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Al-Munḏir führte 569-580 die Dynastie der Ǧafniden an, die in der älteren Forschung oft mit den Ghassaniden gleichgesetzt wird. Er hatte in den Jahren 569-570 erfolgreich gegen eine andere, an die persischen Sassaniden angebundene arabische Gruppe gekämpft. Diese stand unter der Führung der Dynastie der Naṣriden und wird in der älteren Forschung oft mit den Lakhmiden gleichgesetzt.<ref name="ftn2">Zur Problematik der Gleichsetzung von Ǧafniden und Ġassāniden sowie Naṣrīden und Laḫmiden vgl. Fisher, ''Between Empires'', S. 3-7, 95-99. </ref> Im Anschluss an die Kämpfe hatte al-Munḏir für seine Verluste Unterstützung von Seiten Konstantinopels gefordert. Dies führte zu einem von Justin II. beauftragten, aber gescheiterten Mordkomplott auf al-Munḏir, der daraufhin seine militärische Protektionsaufgabe gegenüber Byzanz einstellte und damit etwa zwischen 572 und 575 lakhmidische und persische Plünderungen in der Provinz Oriens zuließ. Johannes von Biclaro berichtet nun hier, dass es 575 mit dem Besuch bei Tiberios zu einer Versöhnung kam, die nach der Interpretation Ekkehard Rotters und Irfan Shahîds zu einer Art Krönung, d. h. also offiziellen Aufwertung al-Munḏirs führte, die sich ihrer Ansicht nach in der Ausstattung des Ǧafnidenfürsten mit „besseren Geschenken“ (''donis optimis'') manifestiert, obwohl von einer Krone – im Unterschied zu einem Kranz – keine Rede ist. Da al-Munḏir das von beiden als Krone identifizierte ''stemma ''außerdem selbst mitbrachte, mag diese Interpretation überzeichnen, könnte der Ǧafnidenfürst den Versöhnungsbesuch ja auch mit einer Art Eigenständigkeitsbehauptung verknüpft haben. Während Rotter und Shahîd auf der Basis der Kirchengeschichte des Johannes von Ephesos davon ausgehen, dass al-Munḏir Konstantinopel im Jahre 580 nochmals besuchte, erkennen andere Forscher nur einen Besuch im Jahre 580 an. Greg Fisher etwa ignoriert den Bericht des Johannes von Biclaro, der – vertraut man den rekonstruierten Lebensdaten – nicht nach 577 hätte geschrieben werden können, da Johannes zu diesem Zeitpunkt schon wieder im Westgotenreich war. Forschungskonsens besteht darin, dass al-Munḏir im Jahre 580 tatsächlich gekrönt wurde, also sein Kranz (''stemma'') mit einem würdigeren Herrschaftszeichen ersetzt wurde. Insgesamt scheinen die Aufwartungen al-Munḏirs bei der Reichsspitze das gegenseitige Misstrauen nicht langfristig behoben zu haben. Al-Munḏir wurde im selben Jahr in Konstantinopel unter Hausarrest gestellt und 582, nach der Herrschaftsübernahme des Kaisers Maurikios (regn. 582-602), ins sizilianische Exil geschickt, aus dem er erst um 602 zurückkehrte, u. a. nach einer Interzession Papst Gregors des Großen.<ref name="ftn3">Nöldeke, ''Die Ghassânischen Fürsten'', S. 24-25, 27-30; Shahîd, ''Byzantium and the Arabs in the Sixth Century'', Bd. I,1, S. 339, 386-389, 403, 602-605, 618; Fisher, ''Between Empires'', 72, 99, 121-124, 174-178.</ref> | Al-Munḏir führte 569-580 die Dynastie der Ǧafniden an, die in der älteren Forschung oft mit den Ghassaniden gleichgesetzt wird. Er hatte in den Jahren 569-570 erfolgreich gegen eine andere, an die persischen Sassaniden angebundene arabische Gruppe gekämpft. Diese stand unter der Führung der Dynastie der Naṣriden und wird in der älteren Forschung oft mit den Lakhmiden gleichgesetzt.<ref name="ftn2">Zur Problematik der Gleichsetzung von Ǧafniden und Ġassāniden sowie Naṣrīden und Laḫmiden vgl. Fisher, ''Between Empires'', S. 3-7, 95-99. </ref> Im Anschluss an die Kämpfe hatte al-Munḏir für seine Verluste Unterstützung von Seiten Konstantinopels gefordert. Dies führte zu einem von Justin II. beauftragten, aber gescheiterten Mordkomplott auf al-Munḏir, der daraufhin seine militärische Protektionsaufgabe gegenüber Byzanz einstellte und damit etwa zwischen 572 und 575 lakhmidische und persische Plünderungen in der Provinz Oriens zuließ. Johannes von Biclaro berichtet nun hier, dass es 575 mit dem Besuch bei Tiberios zu einer Versöhnung kam, die nach der Interpretation Ekkehard Rotters und Irfan Shahîds zu einer Art Krönung, d. h. also offiziellen Aufwertung al-Munḏirs führte, die sich ihrer Ansicht nach in der Ausstattung des Ǧafnidenfürsten mit „besseren Geschenken“ (''donis optimis'') manifestiert, obwohl von einer Krone – im Unterschied zu einem Kranz – keine Rede ist. Da al-Munḏir das von beiden als Krone identifizierte ''stemma ''außerdem selbst mitbrachte, mag diese Interpretation überzeichnen, könnte der Ǧafnidenfürst den Versöhnungsbesuch ja auch mit einer Art Eigenständigkeitsbehauptung verknüpft haben. Während Rotter und Shahîd auf der Basis der Kirchengeschichte des Johannes von Ephesos davon ausgehen, dass al-Munḏir Konstantinopel im Jahre 580 nochmals besuchte, erkennen andere Forscher nur einen Besuch im Jahre 580 an. Greg Fisher etwa ignoriert den Bericht des Johannes von Biclaro, der – vertraut man den rekonstruierten Lebensdaten – nicht nach 577 hätte geschrieben werden können, da Johannes zu diesem Zeitpunkt schon wieder im Westgotenreich war. Forschungskonsens besteht darin, dass al-Munḏir im Jahre 580 tatsächlich gekrönt wurde, also sein Kranz (''stemma'') mit einem würdigeren Herrschaftszeichen ersetzt wurde. Insgesamt scheinen die Aufwartungen al-Munḏirs bei der Reichsspitze das gegenseitige Misstrauen nicht langfristig behoben zu haben. Al-Munḏir wurde im selben Jahr in Konstantinopel unter Hausarrest gestellt und 582, nach der Herrschaftsübernahme des Kaisers Maurikios (regn. 582-602), ins sizilianische Exil geschickt, aus dem er erst um 602 zurückkehrte, u. a. nach einer Interzession Papst Gregors des Großen.<ref name="ftn3">Nöldeke, ''Die Ghassânischen Fürsten'', S. 24-25, 27-30; Shahîd, ''Byzantium and the Arabs in the Sixth Century'', Bd. I,1, S. 339, 386-389, 403, 602-605, 618; Fisher, ''Between Empires'', 72, 99, 121-124, 174-178.</ref> | ||
Für die Beziehungen zwischen lateinischer und arabischer Sphäre vor der arabisch-islamischen Expansion ist v. a. von Bedeutung, dass ein hispano-romanischer Chronist Informationen über arabische Gruppen im Umfeld Konstantinopels ins Westgotenreich trug. Wie auch aus den späteren Kommentaren zu ''Arabes'', ''Saraceni'' etc. in den Etymologiae Isidors von Sevilla (gest. 636) deutlich wird<ref name="ftn4">[→Kapitelverweis]</ref>, waren arabische Gruppen im späten 6. und frühen 7. Jahrhundert im westlichen Mediterraneum keine ganz unbekannte Größe. Dennoch war der Austausch zu sporadisch, als dass Berichterstatter im lateinischen Westen einen wirklich tiefen Einblick in die arabisch-byzantinischen Beziehungen gehabt hätten.<ref name="ftn5">Rotter, ''Abendland und Sarazenen'', S. 135-138; Valenzuela, „Ritu“, S. 137-138; König, ''Arabic-Islamic Views'', S. 32-33, 151.</ref> Eine Ausnahme bildet vielleicht das Papsttum in Rom, das aufgrund seiner vielfältigen Beziehungen zu byzantinischen und kirchlichen Autoritäten in Italien und im östlichen Mittelmeerraum über sehr gute Informationsquellen verfügte und damit teilweise aktiv in die byzantinisch-arabischen Beziehungen der vorislamischen Zeit eingreifen konnte.<ref name="ftn6">Siehe hierzu die Beiträge zu Gregor dem Großen und al-Munḏir [→Kapitelverweis] sowie zum Kollaborationsvorwurf gegen Martin I. [→Kapitelverweis]</ref> Rotter zufolge „dürfte der westliche Leser aus der Notiz bei Johannes von Biclaro kaum mehr lernen, als daß zwischen Byzantinern und Sarazenen auch freundschaftliche Beziehungen existierten […]; an den ‚fremdartigen Geschenken‘ (''dona barbariae''), die al-Munḏir dem Tiberios präsentiert hat, mag er auf eine (beträchtliche) Distanz zwischen dem oströmischen Kulturkreis und der Welt der Sarazenen schließen.“ Die Fähigkeit, zwischen verschiedenen arabischen Gruppen zu unterscheiden, spricht Rotter dem Chronisten ab.<ref name="ftn7">Rotter, ''Abendland und Sarazenen'', S. 138.</ref> Deutlich ist in jedem Falle, dass Johannes eine klare Hierarchie zwischen der byzantinischen Reichsspitze und dem barbarischen Besucher etabliert.|6=<div style="margin-left:0cm;margin-right:0cm;">Iohannes abbas Biclarensis, | Für die Beziehungen zwischen lateinischer und arabischer Sphäre vor der arabisch-islamischen Expansion ist v. a. von Bedeutung, dass ein hispano-romanischer Chronist Informationen über arabische Gruppen im Umfeld Konstantinopels ins Westgotenreich trug. Wie auch aus den späteren Kommentaren zu ''Arabes'', ''Saraceni'' etc. in den Etymologiae Isidors von Sevilla (gest. 636) deutlich wird<ref name="ftn4">[→Kapitelverweis]</ref>, waren arabische Gruppen im späten 6. und frühen 7. Jahrhundert im westlichen Mediterraneum keine ganz unbekannte Größe. Dennoch war der Austausch zu sporadisch, als dass Berichterstatter im lateinischen Westen einen wirklich tiefen Einblick in die arabisch-byzantinischen Beziehungen gehabt hätten.<ref name="ftn5">Rotter, ''Abendland und Sarazenen'', S. 135-138; Valenzuela, „Ritu“, S. 137-138; König, ''Arabic-Islamic Views'', S. 32-33, 151.</ref> Eine Ausnahme bildet vielleicht das Papsttum in Rom, das aufgrund seiner vielfältigen Beziehungen zu byzantinischen und kirchlichen Autoritäten in Italien und im östlichen Mittelmeerraum über sehr gute Informationsquellen verfügte und damit teilweise aktiv in die byzantinisch-arabischen Beziehungen der vorislamischen Zeit eingreifen konnte.<ref name="ftn6">Siehe hierzu die Beiträge zu Gregor dem Großen und al-Munḏir [→Kapitelverweis] sowie zum Kollaborationsvorwurf gegen Martin I. [→Kapitelverweis]</ref> Rotter zufolge „dürfte der westliche Leser aus der Notiz bei Johannes von Biclaro kaum mehr lernen, als daß zwischen Byzantinern und Sarazenen auch freundschaftliche Beziehungen existierten […]; an den ‚fremdartigen Geschenken‘ (''dona barbariae''), die al-Munḏir dem Tiberios präsentiert hat, mag er auf eine (beträchtliche) Distanz zwischen dem oströmischen Kulturkreis und der Welt der Sarazenen schließen.“ Die Fähigkeit, zwischen verschiedenen arabischen Gruppen zu unterscheiden, spricht Rotter dem Chronisten ab.<ref name="ftn7">Rotter, ''Abendland und Sarazenen'', S. 138.</ref> Deutlich ist in jedem Falle, dass Johannes eine klare Hierarchie zwischen der byzantinischen Reichsspitze und dem barbarischen Besucher etabliert.|6=<div style="margin-left:0cm;margin-right:0cm;">Iohannes abbas Biclarensis, ''Chronica'', ed. Theodor Mommsen (MGH AA 11), Berlin: Weidmann, 1894, S. 211<span style="background-color:transparent;">-</span><span style="background-color:transparent;">222</span><span style="background-color:transparent;">.</span> </div> | ||
<div style="margin-left:0cm;margin-right:0cm;">Juan de Biclaro, Obispo de Gerona. Su vida y su obra. Introduccion, texto critico y comentarios por Julio Campos, Madrid: CSIC, 1960, S. 77-100.</div> | <div style="margin-left:0cm;margin-right:0cm;">Juan de Biclaro, Obispo de Gerona. Su vida y su obra. Introduccion, texto critico y comentarios por Julio Campos, Madrid: CSIC, 1960, S. 77-100.</div> |
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