Astrologie im Parzival (Wolfram von Eschenbach, Parzival)
Die Kunde von den Sternen scheint in Wolframs Parzival in einem direkten Zusammenhang mit der Handlung zu stehen. Immer wieder rückt ihre Bedeutung in den Vordergrund, wie zum Beispiel beim Leiden des Anfortas, der Blutstropfenszene oder in der Botschaft der Gralsbotin Cundrie. Sofern die Sterne Einfluss auf das Geschehen der geschilderten Welt haben, wirft dies auch ein neues Licht auf die Schuldfrage des Parzival. Zudem ist der Einfluss der Sterne ein Element, dass in Wolframs Vorlage von Chretien nicht vorkommt.
Kyot und das Buch des Flegetanis als Quelle der Sternenkunde
Die Verwebung von Astrologie und dem Geheimnis des Grals wird besonders an einer Stelle deutlich, an welcher der Erzähler sich auf die fragwürdige Quelle Kyot beruft.[1] Kyot soll wiederum die geschilderte Geschichte aus einer arabischen Version übersetzt haben, die angeblich auf den Gelehrten Flegetanis zurückgeht. Da dieser jedoch ein Heide war, musste Kyot, Dank der Taufe dazu in der Lage, das Geheimnis des Grales aus dieser Schrift heraus erst offenbaren.[2] Von dem Gelehrten Flegetanis wurde dabei jedoch die Sternkunde übernommen:
Flegetânis der heiden | Jener Heide Phlegetanis |
kunde uns wol bescheiden | war fähig, uns dies darzustellen: |
ieslîches sternen hinganc | jedes Planeten Deszendenz |
unt sîner künfte widerwanc: | und seine Rückkehr, Aszendenz |
wie lange ieslîcher umbe gêt | wie lang jeweils der Umlauf ist, |
ê er wider an sîn zil gestêt. | bis er erneut sein Haus erreicht. |
mit der sternen umbereise vart | Durch den Planetenrundlauf ist |
ist geprüevet aller menschlîch art. | der Menschen Wesen mitgeprägt. |
Flegetânis der heiden sach, | Phlegetanis sah - als Heide - |
dâ von er blûweclîche sprach, | mit eignen Augen im Gestirn |
im gestirn mit sînen ougen | (er sprach davon mit großer Scheu) |
verholenbæriu tougen. | das verhohlene Mysterium. |
er jach, ez hiez ein dinc der grâl: | Er sprach vom Ding, genannt Der Gral |
des namen las er sunder twâl | diesen Namen sah er deutlich |
imme gestirne, wie der hiez. | in der Stellung der Planeten. |
Ob die Quelle Kyot nun existiert oder nicht, steht hier nicht zur Debatte, aber auffällig ist vor allem, dass Wolfram an dieser Stelle deutlich von seiner Hauptvorlage von Chrétien de Troyes abweicht. Bei diesem spielte die Astrologie keine Rolle, wohingegen bei Wolfram zumindest an dieser Stelle der Eindruck eines "astralen Determinismus"[Kibelka 1965: S. 87] entsteht, da die Sterne angeblich Einfluss auf das Wesen des Menschen haben.
Sternenschicksal oder Willensfreiheit
Anfortas und Saturn
Der Stern des Feirefiz
Quellennachweise
Alle Versangaben beziehen sich auf die Ausgabe: Wolfram von Eschenbach: Parzival. Mittelhochdeutscher Text nach der sechsten Ausgabe von Karl Lachmann. Übersetzung von Dieter Kühn. Kommentiert von Eberhard Nellmann, Deutscher Klassiker Verlag, Frankfurt am Main, 2006.
<HarvardReferences />
[*Deinert 1960] Deinert, Wilhelm: Ritter und Kosmos im Parzival, Eine Untersuchung der Sternenkunde Wolframs von Eschenbach, München: Beck'sche Verlagsbuchhandlung, 1960.
[*Kibelka 1965] Kibelka, Johannes: Sternglaube und Willensfreiheit in der deutschen Dichtung des Hochmittelalters, In: Wirkendes Wort, Deutsches Sprachschaffen in Lehre und Leben, Hrsg. von K. Derleth, A. J. Gail, H.Moser, W. Rasch und L. Weisgerber. Düsseldorf: Pädagogischer Verlag Schwann, 1965.