600: Papst Gregor der Große greift zugunsten des exilierten Ǧafnidenfürsten al-Munḏir b. al-Ḥāriṯ ein: Unterschied zwischen den Versionen

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==Inhalt & Quellenkontext==  
==Inhalt & Quellenkontext==  
Gregor gratuliert Innocentius zum Antritt der Präfektur und äußert seine Gewissheit, dass durch dessen Tätigkeit aus Dornen Rosen sprießen würden. Er erkennt dankbar an, dass der Präfekt zur Unterstützung des Papstes eine Flotte ausgerüstet hat und berichtet, er habe mit dem Langobardenkönig [Agilulf, regn. 590–615] bis zum März des kommenden vierten Steuerzyklus einen Friedensvertrag ausgehandelt, wisse nun aber nicht, ob der König gestorben und der Vertrag damit hinfällig sei. In Reaktion auf die Bitte des Präfekten, ihm doch Gregors Kommentar zum Buch Hiob zukommen zu lassen, empfiehlt er ihm die Schriften des Augustinus. Ferner dankt er ihm für seine Unterstützung der ''pauperes beati Petri'', von der er durch seinen Sekretär Hilarius erfahren habe.<ref name="ftn2">Jaffé, ''Regesta'', § 1785 (1322), S. 201.</ref> Eine kurze Passage des Briefes widmet sich außerdem einem gewissen Anamundarus, der mit dem auch bei Johannes von Biclaro erwähnten Ǧafnidenfürst al-Munḏir (regn. ca. 569-582) gleichzusetzen ist.<ref name="ftn3">Shahîd, ''Byzantium and the Arabs in the Sixth Century'', Bd. I,1, S. 602-605, 618 [→Kapitelverweis: 575].</ref> Aus dem Brief geht lediglich hervor, dass es zu dieser Person zwischen dem Papst und dem Präfekten schon einen Austausch gegeben hatte. In dessen Rahmen hatte der Präfekt dem Papst Ratschläge gegeben, wie er sich für al-Munḏir, hier als Teil einer Gruppe von „Betroffenen“ (''afflictis'') beschrieben, einsetzen könne. Gregor bestätigt, dass er sich für diese eingesetzt und sie durch seinen Einsatz moralisch unterstützt habe, erkennt aber bisher noch keine Folgen seines Einsatzes.
Gregor gratuliert Innocentius zum Antritt der Präfektur und äußert seine Gewissheit, dass durch dessen Tätigkeit aus Dornen Rosen sprießen würden. Er erkennt dankbar an, dass der Präfekt zur Unterstützung des Papstes eine Flotte ausgerüstet hat und berichtet, er habe mit dem Langobardenkönig [Agilulf, regn. 590–615] bis zum März des kommenden vierten Steuerzyklus einen Friedensvertrag ausgehandelt, wisse nun aber nicht, ob der König gestorben und der Vertrag damit hinfällig sei. In Reaktion auf die Bitte des Präfekten, ihm doch Gregors Kommentar zum Buch Hiob zukommen zu lassen, empfiehlt er ihm die Schriften des Augustinus. Ferner dankt er ihm für seine Unterstützung der ''pauperes beati Petri'', von der er durch seinen Sekretär Hilarius erfahren habe.<ref name="ftn2">Jaffé, ''Regesta'', § 1785 (1322), S. 201.</ref> Eine kurze Passage des Briefes widmet sich außerdem einem gewissen Anamundarus, der mit dem auch bei Johannes von Biclaro erwähnten Ǧafnidenfürst al-Munḏir (regn. ca. 569-582) gleichzusetzen ist.<ref name="ftn3">Shahîd, ''Byzantium and the Arabs in the Sixth Century'', Bd. I,1, S. 602-605, 618 [→Kapitelverweis: 575].</ref> Aus dem Brief geht lediglich hervor, dass es zu dieser Person zwischen dem Papst und dem Präfekten schon einen Austausch gegeben hatte. In dessen Rahmen hatte der Präfekt dem Papst Ratschläge gegeben, wie er sich für al-Munḏir, hier als Teil einer Gruppe von „Betroffenen“ (''afflictis'') beschrieben, einsetzen könne. Gregor bestätigt, dass er sich für diese eingesetzt und sie durch seinen Einsatz moralisch unterstützt habe, erkennt aber bisher noch keine Folgen seines Einsatzes.
==Kontextualisierung, Analyse & Interpretation==  
==Kontextualisierung, Analyse, Interpretation==  
Der Kontext dieses Briefes lässt sich nur aus griechischen und syrischen Quellen erschließen. Der Ǧafnidenfürst al-Munḏir war 582 von Kaiser Maurikios (regn. 582-602) nach Sizilien verbannt worden.<ref name="ftn4">Shahîd, ''Byzantium and the Arabs in the Sixth Century'', Bd. I,1, S. 538-539.</ref> Al-Munḏir, dessen Großvater und Vater schon als Phylarchen im Dienste des Byzantinischen Reiches gestanden hatten, hatte sich unter Kaiser Tiberios eine mächtige Stellung in der Grenzzone zwischen dem Byzantinischen Reich einerseits, dem sassanidischen Persien sowie den Persien verbundenen Naṣrīden von al-Ḥīra andererseits aufgebaut.<ref name="ftn5">Shahîd, ''Byzantium and the Arabs in the Sixth Century'', Bd. I,1, S. 339-438.</ref> Anders als sein Vorgänger Justin II., der schon 572 gegen al-Munḏir vorgegangen war, unterstützte Kaiser Tiberios den Ǧafnīden, u. a. im Rahmen des bei Johannes von Biclaro beschriebenen ehrenvollen Empfangs in Konstantinopel 575 oder 580.<ref name="ftn6">Shahîd, ''Byzantium and the Arabs in the Sixth Century'', Bd. I,1, S. 440 [→Kapitelverweis: 575].</ref> Anlass zu al-Munḏirs Verbannung scheint ein 580-81 gemeinsam mit dem ''comes excubitorum'' und späteren Kaiser Maurikios durchgeführter Feldzug gegen die Perser gewesen zu sein.<ref name="ftn7">Greg Fisher, ''Between Empires'', S. 123, 176-183.</ref> Bei diesem Feldzug stießen die byzantinischen und ǧafnidischen Truppen auf eine zerstörte Brücke über den Euphrat, die sie ins persische Territorium nach Ctesiphon führen sollte. Maurikios legte die Zerstörung der Brücke al-Munḏir zur Last und äußerte damit den Vorwurf der Kooperation mit den Persern und des Hochverrats.<ref name="ftn8">Shahîd, ''Byzantium and the Arabs in the Sixth Century'', Bd. I,1, S. 441-447.</ref> Zur Entfremdung der beiden Personen scheint zusätzlich beigetragen zu haben, dass al-Munḏir 581 einen mit der Reichszentrale nicht abgesprochenen erfolgreichen Feldzug gegen die den Persern verbundenen Naṣrīden unternahm.<ref name="ftn9">Shahîd, ''Byzantium and the Arabs in the Sixth Century'', Bd. I,1, S. 420-25.</ref>  
Der Kontext dieses Briefes lässt sich nur aus griechischen und syrischen Quellen erschließen. Der Ǧafnidenfürst al-Munḏir war 582 von Kaiser Maurikios (regn. 582-602) nach Sizilien verbannt worden.<ref name="ftn4">Shahîd, ''Byzantium and the Arabs in the Sixth Century'', Bd. I,1, S. 538-539.</ref> Al-Munḏir, dessen Großvater und Vater schon als Phylarchen im Dienste des Byzantinischen Reiches gestanden hatten, hatte sich unter Kaiser Tiberios eine mächtige Stellung in der Grenzzone zwischen dem Byzantinischen Reich einerseits, dem sassanidischen Persien sowie den Persien verbundenen Naṣrīden von al-Ḥīra andererseits aufgebaut.<ref name="ftn5">Shahîd, ''Byzantium and the Arabs in the Sixth Century'', Bd. I,1, S. 339-438.</ref> Anders als sein Vorgänger Justin II., der schon 572 gegen al-Munḏir vorgegangen war, unterstützte Kaiser Tiberios den Ǧafnīden, u. a. im Rahmen des bei Johannes von Biclaro beschriebenen ehrenvollen Empfangs in Konstantinopel 575 oder 580.<ref name="ftn6">Shahîd, ''Byzantium and the Arabs in the Sixth Century'', Bd. I,1, S. 440 [→Kapitelverweis: 575].</ref> Anlass zu al-Munḏirs Verbannung scheint ein 580-81 gemeinsam mit dem ''comes excubitorum'' und späteren Kaiser Maurikios durchgeführter Feldzug gegen die Perser gewesen zu sein.<ref name="ftn7">Greg Fisher, ''Between Empires'', S. 123, 176-183.</ref> Bei diesem Feldzug stießen die byzantinischen und ǧafnidischen Truppen auf eine zerstörte Brücke über den Euphrat, die sie ins persische Territorium nach Ctesiphon führen sollte. Maurikios legte die Zerstörung der Brücke al-Munḏir zur Last und äußerte damit den Vorwurf der Kooperation mit den Persern und des Hochverrats.<ref name="ftn8">Shahîd, ''Byzantium and the Arabs in the Sixth Century'', Bd. I,1, S. 441-447.</ref> Zur Entfremdung der beiden Personen scheint zusätzlich beigetragen zu haben, dass al-Munḏir 581 einen mit der Reichszentrale nicht abgesprochenen erfolgreichen Feldzug gegen die den Persern verbundenen Naṣrīden unternahm.<ref name="ftn9">Shahîd, ''Byzantium and the Arabs in the Sixth Century'', Bd. I,1, S. 420-25.</ref>  
Der Konflikt des al-Munḏir mit Maurikios ist auch vor dem Hintergrund grundlegender religiös-konfessioneller Spannungen der Ǧafniden mit der byzantinischen Reichszentrale und ihrer zivilen und kirchlichen Verwaltung zu sehen. Al-Munḏir und die von ihm vertretenen Ǧafniden und Ġassāniden befolgten und unterstützten spätestens seit 542 die von Konstantinopel als häretisch klassifizierte Form des mono- oder miaphysitischen Christentums.<ref name="ftn10">Irfan Shahîd, Ghassān, EI 2, S. 1020; Hainthaler, ''Christliche Araber'', S. 75-80; Fisher, ''Between Empires'', S. 56-57; Fisher, From Mavia to al-Mundhir, S. 28ff.</ref> Diese war auf dem Konzil von Chalcedon (451) verurteilt worden und hatte zahlreiche Christen im ägyptischen und syrischen Raum der byzantinischen Reichskirche entfremdet.<ref name="ftn11">Vgl ''The Acts of the Council of Chalcedon'', übers. Price, S. 51-55.</ref> Die im politisch-militärischen Bereich angesiedelten Vorwürfe des Maurikios wurden möglicherweise von anderen Akteuren, u. a. dem das Chalcedonense vertretenden Patriarchen Gregorios von Antiochien, unterstützt, die sich an der christlichen Konfession, aber auch am ǧafnidischen Engagement bei der Verbreitung der miaphysitischen Form des Christentums bei südlicheren arabischen Gruppen, u. a. im arabischen Naǧrān, störten.<ref name="ftn12">Irfan Shahîd, Ghassān, EI 2, S. 1020; Shahîd, ''Byzantium and the Arabs in the Sixth Century'', Bd. I,1, S. 21, 445-448. </ref> Auch für Maurikios mag der konfessionelle Gegensatz eine Rolle gespielt haben, bemühte er sich nach Herrschaftsantritt ja selbst darum, das Chalcedonense bei den Armeniern durchzusetzen.<ref name="ftn13">''Armenian History Attributed to Sebeos'', trans. R. W. Thomson, cap. 19, S. 37.</ref> Angesichts der Komplexität der Beziehungen zwischen imperial gestützten Vertretern des Chalcedonense und miaphysitischen Gruppen darf der konfessionelle Gegensatz aber auch nicht überbetont werden.<ref name="ftn14">Vgl. Fisher, ''Between Empires'', S. 60: „Both Chalcedonian and miaphysite positions were characterised by numerous rifts and schisms of varying severity in the sixth century; any picture of two well-defined and opposing religious movements would be misleading.“</ref> Der Gegensatz zwischen Maurikios und al-Munḏir wird wahrscheinlich eher politischer als religiöser Natur gewesen sein, ohne dass mit dieser Aussage die Relevanz religiöser Phänomene negiert werden soll.
Der Konflikt des al-Munḏir mit Maurikios ist auch vor dem Hintergrund grundlegender religiös-konfessioneller Spannungen der Ǧafniden mit der byzantinischen Reichszentrale und ihrer zivilen und kirchlichen Verwaltung zu sehen. Al-Munḏir und die von ihm vertretenen Ǧafniden und Ġassāniden befolgten und unterstützten spätestens seit 542 die von Konstantinopel als häretisch klassifizierte Form des mono- oder miaphysitischen Christentums.<ref name="ftn10">Irfan Shahîd, Ghassān, EI 2, S. 1020; Hainthaler, ''Christliche Araber'', S. 75-80; Fisher, ''Between Empires'', S. 56-57; Fisher, From Mavia to al-Mundhir, S. 28ff.</ref> Diese war auf dem Konzil von Chalcedon (451) verurteilt worden und hatte zahlreiche Christen im ägyptischen und syrischen Raum der byzantinischen Reichskirche entfremdet.<ref name="ftn11">Vgl ''The Acts of the Council of Chalcedon'', übers. Price, S. 51-55.</ref> Die im politisch-militärischen Bereich angesiedelten Vorwürfe des Maurikios wurden möglicherweise von anderen Akteuren, u. a. dem das Chalcedonense vertretenden Patriarchen Gregorios von Antiochien, unterstützt, die sich an der christlichen Konfession, aber auch am ǧafnidischen Engagement bei der Verbreitung der miaphysitischen Form des Christentums bei südlicheren arabischen Gruppen, u. a. im arabischen Naǧrān, störten.<ref name="ftn12">Irfan Shahîd, Ghassān, EI 2, S. 1020; Shahîd, ''Byzantium and the Arabs in the Sixth Century'', Bd. I,1, S. 21, 445-448. </ref> Auch für Maurikios mag der konfessionelle Gegensatz eine Rolle gespielt haben, bemühte er sich nach Herrschaftsantritt ja selbst darum, das Chalcedonense bei den Armeniern durchzusetzen.<ref name="ftn13">''Armenian History Attributed to Sebeos'', trans. R. W. Thomson, cap. 19, S. 37.</ref> Angesichts der Komplexität der Beziehungen zwischen imperial gestützten Vertretern des Chalcedonense und miaphysitischen Gruppen darf der konfessionelle Gegensatz aber auch nicht überbetont werden.<ref name="ftn14">Vgl. Fisher, ''Between Empires'', S. 60: „Both Chalcedonian and miaphysite positions were characterised by numerous rifts and schisms of varying severity in the sixth century; any picture of two well-defined and opposing religious movements would be misleading.“</ref> Der Gegensatz zwischen Maurikios und al-Munḏir wird wahrscheinlich eher politischer als religiöser Natur gewesen sein, ohne dass mit dieser Aussage die Relevanz religiöser Phänomene negiert werden soll.
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