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{{Kapitel AR-DE|Daniel G. König|Ibn ʿAbd al-Ḥakam, ''Futūḥ Miṣr wa-aḫbāruhā'', ed. Charles Torrey, Kairo: Madbūlī, 1999, p. 205-206, übers. Daniel G. König, Mohamed Qassiti.|وكان المجاز الذي بينه وبين أهل الأندلُس عليه رجل من العجم يقال له يُليانُ صاحب سَبتة وكان على مدينة على المجاز الى الاندلس يقال له الخَضراءُ والخَضراء ممّا يلى طَنجة وكان يُليان يؤَدّي الطاعة الى لُذريق صاحب الاندلس وكان لذريق يسكن طُلَيطُلة فراسل طارق يُليانَ ولاطفه حتى تَهادَيا وكان يليان قد بعث بابنة له الى لُذريق صاحب الاندلس ليؤَدّبها ويعلّمها فأحبلها فبلغ ذلك يليان فقال لا أرى له عُقبة ولا ممكافأة إلّا أن أُدخِل عليه العرب فبعث الى طارق إني مُدخلك الاندلس وطارق يومئذ بتِلِمسين وموسى بن نصير بالقيروان فقال طارق فإني لا أطمأنّ اليك حتى تبعث الىّ برَهينة فبعث اليه بابنتيه ولم يكن له ولد غيرهما فاقرّهما طارق بتلمسين واستوثق منهما ثم خرج طارق الى يليان وهو بسبتة على المجاز ففرح به حين قدم عليه وقال له أنا مُدخلك الاندلس وكان فيما بين المجازين جبل يقال له اليوم جبل طارق فيما بين سبتة والاندلس فلما أمسى جاءَه يليان بالمراكب فحمله فيها الى ذلك المجاز فأكمن فيه نهاره فلما أمسى ردّ المراكب الى من بقي من اصحابه فحُملوا اليه حتى لم يبق منهم احد ولا يشعر بهم اهل اندلس ولا يظنّون إلّا أن المراكب تختلف بمثل ما كانت تختلف به من منافعهم وكان طارق في آخر فوج ركب فجاز الى اصحابه وتخلّف يليان ومن معه من التُجّار بالخضراء ليكن اطيبَ لأنفس اصحابه واهل بلده.|Die Passage, die zwischen ihm [dem Eroberer Ṭāriq b. Ziyād] und der Bevölkerung von al-Andalus lag, beherrschte ein Nichtaraber (''raǧul min al-ʿaǧam'') namens Julian (''Yulyān''). Er war Herr von Ceuta und Herrscher über eine Stadt an der Meerenge zu al-Andalus, die Algeciras ([''al-ǧazīra'']'' l-ḫaḍrāʾ'') heißt. Algeciras folgt direkt auf Tanger. Julian schuldete nun Roderich (''Luḏrīq''), dem Herrn von al-Andalus, Gehorsam. Roderich residierte in Toledo. Ṭāriq schickte nun eine Botschaft an Julian und zeigte sich besonders freundlich, bis sie Geschenke austauschten. Julian hatte seine Tochter zu Roderich, dem Herrn von al-Andalus, geschickt, um sie erziehen und bilden zu lassen. Dieser schwängerte sie, und diese Nachricht erreichte Julian. Dieser sagte: Ich sehe keine andere Strafe und keine Wiedergutmachung, als dass ich die Araber gegen ihn hereinlasse. Also ließ er Ṭāriq ausrichten: Ich bin Dein Eintritt nach al-Andalus. Ṭāriq war zu dieser Zeit in Tlemcen, während Mūsā b. Nuṣayr in al-Qayrawān war. Ṭāriq sagte: Ich schenke Dir kein Vertrauen, bis Du mir eine Geisel schickst. Also schickte er ihm seine zwei Töchter, denn er hatte außer diesen zwei keinen Nachwuchs. Ṭāriq gab ihnen nun eine Residenz in Tlemcen und gewann durch sie Vertrauen. Dann machte sich Ṭāriq zu Julian, der gerade in Ceuta an der Meerenge war. Er freute sich, als er ihn erreichte, und er ihm sagte: Ich bin Dein Eintritt nach al-Andalus. Zwischen den beiden Passagen [gemeint sind die zwei Meeresrouten, die die nordafrikanische mit der iberischen Küste verbanden], also zwischen Ceuta und al-Andalus, lag ein Berg, der heute „Berg des Ṭāriq“ (''ǧabal Ṭāriq'', d.h. Gibraltar) heißt. Als es Abend wurde, kam Julian mit Booten zu ihm und transportierte ihn darin zu jener Passage, wo er sich am Tag versteckte. Als es dann [wieder] Abend wurde, kehrten die Boote zu denjenigen zurück, die zurückgeblieben waren, und auch sie wurden hinüber transportiert, ohne dass auch nur einer übrig blieb. Die Bevölkerung von al-Andalus bemerkte sie nicht und dachte sich nichts anderes dabei, als dass die Schiffe hin- und herfuhren, wie sie es immer, mit ihren Handelsgütern an Bord, zu tun pflegten. Ṭāriq war nun in der letzten Gruppe, die hinüberfuhr. Er stieß zu seinen Gefährten. Hinterher kamen dann Julian und die Händler, die ihn begleiteten, nach Algeciras, damit er die Gemüter seiner Gefährten und die Bevölkerung seiner Stadt beruhigen könne.|5===Autor/in & Werk== | {{Kapitel AR-DE|Daniel G. König|Ibn ʿAbd al-Ḥakam, ''Futūḥ Miṣr wa-aḫbāruhā'', ed. Charles Torrey, Kairo: Madbūlī, 1999, p. 205-206, übers. Daniel G. König, Mohamed Qassiti.|وكان المجاز الذي بينه وبين أهل الأندلُس عليه رجل من العجم يقال له يُليانُ صاحب سَبتة وكان على مدينة على المجاز الى الاندلس يقال له الخَضراءُ والخَضراء ممّا يلى طَنجة وكان يُليان يؤَدّي الطاعة الى لُذريق صاحب الاندلس وكان لذريق يسكن طُلَيطُلة فراسل طارق يُليانَ ولاطفه حتى تَهادَيا وكان يليان قد بعث بابنة له الى لُذريق صاحب الاندلس ليؤَدّبها ويعلّمها فأحبلها فبلغ ذلك يليان فقال لا أرى له عُقبة ولا ممكافأة إلّا أن أُدخِل عليه العرب فبعث الى طارق إني مُدخلك الاندلس وطارق يومئذ بتِلِمسين وموسى بن نصير بالقيروان فقال طارق فإني لا أطمأنّ اليك حتى تبعث الىّ برَهينة فبعث اليه بابنتيه ولم يكن له ولد غيرهما فاقرّهما طارق بتلمسين واستوثق منهما ثم خرج طارق الى يليان وهو بسبتة على المجاز ففرح به حين قدم عليه وقال له أنا مُدخلك الاندلس وكان فيما بين المجازين جبل يقال له اليوم جبل طارق فيما بين سبتة والاندلس فلما أمسى جاءَه يليان بالمراكب فحمله فيها الى ذلك المجاز فأكمن فيه نهاره فلما أمسى ردّ المراكب الى من بقي من اصحابه فحُملوا اليه حتى لم يبق منهم احد ولا يشعر بهم اهل اندلس ولا يظنّون إلّا أن المراكب تختلف بمثل ما كانت تختلف به من منافعهم وكان طارق في آخر فوج ركب فجاز الى اصحابه وتخلّف يليان ومن معه من التُجّار بالخضراء ليكن اطيبَ لأنفس اصحابه واهل بلده.|Die Passage, die zwischen ihm [dem Eroberer Ṭāriq b. Ziyād] und der Bevölkerung von al-Andalus lag, beherrschte ein Nichtaraber (''raǧul min al-ʿaǧam'') namens Julian (''Yulyān''). Er war Herr von Ceuta und Herrscher über eine Stadt an der Meerenge zu al-Andalus, die Algeciras ([''al-ǧazīra'']'' l-ḫaḍrāʾ'') heißt. Algeciras folgt direkt auf Tanger. Julian schuldete nun Roderich (''Luḏrīq''), dem Herrn von al-Andalus, Gehorsam. Roderich residierte in Toledo. Ṭāriq schickte nun eine Botschaft an Julian und zeigte sich besonders freundlich, bis sie Geschenke austauschten. Julian hatte seine Tochter zu Roderich, dem Herrn von al-Andalus, geschickt, um sie erziehen und bilden zu lassen. Dieser schwängerte sie, und diese Nachricht erreichte Julian. Dieser sagte: Ich sehe keine andere Strafe und keine Wiedergutmachung, als dass ich die Araber gegen ihn hereinlasse. Also ließ er Ṭāriq ausrichten: Ich bin Dein Eintritt nach al-Andalus. Ṭāriq war zu dieser Zeit in Tlemcen, während Mūsā b. Nuṣayr in al-Qayrawān war. Ṭāriq sagte: Ich schenke Dir kein Vertrauen, bis Du mir eine Geisel schickst. Also schickte er ihm seine zwei Töchter, denn er hatte außer diesen zwei keinen Nachwuchs. Ṭāriq gab ihnen nun eine Residenz in Tlemcen und gewann durch sie Vertrauen. Dann machte sich Ṭāriq zu Julian, der gerade in Ceuta an der Meerenge war. Er freute sich, als er ihn erreichte, und er ihm sagte: Ich bin Dein Eintritt nach al-Andalus. Zwischen den beiden Passagen [gemeint sind die zwei Meeresrouten, die die nordafrikanische mit der iberischen Küste verbanden], also zwischen Ceuta und al-Andalus, lag ein Berg, der heute „Berg des Ṭāriq“ (''ǧabal Ṭāriq'', d.h. Gibraltar) heißt. Als es Abend wurde, kam Julian mit Booten zu ihm und transportierte ihn darin zu jener Passage, wo er sich am Tag versteckte. Als es dann [wieder] Abend wurde, kehrten die Boote zu denjenigen zurück, die zurückgeblieben waren, und auch sie wurden hinüber transportiert, ohne dass auch nur einer übrig blieb. Die Bevölkerung von al-Andalus bemerkte sie nicht und dachte sich nichts anderes dabei, als dass die Schiffe hin- und herfuhren, wie sie es immer, mit ihren Handelsgütern an Bord, zu tun pflegten. Ṭāriq war nun in der letzten Gruppe, die hinüberfuhr. Er stieß zu seinen Gefährten. Hinterher kamen dann Julian und die Händler, die ihn begleiteten, nach Algeciras, damit er die Gemüter seiner Gefährten und die Bevölkerung seiner Stadt beruhigen könne.|5===Autor/in & Werk== | ||
Der 182/798-99 oder 187/802-803 geborene und 257/871 gestorbene Abū l-Qāsim ʿAbdal''-''Raḥmān b. ʿAbd Allāh b. ʿAbd al-Ḥakam stammte aus einer bekannten Familie, die in und jenseits Ägyptens für ihre intellektuellen Leistungen im Bereich des islamischen Rechts (''fiqh'') der prophetischen Traditionsüberlieferung (''ḥadīṯ'') bekannt war. Der Familie wird neben anderen u. a. die Einführung mālikitischen Rechts in Ägypten sowie die Finanzierung des ersten Aufenthaltes des Rechtsgelehrten al-Šāfiʿī in Ägypten zugeschrieben, der angeblich in ihrem Haus gestorben sein soll. Namensgeber der Familie ist der Großvater des hier besprochenen Autors, der um 171/787-88 verstorbene ʿAbd al-Ḥakam. Sein Sohn ʿAbd Allāh b. ʿAbd al-Ḥakam war Führer der mālikitischen Rechtsschule in Ägypten und Autor mehrerer Werke zum islamischen Recht und der Prophetentradition. In dieselben Fußstapfen traten seine vier Söhne. Ab den 840ern | Der 182/798-99 oder 187/802-803 geborene und 257/871 gestorbene Abū l-Qāsim ʿAbdal''-''Raḥmān b. ʿAbd Allāh b. ʿAbd al-Ḥakam stammte aus einer bekannten Familie, die in und jenseits Ägyptens für ihre intellektuellen Leistungen im Bereich des islamischen Rechts (''fiqh'') der prophetischen Traditionsüberlieferung (''ḥadīṯ'') bekannt war. Der Familie wird neben anderen u. a. die Einführung mālikitischen Rechts in Ägypten sowie die Finanzierung des ersten Aufenthaltes des Rechtsgelehrten al-Šāfiʿī in Ägypten zugeschrieben, der angeblich in ihrem Haus gestorben sein soll. Namensgeber der Familie ist der Großvater des hier besprochenen Autors, der um 171/787-88 verstorbene ʿAbd al-Ḥakam. Sein Sohn ʿAbd Allāh b. ʿAbd al-Ḥakam war Führer der mālikitischen Rechtsschule in Ägypten und Autor mehrerer Werke zum islamischen Recht und der Prophetentradition. In dieselben Fußstapfen traten seine vier Söhne. Ab den 840ern sah sich die Familie mit mehreren schwierigen Situationen konfrontiert: Zunächst geriet der älteste Sohn Muḥammad, auch ein bekannter Gelehrter, in Konflikt mit den von den Abbasidenkalifen geförderten theologischen Leitlinien der so genannten Muʿtazila, indem er sich gegen die Doktrin eines erschaffenen Koran stellte. Um 237/851-852 wurde der Familie von Seiten des Abbasidenkalifats unterstellt, die Reichtümer des ägyptischen Gouverneurs al-Ǧarawī unrechtmäßig in Besitz genommen zu haben. Trotz baldiger Entlastung der Familie scheint sie durch diesen Skandal ihren früheren Einfluss in Ägypten verloren zu haben. | ||
Ibn ʿAbd al-Ḥakam ist für seine groß angelegte Geschichte der muslimischen Eroberung Ägyptens, Nordafrikas und der Iberischen Halbinsel bekannt. Der Hauptteil des Werkes besteht aus einer Geschichte Ägyptens, die von legendären Anfängen und unter Berücksichtigung der Kopten bis hin zum Tod des muslimischen Eroberers ʿAmr b. al-ʿĀṣ geführt wird, dann ausführlich auf die muslimische Eroberung Nordafrikas | Ibn ʿAbd al-Ḥakam ist für seine groß angelegte Geschichte der muslimischen Eroberung Ägyptens, Nordafrikas und der Iberischen Halbinsel bekannt. Der Hauptteil des Werkes besteht aus einer Geschichte Ägyptens, die von legendären Anfängen und unter Berücksichtigung der Kopten bis hin zum Tod des muslimischen Eroberers ʿAmr b. al-ʿĀṣ geführt wird, dann ausführlich auf die muslimische Eroberung Nordafrikas und etwas weniger detailliert auf die Invasion der Iberischen Halbinsel eingeht. Die Geschichte endet mit zwei Appendices, die sich zum einen mit den Richtern Ägyptens bis 246/860, zum anderen mit den Prophetengefährten befassen, die Ägypten betreten und dort Überlieferungen zu den Aussprüchen und Taten des Propheten weitergegeben haben.<ref name="ftn1">Ibn ʿAbd al-Ḥakam, ''Futūḥ Miṣr'', ed. Torrey (Introduction), S. 1-2; Rosenthal, Ibn ʿAbd al-Ḥakam, in: EI 2, vol. 3, S. 674-675.</ref> Ibn ʿAbd al-Ḥakam ist dabei der frühen Form islamischer Geschichtsschreibung verpflichtet, die alle Berichte und Anekdoten durch die namentliche Auflistung von Traditionsüberlieferern (''isnād'') entweder an Augenzeugen oder an als vertrauenswürdige Autoritäten anbindet und auch Berichtsvarianten mit unterschiedlichen Überlieferungsketten dokumentiert und unkommentiert nebeneinander stehen lässt.<ref name="ftn2">Vgl. hierzu Schoeler, ''Genesis''; Robinson, ''Islamic Historiography'', S. 84-88, 97-98.</ref> | ||
==Inhalt & Quellenkontext== | ==Inhalt & Quellenkontext== | ||
Die hier | Die hier zitierte Passage stellt eine von mehreren Beschreibungen der muslimischen Invasion der Iberischen Halbinsel dar, die im Jahre 92/711 von Ṭāriq b. Ziyād, einem wahrscheinlich berberischen Klienten des nordafrikanischen Statthalters Mūsā b. Nuṣayr eingeleitet und in einem zweiten Invasionszug von Mūsā b. Nuṣayr um 715 beendet wurde. Daraufhin wurde die Iberische Halbinsel zunächst kurz von Mūsās Sohn ʿAbd al-ʿAzīz verwaltet, auf den insgesamt zweiundzwanzig Statthalter folgten, die zumindest in der frühen Periode meist von Damaskus, später dann von Nordafrika aus eingesetzt wurden, bis dann im Jahre 756 der Umayyade ʿAbd al-Raḥmān I. in al-Andalus ein eigenständiges Emirat gründete. | ||
Es handelt sich nicht um die früheste Beschreibung der muslimischen Invasion der Iberischen Halbinsel: Zeitgenössisch ist nur die auch als ''Continuatio hispana'' oder ''Chronica muzarabica'' bekannte hispano-lateinische Chronik von 754.<ref name="ftn3"><span style="background-color:#ffff00;">Vgl. „731: Der Berber Munnuz“</span></ref> Die arabisch-islamische Historiographie setzt insgesamt etwa ein Jahrhundert später mit dem ''Kitāb al-tārīḫ'' des Ibn Ḥabīb al-Ilbīrī (gest. 238/853) ein, der auch als erster andalusisch-arabischer Historiograph zu gelten hat. Allerdings bediente sich Ibn Ḥabīb al-Ilbīrī weniger lokaler Informationsquellen als nahöstlicher und v. a. ägyptischer Gewährsmänner, die in den Jahrzehnten nach der muslimischen Invasion Berichte über die Invasionsperiode sammelten, die von Rückkehrern über Nordafrika nach Osten gebracht worden waren, darunter Mūsā b. ʿAlī b. Rabāḥ al-Laḫmī (gest. 163/779), ʿAbd Allāh b. Lahīʿa (gest. 174/791), al-Layṯ b. Saʿd (gest. 175/792) und ʿAbd Allāh b. Wahb (gest. 197/813) sowie Abū ʿUthmān Saʿīd b. Kaṯīr b. ʿUfayr al-Misṛī (gest. 226/840), der als Autor des frühesten, allerdings verlorenen Werks zur Eroberung von al-Andalus gilt. Solche Gewährsmänner wurden auch von Ibn ʿAbd al-Ḥakam genutzt, der al-Andalus wahrscheinlich selbst nie betreten hatte.<ref name="ftn4">König, ''Arabic-Islamic Views'', S. 155-156.</ref> Mit Ausnahme von Ibn Ḥabīb und vielleicht der anonymen, und in ihrer Datierung stark umstrittenen Chronik ''Aḫbār maǧmūʿa<ref name="ftn5">''Zur Datierungsdiskussion siehe James, History of Early Al-Andalus, S. 3–42''</ref> ''stammen bis ins 10. Jahrhundert alle arabisch-islamischen Texte zur muslimischen Invasion aus dem Nahen Osten. Erst im verlorenen Werk “Nachrichten zu den Herrschern von al-Andalus” (''Aḫbār mulūk al-Andalus'') des Aḥmad b. al-Rāzī entsteht eine eigenständige regionale Geschichtsschreibung, die sich auch mit der westgotischen Periode und der Invasionsperiode befasst. Sie basierte zumindest teilweise auf der Diffusion lateinischer Quellen, die wohl Ende des 9. bzw. Anfang des 10. Jahrhunderts durch die arabische Übersetzung der ''Historiarum adversus paganos libri septem'' des spätantiken christlichen Historiographen Orosius (gest. ca. 417) zugänglich gemacht wurden. Am Inhaltsverzeichnis sowie einzelnen Passagen der nur fragmentarisch unter dem Titel ''Kitāb Hūrūšiyūš ''erhaltenen Übertragung lässt sich nämlich erkennen, dass diese zusätzliche lateinische Quellen, darunter Isidor von Sevilla, verarbeitet, und außerdem das Geschichtswerk des Orosius auf dieser Grundlage bis in das Jahr 711 fortführt.<ref name="ftn6">König, ''Arabic-Islamic Views'', S. 158-162.</ref> | Es handelt sich nicht um die früheste Beschreibung der muslimischen Invasion der Iberischen Halbinsel: Zeitgenössisch ist nur die auch als ''Continuatio hispana'' oder ''Chronica muzarabica'' bekannte hispano-lateinische Chronik von 754.<ref name="ftn3"><span style="background-color:#ffff00;">Vgl. „731: Der Berber Munnuz“</span></ref> Die arabisch-islamische Historiographie setzt insgesamt etwa ein Jahrhundert später mit dem ''Kitāb al-tārīḫ'' des Ibn Ḥabīb al-Ilbīrī (gest. 238/853) ein, der auch als erster andalusisch-arabischer Historiograph zu gelten hat. Allerdings bediente sich Ibn Ḥabīb al-Ilbīrī weniger lokaler Informationsquellen als nahöstlicher und v. a. ägyptischer Gewährsmänner, die in den Jahrzehnten nach der muslimischen Invasion Berichte über die Invasionsperiode sammelten, die von Rückkehrern über Nordafrika nach Osten gebracht worden waren, darunter Mūsā b. ʿAlī b. Rabāḥ al-Laḫmī (gest. 163/779), ʿAbd Allāh b. Lahīʿa (gest. 174/791), al-Layṯ b. Saʿd (gest. 175/792) und ʿAbd Allāh b. Wahb (gest. 197/813) sowie Abū ʿUthmān Saʿīd b. Kaṯīr b. ʿUfayr al-Misṛī (gest. 226/840), der als Autor des frühesten, allerdings verlorenen Werks zur Eroberung von al-Andalus gilt. Solche Gewährsmänner wurden auch von Ibn ʿAbd al-Ḥakam genutzt, der al-Andalus wahrscheinlich selbst nie betreten hatte.<ref name="ftn4">König, ''Arabic-Islamic Views'', S. 155-156.</ref> Mit Ausnahme von Ibn Ḥabīb und vielleicht der anonymen, und in ihrer Datierung stark umstrittenen Chronik ''Aḫbār maǧmūʿa<ref name="ftn5">''Zur Datierungsdiskussion siehe James, History of Early Al-Andalus, S. 3–42''</ref> ''stammen bis ins 10. Jahrhundert alle arabisch-islamischen Texte zur muslimischen Invasion aus dem Nahen Osten. Erst im verlorenen Werk “Nachrichten zu den Herrschern von al-Andalus” (''Aḫbār mulūk al-Andalus'') des Aḥmad b. al-Rāzī entsteht eine eigenständige regionale Geschichtsschreibung, die sich auch mit der westgotischen Periode und der Invasionsperiode befasst. Sie basierte zumindest teilweise auf der Diffusion lateinischer Quellen, die wohl Ende des 9. bzw. Anfang des 10. Jahrhunderts durch die arabische Übersetzung der ''Historiarum adversus paganos libri septem'' des spätantiken christlichen Historiographen Orosius (gest. ca. 417) zugänglich gemacht wurden. Am Inhaltsverzeichnis sowie einzelnen Passagen der nur fragmentarisch unter dem Titel ''Kitāb Hūrūšiyūš ''erhaltenen Übertragung lässt sich nämlich erkennen, dass diese zusätzliche lateinische Quellen, darunter Isidor von Sevilla, verarbeitet, und außerdem das Geschichtswerk des Orosius auf dieser Grundlage bis in das Jahr 711 fortführt.<ref name="ftn6">König, ''Arabic-Islamic Views'', S. 158-162.</ref> | ||
Das Geschichtswerk des Ibn ʿAbd al-Ḥakam gehört also in die frühe Periode der noch ganz nahöstlich geprägten arabisch-islamischen Geschichtsschreibung zu den neu eroberten Gebieten. Dem Genre nach ist es der so genannten Futūḥ-Literatur zuzuordnen, also einer historiographischen Gattung, die sich mit der arabisch-islamischen Expansion selbst, weniger aber mit der vorislamischen Geschichte oder auch mit den Ereignissen nach der Expansionsperiode beschäftigt und hauptsächlich auf überlieferte Augenzeugenberichte von Eroberern anstatt auf lokales Quellenmaterial aus den Eroberungsgebieten selbst zurückgreift. Es enthält daher relativ wenig Information über das Westgotenreich, fokussiert v. a. auf die Invasion selbst und liefert kaum Informationen zur andalusischen Geschichte nach der Periode der Statthalter. Die von Ibn ʿAbd al-Ḥakam gelieferten Informationen zum Westgotenreich und der Invasionsperiode lassen sich daher schnell zusammenfassen:<ref name="ftn7">Ibn ʿAbd al-Ḥakam, ''Futūḥ Miṣr'', ed. Torrey, S. 205-206, 208-209, 211-213. Vgl. König, ''Arabic-Islamic Views'', S. 155-156.</ref> Er sieht das von den Muslimen eroberte Herrschaftsgebiet unter der Herrschaft eines Königs namens Roderich (''Luḏrīq''), den er aber – anders als lateinische und andere arabisch-islamische Quellen – nicht als “Goten” identifiziert, sondern als “Herrscher von al-Andalus” (''ṣāḥib al-Andalus''). Er macht Angaben zur Größe von dessen Herrschaftsgebiet und berichtet von der Entscheidungsschlacht zwischen den Truppen von Ṭāriq b. Ziyād und denjenigen Roderichs, der dabei den Tod fand. Zahlreiche Passagen sind der wertvollen Beute, darunter der angebliche Tisch Salomos, gewidmet. Ferner berichtet der Autor parallel zur Chronik von 754, dass die Tochter Roderichs als Ehefrau des ersten Statthalters ʿAbd al-ʿAzīz diesen überzeugte, die Alleinherrschaft über die Iberische Halbinsel anzustreben, was dessen Ermordung provozierte.<ref name="ftn8">In der Chronik von 754 heiratet ʿAbd al-ʿAzīz allerdings Roderichs Ehefrau namens Egilona, vgl. ''Continuatio hispana'', ed. Theodor Mommsen (MGH Auct. Ant., 11), Berlin: Weidmann, 1894, § 79, S. 356; bzw. ''Chronica muzarabica'', ed. Juan Gil (Corpus Scriptorum Muzarabicorum 1), Madrid: CSIC, 1973, § 51, S. 35-36.</ref> | Das Geschichtswerk des Ibn ʿAbd al-Ḥakam gehört also in die frühe Periode der noch ganz nahöstlich geprägten arabisch-islamischen Geschichtsschreibung zu den neu eroberten Gebieten. Dem Genre nach ist es der so genannten Futūḥ-Literatur zuzuordnen, also einer historiographischen Gattung, die sich mit der arabisch-islamischen Expansion selbst, weniger aber mit der vorislamischen Geschichte oder auch mit den Ereignissen nach der Expansionsperiode beschäftigt und hauptsächlich auf überlieferte Augenzeugenberichte von Eroberern anstatt auf lokales Quellenmaterial aus den Eroberungsgebieten selbst zurückgreift. Es enthält daher relativ wenig Information über das Westgotenreich, fokussiert v. a. auf die Invasion selbst und liefert kaum Informationen zur andalusischen Geschichte nach der Periode der Statthalter. Die von Ibn ʿAbd al-Ḥakam gelieferten Informationen zum Westgotenreich und der Invasionsperiode lassen sich daher schnell zusammenfassen:<ref name="ftn7">Ibn ʿAbd al-Ḥakam, ''Futūḥ Miṣr'', ed. Torrey, S. 205-206, 208-209, 211-213. Vgl. König, ''Arabic-Islamic Views'', S. 155-156.</ref> Er sieht das von den Muslimen eroberte Herrschaftsgebiet unter der Herrschaft eines Königs namens Roderich (''Luḏrīq''), den er aber – anders als lateinische und andere arabisch-islamische Quellen – nicht als “Goten” identifiziert, sondern als “Herrscher von al-Andalus” (''ṣāḥib al-Andalus''). Er macht Angaben zur Größe von dessen Herrschaftsgebiet und berichtet von der Entscheidungsschlacht zwischen den Truppen von Ṭāriq b. Ziyād und denjenigen Roderichs, der dabei den Tod fand. Zahlreiche Passagen sind der wertvollen Beute, darunter der angebliche Tisch Salomos, gewidmet. Ferner berichtet der Autor parallel zur Chronik von 754, dass die Tochter Roderichs als Ehefrau des ersten Statthalters ʿAbd al-ʿAzīz diesen überzeugte, die Alleinherrschaft über die Iberische Halbinsel anzustreben, was dessen Ermordung provozierte.<ref name="ftn8">In der Chronik von 754 heiratet ʿAbd al-ʿAzīz allerdings Roderichs Ehefrau namens Egilona, vgl. ''Continuatio hispana'', ed. Theodor Mommsen (MGH Auct. Ant., 11), Berlin: Weidmann, 1894, § 79, S. 356; bzw. ''Chronica muzarabica'', ed. Juan Gil (Corpus Scriptorum Muzarabicorum 1), Madrid: CSIC, 1973, § 51, S. 35-36.</ref> |
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