848: Beschluss zur Vertreibung der Muslime aus den langobardischen Herzogtümern: Unterschied zwischen den Versionen

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Wie bereits angedeutet, ging dem Friedensschluss ein langer und erbitterter Bürgerkrieg voraus. Die Wurzel des Konfliktes lag darin, dass Radelchis I. im Jahr 839 den Mord an Prinz Sicard verüben ließ, woraufhin Siconulf, der Bruder des Getöteten, nach Salerno floh und dort eine eigene Linie langobardischer Herrschaft für sich beanspruchte. Gleichzeitig lehnte sich die langobardische Provinz Capua gegen Radelchis und seine unrechtmäßige Machtergreifung auf. Zur Unterdrückung dieser Widerstände warb Radelchis die Hilfe muslimischer Söldner an – eine Methode der Kriegsführung, die in Süditalien kurz zuvor erstmals von Andrea II. von Neapel (regn. 834-840) erprobt worden war.<ref name="ftn6">Johannes von Neapel, Gesta episcoporum Neapolitanorum, ed. Georg Waitz ( MGH SS rer. Lang.), Hannover: Hahn’sche Buchhandlung 1878, S. 424-435, hier cap. 57, S. 431.</ref> Die muslimischen Garden wüteten und plünderten im Dienst des Radelchis in den langobardischen Gebieten und machten Capua im Jahr 841 dem Erdboden gleich. Siconulf stellte ebenfalls sarazenische Söldner in seinen Dienst. Die dadurch in die süditalienischen Gebiete Einzug haltenden Muslime, die sich wesentlich aus den aġlabidischen Provinzen von Ifrīqiya und Teilen Siziliens rekrutiert haben dürften, beanspruchten in kürzester Zeit eigene Herrschaftsgebiete.
Wie bereits angedeutet, ging dem Friedensschluss ein langer und erbitterter Bürgerkrieg voraus. Die Wurzel des Konfliktes lag darin, dass Radelchis I. im Jahr 839 den Mord an Prinz Sicard verüben ließ, woraufhin Siconulf, der Bruder des Getöteten, nach Salerno floh und dort eine eigene Linie langobardischer Herrschaft für sich beanspruchte. Gleichzeitig lehnte sich die langobardische Provinz Capua gegen Radelchis und seine unrechtmäßige Machtergreifung auf. Zur Unterdrückung dieser Widerstände warb Radelchis die Hilfe muslimischer Söldner an – eine Methode der Kriegsführung, die in Süditalien kurz zuvor erstmals von Andrea II. von Neapel (regn. 834-840) erprobt worden war.<ref name="ftn6">Johannes von Neapel, Gesta episcoporum Neapolitanorum, ed. Georg Waitz ( MGH SS rer. Lang.), Hannover: Hahn’sche Buchhandlung 1878, S. 424-435, hier cap. 57, S. 431.</ref> Die muslimischen Garden wüteten und plünderten im Dienst des Radelchis in den langobardischen Gebieten und machten Capua im Jahr 841 dem Erdboden gleich. Siconulf stellte ebenfalls sarazenische Söldner in seinen Dienst. Die dadurch in die süditalienischen Gebiete Einzug haltenden Muslime, die sich wesentlich aus den aġlabidischen Provinzen von Ifrīqiya und Teilen Siziliens rekrutiert haben dürften, beanspruchten in kürzester Zeit eigene Herrschaftsgebiete.


Dass derartige Konflikte eine Intervention Ludwigs II. auf den Plan rief, mag angesichts der ohnehin angespannten Lage, in der sich die süditalienische Halbinsel auf Grund der „Sarazenengefahr“ sah, nicht verwundern. Die Aktivität muslimischer Söldner, Plünderer und Eroberer beschränkte sich nämlich bei weitem nicht auf die langobardischen Gebiete: nach Razzien auf apulische und kalabresische Küstenstädten wurden nun auch das kampanische und lukanische Hinterland mit seinen Klöstern und Kirchen heimgesucht. Die dringlichste Aufmerksamkeit aber galt der Stadt Rom, die zusammen mit ihrer Hafenstadt Ostia von den Muslimen bedroht und schließlich angegriffen wurde. Neben solchen Überfällen gelang es auch, einige Orte zeitweise unter islamische Vorherrschaft zu bringen: Noch 839 eroberten die Muslime erstmals das byzantinische Tarent und 847 Bari, wo für rund 30 Jahre sogar ein eigenes Emirat etabliert werden konnte,<ref name="ftn7">847: Al-Balaḏūrī über das Emirat von Bari.</ref> für dessen Unterwerfung sich ebenfalls Ludwig II. einsetzte – ein erfolgloses erstes Mal bald nach den hier behandelten Verhandlungen und ein zweites Mal, als er die Stadt mit Unterstützung einer byzantinischen Flotte 871 einnehmen konnte.
Dass derartige Konflikte eine Intervention Ludwigs II. auf den Plan rief, mag angesichts der ohnehin angespannten Lage, in der sich die süditalienische Halbinsel auf Grund der „Sarazenengefahr“ sah, nicht verwundern. Die Aktivität muslimischer Söldner, Plünderer und Eroberer beschränkte sich nämlich bei weitem nicht auf die langobardischen Gebiete: nach Razzien auf apulische und kalabresische Küstenstädten wurden nun auch das kampanische und lukanische Hinterland mit seinen Klöstern und Kirchen heimgesucht. Die dringlichste Aufmerksamkeit aber galt der Stadt Rom, die zusammen mit ihrer Hafenstadt Ostia von den Muslimen bedroht und schließlich angegriffen wurde. Neben solchen Überfällen gelang es auch, einige Orte zeitweise unter islamische Vorherrschaft zu bringen: Noch 839 eroberten die Muslime erstmals Tarent und 847 Bari, wo für rund 30 Jahre sogar ein eigenes Emirat etabliert werden konnte,<ref name="ftn7">847: Al-Balaḏūrī über das Emirat von Bari.</ref> für dessen Unterwerfung sich ebenfalls Ludwig II. einsetzte – ein erfolgloses erstes Mal bald nach den hier behandelten Verhandlungen und ein zweites Mal, als er die Stadt mit Unterstützung einer byzantinischen Flotte 871 einnehmen konnte.


Trotz dieser bedrohlichen Dynamik islamischer Expansionen auf der süditalienischen Halbinsel fand aber auch ein beachtliches Maß an Kooperation zwischen lokalen christlichen Herrschern und den muslimischen Kämpfern statt. Im Kontext der hier besprochenen Quellenstelle scheint diese zunächst verschleiert: Die Sarazenen werden nur oberflächlich erwähnt und als einheitliche Großgruppe gefasst, über die scheinbar keine weiteren Informationen vorlagen. In lokalen Chroniken dieser Zeit wird allerdings durchaus deutlich, dass Differenzen innerhalb der Gruppe wahrgenommen und beschrieben werden konnten, so beispielsweise zwischen ''Mauri'' und ''Saraceni''. Diese dienten nicht nur als Söldner, sondern wurden bald im nächsten Umfeld des Herrschers greifbar. So machte Radelchis muslimische Kämpfer zu seiner Leibwache, unter denen ein gewisser Massar so weit in der Gunst des Herrschers aufstieg, dass er mit dem Titel ''dux'' bezeichnet wurde. Dies zeigt, dass die ''Saraceni'' als bedeutende Stützen des umstrittenen Herrschers fungierten.
Trotz dieser bedrohlichen Dynamik islamischer Expansionen auf der süditalienischen Halbinsel fand aber auch ein beachtliches Maß an Kooperation zwischen lokalen christlichen Herrschern und den muslimischen Kämpfern statt. Im Kontext der hier besprochenen Quellenstelle scheint diese zunächst verschleiert: Die Sarazenen werden nur oberflächlich erwähnt und als einheitliche Großgruppe gefasst, über die scheinbar keine weiteren Informationen vorlagen. In lokalen Chroniken dieser Zeit wird allerdings durchaus deutlich, dass Differenzen innerhalb der Gruppe wahrgenommen und beschrieben werden konnten, so beispielsweise zwischen ''Mauri'' und ''Saraceni''. Diese dienten nicht nur als Söldner, sondern wurden bald im nächsten Umfeld des Herrschers greifbar. So machte Radelchis muslimische Kämpfer zu seiner Leibwache, unter denen ein gewisser Massar so weit in der Gunst des Herrschers aufstieg, dass er mit dem Titel ''dux'' bezeichnet wurde. Dies zeigt, dass die ''Saraceni'' als bedeutende Stützen des umstrittenen Herrschers fungierten.
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