Vor 738: Die Sarazenengefahr in einem Brief des Missionsbischofs Bonifatius an die Nonne Bugga: Unterschied zwischen den Versionen

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Einige Forscherinnen setzen Bugga mit einer gewissen Heaburg gleich, deren Mutter, die Äbtissin Eangyth, auch im Namen ihrer Tochter einen Brief an Bonifatius verfasste. Da es allerdings keine weiteren Hinweise auf eine Beziehung zwischen Eangyth und der von Bonifatius adressierten Bugga gibt, kann hier keine letzte Sicherheit gewonnen werden.<ref name="ftn9">''Epistolae Bonifatii et Lulli'', ed. Tangl (MGH Epp. sel. 1), ep. 14, S. 21-26; Eckenstein, ''Woman'', S. 131; Duckett, ''Anglo-Saxon Saints'', S. 371, FN 55; Schulenburg, ''Forgetful of Their Sex'', S. 333.</ref> Der erste überlieferte direkte Brief stammt etwa aus dem Jahr 720. Bugga wendet sich hier an Bonifatius, bittet um sein Gebet und heilige Schriften, vertröstet ihn bezüglich der erbetenen Abschrift von Leidensgeschichten der Märtyrer und schickt ihm 50 ''solidi'' sowie ein Altartuch. Im Rahmen dieses Briefes erwähnt sie u. a. Bonifatius’ frühe missionarische Tätigkeit bei den Friesen und deren Herzog Radbod.<ref name="ftn10">''Epistolae Bonifatii et Lulli'', ed. Tangl (MGH Epp. sel. 1), ep. 15, S. 26-28; ''Briefe des Heiligen Bonifatius'', übers. Tangl, Brief 15, S. 8-10.</ref> Der hier zitierte Brief wird von Tangl auf die Zeit kurz vor 738 datiert. Ihm muss eine verlorene Anfrage Buggas mit Angaben zu ihren Reiseplänen nach Rom vorausgegangen sein.<ref name="ftn11">Tangl, Studien, S. 746.</ref> Entweder vor oder nach diesem Schreiben richtete Bonifatius einen Trostbrief an Bugga, in dem er, wie in dem hier zitierten Brief, auf Buggas Bedürfnis nach Ruhe und ihre Aufgabe des Amtes als Äbtissin erwähnt.<ref name="ftn12">Vgl. hierzu Goetz, Frauen, S. 375-379.</ref> Aufgrund wiederholter Hinweise auf Buggas verflossene Jugend und ihr “gutes Alter” wird der Brief eher einer späteren Zeit zugeordnet, wobei nicht eindeutig geklärt werden kann, ob er vor oder nach Buggas Romreise verfasst wurde.<ref name="ftn13">''Epistolae Bonifatii et Lulli'', ed. Tangl (MGH Epp. sel. 1), ep. 94, S. 214-215; ''Briefe des Heiligen Bonifatius'', übers. Tangl, Brief 94, S. 212-13.</ref> Schließlich wird Bugga noch in einem Brief König Aethelberts II. von Kent erwähnt, der zwischen 748 und 754 verfasst wurde. Der König erwähnt hier Buggas Romreise, ihr Treffen mit Bonifatius an den Gräbern der Apostel sowie ihre Rückkehr in das früher von ihr geleitete Kloster.<ref name="ftn14">''Epistolae Bonifatii et Lulli'', ed. Tangl (MGH Epp. sel. 1), ep. 105, S. 229-231; ''Briefe des Heiligen Bonifatius'', übers. Tangl, Brief 105, S. 218-219.</ref> Schließlich wird Bugga, die zum Zeitpunkt ihres Aufenthalts in Rom um 737 schon fortgeschrittenen Alters gewesen sein muss, noch in einem zwischen 759 und 765 verfassten Brief des Erzbischofs Bregwin von Canterbury (sed. 759-765) erwähnt, der Bonifatius‘ Mitstreiter Lullus von ihrem Tod informierte.<ref name="ftn15">''Epistolae Bonifatii et Lulli'', ed. Tangl (MGH Epp. sel. 1), ep. 117, S. 253; Eckenstein, ''Woman'', S. 133. </ref>Bugga kann damit eindeutig als ehemalige Äbtissin eines Klosters in Kent identifiziert werden, die in enger Beziehung zum Königshaus stand und damit auch über entsprechenden Wohlstand verfügte, der es ihr erlaubte Manuskripte kopieren zu lassen und Geschenke an Bonifatius zu schicken.<ref name="ftn16">Fraglich ist, ob der folgende Artikel, der Buggas / Eadburgas Todesdatum auf 751, also auf die Zeit vor dem Tod des Bonifatius datiert, von derselben Person spricht: Farmer, Edburga, S. 134. </ref> Im Unterschied zu anderen angelsächsischen geweihten Frauen, deren lockeres Leben als Pilgerinnen nach Rom Bonifatius in einem um 747 verfassten Schreiben an Bischof Cuthbert von Canterbury (sed. 741–758) kritisierte<ref name="ftn17">''Epistolae Bonifatii et Lulli'', ed. Tangl (MGH Epp. sel. 1), ep. 78, S. 169<nowiki>; Eckenstein, ''Woman'', S. 133; Watt, Fragmentary Archive, S. 425.</ref>, genoss Bugga wohl Bonifatius’ volles Vertrauen.
Einige Forscherinnen setzen Bugga mit einer gewissen Heaburg gleich, deren Mutter, die Äbtissin Eangyth, auch im Namen ihrer Tochter einen Brief an Bonifatius verfasste. Da es allerdings keine weiteren Hinweise auf eine Beziehung zwischen Eangyth und der von Bonifatius adressierten Bugga gibt, kann hier keine letzte Sicherheit gewonnen werden.<ref name="ftn9">''Epistolae Bonifatii et Lulli'', ed. Tangl (MGH Epp. sel. 1), ep. 14, S. 21-26; Eckenstein, ''Woman'', S. 131; Duckett, ''Anglo-Saxon Saints'', S. 371, FN 55; Schulenburg, ''Forgetful of Their Sex'', S. 333.</ref> Der erste überlieferte direkte Brief stammt etwa aus dem Jahr 720. Bugga wendet sich hier an Bonifatius, bittet um sein Gebet und heilige Schriften, vertröstet ihn bezüglich der erbetenen Abschrift von Leidensgeschichten der Märtyrer und schickt ihm 50 ''solidi'' sowie ein Altartuch. Im Rahmen dieses Briefes erwähnt sie u. a. Bonifatius’ frühe missionarische Tätigkeit bei den Friesen und deren Herzog Radbod.<ref name="ftn10">''Epistolae Bonifatii et Lulli'', ed. Tangl (MGH Epp. sel. 1), ep. 15, S. 26-28; ''Briefe des Heiligen Bonifatius'', übers. Tangl, Brief 15, S. 8-10.</ref> Der hier zitierte Brief wird von Tangl auf die Zeit kurz vor 738 datiert. Ihm muss eine verlorene Anfrage Buggas mit Angaben zu ihren Reiseplänen nach Rom vorausgegangen sein.<ref name="ftn11">Tangl, Studien, S. 746.</ref> Entweder vor oder nach diesem Schreiben richtete Bonifatius einen Trostbrief an Bugga, in dem er, wie in dem hier zitierten Brief, auf Buggas Bedürfnis nach Ruhe und ihre Aufgabe des Amtes als Äbtissin erwähnt.<ref name="ftn12">Vgl. hierzu Goetz, Frauen, S. 375-379.</ref> Aufgrund wiederholter Hinweise auf Buggas verflossene Jugend und ihr “gutes Alter” wird der Brief eher einer späteren Zeit zugeordnet, wobei nicht eindeutig geklärt werden kann, ob er vor oder nach Buggas Romreise verfasst wurde.<ref name="ftn13">''Epistolae Bonifatii et Lulli'', ed. Tangl (MGH Epp. sel. 1), ep. 94, S. 214-215; ''Briefe des Heiligen Bonifatius'', übers. Tangl, Brief 94, S. 212-13.</ref> Schließlich wird Bugga noch in einem Brief König Aethelberts II. von Kent erwähnt, der zwischen 748 und 754 verfasst wurde. Der König erwähnt hier Buggas Romreise, ihr Treffen mit Bonifatius an den Gräbern der Apostel sowie ihre Rückkehr in das früher von ihr geleitete Kloster.<ref name="ftn14">''Epistolae Bonifatii et Lulli'', ed. Tangl (MGH Epp. sel. 1), ep. 105, S. 229-231; ''Briefe des Heiligen Bonifatius'', übers. Tangl, Brief 105, S. 218-219.</ref> Schließlich wird Bugga, die zum Zeitpunkt ihres Aufenthalts in Rom um 737 schon fortgeschrittenen Alters gewesen sein muss, noch in einem zwischen 759 und 765 verfassten Brief des Erzbischofs Bregwin von Canterbury (sed. 759-765) erwähnt, der Bonifatius‘ Mitstreiter Lullus von ihrem Tod informierte.<ref name="ftn15">''Epistolae Bonifatii et Lulli'', ed. Tangl (MGH Epp. sel. 1), ep. 117, S. 253; Eckenstein, ''Woman'', S. 133. </ref>Bugga kann damit eindeutig als ehemalige Äbtissin eines Klosters in Kent identifiziert werden, die in enger Beziehung zum Königshaus stand und damit auch über entsprechenden Wohlstand verfügte, der es ihr erlaubte Manuskripte kopieren zu lassen und Geschenke an Bonifatius zu schicken.<ref name="ftn16">Fraglich ist, ob der folgende Artikel, der Buggas / Eadburgas Todesdatum auf 751, also auf die Zeit vor dem Tod des Bonifatius datiert, von derselben Person spricht: Farmer, Edburga, S. 134. </ref> Im Unterschied zu anderen angelsächsischen geweihten Frauen, deren lockeres Leben als Pilgerinnen nach Rom Bonifatius in einem um 747 verfassten Schreiben an Bischof Cuthbert von Canterbury (sed. 741–758) kritisierte<ref name="ftn17">''Epistolae Bonifatii et Lulli'', ed. Tangl (MGH Epp. sel. 1), ep. 78, S. 169<nowiki>; Eckenstein, ''Woman'', S. 133; Watt, Fragmentary Archive, S. 425.</ref>, genoss Bugga wohl Bonifatius’ volles Vertrauen.


== Kontextualisierung, Analyse & Interpretation ==
== Kontextualisierung, Analyse, Interpretation ==
Die Quellenstelle liefert Hinweise auf die Rezeption der arabisch-islamischen Expansion im Mittelmeerraum im nordalpinen Europa, d. h. in Bonifatius’ Missionsgebieten Friesland und Hessen sowie im angelsächsischen Kent.<ref name="ftn18">Vgl. Becket, ''Anglo-Saxon Perceptions'', S. 165.</ref> Die Sarazenen werden hier als eine potenzielle Gefahr für Rompilger und als eine temporäre Bedrohung Italiens dargestellt, die die Römer – gemeint sind hier wohl die Bewohner der Stadt Rom – in Atem hält. Inwieweit das den historischen Realitäten entspricht, ist zu bezweifeln: Zwar gab es schon seit dem 7. Jahrhundert eine muslimische Flotte im Mittelmeerraum, Razzienaktivitäten auf die Küsten Italiens sind jedoch für das 8. Jahrhundert nur wenige zu verzeichnen, anders als im 9. Jahrhundert, als es zur muslimischen Eroberung Siziliens sowie 846 zur Plünderung Roms kam.<ref name="ftn19">Guichard, Les débuts, S. 57-58, u. a. zu muslimischen Attacken auf Sizilien bis 752.</ref> Man muss sich auch fragen, wie gut Bonifatius über die muslimischen Eroberungen tatsächlich informiert war: In einem auf 745-746 datierten Brief an König Aethelbald von Mercia beschrieb Bonifatius die sarazenischen Einfälle als göttliche Strafe für die sexuellen Verfehlungen und Gottesferne der Hispanier, Provenzalen und Burgunder<ref name="ftn20">''Epistolae Bonifatii et Lulli'', ed. Tangl (MGH Epp. sel. 1), ep. 73, S.151: „Sicut aliis gentibus Hispaniae et Prouinciae et Burgundionum populis contigit; quae sic a Deo recedentes fornicatae sunt, donec iudex omnipotens talium criminum ultrices poenas per ignorantiam legis Dei et per Sarracenos uenire et saeuire permisit.“</ref>, wohl in Anspielung auf die muslimische Invasion der Iberischen Halbinsel 711 und deren Okkupation der Narbonnensis in den Jahren 719-20, die etwa bis 759 andauerte.<ref name="ftn21">Zur muslimischen Okkupation der Narbonnensis, siehe Sénac, ''Les Carolingiens et al-Andalus,'' S. 16-17, 37-40.</ref>{{!}}6=''Epistolae Bonifatii et Lulli'', ed. Michael Tangl (MGH Epp. sel. 1), Berlin: Weidmann, 1916, ep. 27, S. 48.|6=''Die Briefe des Heiligen Bonifatius'', übers. Michael Tangl (Geschichtsschreiber der deutschen Vorzeit 2, Bd. 92), Leipzig, Dyk, 1912, Brief 27, S. 35-36.
Die Quellenstelle liefert Hinweise auf die Rezeption der arabisch-islamischen Expansion im Mittelmeerraum im nordalpinen Europa, d. h. in Bonifatius’ Missionsgebieten Friesland und Hessen sowie im angelsächsischen Kent.<ref name="ftn18">Vgl. Becket, ''Anglo-Saxon Perceptions'', S. 165.</ref> Die Sarazenen werden hier als eine potenzielle Gefahr für Rompilger und als eine temporäre Bedrohung Italiens dargestellt, die die Römer – gemeint sind hier wohl die Bewohner der Stadt Rom – in Atem hält. Inwieweit das den historischen Realitäten entspricht, ist zu bezweifeln: Zwar gab es schon seit dem 7. Jahrhundert eine muslimische Flotte im Mittelmeerraum, Razzienaktivitäten auf die Küsten Italiens sind jedoch für das 8. Jahrhundert nur wenige zu verzeichnen, anders als im 9. Jahrhundert, als es zur muslimischen Eroberung Siziliens sowie 846 zur Plünderung Roms kam.<ref name="ftn19">Guichard, Les débuts, S. 57-58, u. a. zu muslimischen Attacken auf Sizilien bis 752.</ref> Man muss sich auch fragen, wie gut Bonifatius über die muslimischen Eroberungen tatsächlich informiert war: In einem auf 745-746 datierten Brief an König Aethelbald von Mercia beschrieb Bonifatius die sarazenischen Einfälle als göttliche Strafe für die sexuellen Verfehlungen und Gottesferne der Hispanier, Provenzalen und Burgunder<ref name="ftn20">''Epistolae Bonifatii et Lulli'', ed. Tangl (MGH Epp. sel. 1), ep. 73, S.151: „Sicut aliis gentibus Hispaniae et Prouinciae et Burgundionum populis contigit; quae sic a Deo recedentes fornicatae sunt, donec iudex omnipotens talium criminum ultrices poenas per ignorantiam legis Dei et per Sarracenos uenire et saeuire permisit.“</ref>, wohl in Anspielung auf die muslimische Invasion der Iberischen Halbinsel 711 und deren Okkupation der Narbonnensis in den Jahren 719-20, die etwa bis 759 andauerte.<ref name="ftn21">Zur muslimischen Okkupation der Narbonnensis, siehe Sénac, ''Les Carolingiens et al-Andalus,'' S. 16-17, 37-40.</ref>{{!}}6=''Epistolae Bonifatii et Lulli'', ed. Michael Tangl (MGH Epp. sel. 1), Berlin: Weidmann, 1916, ep. 27, S. 48.|6=''Die Briefe des Heiligen Bonifatius'', übers. Michael Tangl (Geschichtsschreiber der deutschen Vorzeit 2, Bd. 92), Leipzig, Dyk, 1912, Brief 27, S. 35-36.


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