848: Beschluss zur Vertreibung der Muslime aus den langobardischen Herzogtümern: Unterschied zwischen den Versionen

Zur Navigation springen Zur Suche springen
keine Bearbeitungszusammenfassung
Keine Bearbeitungszusammenfassung
Keine Bearbeitungszusammenfassung
Zeile 1: Zeile 1:
{{Kapitel LAT-DE|Theresa Jäckh|Radelgisi et Siginulfi divisio ducatis Beneventani, ed. Ferdinand Bluhm, in: ''MGH LL 4'', Hannover: Hahnsche Buchhandlung 1868, S. 221-225, hier: S.&nbsp;224, übers. Theresa Jäckh.</div>|''24. Et amodo nullum Sarracenum in meum vel populi ac terrae meae adiutorium seu amicitiam habere quaerimus, tam de his, qui in omni provinciae Beneventani principatus sunt, quam et de illis, qui extra omnem Beneventanum provinciam sunt; et nunquam eos contra vos irritans irritare faciam, et nullum eis adiutorium impendam vel impendere faciam; et adiuvabo vos absque omni iniusta dilatione usque ad summam virtutem, sicut melius potuero, cum populo meae partis, ut pariter expellamus de ista provincia nostra omnes Sarracenos quomodocumque potuerimis; et amodo, ut dictum est, nullum Sarracenum recipiam vel recipere permittam, praeter illos qui temporibus domni Siconis et Sicardi fuerunt christiani, si magarizati non sunt. Et praesentaliter, antequam domnus Ludovicus rex cum suo exercitu exeat de ista terra, do in vestram potestatem gastaldum Montellam cum omnibus castellis eius et medium gastaldum Acerentinum, sicut supra dictum est, si ullo valuerimus ingenio. ''|24. Und wir bestimmen, dass von nun an kein Sarazene Hilfe oder Freundschaft weder unter meinem Volk noch in meinen Ländern finden soll; sowohl von diesen, die in allen Beneventanischen Provinzen des Prinzipats sind, wie auch von jenen, die außerhalb der ganzen Beneventanischen Provinz sind. Und niemals werde ich diese gegen euch aufhetzen [''irritans irritare'']; und ich werde keine Unterstützung von ihnen nehmen, noch [mit ihnen] drohen. Und ich werde euch ohne jede unrechte Verzögerung bis zur höchsten Vollendung mit dem Volk meines Teils unterstützen, so gut ich kann, damit wir gleichermaßen alle Sarazenen aus diesen unseren Provinzen vertreiben können. Und von nun an, wie gesagt wurde, werde ich keinen Sarazenen aufnehmen, noch erlauben [diese] aufzunehmen, ausgenommen derer, die [schon] in den Zeiten der Herren Sico und Sicard Christen waren und nicht wieder [vom Glauben] abgefallen sind. Und ich gebe hiermit, bevor der Herr König Ludwig mit seinem Heer aus diesem Land ausziehen wird, in eure Befugnis die Gastalde von Montella mit allen seinen Kastellen und die Hälfte der Gastalde von Acerentinus, wie es oben gesagt ist, so gut wir es durch irgendeine Fähigkeit vermögen. |5=== Autor/in & Werk  ==
{{Kapitel LAT-DE|Theresa Jäckh|Radelgisi et Siginulfi divisio ducatis Beneventani, ed. Ferdinand Bluhm (MGH LL 4), Hannover: Hahnsche Buchhandlung 1868, S. 221-225, hier: S.&nbsp;224, übers. Theresa Jäckh.|''24. Et amodo nullum Sarracenum in meum vel populi ac terrae meae adiutorium seu amicitiam habere quaerimus, tam de his, qui in omni provinciae Beneventani principatus sunt, quam et de illis, qui extra omnem Beneventanum provinciam sunt; et nunquam eos contra vos irritans irritare faciam, et nullum eis adiutorium impendam vel impendere faciam; et adiuvabo vos absque omni iniusta dilatione usque ad summam virtutem, sicut melius potuero, cum populo meae partis, ut pariter expellamus de ista provincia nostra omnes Sarracenos quomodocumque potuerimis; et amodo, ut dictum est, nullum Sarracenum recipiam vel recipere permittam, praeter illos qui temporibus domni Siconis et Sicardi fuerunt christiani, si magarizati non sunt. Et praesentaliter, antequam domnus Ludovicus rex cum suo exercitu exeat de ista terra, do in vestram potestatem gastaldum Montellam cum omnibus castellis eius et medium gastaldum Acerentinum, sicut supra dictum est, si ullo valuerimus ingenio. ''|24. Und wir bestimmen, dass von nun an kein Sarazene Hilfe oder Freundschaft weder unter meinem Volk noch in meinen Ländern finden soll; sowohl von diesen, die in allen Beneventanischen Provinzen des Prinzipats sind, wie auch von jenen, die außerhalb der ganzen Beneventanischen Provinz sind. Und niemals werde ich diese gegen euch aufhetzen [''irritans irritare'']; und ich werde keine Unterstützung von ihnen nehmen, noch [mit ihnen] drohen. Und ich werde euch ohne jede unrechte Verzögerung bis zur höchsten Vollendung mit dem Volk meines Teils unterstützen, so gut ich kann, damit wir gleichermaßen alle Sarazenen aus diesen unseren Provinzen vertreiben können. Und von nun an, wie gesagt wurde, werde ich keinen Sarazenen aufnehmen, noch erlauben [diese] aufzunehmen, ausgenommen derer, die [schon] in den Zeiten der Herren Sico und Sicard Christen waren und nicht wieder [vom Glauben] abgefallen sind. Und ich gebe hiermit, bevor der Herr König Ludwig mit seinem Heer aus diesem Land ausziehen wird, in eure Befugnis die Gastalde von Montella mit allen seinen Kastellen und die Hälfte der Gastalde von Acerentinus, wie es oben gesagt ist, so gut wir es durch irgendeine Fähigkeit vermögen. |5=== Autor/in & Werk  ==


<div style="margin-left:0cm;margin-right:0cm;">Die „Teilung des Dukats von Benevent“ (''divisio ducatis Beneventani'') ist eine im Namen des Prinzen Radelchis’&nbsp;I. (regn. 839-851) abgefasste Verfügung, mit der die bürgerkriegsartigen Auseinandersetzungen zwischen den Langobarden beigelegt wurden. Der Pakt enthält Bestimmungen darüber, wie die friedliche Nachbarschaft zwischen Radelchis in Benevent einerseits und Siconulf (regn. 832-839) in Salerno andererseits hergestellt und dauerhaft aufrechterhalten werden sollte. Die wichtigste Bestimmung des urkundlichen Rechtsgeschäfts umfasst die Neudefinierung der Grenzen und Besitzungen der langobardischen Provinz Benevent. Teile derselben wurden hiermit offiziell an Siconulf und die 839 von ihm in Salerno begründete Linie langobardischer Fürsten abgetreten. Da Radelchis&nbsp;I. dabei formell gesehen Landesteile seiner Provinz an den Herrschaftsbereich des Siconulf vermachte, wurde das Dokument bisweilen auch als Schenkungsurkunde angesehen. Weiterhin schreibt die Verfügung Hoheitsrechte fest und regelt Handlungsnormen zwischen den langobardischen Teilreichen. Die ''divisio'' wird daher auch als Kapitular bezeichnet und ist als Teil der ''leges Langobardorum ''in den MGH ediert.[[Datei:848 Duces von Benevent und Salerno.jpg|mini|alt=Alternativer Text|Herzöge von Benevent und Salerno]]</div>
<div style="margin-left:0cm;margin-right:0cm;">Die „Teilung des Dukats von Benevent“ (''divisio ducatis Beneventani'') ist eine im Namen des Prinzen Radelchis’&nbsp;I. (regn. 839-851) abgefasste Verfügung, mit der die bürgerkriegsartigen Auseinandersetzungen zwischen den Langobarden beigelegt wurden. Der Pakt enthält Bestimmungen darüber, wie die friedliche Nachbarschaft zwischen Radelchis in Benevent einerseits und Siconulf (regn. 832-839) in Salerno andererseits hergestellt und dauerhaft aufrechterhalten werden sollte. Die wichtigste Bestimmung des urkundlichen Rechtsgeschäfts umfasst die Neudefinierung der Grenzen und Besitzungen der langobardischen Provinz Benevent. Teile derselben wurden hiermit offiziell an Siconulf und die 839 von ihm in Salerno begründete Linie langobardischer Fürsten abgetreten. Da Radelchis&nbsp;I. dabei formell gesehen Landesteile seiner Provinz an den Herrschaftsbereich des Siconulf vermachte, wurde das Dokument bisweilen auch als Schenkungsurkunde angesehen. Weiterhin schreibt die Verfügung Hoheitsrechte fest und regelt Handlungsnormen zwischen den langobardischen Teilreichen. Die ''divisio'' wird daher auch als Kapitular bezeichnet und ist als Teil der ''leges Langobardorum ''in den MGH ediert.[[Datei:848 Duces von Benevent und Salerno.jpg|mini|alt=Alternativer Text|Herzöge von Benevent und Salerno]]</div>
Zeile 23: Zeile 23:
<div style="margin-left:0cm;margin-right:0cm;">Hinsichtlich der Vertreibungen ist zu erwägen, wie erfolgreich diese in der Praxis umgesetzt wurden. Ein in diesem Zusammenhang interessanter Quellenfundus ist der ''Codex Diplomaticus Cavensis'', der Privatdokumente vom späten 8. bis ins späte 11.&nbsp;Jahrhunderts enthält und über die Benediktinerabtei Cava de’Tirreni überliefert ist.<ref name="ftn10">''Codex diplomaticus Cavensis'', Bd. 1: aa.792-960, ed. Mauro Schiani, Michele Morcaldi, Silvano De Stefano, Neapel 1873.</ref> Darin lassen sich mehrere Dokumente finden, die deutlich auf eine muslimische Präsenz in langobardisch beherrschten Gebieten auch nach dem Beschluss zur Vertreibung hinweisen. So tauchen in diesen Rechtsdokumenten auch nach 848 ''Saraceni'' oder ''Mauri'' in unterschiedlichen Kontexten auf, was vermuten lässt, dass sie Teil des langobardischen Alltags waren. Ein toponomastischer Hinweis auf ein Grundstück namens ''terra sarracini'' in einer Grenzbeschreibung zeigt beispielsweisen, dass Sarazenen dabei in das Territorium Lukaniens und Kampaniens integriert und nachhaltig verwurzelt werden konnten.<ref name="ftn11">Kreutzer, ''Normans'', S. 51f.</ref> Neuere Forschungen zu islamischen Siedlungen am Garigliano Fluss in der Grenzregion zwischen Kampanien und Latium haben außerdem gezeigt, dass dort noch bis ins zweite Jahrzehnt des 10.&nbsp;Jahrhunderts Hinweise auf muslimische Aktivität zu finden sind.<ref name="ftn12">Di Branco, Matullo, Wolf, Insediamento islamico. </ref> </div>
<div style="margin-left:0cm;margin-right:0cm;">Hinsichtlich der Vertreibungen ist zu erwägen, wie erfolgreich diese in der Praxis umgesetzt wurden. Ein in diesem Zusammenhang interessanter Quellenfundus ist der ''Codex Diplomaticus Cavensis'', der Privatdokumente vom späten 8. bis ins späte 11.&nbsp;Jahrhunderts enthält und über die Benediktinerabtei Cava de’Tirreni überliefert ist.<ref name="ftn10">''Codex diplomaticus Cavensis'', Bd. 1: aa.792-960, ed. Mauro Schiani, Michele Morcaldi, Silvano De Stefano, Neapel 1873.</ref> Darin lassen sich mehrere Dokumente finden, die deutlich auf eine muslimische Präsenz in langobardisch beherrschten Gebieten auch nach dem Beschluss zur Vertreibung hinweisen. So tauchen in diesen Rechtsdokumenten auch nach 848 ''Saraceni'' oder ''Mauri'' in unterschiedlichen Kontexten auf, was vermuten lässt, dass sie Teil des langobardischen Alltags waren. Ein toponomastischer Hinweis auf ein Grundstück namens ''terra sarracini'' in einer Grenzbeschreibung zeigt beispielsweisen, dass Sarazenen dabei in das Territorium Lukaniens und Kampaniens integriert und nachhaltig verwurzelt werden konnten.<ref name="ftn11">Kreutzer, ''Normans'', S. 51f.</ref> Neuere Forschungen zu islamischen Siedlungen am Garigliano Fluss in der Grenzregion zwischen Kampanien und Latium haben außerdem gezeigt, dass dort noch bis ins zweite Jahrzehnt des 10.&nbsp;Jahrhunderts Hinweise auf muslimische Aktivität zu finden sind.<ref name="ftn12">Di Branco, Matullo, Wolf, Insediamento islamico. </ref> </div>


<div style="margin-left:0cm;margin-right:0cm;">An dieser Stelle wäre zu fragen, ob es sich bei diesen urkundlich belegten Sarazenen prinzipiell um Muslime handelte oder auch um Konvertiten bzw. christliche Nachkommen von Muslimen. Dass es bereits in der ersten Hälfte des 9.&nbsp;Jahrhunderts zu Konversionen von Muslimen unter langobardischer Herrschaft gekommen war, deutet die ''divisio'' an, indem sie diejenigen Sarazenen von der Vertreibung ausnimmt, die sich unter Sico und Sicard – und damit vor dem Ausbruch des langobardischen Bürgerkrieges – zum Christentum bekehrt hatten. Dieser Hinweis ist in mehrfacher Hinsicht relevant: Er deutet eine beachtlich frühe Ankunft von Muslimen ins Prinzipat Benevent an, nämlich noch bevor diese als Söldner im Kampf gegen andere süditalienische (christliche) Herrscher angeworben wurden. Weiterhin ist interessant, dass sich unter diesen Muslimen offenbar einige aus nicht näher spezifizierten Gründen zum Christentum bekannt hatten. Dass diese in der ''divisio'' weiterhin als ''Saraceni'' aufgefasst wurden, lässt vermuten, dass der hier verwendete Sarazenenbegriff nicht ausschließlich mit einer religiösen Bedeutung belegt war, sondern auch eine ethische Abstammung bezeichnen konnte. Außerdem wäre zu überlegen, ob der gegen Sarazenen gerichtete Paragraph der ''divisio'' damit nicht zumal auf die Personengruppe abzielte, die militärisch aktiv am Konflikt beteiligt war, andere Sarazenen aber von diesem Verbot ausgenommen waren. In jedem Falle stellt der Teilungsvertrag des Radelchis&nbsp;I. einen ausgesprochen frühen Rechtstext über den Umgang mit einer neuen (muslimischen oder ex-muslimischen) Minderheit unter christlicher Herrschaft in Süditalien dar und dabei den singulären Fall eines Verbots der Interaktion.</div>|6=<div style="margin-left:0cm;margin-right:0cm;">Radelgisi et Siginulfi divisio ducatus Beneventani, ed. Ferdinand Blum, in: ''MGH LL 4'', Hannover: Hahnsche Buchhandlung, 1868, S. 221-225.</div>|7=<div style="margin-left:0cm;margin-right:0cm;">Berto, Luigi Andrea: Oblivion, Memory, and Irony in Medieval Montecassino: Narrative Strategies of the “Chronicles of St. Benedict of Cassino”, in: ''Viator'' 38, 1'' ''(2007), S. 45-61.</div>
<div style="margin-left:0cm;margin-right:0cm;">An dieser Stelle wäre zu fragen, ob es sich bei diesen urkundlich belegten Sarazenen prinzipiell um Muslime handelte oder auch um Konvertiten bzw. christliche Nachkommen von Muslimen. Dass es bereits in der ersten Hälfte des 9.&nbsp;Jahrhunderts zu Konversionen von Muslimen unter langobardischer Herrschaft gekommen war, deutet die ''divisio'' an, indem sie diejenigen Sarazenen von der Vertreibung ausnimmt, die sich unter Sico und Sicard – und damit vor dem Ausbruch des langobardischen Bürgerkrieges – zum Christentum bekehrt hatten. Dieser Hinweis ist in mehrfacher Hinsicht relevant: Er deutet eine beachtlich frühe Ankunft von Muslimen ins Prinzipat Benevent an, nämlich noch bevor diese als Söldner im Kampf gegen andere süditalienische (christliche) Herrscher angeworben wurden. Weiterhin ist interessant, dass sich unter diesen Muslimen offenbar einige aus nicht näher spezifizierten Gründen zum Christentum bekannt hatten. Dass diese in der ''divisio'' weiterhin als ''Saraceni'' aufgefasst wurden, lässt vermuten, dass der hier verwendete Sarazenenbegriff nicht ausschließlich mit einer religiösen Bedeutung belegt war, sondern auch eine ethische Abstammung bezeichnen konnte. Außerdem wäre zu überlegen, ob der gegen Sarazenen gerichtete Paragraph der ''divisio'' damit nicht zumal auf die Personengruppe abzielte, die militärisch aktiv am Konflikt beteiligt war, andere Sarazenen aber von diesem Verbot ausgenommen waren. In jedem Falle stellt der Teilungsvertrag des Radelchis&nbsp;I. einen ausgesprochen frühen Rechtstext über den Umgang mit einer neuen (muslimischen oder ex-muslimischen) Minderheit unter christlicher Herrschaft in Süditalien dar und dabei den singulären Fall eines Verbots der Interaktion.</div>|6=Radelgisi et Siginulfi divisio ducatus Beneventani, ed. Ferdinand Blum (MGH LL 4), Hannover: Hahnsche Buchhandlung, 1868, S. 221-225.|7=<div style="margin-left:0cm;margin-right:0cm;">Berto, Luigi Andrea: Oblivion, Memory, and Irony in Medieval Montecassino: Narrative Strategies of the “Chronicles of St. Benedict of Cassino”, in: ''Viator'' 38, 1'' ''(2007), S. 45-61.</div>


<div style="margin-left:0cm;margin-right:0cm;">Conant, Jonathan P.: Anxieties of Violence: Christians and Muslims in Conflict in Aghlabid North Africa and the Central Mediterranean, in: ''Al-Masāq'' 27 (2015), S. 7-23.</div>
<div style="margin-left:0cm;margin-right:0cm;">Conant, Jonathan P.: Anxieties of Violence: Christians and Muslims in Conflict in Aghlabid North Africa and the Central Mediterranean, in: ''Al-Masāq'' 27 (2015), S. 7-23.</div>
Cookies helfen uns bei der Bereitstellung von Transmed Wiki. Durch die Nutzung von Transmed Wiki erklärst du dich damit einverstanden, dass wir Cookies speichern.

Navigationsmenü