Schönheit und Hässlichkeit (Wolfram von Eschenbach, Parzival)

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Hier entsteht ein Artikel, der sich mit den Personenbeschreibungen in Wolframs von Eschenbach Parzival beschäftigen wird. Dabei soll auch der Zusammenhang zwischen Aussehen und Charakter der Personen untersucht werden.

Die Einstellung zu Aussehen im Mittelalter

Schönheit

Innere und Äußere Schönheit

"Das ist ja alles schön und gut!" Aber ist immer alles, was schön ist, gleichzeitig auch gut? Eine Frage, die im Mittelalter hochaktuell ist. Liest man mittelalterliche Romane, stößt man immer wieder auf diese Gleichsetzung. Tapfere Helden sind stets auch so schön, dass sie alle Blicke auf sich ziehen und deren böse Gegner aufgrund ihrer Hässlichkeit schnell als solche zu erkennen. Diese Vorstellung hat ihren Usprung schon bei Platon. Das antike Ideal der "Kalogathia" vereint innere und äußere Schönheit (Vgl.: [Michel 1976: S. 89]).
Obwohl man in dem christlich geprägten Denken des Mittelalters wohl eine gewisse Vorsicht erwarten dürfte, angesichts dieses hohen Stellenwerts den so die äußerliche Schönheit einnimmt, wundert man sich stattdessen, wie die antike Vorstellung wieder auflebt. Das von Gott geschaffene Äußere wird als Spiegel des Inneren eines Menschen gesehen; Schönheit verweist ebenfalls auf innere Vollkommenheit. [Wuthe 2008: Vgl.: S.11]
Diese Vorstellung des Mittelalters wird auch von dem Verhalten der Herrscher beeinflusst. Diese versuchen in ihrer Selbstdarstellung durch ihr höfisches Verhalten gleichzeitig ihre Machtstellung, ihre kostbare Ausstattung, ihre äußere Schönheit und ihre innere Größe zu beweisen. Höfische Repräsentation zeigt die Vereinbarkeit von einem schönen Körper als Ausweis von Herkunft und Stand, und einem hohen Charakter, was sich immer wieder in den Romanen dieser Zeit niederschlägt. [Pappas 2001: Vgl.: S. 160] "Die Idealvorstellung einer verläßlichen Korrespondenz von innerer Qualität und äußerer Erscheinungsform ist Vorraussetzung und Ziel der höfischen Erziehung." [Wenzel 1994: S. 214] So wird äußere Schönheit zum Zeichen von Standeszügehörigkeit, dem Adel und hohen Rittertum bleiben sämtliche Attribute für gutes Aussehen vorbehalten. Aus diesem Grund wird auch davon ausgegangen, dass die Schönheit sich weitervererbt und es so die "Schönheit der Sippe" [Wuthe 2008: S. 29] gibt.

Obwohl sich die bisher dargestellte Einstellung zu Schönheit in vielen Werken des Mittelalters wiederfinden lässt und "die Autonomie des Schönen wahrhaft erst im 18. oder 19. Jahrhundert erschüttert wird" [Dallapiazza 1985: S.400] , gibt es durchaus in der Forschung auch Gegenmeinungen. Durch die Kreuzigung Jesu Christi ist im Christentum fest verankert, dass in äußerlich hässlichem wertvolles und höchste seelische Schönheit versteckt sein kann. [Dallapiazza 1985: Vgl.: S. 410] In der Forschung wird aber darauf hingewiesen, dass die "deformitas Christi" [Dallapiazza 1985: S. 410] keinen völligen Verlust aller Schönheit mit sich bringt, das Ideal der inneren Schönheit ungebrochen ist.

Es wird in mittelalterlicher Literatur auch die Diskrepanz zwischen Schein und Sein verarbeitet und die Gefahr einer Täuschung. Es bleibt das Risiko aufgrund von Mängeln in der äußeren Erscheinung über die wahren Qualitäten einer Person hinweggetäuscht zu werden und dass die "vermeintliche Korrespondenz von Innen und Außen [...] zu Lasten aller eher unscheinbaren Schönheit" [Wenzel 1994: S. 213] geht.

Das Lichtmotiv

Eines der Hauptmotive äußerer Schönheit soll hier noch erwäht werden. Schönheit ist im höfischen Roman stehts mit Licht und Leuchten in Verbindung gebracht. Die Vorstellung, dass Gott erst durch das Licht seine Schöpfung zu ganzer Schönheit geführt hat, wird auf die Menschen übertragen. [Wuthe 2008: Vgl.: S. 15] Es wird darauf hingewiesen, dass diese Idee schon auf Platon zurückgeht. "Sicher assoziiert Licht unterschwellig immer die Idee des Guten" [Brinkner- von der Heyde 2008: S. 103] und die Autoren gehen so weit, die schönen Figuren selbst mit endogene Lichtkraft auszustatten, die mit der Sonne als Lichtquelle zu vergleichen sind. Auch die Farbe spielte im Mittelalter eine große Rolle, und "es kam ihr auf Grund der substantiellen Gebundenheit an das Licht" [Perpeet 1977: S. 67] ein hoher Schönheitswert zu.

Hässlichkeit

Die Einstellung zu Hässlichkeit im Mittelalter lässt sich auf dene ersten Blick ebensosehr pauschalisieren wie die Einstellung zur Schönheit: hässlich entspricht böse. Es können zwei verschiedene Arten der Hässlichkeit unterschieden werden. Die meisten der enstellten Figuren mittelalterlicher Romane sind von genuiner Hässlichkeit, einer "a-priori-HÄßlichkeit" [Seitz 1967: S. 54]. Vor allem im chanson de gest zeichnen sich diese Personen häufig durch tierische Attribute aus. [1] Es gibt ein konventionelles Formelgut an Beschreibungen, die für die französischen Roman üblich waren und als typisch bezeichnet werden können. [Dallapiazza 1985: Vgl.: S. 408] Die Entstellten sind auch häufig "Vertreter eines östlichen Exotenvolkes" [Wisbey 1975: S. 17], die nicht selten darauf verweisen, dass ihre Landsleute dasselbe Aussehen haben. Das hässliche Aussehen steht für ihre Fremdheit und Andersartigkeit. Auch der Zusammenhang von Hässlichkeit und heidnischem Glauben ist erkennbar. Für Wisbey hängt diese Verbindung mit der "Tatsache zusammen, daß solche Gestalten östlicher Herkunft von Kain abstammen" [Wisbey 1975: S. 23]. Kain soll mit Tieren und Dämonen Mißgestalten gezeugt haben, wodurch sich das tierische Aussehen der hässlichen Figuren erklärt. Das Aussehen dieser Gestalten löst für den Betrachter "Angst, Ekel und Abscheu" [Zimmermann 2007: S. 203] aus. Die Hässlichen werden "sowohl im Hinblick auf [ihr] äußeres Erscheinungsbild als auch auf [ihre] inneren Were als undære(unansehnlich, böse, unfreundlich) oder als ungevüege (unschön, unpassend, unartig)" [Zimmermann 2007: S. 203] bezeichnet.

Die zweite Form der Hässlichkeit ist die der entstellten Schönheit. Diese ist eine Hässlichkeit des Alters oder von Menschen, die ihre Schönheit aufgrund von äußeren Umständen oder Entbehrung verloren haben. Für den Verlust der Schönheit werden Gründe wie das Leben als Einsiedler, Krankheit und Trauer genannt. Diese Hässlichkeit ist nicht mit der ersten Art zu vergleichen, findet in der Literatur aber häufige Ausprägung.

Schönheit und Hässlichkeit im Parzival

Im Folgenden soll das Vorkommen der Motive Schönheit und Hässlichkeit im Parzival im Vergleich zur Einstellung im Mittelalter untersucht werden.

Schönheit

Parzival

Zur Schönheit der Hauptperson Parzival siehe hier. Als wichtigste Punkte für diesen Artikel sei nur kurz auf zwei Dinge hingewiesen: Die Beschreibung Parzivals, der er in Narrenkleidern am Artushof auftaucht, widerspricht der Konvention von höfischer Schönheit. Obwohl er weder mit prachtvoller Kleidung ausgestattet ist, noch mit höfischem Verhalten glänzen kann, ist die Gesellschaft am Artushof gebannt von seinem Aussehen[2]. Trotz der fehlenden Erziehung ist sein Körper Zeichen seiner Herkunft und edlen Gesinnung.

Die schönen Männer

Wolfram von Eschenbach stattet auch seine anderen Helden mit großer Pracht aus. In der Beschreibung der Ritter spart er nicht an Lob und Begeisterung. Als ein typisches Beispiel kann die Beschreibung von Parzivals Vater Gahmuret gelten:

sîn munt als ein rubîn schein Sein Mund leuchtete wie ein Rubin von Röte,
von rœte als ober brünne: als ob er in Flammen stünde;
der was dicke und niht ze dünne. volle Lippen, wahrlich keine schmalen.
sîn lîp was allenthalben clâr. Glänzend war sein Leib, wo man auch hinsah.
lieht reideloht was im sîn hâr, Hell und lockig war sein Haar,
swâ manz vor dem huote sach: wo es hervorsah unter seinem Hut,
der was ein tiwer huobetdach und der war eine teure Kopfbedeckung.
grüene samit was der mandel sîn: Sein Mantel war ein grüner Samt,
einzobel dâ vor gap swarzen schîn vorne drauf der Zobel gab schwarzen Schein;
ob einem hemde daz was planc das Hemd, das er trug, war weiß.

[63, 16-25] [3]

Im Rahmen dieses Artikels ist es leider nicht möglich auf schönen Männer im Parzival einzugehen. [4] Zusammenfassend lässt sich sagen, dass Wolfram das Aussehen der Helden nicht realistisch darstellt, sondern der Schönheitsvorstellung des Mittelalters anpasst.

Die schönen Frauen

Die Schönheitsbeschreibungen der Frauen überschneiden sich ebenfalls häufig mit den Schönheitsidealen des Mittelalters. Es gibt eine Schönheitsbeschreibung, die idealtypisch für alle Frauen im Parzival gilt und sich nur in der Intensität ihrer Leuchtkraft unterscheiden. [Wuthe 2008: Vgl.: S. 36][5] Am strahlendsten erscheint Herzeloyde. Vor allem die schönen Lippen der Frauen werden besonders herausgehoben, weil häufig ein Kuss mit einem Ritter beschrieben wird. Wenn von den Augen der Damen gesprochen wird, beschreibt Wolfram ihren Glanz, oft auch unter Tränen. [Wuthe 2008: Vgl.: S. 38] In dieser kurzen Zusammenfassung darf die schwarze Königin Belacane nicht vergessen werden. Sie ist von wunderschönem Aussehen, was in Anbetracht ihres Glaubens und ihrer Andersartigkeit eine Besonderheit ist. Ihre Hautfarbe bleibt nicht unerwähnt ("nâch swarzer varwe was ir schîn" [24, 11]), sie ist ihrem Gegenüber dennoch alles andere als befremdlich; Gahmuret ist begeistert von ihrem Glanz und ihrer Schönheit.

Hässlichkeit

Cundrie

Zur hässlichen Gralsbotin Cundrie findet sich schon eine sehr ausführliche Beschreibung. Festzuhalten bleibt für diesen Artikel der große Gegensatz zwischen Cundries abschreckendem Äußeren und ihrer inneren Größe. Cundrie wird vor mit Tierattributen beschrieben und ist unhöflich. Ihr Charakter wird vom Erzähler jedoch sehr positiv beschrieben; sie ist voller Mitgefühl und Treue. Cundrie ist in schönste Gewänder gekleidet und hat eine hohe Bildung genossen. Im Zusammenhang mit Cundrie muss noch ihr Bruder Malcreatiure genannt werden, der ihr in seiner Hässlichkeit in Nichts nachsteht. (Vgl.: [517, 15-28])

Sigune

Während Cundrie eine Vertreterin der oben beschriebenen genuinen Hässlichkeit ist, hat Sigune ihre Schönheit infolge von Entbehrungen verloren. Sie trauert so sehr um ihren Verstorbenen geliebten, dass ihr alle Freude und Schönheit verloren geht. Sigune wird, wie Cundrie, vom Erzähler mit keinem Schönheitsepithton versehen. [Dallapiazza 1985: Vgl.: S. 410] Ihr roter, voller Mund ist erbleicht; die ganze Frau ist erblasst ("diu juncfrouwe bleich gevar" [437, 20]). Die Treue zu ihrem Geliebten hat ihre Schönheit vergehen lassen, ähnlich wie bei Herzeloyde, "die ihre Größe auch erst erreicht, als sie nach jâmer nu gevar geworden (Pz 104,22), also ebenfalls jenseits von Schönheit angelangt ist." [Dallapiazza 1985: S. 410]

Quellennachweise

  1. Zur genauen Analyse der Attribute hässlicher Menschen siehe: Seitz, Barbara: Die Darstellung häßlicher Menschen in mittelhochdeutscher erzählender Literatur von der Winer Genesis bis zum Ausgang des 13. Jahrhunderts. Diss. Tübingen 1967. S. 29ff.
  2. Eine interessante Analyse zu dieser Szene findet sich bei Ackermann 2007: S. 441 ff.
  3. Alle folgenden Versangaben beziehen sich auf die Ausgabe: Wolfram von Eschenbach: Parzival. Studienausgabe. Mittelhochdeutscher Text nach der sechsten Ausgabe von Karl Lachmann. Übersetzung von Peter Knecht. Mit einer Einführung zum Text der Lachmannschen Ausgabe und in Probleme der 'Parzival'-Interpretation von Bernd Schirok, 2. Aufl., Berlin/New York 2003.
  4. Eine sehr überzeugende und ausführliche Betrachtung der schönen Männer im Parzival findet sich bei Wuthe 2008 S. 78- 133
  5. Bei den Fraunen wird besonders oft auf den Zusammenhang mit Licht, Glanz und Schein hingewiesen. Zu einer genauen Analyse des Vorkommens dieser Wörter im Roman siehe Brinkner- von der Heyde 2008


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Forschungsliteratur:

[*Ackermann 2007] Ackermann, Christiane: dirre trüebe lîhte schîn. Körperinszenierung, Ich-Präsentation und Subjektgestaltung im Parzival Wolframs von Eschenbach. In: Körperkonzepte im arthurischen Roman. Hrsg.: Wolfzettel, Friedrich. Tübingen 2007. S.431- 454.

[*Brinkner- von der Heyde 2008] Brinkner-von der Heyde, Claudia: Lieht, schîn, glast und glanz in Wolframs von Eschenbach „Parzival“. In: Licht, Glanz, Blendung. Beiträge zu einer Kulturgeschichte des Leuchtenden. Hrsg.: Lechtermann Christian und Wandhoff Haiko. Bern 2008. S. 91- 103.

[*Dallapiazza 1985] Dallapiazza, Michael: Häßlichkeit und Individualität- Ansätze zur Überwindung der Idealität des Schönen in Wolframs von Eschenbach Parzival. In: Deutsche Vierteljahresschrift für Literaturwisschenschaft und Geistesgeschichte. Nr.59. Jahrgang 1985. S. 400- 421.

[*Michel 1976] Michel, Paul: Formosa deformitas. Bewältigungsformen des Häßlichen in mittelalterlicher Literatur. Bonn 1976.

[*Pappas 2001] Pappas, Katharine: Die häßliche Gralsbotin Cundry. Über Verhüllung und Enthüllung im Parzival Wolframs von Eschenbach. In: Verführer, Schurken, Magier. Hrsg.: Müller, Ulrich und Wunderlich, Werner. Band 3. St. Gallen 2001. S. 157- 172.

[*Perpeet 1977] Perpeet, Wilhelm: Ästhetik im Mittelalter. Freiburg/ München 1977.

[*Seitz 1967] Seitz, Barbara: Die Darstellung häßlicher Menschen in mittelhochdeutscher erzählender Literatur von der Winer Genesis bis zum Ausgang des 13. Jahrhunderts. Diss. Tübingen 1967.

[*Wenzel 1994] Wenzel, Horst: Hören und Sehen. Zur Lesbarkeit von Körperzeichen in der höfischen Literatur. In: Brall, Helmut, Haupt, Barbara und Küsters Urban (Hrsg.): Personenbeziehungen in der mittelalterlichen Literatur. Düsseldorf 1994.

[*Wisbey 1975] Wisbey, Roy A.: Die Darstellung des Hässlichen im Hoch- und Spätmittelalter. In: Deutsche Literatur des späten Mittelalters. Hamburger Colloquium 1973. Hrsg.: Harms, Wolfgang und Johnson, L. Peter. Berlin 1975. S. 9-34.

[*Wuthe 2008] Wuthe, Elisabeth Hermine: Die schönen Männer im Parzival. Wien 2008.

[*Zimmermann 2007] Zimmermann, Julia: Hässlichkeit als Konstitutionsbedingung des Fremden und Heidnischen? Zur Figur der Cundrie in Wolframs von Eschenbach Parzival und in Albrechts Jüngerem Titurel. In: Mitteilungen des deutschen Germanisten Verbandes Nr. 54. Jahrgang 2007. S. 202- 222.