zunächst den Frühling mittels eines typischen sommerlichen und positiv konnotierten Natureingangs. Er betont jedoch gleich darauf sein Leiden, welches darin besteht, dass seine Dame ihn von sich weist. Der Sänger beabsichtigt, mit seinen Liedern seiner Dame zu huldigen, und hofft dadurch auf ihre Gunst. Er macht jedoch deutlich, dass die Bauern für ihn bei seinem Werbevorhaben einen Störfaktor darstellen. Er verflucht die Bauern und sagt aus, dass er froh ist, wenn die Bauern mit ihrer Arbeit beschäftigt sind. Engelmair, ein Krüppel, wird beschrieben und damit wird übergeleitet zu den Gewaltimaginationen des Sängers über die dörper. Der Sänger beschreibt daraufhin die dörper beim Tanz und wie es dabei zu einem Streit kommt. Das Lied endet mit einer Aussage der Genugtuung des Sängers über die dörper.
Bei der lyrischen Stimme im Lied c34 handelt es sich um ein lyrisches Ich, was an den einschlägigen Pronomen ersichtlich ist. Noch konkreter handelt es sich um das Sänger-Ich, welches typischerweise in Neidharts Œvre präsent ist. Typischerweise ist das Sänger-Ich in Neidharts Liedern ein adliger, aber verarmter Ritter, der als fahrender Sänger in den Bauerndörfern umherzieht und selbst nur ein kleines Anwesen und Vermögen hat. Der Sänger steht zwar über den dörpern, jedoch verkehrt er unter ihnen und bewegt sich nicht seines Standes gemäß in adligen Kreisen im höfischen Umfeld. Im Lied c34 bleibt der Sänger anonym. Es sind keine Namensbezeugungen zu finden, wie es in anderen Liedern Neidharts der Fall ist. Dort lassen sich häufig Kunstnamen wie etwa Her Nîthart oder der von Riuwental finden. Die Sänger-Figur aus Neidharts Liedern ist jedoch nie mit dem historischen Neidhart gleichzusetzen. Mit dem Sänger in seinen Liedern hat der historische Neidhart eine fiktive Kunstfigur geschaffen, die zwar teilweise den gleichen Namen trägt, wie er selbst, jedoch in einer künstlichen und fiktiven Umgebung und unter fiktiven Lebensumständen angesiedelt ist, die sich von denen des historischen Neidharts unterscheiden.
Die Intention des Sänger-Ichs ist es, über sein Liebesleid zu klagen, seinen Groll über die dörper in einer Hassrede deutlich zu machen und schließlich sein Liebesleid zu lindern. Es wird im Verlauf des Liedes ersichtlich, dass der Sänger mit der Hassrede ein falsches Mittel verwendet, welches nicht seinen Zweck erfüllt, da das angestrebtes Ziel sein Liebesleid zu lindern mit der Hassrede des Sängers nicht erreicht werden kann. Die Hassrede stellt mehr einen aussichtslosen Weg dar, der in einer Sackgasse endet. Der Sänger ist auf der Suche nach erfüllter Liebe, die er fälschlicherweise in einem Sieg über die verhassten dörper sucht. Der Sänger schlägt damit den falschen Weg ein, um sein Problem zu lösen. Zwischen seinem Ziel und seinem Handeln fehlt der kausale Zusammenhang, woran er letztlich scheitert, beziehungsweise einen anderen Zweck erfüllt, als ursprünglich angestrebt. Es liegt eine verzerrte Mittel-Zweck-Beziehung im Lied vor.
Das Lied c34 ist fiktiv und fiktional, der Autor erhebt keinen Wahrheitsanspruch auf den Inhalt und stellt keine wahren Begebenheiten dar. Das sieht man schon alleine daran, dass die Sänger-dörper Relation nicht real ist. Eine derartige Konstellation wäre im zeitgenössischen Umfeld der Entstehung des Liedes nicht denkbar gewesen. Die Lieder Neidharts waren für ein höfisches Publikum bestimmt. Sänger wie er haben niemals für ein bäuerliches Publikum gesungen. Die Erzählzeit des Liedes ist kürzer als die Zeit, die im Lied vergeht. Es wird demnach kein Bild evoziert, kein infinitesimal kurzer Zeitraum, sondern eine Sequenz an Bildern, auch wenn diese kurz ist. Das Geschehen im Lied ist in einen dörperlichen Raum eingebettet, was daran erkenntlich ist, dass es Natur, Tal und Felder gibt und außerdem einen Fluss, die Donau, an dessen Ufer bäuerliche Arbeiten verrichtet werden. Wie es für ein Sommerlied üblich ist, ist die Szenerie im Freien angesiedelt. Die Stimmung des Liedes ist aufgeladen, gewalttätig, aber dennoch humorvoll und ironisch. Dies liegt zum Beispiel an komischen Bildern, die evoziert werden, etwa indem jemand in den Fluss fällt und herausgezogen werden muss, was einen hässlichen Fehler darstellt, jedoch kein tragisches Gebrechen, wie es nach Aristoteles die Voraussetzung für Komik ist. Außerdem gibt es im Lied beispielsweise Namen, welche Komik erzeugen. Die Stimmung in c34 ist nicht leidvoll oder traurig. Das Leiden und Klagen des Sängers wird entschärft, da es an der komischen Darstellung der dörper verloren geht. Das Lied ist demnach nicht tragisch, es ist vielmehr durch Komik gekennzeichnet. Obwohl im Lied blutige und gewaltsame Elemente eingeflochten sind, erscheint das Lied nicht so düster, wie man annehmen könnte. Der Wortschatz des Liedes ist häufig derb. Es finden sich oftmals Beleidigungen und Kraftausdrücke. Zudem ist der Wortschatz auch humorvoll, etwa wenn humoristische Namen verwendet werden.
Das Lied c34 stammt aus der Berliner-Neidhart-Handschrift c, einer der Papier-Handschriften. Es wird gemutmaßt, dass Neidharts Schaffensperiode zwischen 1210 und 1245 gelegen hat.[Bennewitz 2017] Man geht davon aus, dass der Sänger Beziehungen zum Herzogtum Bayern und zum Erzbistum Salzburg hatte, denn in Neidharts Liedern werden häufig Orte genannt, die sich im Umkreis von Wien befinden. Zumindest in den Liedern wird gelegentlich der Name Nîthart genannt, was möglicherweise als autobiographische Information über den historischen Neidhart zu lesen ist, jedoch auch fiktiver Natur sein kann. Alle Informationen, die über den historischen Neidhart im Umlauf sind, sind nicht historisch belegt. Es gibt keine biographischen Informationen über Neidhart, die nicht in einem literarischen Zusammenhang stehen, wie es etwa bei Walther von der Vogelweide der Fall ist.[Mertens 2017] In den Werken, die dem Schaffen Neidharts folgen, etwa in den Neidhart Schwänken oder im Schwankbuch Neidhart Fuchs, kommt es jedoch so weit, dass Neidhart als Subjekt und gleichzeitig Objekt der Lieder angesehen wird.[Mertens 2017] Auch der Erzähler im Willehalm betrachtet den historischen Neidhart als den Erzähler der Lieder, auch wenn das von diesem möglicherweise nicht beabsichtigt war. Man kann einige Stellen in Neidharts eigenem Werk als autobiographische Hinweise lesen. Diese sind jedoch immer literarisch verzerrt. Außerdem finden sich Hinweise, die die Existenz des historischen Neidharts belegen können etwa in den Werken Wolframs von Eschenbach (im Willehalm) und bei Wernher der Gärtner (im Helmbrecht).[Mertens 2017] Neidhart selbst hatte nichts mit der bäuerlichen Lebenswelt zu tun. Er führte diese auf fiktive Weise am Hof ein. Der Autor Neidhart hob sich damals im späten Mittelalter von der hohen Minne und von den klassischen Minnesangkonventionen ab. Diese Tradition setzt er auch im Lied c34 fort.
Strophe für Strophe
Strophe I
In Strophe I lässt sich der klassische Neidhartsche Natureingang finden. Hier handelt es sich um einen sommerlichen Natureingang mit Blick auf „den lenczen“ (Str. 1, V.1), der in der Landschaft Einzug hält. Mit der Personifikation „wie er die veld beklaidet hat“ (Str. 1, V. 3) des Frühlings und weiteren Personifikationen (V. 6 und 7) wird die Wirkung des Sommereingangs verstärkt und verbildlicht. Das typische Maimotiv der mittelhochdeutschen Literatur, das häufig mit dem Topos des locus amoenus in Verbindung gebracht wird, ist ebenfalls in das Bild mit eingeflochten. Im Bild, das evoziert wird, ist gerade der Wonnemonat „mai“ (Str. 1, V. 3). Das lyrische Ich macht dabei den Ausruf „ei, susser luft“ (Str. 1, V. 7), was einer fröhlichen Äußerung gleicht. Der Sommereingang endet mit der typischen Aussage, dass der Winter „entwichen“ (Str. 1, V. 7) ist.
Strophe II
In Strophe II wird das glückliche Sommerbild getrübt. Das Leid des Sängers wird eingeführt. Dieses wird noch verstärkt, indem es mit dem schönen Frühling kontrastiert wird. Mit der rhetorischen Frage „Was acht ich denn des maien zeit und der plumen wolgetan?“ wird die Wirkung des Leides ebenfalls verstärkt. Das Leid ist für den Sänger so belastend, dass es die gesamte Sommerfreude überschattet. Der Sänger wird von einem Liebesleid heimgesucht, da seiner Ansicht nach seine Dame ihn „verderben“ (Str. 2, V. 4) will. Der Sänger macht jedoch deutlich, dass er in seinen Liedern über keinen einzigen Makel der Dame singt. Darüber ist er „fro“ (Str. 3, V. 6) und hegt Hoffnung, dass die Dame ihm schließlich doch „gnedig“ (Str. 3, V. 7) ist. Am Ende der zweiten Strophe werden schließlich die dörper eingeführt. Der Sänger sagt aus, dass er von den „tumen gatteling“ (Str. 2, V. 7) in seinen Liebesangelegenheiten gestört wird. Damit werden diese als Störfaktor präsentiert, wobei jedoch kein direkter Zusammenhang zwischen der Abneigung der Dame und den dörpern zu erkennen ist. Dies lässt bereits stutzig werden und legt nahe, dass der Sänger die dörper möglicherweise nur als Vorwand nutzt, um jemandem die Schuld an seinem Leiden und seinem Gram geben zu können.
Strophe III
In Strophe III werden einzelne dörper-Figuren eingeführt, etwa „Hebenstreit und Zerrengast“ (Str. 3, V. 3). Der Sänger spricht über diese Verwünschungen aus. Sie mögen keinen „liechte[n] tag“ (Str. 3, V. 6) mehr erblicken und kein „hail“ (Str. 3, V. 4) mehr erleben. Der Sänger ist voll Schadenfreude, als er sagt, dass er sich darüber freut, die Bauern zu sehen, wie sie an der Donau treideln müssen. Der Sänger hebt sich von den Bauern ab, da diese das Treideln, eine sehr harte Arbeit, verrichten müssen. Dabei muss sogar der versehrte Engelmair helfen, der dabei in den Fluss stürzt. Der Sänger hat eine derart schwere Arbeit jedoch nicht nötig. Er ist gehobener als die Bauern und zudem adlig. Daher kann er den Bauern schadenfroh bei der Arbeit zusehen.
Strophe IV
In Strophe IV werden die Bauern beschrieben, während sie treideln. Dabei wird insbesondere auf die Figur „Engelmair“ (Str. 4, V. 3) eingegangen. Diese wird in diesem Lied als Krüppel beschrieben, der nur einen Fuß hat und der beim Treideln stolpert und in den Fluss stürzt und von den anderen aus dem Wasser gezogen werden muss. Mit diesem Ereignis liegt in dieser Strophe ein komisches Element vor, welches die dörper als besonders tollpatschig und unachtsam darstellt. Engelmair oder Engelmâr ist vor allem bekannt durch die Spiegelraubepisode im Zusammenhang mit Vriderûn. Er ist einer der wenigen dörper, die eine Identität haben und aus der großen Masse herausstechen. Vom Sänger ist er verhasst und wird von diesem als einer der bösartigsten und gröbsten dörper dargestellt. Mit der Darstellung des Engelmairs als Krüppel liegt hier auch ein Rache-Motiv vor. Die Rache an den dörpern ist nach Schweikle charakteristisch für die dörperlichen Sommerlieder. Zudem wird damit auch das Verhalten Engelmairs in der Spiegelraubepisode gerächt.
Strophe V
In Strophe V wird beschrieben, dass eben dieser Engelmair seinen verlorenen Fuß rächen will. Hier liegt demnach eine Inversion vor. Das Rache-Motiv wird umgekehrt, indem der gerächte Engelmair nun zum Rächer wird. Der Sänger sagt aus, dass Engelmair dafür viele „helfer […] mit iren waibelrauten“ (Str. 5, V. 3) habe. Hier liegt eine Ironie vor. Der Sänger zieht die dörper ins Lächerliche und verhöhnt sie, indem er ironisch zum Vorschein bringt, dass diese keineswegs Feldwebel sein könnten, die viel ausrichten können. An dieser Stelle befindet sich die Überleitung zu den gewalttätigen Imaginationen des Sänger-Ichs. Er malt sich aus, wie es wäre, wenn Engelmair auch „das ander bain herab geslagen“ (Str. 5, V. 6) würde.
Strophe VI
In Strophe VI werden die Gewaltimaginationen des Sängers fortgesetzt. Der Sänger stellt sich vor, wie verschiedene Akte der Gewalt an der dörper-Figur „Hildebolt“ (Str. 6, V. 1) vollzogen werden. Dabei lassen sich explizite und grausame Gewaltbeschreibungen erkennen. Das Sänger-Ich imaginiert darüber, wie es wäre, wenn er bei Hildebolt sähe, „das im seim haupt wurd entrant, […] das er verlur sein rechte handt [und] des werd ein langer spies enczwai in im gestochen“ (Str. 6, V. 2 ff.). Derartig explizite Gewaltbeschreibungen lassen sich meist in den Winterliedern Neidharts finden.
Strophe VII
In der folgenden Strophe VII werden über vier Verse hinweg Namen von dörper-Figuren aufgezählt. Hier wird demnach impliziert, dass eine große Masse an dörpern anwesend ist. Diese werden nicht weiter beschrieben. Man erfährt nur ihre Namen. Sie nehmen keine Identität an. Der Sänger bewegt sich demnach in dieser Strophe hinweg von Beschreibungen über spezifische dörper-Figuren, wie es in den vorangehenden Strophen etwa mit Engelmair der Fall war, er geht über zu einer Zusammenfassung der dörper als große anonyme Menge ohne Identität. Diese Menge wird beim Tanz beschrieben. Mit „trucz und tracz“ (Str. 7, V. 6) liegt ein Hendiadyoin vor, durch welches die feindselige Haltung der dörper gegenüber dem, der ihren Tanz stört, beziehungsweise eine Konterveranstaltung plant, hervorgehoben wird. Der Sänger verwendet an dieser Stelle auch ein Bild: Sie „sind aus der affen tal“ (Str. 7, V. 7). Mit dem Vergleich der dörper mit Affen werden diese erneut lächerlich gemacht sowie abwertend hervorgehoben und der Sänger macht seine negative Einstellung gegenüber jenen deutlich. Die Strophe wird mit der rhetorischen Frage „ach, wa gesahe iemant so tumbe laien?“ (Str. 7, V. 7) beendet. Diese betont ebenfalls die negativen Eigenschaften der dörper, die der Sänger in ihnen sieht.
Strophe VIII
In Strophe VIII wird geschildert, was mit dem „Damtier“ (Str. 8, V. 1) geschehen würde, wenn er es wagen würde, den Tanz der Bauern zu stören, beziehungsweise zu trennen, was dessen Plan ist. Er würde das Opfer einer gewaltsamen Auseinandersetzung mit dem „Koczoldai“ (Str. 8, V. 4) werden. An dieser Stelle sind die Namen bewusst gewählt. Damtier lässt sich in etwa mit Damhirsch übersetzen, demnach wird die Figur des Damtiers mit einem Hirsch denotiert, der sich brüstet und einen Konkurrenzkampf initialisiert. Dabei geht es einerseits um einen Revierkampf mit den dörpern, andererseits auch um einen Konkurrenzkampf um die Frauen. Koczoldai hingegen ist ein Name alberner Art und stellt demnach die zugehörige dörper-Figur als eine lächerliche Figur dar. Am Ende der achten Strophe lässt sich ein Parallelismus finden: „das im sein swart erkrachet […] und im sein sinn erkuket“ (Str. 8, V. 6f.). Damit werden die Gewaltbilder und die Gewalthandlungen der dörper nochmals verstärkt.
Strophe IX
Wie an vielen Stellen im Lied c34 spricht der Sänger Beleidigungen gegenüber den dörpern aus. In Strophe IX werden die Bauern Eberlein und Gundelwein als „ackertrappen“ (Str. 9, V. 4) bezeichnet, was ein Schimpfwort für Bauern ist. Diese werden damit lächerlich gemacht. Der Sänger ruft aus, dass die Bauern niemals von adligem Blute sein könnten. In ironischer Weise sagt der Sänger aus, dass er den Adel der Bauern wohl erkennt, „wann sie den pflug begreifen bei den horen“ (Str. 9, V. 7). Mit diesem Bezug auf das Adelsmotiv wird der Adel zu den Bauern in Konstrast gesetzt. Zudem hebt sich damit der Sänger von den dörpern ab, da er gewissermaßen dem Adel angehört.
Strophe X
In Strophe X ist der Streit um das Trennen des Reigens schließlich im Gange. Gewalthandlungen werden geschildert. Das Hendiadyoin „lung und leber“ (Str. 10, V. 7) unterstreicht das Motiv der Gewalthandlungen. Ebenso die rhetorische Frage, mit welcher diese Strophe endet. Auf ironische Art und Weise zollt der Sänger den dörpern Tribut für ihre „Leistungen“, die sie während des Streits mittels Gewalthandlungen vollbringen: "nu wie mocht er in imer mer pas gepusen?" (Str. 10, V. 7).
Strophe XI
In Strophe XI wird der Streit fortgeführt, erneut werden Gewalthandlungen und Verletzungen einer dörper-Figur geschildert. Die dörper-Figuren erfüllen hier die Funktion, das Objekt der Gewalt und des Spottes zu sein. Wieder wird das Hendiadyoin „lung und leber“ (Str. 11, V. 7) eingebaut, womit die Gewaltbilder nochmals verstärkt werden. Das Lied endet mit einer Aussage der Genugtuung des Sängers. Er betont, was für ein Leid es ihm sei, wenn er dieses Schauspiel der dörper verpasst hätte: "zwar mir wer laid, hett ich es versessen" (Str. 11, V. 7). Die Gewalt im Lied wird durch die eingebaute Komik verklärt und verharmlost, da sie nicht tragisch dargestellt wird, sondern als dumme und unbesonnene Eigenart der dörper, welche wie auf einer Schaubühne als Komödie dargestellt wird. Da die Gewalt durch das Stilmittel der Ironie verklärt wird, kann man hier von einer poetischen Verklärung sprechen. Im Gesamtzusammenhang des Liedes wirkt die abschließende Aussage des Sängers trotz dieser poetischen Verklärung sadistisch und barbarisch. Das Sänger-Ich zeigt im Lied seine Schadenfreude bezüglich des Streits und des Arbeitsleids der dörper und auch seine Schaulustigkeit. Es labt sich am Dörpertreiben und macht sich lustig über die dörper-Figuren. Es scheint so, als sei von des Sängers Liebesleid, welches dieser im Eingang des Liedes schildert, wenig übrig und als habe er die Bauern genutzt, um sich aufzuheitern. Er erfreut sich auf Kosten der hier schwächeren und unwissenderen dörper. Es ist kein Bezug zwischen dem Liebesleid des Sängers und dem Agieren der dörper-Figuren ersichtlich. Außerdem findet sich keine weitere Argumentation des Sängers, inwiefern die dörper sein Liebesleben beeinflussen. Demnach scheint der Sänger die dörper in diesem Lied lediglich als Vorwand genommen zu haben, um sich nicht seine eigene Schuld an seinem Liebesleid eingestehen zu müssen. Die dörper sind jedenfalls von des Sängers Liebesleid entkoppelt und werden als reine Projektionsfläche für die Wut des Sängers genutzt. Betrachtet man das Gesamtwerk Neidharts, so treten die dörper-Figuren vor allem in den Winterliedern häufig tatsächlich als Störfaktor zwischen dem Werben des Sängers und dem Liebesglück mit seiner Dame auf. Genau dies ist im Lied c34 jedoch nicht ersichtlich, während der Sänger den dörpern dennoch seiner Rolle entsprechend abgeneigt ist.
Fazit
Meine erste These inhaltlicher Art bestätigt sich im Verlauf der Interpretation. Tatsächlich nutzt der Sänger die dörper als Störfaktor im Lied c34 nur als Vorwand. Dies wird allmählich sichtbar, da der Sänger sich geradezu in seine Schmährede über die dörper hineinsteigert. Die Schilderungen über die dörper werden im Verlauf des Liedes allgemeiner. Zunächst erscheinen noch Beschreibungen über einzelne dörper-Figuren, die eine Identität haben. Dann werden die dörper-Figuren zunehmend zu einer anonymen Masse degradiert. Aufgrund dieser allgemeinen und gemischten Darstellung der dörper kann es keine einzelne dörper-Figur oder eine konkrete dörper-Gruppe geben, die den Sänger an seinem Werben hindert. Eine konkrete Behinderung des Sängers ist bis zum Schluss des Liedes nicht ersichtlich. Währenddessen werden jedoch die Gewaltbeschreibungen des Sängers zunehmend konkreter und drastischer. Demnach bezieht dieser explizite Gewaltbeschreibungen auf eine allgemeine Menge an Figuren, gegenüber welcher er Vorurteile hat, die jedoch hier nicht explizit gegen ihn handelt. Der Sänger überspitzt seine Darstellungen zum Ende hin fortlaufend, in dem die Gewaltbilder drastischer und gleichzeitig von einer stärkeren Ironie begleitet werden. Die dörperund deren Gewalthandlungen werden als Werkzeuge zur Aufheiterung des Sängers instrumentalisiert. Der Sänger fokussiert sich nur noch auf die dörper und distanziert sich von seiner ursprünglichen Problematik, dem Liebesleid. Seine Klage geht im Verlauf des Liedes ganz unter und sein Leiden und seine Minneproblematik rücken gänzlich in den Hintergrund. Es scheint so, als sei der Sänger grausam und scheinheilig zugleich, da er seine bösen Absichten bezüglich der dörper hinter dem Vorwand versteckt, dass diese an seinem Liebesleid schuld seien. Ob der Sänger es wirklich auf die dörper abgesehen hat oder ob er von seinem Liebesleid so schmerzlich getrieben wird, dass er nicht anders kann, als sich an den dörpern vermeintlich zu rächen und gar nicht bemerkt, dass er damit den falschen Weg einschlägt, um seinen Liebesschmerz zu lindern, sei dahingestellt. Jedenfalls erfüllen die dörper im Lied c34 schuldlos die Funktion eines Sündenbocks. Ihr tatsächliches gewalttägiges Verhalten hat nichts mit den Liebesangelegenheiten des Sängers und dem Zurückweisen der Dame zu tun und ist von diesen entkoppelt. Der Sänger fokussiert sich jedoch auf seine Schilderungen des gewalttätigen Verhaltens, anstatt sich um seine Minneproblematik zu kümmern.
Bezüglich meiner zweiten These über die Einordnung des Liedes c34 in Neidharts Gesamtwerk und die in Bezug Setzung des Liedes zur klassischen Einteilung der Lieder Neidharts in Sommer- und Winterlieder möchte ich auf die folgenden Abschnitte des Artikels verweisen.
Motive
Natur
Die Natur zusammen mit dem Natureingang ist ein klassisches Motiv in Neidharts Œvre. Anhand des Natureingangs lässt sich die Grundeinteilung der Lieder in Sommer und Winterlieder vornehmen. Durch den Sommereingang im Lied c34 lässt sich dieses tendenziell den Sommerliedern zuordnen. Es handelt sich im Lied c34 nicht gänzlich um einen Sommereingang, sondern mehr um einen Frühlingseingang. Der Monat Mai wird genannt und dem Rezipienten evoziert. Dieser Monat gilt in der mittelhochdeutschen Literaturwissenschaft als der Wonnemonat, der das Naturideal, oft mittels des locus amoenus, widerspiegelt. Das Vorliegen eines Frühlingseingangs anstatt eines vollkommenen (Hoch-)Sommereingangs im Lied c34 kann als kleine Abweichung vom klassischen Sommereingang eingestuft werden, dennoch lässt sich dadurch möglicherweise schon von einer Begegnungsebene zwischen Sommerlied und Winterlied sprechen, auf welcher an einer bestimmten Stelle das Lied c34 sowie andere dörperliche Sommerlieder angesiedelt werden können. Außerdem ist zu erwähnen, dass die positive konnotierte Stimmung des Sommereingangs als Kontrastmittel zur trübsinnigen Minneproblematik des Sängers dient. Dabei wird in typischer Weise eine (Sommer-)Freude/Leid Ambivalenz erzeugt.
Die dörper
Die dörper sind ein omnipräsentes Motiv vor allem in Neidharts Winterliedern. Bei diesen Figuren handelt es sich um Kunstfiguren, die Bauern ähneln, von diesen jedoch abzugrenzen sind. Sie spiegeln nicht die realen zeitgenössischen bäuerlichen Umstände wider, sondern werden auf einen kleinen Aspekt des bäuerlichen Lebens reduziert und zudem modifiziert, sodass sie als rein fiktive Kunstfiguren in ihrer eigenen fiktiven dörperlichen Welt anzusiedeln und von der bäuerlichen realen Lebenswelt abzugrenzen sind. Im Lied c34 werden die dörper häufig lächerlich gemacht und bieten Raum für komische Elemente. Die dörper gelten als Widersacher des Sängers, da sie mit ihm in Konkurrenz stehen. Beide Parteien buhlen um die Gunst der Frauen. Im Lied c34 konkurrieren die dörper jedoch nicht mit dem Sänger um die Dame, womit die Grundkonstellation zwischen dem Sänger und den dörpern verändert ist. Der Sänger schätzt jedoch die Lage falsch ein und sieht in den dörpern den Grund für sein Liebesunglück. Ebenfalls modifiziert ist im Lied c34, dass der sonst grobe dörper Engelmair hier ein Krüppel ist, dem geholfen werden muss. Daran ist ersichtlich, dass im Lied c34 eine Geißelung der dörper vollzogen wird. Die Figur des Engelmair ist aus vielen Liedern bekannt und eine der wenigen dörper-Figuren, die eine Identität haben. Von den anderen dörpern im Lied erfährt man lediglich die Namen. Ansonsten gehen sie jedoch in einer Masse an Figuren unter. Eine solche anonyme Masse an dörpern findet sich in vielen Liedern Neidharts. In den Sommerlieder spielen die dörper nicht immer eine Rolle, beziehungsweise stehen nicht im Zentrum des Geschehens.[Schulze 2017] Daher gibt es bei den Sommerliedern eine Einteilung in Untergattungen, in welcher die dörperlichen Sommerlieder von den übrigen Sommerliedern abgegrenzt werden. In den dörperlichen Sommerliedern spielen die dörper eine große Rolle. Die dörper stehen „zur höfischen Welt und ihrer Ordnung im Kontrast“ [Schulze 2017:96]. Sie grenzen sich von den realen Bauern ab, indem sie etwa als wohlhabend dargestellt werden und oft prunkvolle Gewänder in den Farben Gold und Rot tragen, was nicht zur bäuerlichen Lebensrealität gehörte und vielmehr aus einem höfischen Umfeld entnommen ist. Damit werden die dörper parodiert und zur höfischen Welt kontrastiert, denn sie stehen trotz ihrer gelegentlich prunkvollen Kleidung für Gewalt und Sittenverfall, da ihre innere Gesinnung und ihr gewalttätiges und rüpelhaftes Verhalten nicht zu ihrem Äußeren passen. Sie wirken daher karnevalesk und werden lächerlich gemacht.
Gewalt
Die Gewalt ist ein wichtiger Aspekt des Neidhartschen Œvres. Auch bei der Untersuchung der dörperlichen Sommerlieder spielt die Gewaltmotivik eine wichtige Rolle. Das Gewaltmotiv ist im Lied c34 sehr ausgeprägt. Bei den Gewaltdarstellungen muss zwischen der imaginären Gewalt und der realen Gewalt sowie zwischen der Gewalt zwischen den dörpern unter sich und der Gewalt zwischen Sänger und den dörpern abgegrenzt werden. Die imaginäre Gewalt spielt sich im Kopf des Sängers ab. Sie ist im Lied durch die Verwendung des Konjunktivs gekennzeichnet. Die imaginäre Gewalt beinhaltet drastische und gewaltsame Bilder, die sich auf die dörper beziehen. Es liegt hier eine Gewalt zwischen Sänger und dörpern vor, wenn auch in imaginärer Weise. Der Sänger übt niemals reale Gewalt aus. Er ist ein Beobachter der realen Gewalt der Bauern. Durch das Beobachten, welches er nicht missen möchte, empfindet er eine Genugtuung und Erhabenheit, die ihn über die Bauern stellt, da er sich zivilisiert gibt und sich damit von den rohen und barbarischen Gewalthandlungen der dörper abgrenzt. Die tatsächliche Gewalt spielt sich bei den dörper-Figuren untereinander ab. Auch hier lassen sich drastische Bilder bis hin zu Tötung (Köpfen) und Verstümmelung erkennen. Es lässt sich festhalten, dass sowohl auf der dörper-Seite als auch auf der Seite des Sängers eine rohe und grausame Gewaltmotivik vorzufinden ist, wie die expliziten einschlägigen Szenen im Lied c34 zeigen.
Dennoch wird die Gewalt im Lied c34 verharmlost. Dies geschieht durch zahlreiche ironische Brechungen und der Verlagerung der Gewaltszenen in den Bereich des Komischen. Zudem spielen sich viele Gewaltschilderungen nur rein imaginär im Kopf des Sänger-Ichs ab, was ebenfalls zur Verharmlosung der Gewalt beiträgt. Meiner Meinung nach ist die Funktion der Gewaltmotivik daher nicht, die Schwere der Gewalt auf tragische Weise und ungeschönt zu zeigen. Viel mehr werden die Gewalthandlungen vom Tragischen entkoppelt und in den Bereich der Komik verlagert. Die Gewaltbilder werden durch Komik verschleiert und dienen dazu, dem Sänger ein Schauspiel zu liefern, welches er auf schadenfrohe Weise dazu nutzt, um sich von seinem Liebesleid zu erholen und sich zu belustigen, indem er die dörper aufgrund ihres gewaltsamen Verhaltens negativ und lächerlich darstellt. Die dörper bieten durch die negative Assoziation mit dem gewaltsamen Streit, was als negative Charaktereigenschaft betrachtet wird, eine Angriffsfläche, die selbige als Störfaktor für die Minneproblematik des Sängers umfunktionieren lässt. Damit werden sie durch ihre Gewalthandlungen zur Zielscheibe und zum Sündenbock.
Der Aspekt der Gewalt kann auch in anderer Hinsicht betrachtet werden. Man kann, je nach Auslegung und Definition von Gewalt, auch zwischen der Dame und dem Sänger von Gewalt sprechen. Setzt man für das Vorhandensein von Gewalt lediglich voraus, dass durch ein Tun oder ein Unterlassen einer Person eine andere Person zu physischem oder psychischem Schaden kommt, dann liegt im Lied c34 eine Form der Gewalt vor, wenn auch auf emotionale Art. Die Dame verschmäht den Sänger ruft so durch ein Unterlassen, wenn auch unbeabsichtigt, bei diesem ein Leiden in Form eines psychischen Schadens hervor. Natürlich kann man hier die Entscheidungsfreiheit und den freien Willen der Dame entgegensetzen, weshalb sie nicht mit einem derart negativen Begriff wie dem der Gewalt und der Schuld assoziiert werden darf. Durch diese mögliche Form der Gewaltausübung hat die Dame Macht über den Sänger. Der Sänger hat zwar viel Macht aufgrund seines alleinigen Redeanteils (vgl. dazu den Abschnitt Kommunikationssituation und Sprechakte), betrachtet man jedoch andere Aspekte, wie etwa den der Gewalt, so haben auch die Dame sowie die dörper Macht über den Sänger, was zu einer Verlagerung im Machtgefüge führt.
Kommunikationssituation und Sprechakte
Bezüglich der Sprechakte und der Kommunikationssituation lässt sich feststellen, dass im Lied c34 alle Strophen von derselben Figur, dem Sänger-Ich, gesprochen werden. Die Sängerrolle ist demnach im Lied c34 sehr ausgeprägt. Die Sänger-Figur hat damit eine Machtposition in der Figurenkonstellation, da sie den alleinigen Redeanteil hat. Sie ist die Figur, die der Autor sprechen lässt und aus deren Perspektive das Bild evoziert wird. Dabei berichtet der Sänger sowohl über sein Innenleben, als auch über die Außenwelt. Sowohl für die vrouwen-Rolle als auch für die dörper-Rolle ist im Lied c34 kein Redeanteil vorgesehen. Das Lied ist nicht in einer dialogischen Form aufgebaut. Der Sänger steht im Machtgefüge bezüglich des Gesichtspunktes der Redeanteile über der Dame und über den dörper-Figuren, da er die Darstellung jener lenken kann und ihnen keine Möglichkeit gegeben wird, aus ihrer Perspektive zu sprechen. Sie sind in die Rolle der Unmündigkeit gezwängt. Die dörper haben jedoch insofern Macht, als dass sie fast das gesamte Lied über der Gegenstand sind, welcher vor Augen geführt wird. Sie üben Macht auf den Sänger aus, da dieser sich dazu veranlasst sieht, über sie zu singen, da er sich von ihnen gestört fühlt.
Der Sänger spricht einen Adressatenkreis an. Dies ist an dem einschlägigen Pronomen "Ir" (Str. 1, V. 1) zu erkennen. Es finden sich im Lied keine Appelle an die Zuhörer. Die Rolle der Rezipienten ist es demnach, als passive Zuhörer, die nicht miteinbezogen werden, zu agieren. Lediglich wenige Male lassen sich Ausrufe und rhetorische Fragen finden, die jedoch innerhalb der Handlung des Liedes ihre Funktion erfüllen und nicht die Rezipienten involvieren und ansprechen. Das Sänger-Ich scheint allwissend zu sein. Es führt dem Rezipienten die Empfindungen, Gedanken und Meinungen der Dame und oftmals der dörper mit. Der Sänger darf hier jedoch nicht mit einer Erzählinstanz gleichgesetzt werden.
Minnerelationen
In Bezug auf die Minnerelationen wird dem Lied c34 die Dreieckskonstellation des klassischen Schemas der Hohen Minne zugrunde gelegt. Diese beinhaltet die vrouwe, den Sänger sowie die Gesellschaft. Die Gesellschaft wird im Lied c34 überwiegend ausgeklammert, jedoch sind die dörper auf gewisse Art und Weise zwischengeschaltet. Der Sänger selbst führt die dörper explizit als Störfaktor ein. Die dörper werden dabei zwischen den Sänger selbst und die Dame platziert. Dadurch wird im Lied eine bestimmte Minneproblematik erzeugt. Zu Beginn des Liedes sagt der Sänger aus, dass die Dame ihn zurückweist. Sie will ihn „verderben lan“ (Str. 2, V. 4). Möglicherweise liegt mit dieser drastischen Beschreibung eine Übertreibung des Sängers vor, jedenfalls kann man davon sprechen, dass dieser im Augenblick abgelehnt wird und keine Möglichkeit auf ein erfülltes Liebesglück hat. Es lässt sich feststellen, dass der Sänger von der Dame emotional abhängig ist. Jener sagt aus, dass alle seine Freude von der einen Dame abhängt. Auch der schöne Frühling, der für alle anderen eine fröhliche Erfüllung ist, kann ihm keine Freude bringen. Der Sänger liebt die Dame und leidet daher und seine einzige Hoffnung besteht darin, dass die Dame doch noch „gnedig“ (Str. 2, V. 7) mit ihm ist, wenn er in seinen Liedern keinen Makel von ihr besingt. Beachtenswert ist hier, dass der Sänger nicht etwa die Absicht äußert, Positives und Romantisches über die Dame zu singen. Er kann sich gerade dazu herablassen, über die Dame „keines wandels“ (Str. 2, V. 5) zu erwähnen. An dieser Stelle liegt bereits eine erste ironische Brechung vor. Nachdem der Sänger seine Minnesituation geschildert hat, verweist er sofort auf die dörper, die ihn scheinbar dabei stören, sein Minneglück zu erlangen. Allerdings lässt sich im Laufe des Liedes erkennen, dass die dörper nicht direkt in das Liebesleben des Sängers involviert sind und dass sie im Lied c34 nicht als eigentlicher Störfaktor agieren. Die dörper als Störfaktor sind vielmehr ein Vorwand des Sängers. Es scheint so, als könne er sein Minneproblem nicht lösen, da er bei der Dame doch keine Chance hat. Dies wälzt er dann auf die dörper ab, von denen er als sein Lieblingsthema für Schmäh- und Klagereden ohnehin nicht ablassen kann. Es wird nie direkt ein Konkurrenzverhalten der dörper dargestellt, von der eine Gefahr für den Sänger ausgeht. Es wird zum Beispiel nie das Mädchen des Sängers von einer dörper-Figur zum Tanz aufgefordert oder ähnliches. Die Funktion der dörper in den Minnerelationen ist hier vielmehr, dass sie mit ihrem Treiben den Sänger vom Lösen seiner Minneproblematik ablenken. Er kann sich nicht um sein Liebesleben kümmern, da er nicht davon ablassen kann, fälschlicherweise über die dörper zu wettern und diese schaulustig zu betrachten. Die dörper stellen, wenn überhaupt, ein passives Hindernis zwischen dem Sänger und der Dame dar. Dass der Sänger sich an den dörpern erheitern und ablenken kann, löst nur vorübergehend sein Leiden, jedoch nicht seine Probleme im Kern. Nach seiner Hassrede wird der Sänger unerwarteterweise wieder da stehen, wo er am Anfang stand, da die dörper nicht für seine Probleme verantwortlich sind.
Die Minne direkt wird in c34 nur kurz angesprochen, die Schilderung der Minneproblematik und auch die Dame nehmen demnach nur einen kleinen Stellenwert und wenig Handlung im Lied ein. Das Hauptaugenmerk liegt auf dem Treiben der dörper, was jedoch aus dem Liebesleid des Sängers resultiert. Daher nimmt die Minne indirekt einen großen Teil der Handlung ein, wenn auch versteckt hinter dem Agieren der dörper.
Platzierung des Liedes c34 bezüglich der Typusfrage
An dieser Stelle subsumiere ich die Inhalte des Liedes c34 unter die verschiedenen Aspekte eines Sommerliedes aus der Typologie nach Ruh. Zuerst betrachte ich den Natureingang. Im Lied c34 liegt offensichtlich ein sommerlicher Natureingang vor, wenn auch modifiziert durch seine frühlingshafte Machart. Der Sprecher im Natureingang des Liedes c34 ist der Sänger. Im Sommereingang des Liedes c34 ist die Rede von Blumen, Berg und Tal. Von Vögeln, Wald und Wiese ist nicht explizit die Rede, jedoch sind in c34 im Natureingang auffällig viele Personifikationen der Naturmächte zu finden, wie es Ruh für die Sommerlieder konstatiert. Der Natureingang stellt jedoch gerade kein Aufruf zu Freude und Tanz dar, sondern ein Kontrastmittel, bei welchem das positive Naturbild des Frühlings dem Leid des Sängers gegenübergestellt wird.
Ruh stellt fest, dass die Typen Sängerklage und Rivalen-Drohung für die Sommerlieder untypisch sind. Gerade im Lied c34 liegt jedoch eine Sängerklage vor, womit nach Ruh die Vorgaben eines typischen Sommerliedes im Lied c34 nicht erfüllt sind. Das modifizierte Minneschema aus Neidharts Sommerliedern nach Ruh könnte im Lied c34 vorliegen. Hierfür müssten der soziale Status sowie die Minnerelation zwischen Sänger und Dame vertauscht sein. Die Figur der Dame repräsentiert im Lied c34 wie üblich ein Mädchen aus der dörperlichen Welt, während der Sänger ein Adliger ist. Der Sänger wirbt um die Dame und diese gerade nicht um ihn, wie es in vielen Sommerliedern Neidharts der Fall ist. Demnach ist der soziale Status zwischen Sänger und Dame vertauscht, die Minnerelation entspricht jedoch dem Schema der Hohen Minne und dem Minneklageschema. Demnach liegt das modifizierte Minneschema im Lied c34 in Ansätzen vor. Die Figur des Sängers müsste zudem die Sänger-Rolle nach Ruh erfüllen. Dafür müsste die Sänger-Figur entweder der passive Gegenstand der Minne von Tochter oder Mutter sein oder der aktive Überbringer von Freude. Im Lied c34 klagt der Sänger und es gibt keine Mutter- oder Tochter-Figur, die um ihn wirbt. Demnach erfüllt der Sänger nicht die klassische Sänger-Rolle der Sommerlieder nach Ruh.
An dieser Stelle betrachte ich Ruhs Aspekt bezüglich eines Winterliedes. Der Natureingang im Lied c34 umfasst etwas mehr als eine Strophe. Für den Natureingang in den Winterliedern konstatiert Ruh, dass dieser meist sehr kurz ist und außerdem ebenfalls meist das Sänger-Ich der Sprecher ist. In Bezug auf den Sprecher erfüllt das Lied c34 somit die Vorgaben für ein Winterlied nach Ruh, in Bezug auf den Umfang des Natureingangs jedoch nicht. Sprachlich erfüllt der Natureingang des Liedes c34 die Vorgaben für ein Winterlied nach Ruh ebenfalls nicht. Jedoch erfüllt er die Funktion des Natureingangs in den Winterliedern. Diese liegt gerade darin, ein Kontrastmittel darzustellen und damit in das Leid des Sängers einzuführen, was in c34 unzweideutig der Fall ist. Bezüglich der Thematik setzt Ruh für die Winterlieder Klage und Auseinandersetzungen zwischen den dörpern voraus, was im Lied c34 der Fall ist. Die Klage liegt in monologischer Form durch den Sänger vor und beinhaltet Minne- und Gesellschaftsklage, was nach Ruh für ein Winterlied der Fall sein kann. Die dörperliche Welt wird dabei negativ dargestellt, ruft Spott bei der Sänger-Figur hervor und erzeugt Komik. Weiterhin liegen in c34 keine Dialoge vor. Die Aussagen des Sängers liegen außerdem in Form eines Berichts vor. Hier erfüllt das Lied demnach schon viele Voraussetzungen, die Ruh für ein Winterlied konstatiert. Im Gegensatz dazu erfüllt der Sänger in c34 jedoch nicht die das, was nach Ruh für die Sänger-Rolle in den Winterliedern vorgesehen ist. Die Funktion des Sängers im Lied c34 ist nicht primär das Werben um die Dame. Dafür fokussiert sich der Sänger zu sehr auf das Verschmähen der dörper. Dieser sagt lediglich aus, dass er das Vorhaben hat, in anderen Liedern um die Dame zu werben. Der Sänger ist jedoch ebenfalls erfolglos, wie es Ruh für die Sänger-Rolle vorsieht, und klagt daraufhin. Seine Klage wird jedoch schon bald durch den Spott über die dörper verdeckt. Man kann daher nur bedingt davon sprechen, dass das Lied c34 dem klassischen Minneklageschema folgt. Auch unter dem Aspekt der dörper-Rolle herrscht im Lied c34 eine gewisse Problematik. Diese stehen der Minne des Sängers nur indirekt im Wege, denn dieser selbst positioniert sie als Störfaktor, obwohl die Bauern nicht selbst agieren, indem sie um die Dame konkurrieren oder diese belästigen, wie es nach Ruh für die dörper-Rolle in einem Winterlied vorgesehen ist. Die vrouwe stammt im Lied c34 aus einem dörperlichen Milieu und hat eine passiv ablehnende Haltung gegenüber dem Sänger, wie es für ihre Rolle vorgesehen ist. Wie es Ruh für die Winterlieder feststellt, treten auch im Lied c34 die dörper als Masse auf. Namen werden zwar genannt, jedoch wird nur Engelmâr mit einer Identität belegt. Auch treten die Bauern im Lied c34 als derbe und ruppige Figuren auf. In seinen Grundzügen ähnelt das Minneschema in c34 dem der Hohen Minne. Dies stellt Ruh für die Winterlieder fest, mehr als es bei den Sommerliedern der Fall ist. Demnach entspricht das Lied c34 in Bezug auf das Minneschema mehr den Winterliedern.
Da Schweikle nicht exakt so vorgeht wie Ruh, erübrigt es sich bei diesem, die Eigenschaften des Liedes c34 unter verschiedene Aspekte zu subsumieren und anhand dessen der Charakterisierung eines Winterliedes oder eines Sommerliedes zuzuordnen. Schweikle unterteilt von vornherein die Winterlieder und Sommerlieder in weitere Liedtypen und formuliert keine Aspekte, unter welchen er die Sommer- und Winterlieder weiter differenziert. Jedenfalls entspricht das Lied c34 jener Charakteristik, die Schweikle für den Untertypus der dörperlichen Sommerlieder festlegt. Es handelt sich strukturell um ein Erzähllied, in welchem der Sänger erzählend berichtet. Das charakteristische Verhalten der dörper wird gerächt, da diese auf negative Art und Weise dargestellt und vorgeführt werden. Dabei ist auch ein Bezug zur Spiegelraubepisode miteingeflochten, da Engelmair explizit genannt und ebenfalls gerächt wird, indem er als Krüppel dargestellt und verspottet wird. Die dörper spielen eine große Rolle im Lied c34, während sie in vielen anderen Sommerliedern gar nicht vorkommen. Dabei werden auch die Gewalt und die Tölpelhaftigkeit der dörper dargestellt.
Abschließend lässt sich festhalten, dass der Natureingang im Lied c34 zu gleichen Teilen den Sommer- beziehungsweise Winterliedern zuzuordnen ist. Thematisch tendiert er zu den Eigenschaften eines Natureingangs in den Sommerliedern, wie sie Ruh charakterisiert. Die Funktion des Natureingangs in c34 ist jedoch typisch für die Winterlieder. Unter dem Aspekt des Sprechers erfüllt der Natureingang im Lied c34 die Eigenschaften von Sommerliedern und Winterliedern gleichermaßen und in Bezug auf den Umfang entspricht er mehr den Sommerliedern, da diese für gewöhnlich einen längeren Natureingang haben. Bezüglich seiner Modifikation als Frühlingseingang tendiert der Natureingang in c34 jedoch wieder mehr zu dem Winterliedern. In Bezug auf die Thematik tendiert c34 unzweifelhaft zu den Winterliedern. Die Thematik, die Ruh für die Winterlieder feststellt, ist auch im Lied c34 erkennbar, während das Lied für die Thematik der Sommerlieder lediglich das erfüllt, was dort als Sonderform genannt wird. In Bezug auf das Minneschema erfüllt das Lied c34 meines Erachtens allenfalls die Vorgaben der Winterlieder, jedoch ist die Minnethematik in c34 ohnehin nicht sehr stark vertreten. Die vrouwe etwa hat gar keine aktive Rolle und ihre Erwähnung beschränkt sich auf wenige Verse. Danach schwenkt der Sänger sofort zu seiner Rede über die dörper um, wovon er auch nicht mehr loskommt und womit er die Minneproblematik überdeckt beziehungsweise zu umgehen versucht. Bezüglich der Sänger-Rolle und der dörper-Rolle erfüllt das Lied c34 mehr die Vorgaben der Winterlieder. Der Sänger fühlt sich von den dörpern bedroht und rivalisiert. Diese haben ein gewalttätiges, ungebildetes und ungeschicktes Auftreten. Der Sänger selbst klagt, da er kein Liebesglück mit der Dame erfährt und vor allem da er sich von den dörpern gestört fühlt. Insgesamt lässt sich demnach festhalten, dass das Lied c34 nach der Typologie Ruhs mehr Eigenschaften eines Winterliedes aufweist, während es gleichzeitig bei Schweikle als eigene Unterkategorie der dörperlichen Sommerlieder den Sommerliedern zugeordnet ist.
Zwischenfazit bezüglich der Typusfrage
An dieser Stelle halte ich als Ergebnis bezüglich meiner zweiten These fest, dass die dörperlichen Sommerlieder, in diesem Artikel stellvertreten durch das Lied c34, in einem schwierigen Verhältnis zur traditionellen Unterscheidung in Winterlieder und Sommerlieder stehen. Einerseits enthält das Lied nach Ruh mehr Eigenschaften eines Winterliedes, was man erkennt, wenn man das Lied unter den bestimmten Aspekten betrachtet. Andererseits werden die dörperlichen Sommerlieder nach Schweikle als Unterkategorie direkt den Sommerliedern zugeordnet. Damit liegt eine Kontroverse vor, durch die das Lied weder den Winterliedern noch den Sommerliedern und aufgrund der unterschiedlichen Kriterien Schweikles und Ruhs auch nicht irgendwo dazwischen platziert werden kann. Nach Ruh stellen die dörperlichen Sommerlieder eine Mischform aus Winterliedern und Sommerliedern dar, die mit ihren Eigenschaften etwas mehr zu den Winterliedern tendiert. Nach Schweikle stellen die Lieder eigentlich auch eine Mischform dar, da Schweikle dem sommerlichen Grundgerüst der Lieder einige winterliche Eigenschaften, wie etwa die der dörper, zugesteht, welche er jedoch direkt der Kategorie der Sommerlieder unterstellt. Aus diesem Widerspruch wird jedenfalls nicht klar, wie eine Mischform zu definieren und bezüglich einer Einordnung in die Winterlied-Sommerlied-Grundunterscheidung zu handhaben ist. So lässt sich über die Typusfrage ohnehin keine Doktrin aufstellen. Von der Bezeichnung der dörperlichen Sommerlieder als Mischform möchte ich daher ebenfalls absehen. Zudem revidiere ich an dieser Stelle meine These des Experiments vom Experiment. Das Lied c34 weist typische Motive der Neidhartschen Lieder auf. Das wären die dörper, der Sänger, die Minneproblematik, der Natureingang und das Motiv der Gewalt. Damit gliedert sich das Lied in das Neidhartsche Liedprogramm ein. Es war vermutlich nie Neidharts Intention, sich mit diesem Lied vom Rest seines Werkes abzuheben. Das Lied hebt sich zwar von der Untergliederung in Sommer- und Winterlieder ab, jedoch ist eben diese Untergliederung ein Phänomen aus der späteren Forschung, welche erst ab 1848 formuliert und spezifiziert wurde. Neidhart wechselte lediglich zwischen den Sommer- und Wintereingängen ab, weshalb in den Handschriften die Lieder nach diesen geordnet sind, mit der jedoch noch keine weiteren Eigenschaften, Abweichungen oder Besonderheiten der Lieder verbunden waren. Demnach gehören alle Lieder Neidharts, unabhängig von ihrem zufälligen Natureingang, derselben Idee an, weshalb auch das Lied c34 nicht experimentartiger ist als Neidharts übrige Lieder. Zudem wird an dieser Sachlage erkenntlich, dass die Unterscheidung in Winter- und Sommerlieder nur bedingt dazu geeignet ist, um als Grundlage für eine Typologie verwendet zu werden. Ich plädiere daher dafür, die dörperlichen Sommerlieder als einen abzugrenzenden Typus aus dem Gesamtwerk Neidharts zu behandeln, welcher außer jedem Verhältnis zur traditionellen Grundunterscheidung betrachtet werden muss. Das Verhältnis zu den Winter- und Sommerliedern ist zu schwierig und in der Forschung zu widersprüchlich, sodass man es letztendlich vernachlässigen kann. Stattdessen schlage ich vor, die Eigenschaften aus den dörperlichen Sommerliedern und auch dem Lied c34 in Bezug auf die Charakteristik des Neidhartschen Gesamtwerkes zu betrachten und rückbeziehend Querverbindungen und Gemeinsamkeiten zu andern Liedern festzustellen. So können viele unterschiedliche Gruppierungen der Lieder bezüglich Motiven und weiteren Eigenschaften ermittelt werden, ohne dass eine ursprüngliche Grundunterscheidung, welche jedoch nur aus zwei Elementen besteht, zugrunde gelegt wird.
Fraglich ist nun, wie die Typologien der Lieder Neidharts für Lieder wie die dörperlichen Sommerlieder zu bewerten sind. Die geläufigen Typologien von Schweikle und Ruh, die sich in ihrer Machart ähneln, klammern einen großen Teil des Gesamtwerkes aus. Eine neuere Typologie[Bleuler 2008] betrachtet ebenfalls nicht Neidharts Gesamtwerk. Es gibt demnach keine Typologie der Lieder Neidharts mit Anspruch auf Allgemeingültigkeit. Bezogen auf das Gesamtwerk Neidharts lassen sich zwischen den verschiedenen Liedtypen nicht immer klare Abgrenzungen feststellen. Es ist demnach nicht einfach, eine Typologie über das Gesamtwerk des Sängers zu erstellen. Auch Ruh gesteht sich dies ein, indem er selbst zahlreiche Ausnahmen nennt, bei welchen seine Ausführungen und Differenzierungen innerhalb der verschiedenen Aspekte nicht zutreffend sind. Mit den Typologien lassen sich demnach allenfalls grobe Richtlinien und ein grober Rahmen schaffen. Es lässt sich feststellen, dass, je mehr eine Typologie zur Feldtheorie wird, also zum Ziel hat das gesamte Œvre abzustecken, desto mehr Ausnahmen müssen anerkannt und abgegrenzt werden, wie hier etwa der Typus der dörperlichen Sommerlieder. Es lässt sich erstens festhalten, dass es Liedtypen gibt, auf welche einzelne Typologien nicht anzuwenden sind. Mit der Typologie Ruhs etwa kommt man zu einem Ergebnis, welches die ursprüngliche Idee der Einordnung der dörperlichen Sommerlieder Schweikles als Sommerlied verzerrt beziehungsweise ihr widerspricht, da ein dörperliches Sommerlied, insbesondere c34, unter den Aspekten Ruhs mehr einem Winterlied entspricht, weshalb das Lied in Schweikles Sinne nicht auf Ruhs Typologie anzuwenden ist. Zweitens lässt sich festhalten, dass eine Typologie im Besonderen wirkungsvoll sein mag. Man kann sie als Hilfestellung nehmen, um verschiedene Motive und Thematiken zu verstehen und zu ordnen, um einen besseren Überblick zu erhalten. Für das Allgemeine jedoch ist eine Typologie nur bedingt hilfreich. Sie kann nicht so beschaffen sein, dass sie alle Einzelelemente umfassen könnte. Demnach möchte ich festhalten, dass eine Klassifizierung der Lieder Neidharts und auch die traditionelle Unterscheidung in Winter- und Sommerlieder nur bedingt sinnvoll sind. Daher würde ich vorschlagen, eine Typologie als nützliches und strukturierendes Instrument zu betrachten, welches einen Überblick und Klarheit verschaffen kann, insbesondere wenn man sich gerade erst mit dem Werk eines Autors vertraut macht. Nach einiger Auseinandersetzung mit dem Œvre des Autors darf man eine Typologie jedoch auch kritisch betrachten und eigene Wege gehen, um sich ein bestimmtes Lied des Gesamtwerkes in Bezug auf das Gesamtwerk zu erschließen. Man sollte die Lieder auch individuell in ihren Details betrachten, um unvoreingenommen von der Klassifizierung einer Typologie und deren abgesteckten Aspekten zu Ergebnissen zu gelangen, und diese dann allenfalls auf das Gesamtwerk eines Autors zu beziehen.
Gesamtfazit
Mit dem Lied c34 liegt ein Ausschnitt aus Neidharts Werk vor, der Kontroversen aufwirft. In der Forschung wird einerseits festgestellt, dass das Lied mehr Eigenschaften eines Winterliedes aufzeigt, an anderer Stelle wird es im Rahmen eines Untertypus den Sommerliedern zugeordnet. Sieht man von den verschiedenen Typologien und der traditionellen Unterscheidung zwischen Winterliedern und Sommerliedern ab und betrachtet man das Lied c34 unabhängig von seiner Klassifizierung als dörperliches Sommerlied als eigenen Liedtypus fernab von jeglichem Schubladendenken, dann hat man ein Lied vor sich, dass viele charakteristische Eigenschaften und Motive aus dem Neidhartschen Œvre aufweist. So gibt es im Lied die dörper, welche für Aufruhr sorgen und mit ihrem Treiben und Agieren im Zentrum des Berichtes stehen. Auch hat man im Lied einen Sänger, der in vielerlei Hinsicht dem typischen Sänger von Reuental entspricht. Er leidet wegen einer Dame, er singt und besingt die Dame sowie die dörper. Letzteren ist er wie üblich feindlich gesinnt. Man findet den Natureingang und das typische Natursetting vieler Lieder Neidharts, in welches er das Geschehen seiner künstlich geschaffenen dörperlichen Lebenswelt einbettet. Auch die Minnethematik ist im Lied präsent. Aus all diesen Merkmalen kann man schließen, dass das Lied trotz den Besonderheiten eines dörperlichen Sommerliedes und weiteren Eigenheiten in seinem Detail musterhaft für Neidharts Programm ist und sich in sein Gesamtwerk einfügt, anhand dessen Gesamtheit sich eine Neidhartsche Welt erschließen lässt. Trotz der verschiedenen Typologisierungsversuche ergibt das Neidhartsche Liederprogramm eine Einheit, unter deren Einzelelementen sich zwar verschiedene Gemeinsamkeiten und Querverbindungen ergeben, die sich aber dennoch nur noch schwer als Ganzes in einzelne Klassen aufteilen lässt. Man könnte daher sagen, dass Neidharts Werk ein Melting Pot ist.
Einzelnachweise
- ↑ Der mittelhochdeutsche Text bezieht sich auf die Salzburger Neidhart Edition 2007.
Literaturverzeichnis
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Textausgabe
- [*SNE 2007] Müller, Ulrich; Bennewitz, Ingrid; Spechtler, Franz Viktor; Weichselbaumer, Ruth et al. (Hg.): Neidhart-Lieder: Texte und Melodien sämtlicher Handschriften und Drucke. ('Salzburger Neidhart-Edition' = SNE). 3 Bände. Berlin/New York (de Gruyter) 2007. Band 2.
Forschungsliteratur
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