Gawans Abenteuer auf dem Weg zum Gerichtskampf gegen Kingrimursel (Wolfram von Eschenbach, Parzival)

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Der folgende Artikel beschäftigt sich mit Gâwân und seinen Abenteuern auf dem Weg zum Gerichtskampf gegen Kingrimursel. Diese Handlung erstreckt sich über die Bücher VII und VIII des Parzivals und wird auch als "Gawan-Handlung I" bezeichnet. Im Folgenden wird das Geschehen in den Handlungszusammenhang gebracht und darüber hinaus beleuchtet, was Gâwân auf seiner Reise zu Kingrimursel alles erlebt.

Einordnung in den Textzusammenhang

Bevor näher geschildert wird, welchen Kämpfen und Abenteuern Gâwân gegenübertritt, ist noch zu klären, wie es dazu kommt, dass er sich zu dem Gerichtskampf gegen Kingrimursel aufmacht. König Artus will den Roten Ritter, der durch seine Taten auf sich aufmerksam gemacht hat, in den Kreis der Tafelrunde aufnehmen. Zu diesem Zeitpunkt ist Parzival noch unerkannt und seine Identität wird erst durch Gâwân aufgedeckt. Mit großer Besonnenheit löst dieser einen Konflikt, der durch ein Missverständnis zwischen Parzival und den Artus-Rittern entsteht. [Bumke 2004: Vgl. S. 74] Im weiteren Verlauf der Handlung treten zwei weitere Personen auf. Kundrie die häßliche Gralsbotin, die Parzivals Versagen auf der Gralsburg beklagt und seine Anwesenheit bei der Tafelrunde als Schande für die ritterliche Gesellschaft bezeichnet und Kingrimursel, der mit Gâwân ins Gericht geht. Er beschuldigt ihn des Mordes und will ihn nun in einem Gerichtskampf zur Rechenschaft ziehen. Er bestellt ihn nach Schanpfanzûn, um dort einen Kampf gegen ihn auszuführen. [Dallapiazza 2009: Vgl. S.52-53]


lougent des hêr Gâwân,

des antwurte ûf kampfes slac

von hiute [uber] den vierzegisten tac,

vor dem künec von Ascalûn

in der houbetstat ze Schanpfanzûn.

ich lade in kampflîche dar

gein mir ze komenne kampfes var.


V.321, 16-22 [1]


So begibt sich der Beschuldigte also in Richtung Schanpfanzûn, um Kingrimursel entgegenzutreten.

Gawans Reisen und Abenteuer (338,1 - 432,30)

In der Stadt Bearosche (338,1 - 397,30)

Von hier an nimmt Gâwân für einige Zeit die Hauptrolle der Erzählung ein. Parzivals Entwicklung auf der Suche nach dem Gral werden in den Hintergrund gerückt. Auf dem Weg nach Schampfanzun wird Gâwân Zeuge eines militärischen Aufmarsches. [Bumke 2004: Vgl. S.79] Wie schon so oft geht es bei diesem Aufmarsch um die Liebe. König Meljanz zieht gegen seinen eigenen Vasallen Lippaut in den Krieg, da ihm dessen Tochter abgewiesen hat und er diese Schmach nicht auf sich sitzen lassen will. Ein Heer vom König Poydiconjunz kommt ihm zu Hilfe. [Dallapiazza 2009: Vgl. S.55] Lippaut auf der anderen Seite bekommt Hilfe von seinem Bruder Marangliez und vom König Schirniel von Lirivoyn. Unbemerkt von den Truppen reitet Gâwân weiter in Richtung Bearosche zur Burg. Dort angekommen belauscht er ein Gespräch zwischen den beiden Töchtern Lippauts. Obie und Obilet geraten in der Frage nach Gâwâns Absichten in ein Streitgespräch. Während Obie ihn zunächst für einen Kaufmann und später für einen Betrüger hält, glaubt Obilet an seine ehrenwerten Absichten und sieht in ihm ihren Erlöser und Retter. Der Burggraf Scherules entdeckt sofort, dass der Gast ein vornehmer Herr ist und führt ihn daraufhin in die Stadt. [Bumke 2004: Vgl. S.79-80] Mit Hinblick auf seinen Kampf in Schampfanzun will Gâwân jedoch nicht in die bevorstehenden Kamphandlungen eingreifen. Obilet, die in ihm schon von Beginn an den Ritter gesehen hat, der ihr hilft, versucht ihn vom Eingriff in den Kampf zu überzeugen. Sie ernennt ihn zu ihrem Minneritter und überredet ihn somit ihrem Vater zur Hilfe zu kommen. [ Dallapiazza 2009: Vgl. S.55] So zieht er am nächsten Tag in die Schlacht und erweist sich als bester Kämpfer unter allen Anderen. Durch die Gefangennahme des Königs Meljanz gelingt ihm eine entscheidende Tat im Hinblick auf die Beendigung der Kämpfe. Der König wird zu Obilet geschickt, die ihm nahelegt, sich mit Obie zu versöhnen und sie zu heiraten. Der Streit und die Kampfhandlung werden durch die Hochzeit der Beiden beendet. Gawan hat bewiesen, welch ein tapferer und starker Ritter er ist. Zwar geht es in den Büchern VII und VIII besonders um Gâwân, doch auch Parzival tritt kurz auf. Er zeichnet sich auch durch seine kämpferischen Fähigkeiten aus und nimmt König Schirniel und Herzog Marangliez gefangen. Durch die Einbindung von Parival in das Geschehen verlieren die ritterlichen Taten des Gâwân ein wenig an Glanz. Hierbei ist aber positiv zu erwähnen, dass man nun eine zeitliche und räumliche Koordinierung der beiden Handlungsstränge gewinnt. [Bumke 2004: Vgl. S.82]

Gawan in Schanpfanzûn (398,1 - 432,30)

Der tapfere Ritter zieht nun weiter in Richtung des Gerichtskampfes. Unmittelbar nach seiner Ankunft im Land Ascalun trifft er auf König Vergulaht, dessen Vater Gâwân erschlagen haben soll. Dieser ist mit der Vogeljagd beschäftigt und verweist den Ritter an seine Schwester Antikonie in Schanpfanzûn. Zu diesem Zeitpunkt weiß der König noch nichts von der Identität des Gastes. [Bumke 2004: Vgl. S.83] Antikonie empfängt den Ritter freundlich und die Szene lädt sich nach wenigen Momenten erotischer auf. [Dallapiazza 2009: Vgl. S.56] Gâwân ist von seiner Gastgeberin derart angetan, dass er ihr sein sexuelles Interesse unverhüllt vor Augen führt. Doch auch Antikonie fühlt sich zu ihrem Gast hingezogen, doch bevor Weiteres passieren kann, werden sie von einem Ritter ertappt.


von der liebe alsöhle nôt gewan

beidiu magt und ouch der man,

daz dâ nâch was ein dinc geschehen,

hetenz übel ougen niht ersehen

des willn si bêde wârn bereit:

nu seht, dô nâht ir herzeleit.

dô gienc zer tür în aldâ

ein ritter blanc: wand er was grâ.


V.407, 5-12


Dieser Ritter erkennt Gâwân sofort und schlägt Alarm, da er glaubt eine Vergewaltigung erblickt zu haben. Darüber hinaus erkennt er ihn als den Mörder des früheren Königs. Durch das Alarmgeschrei kommen viele Stadtbewohner in den Turm, in dem sich die vermeintliche Vergewaltigung zugetragen hat und wollen Antikonie zur Hilfe eilen. Ohne richtige Waffen und nur mit einem Schachbrett und einem Türriegel bewaffnet, versucht sich Gâwân zu verteiden. Dabei wird er von der Schwester des Königs unterstützt, die mit Schachfiguren auf die Angreifer wirft. [Bumke 2004:Vgl. S.83] Der König ist derweil wieder zurück in der Stadt und erfährt erst jetzt, wen er zu sich eingeladen hat. Auch er ergreift nun Partei gegen seinen Gast und verletzt somit dessen Recht auf freies Geleit, welches ihm zuvor von Kingrimursel zugesichert wurde. Genau dieser tritt jetzt in die Szenerie und stellt sich auf die Seite von Gâwân und somit gegen seinen eigenen König. Dies aber nur deshalb, weil der Gerichtskampf noch nicht stattgefunden hat. [Dallapiazza 2009: Vgl. S.56] Nachdem das Volk sich weigert, gegen Kingrimursel, ihren Landgrafen zu kämpfen, werden die Waffen niedergelegt und die Verhandlungen über die weitere Zukunft des Gastes aufgenommen. Hierbei wird vorgeschlagen den Gerichtskampf um ein Jahr nach hinten zu verschieben. Herzog Liddamus, der nun zur Szenerie tritt, schlägt vor, mit Gâwân kurzen Prozess zu machen. Doch man einigt sich darauf, Gâwân zur Gralssuche zu verpflichten. Diese Aufgabe wird hierbei vom König, der von einem Ritter besiegt wurde und daher, um sein Leben zu retten, zur Gralssuche verpflichtet wurde, auf ihn übertragen. So soll er sich nun auf den Weg machen den Gral zu suchen und darf schlussendlich die Stadt ungehindert verlassen.

Fazit

Gâwân wird als ein ein edler und stolzer Ritter dargestellt. Er fühlt sich daher verpflichtet im Gerichtskampf gegen Kingrimursel anzutreten. Die Angst sein ritterliches Ansehen zu verlieren ist größer als die Befürchtung im Kampf zu sterben. In der Stadt Bearosche wird deutlich, wie ernst er die Aufforderung von Kingrimursel nimmt, denn er will sich zunächst nicht in die Kämpfe rund um die Stadt einmischen. Er befürchtet dabei verletzt oder getötet zu werden und so nicht mehr zum Kampf gegen Kingrimursel antreten zu können. Er steckt dabei in einer Art Zwickmühle. Einerseits will er schnellstmöglich und ohne weitere Ablenkung zum Gerichtskampf, andererseits ist er ein Ritter und kann sich so der Bitte Obilets nicht entziehen. Als Ritter wäre es verwerflich bei solchen Kämpfen nicht mitzuwirken. Gawan ist nicht nur edel und stolz, sondern auch klug. Immer wieder schafft er es Konflikte durch seine kluge Regie zu lösen. [Bumke 2004: Vgl. S.82] Dies zeigt sich zum Einen in Bearosche, als er den gefangen genommenen König an Obilet übergibt und der Konflikt daraufhin gelöst wird und zum Anderen wird dies beim ersten Aufeinandertreffen von Parzival und ihm deutlich. Auch hier löst er einen Konflikt zwischen Parzival und den Artus-Rittern. Hier beweist er, dass er die Fähigkeit besitzt, Konflikte ohne den Kampf, sondern mit kluger Besonnenheit zu lösen. Im weiteren Verlauf der Gawan-Handlungen stellt er dies noch öfter unter Beweis. [Bumke 2004: Vgl. S.74] Zu Gâwân ist noch zu sagen, dass er ein sehr guter Kämpfer ist. In Bearosche zeigt er sich derart geschickt mit dem Schwert, dass er jedem Gegner trotzt und sich als der beste Kämpfer erweist. So verwundert es nicht, dass er derjenige ist, der den Krieg durch die Gefangennahme des Königs beendet. [Bumke 2004: Vgl. S.82] Herauszuheben ist, dass er ein außergewöhnlicher Ritter ist und den Vergleich mit Parzival nicht scheuen muss.




Quellennachweise

<HarvardReferences /> [*Bumke 2004] Bumke, Joachim: Wolfram von Eschenbach, 8. Aufl., Stuttgart/Weimar 2004. <HarvardReferences /> [*Dallapiazza 2009] Dallapiazza, Michael: Wolfram von Eschenbach: Parzival, Berlin 2009

  1. Alle Versangaben beziehen sich auf die Ausgabe: Wolfram von Eschenbach: Parzival. Studienausgabe. Mittelhochdeutscher Text nach der sechsten Ausgabe von Karl Lachmann. Übersetzung von Peter Knecht. Mit einer Einführung zum Text der Lachmannschen Ausgabe und in Probleme der 'Parzival'-Interpretation von Bernd Schirok, 2. Aufl., Berlin/New York 2003.