711: Ibn ʿAbd al-Ḥakam zur Kollaboration Julians bei der muslimischen Invasion der Iberischen Halbinsel: Unterschied zwischen den Versionen

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(Die Seite wurde neu angelegt: „{{Kapitel AR-DE|Daniel G. König|Ibn ʿAbd al-Ḥakam, ''Futūḥ Miṣr wa-aḫbāruhā'', ed. Charles Torrey, Kairo: Madbūlī, 1999, p. 205-206, übers. Dan…“)
 
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Ibn ʿAbd al-Ḥakam ist für seine groß angelegte Geschichte der muslimischen Eroberung Ägyptens, Nordafrikas und der Iberischen Halbinsel bekannt. Der Hauptteil des Werkes besteht aus einer Geschichte Ägyptens, die von legendären Anfängen und unter Berücksichtigung der Kopten bis hin zum Tod des muslimischen Eroberers ʿAmr b. al-ʿĀṣ geführt wird, dann ausführlich auf die muslimische Eroberung Nordafrikas, etwas weniger detailliert auf die Invasion der Iberischen Halbinsel eingeht. Die Geschichte endet mit zwei Appendices, die sich zum einen mit den Richtern Ägyptens bis 246/860, zum anderen mit den Prophetengefährten befassen, die Ägypten betreten und dort Traditionen zu den Aussprüchen und Taten des Propheten getätigt haben.<ref name="ftn1">Ibn ʿAbd al-Ḥakam, ''Futūḥ Miṣr'', ed. Torrey (Introduction), S. 1-2; Rosenthal, Ibn ʿAbd al-Ḥakam, in: EI 2, vol. 3, S. 674-675.</ref> Ibn ʿAbd al-Ḥakam ist dabei der frühen Form islamischer Geschichtsschreibung verpflichtet, die alle Berichte und Anekdoten durch die namentliche Auflistung von Traditionsüberlieferern (''isnād'') entweder an Augenzeugen oder an als vertrauenswürdige Autoritäten anbindet und auch Berichtsvarianten mit unterschiedlichen Überlieferungsketten dokumentiert und unkommentiert nebeneinander stehen lässt.<ref name="ftn2">Vgl. hierzu Schoeler, ''Genesis''; Robinson, ''Islamic Historiography'', S. 84-88, 97-98.</ref>
Ibn ʿAbd al-Ḥakam ist für seine groß angelegte Geschichte der muslimischen Eroberung Ägyptens, Nordafrikas und der Iberischen Halbinsel bekannt. Der Hauptteil des Werkes besteht aus einer Geschichte Ägyptens, die von legendären Anfängen und unter Berücksichtigung der Kopten bis hin zum Tod des muslimischen Eroberers ʿAmr b. al-ʿĀṣ geführt wird, dann ausführlich auf die muslimische Eroberung Nordafrikas, etwas weniger detailliert auf die Invasion der Iberischen Halbinsel eingeht. Die Geschichte endet mit zwei Appendices, die sich zum einen mit den Richtern Ägyptens bis 246/860, zum anderen mit den Prophetengefährten befassen, die Ägypten betreten und dort Traditionen zu den Aussprüchen und Taten des Propheten getätigt haben.<ref name="ftn1">Ibn ʿAbd al-Ḥakam, ''Futūḥ Miṣr'', ed. Torrey (Introduction), S. 1-2; Rosenthal, Ibn ʿAbd al-Ḥakam, in: EI 2, vol. 3, S. 674-675.</ref> Ibn ʿAbd al-Ḥakam ist dabei der frühen Form islamischer Geschichtsschreibung verpflichtet, die alle Berichte und Anekdoten durch die namentliche Auflistung von Traditionsüberlieferern (''isnād'') entweder an Augenzeugen oder an als vertrauenswürdige Autoritäten anbindet und auch Berichtsvarianten mit unterschiedlichen Überlieferungsketten dokumentiert und unkommentiert nebeneinander stehen lässt.<ref name="ftn2">Vgl. hierzu Schoeler, ''Genesis''; Robinson, ''Islamic Historiography'', S. 84-88, 97-98.</ref>


==Inhalt &Quellenkontext==
==Inhalt & Quellenkontext==
Die hier zitierten Passage stellt eine von mehreren Beschreibungen der muslimischen Invasion der Iberischen Halbinsel dar, die im Jahre 92/711 von Ṭāriq b. Ziyād, einem wahrscheinlich berberischen Klienten des nordafrikanischen Statthalters Mūsā b. Nuṣayr eingeleitet und in einem zweiten Invasionszug von Mūsā b. Nuṣayr um 715 beendet wurde. Daraufhin wurde die Iberische Halbinsel zunächst kurz von Mūsās Sohn ʿAbd al-ʿAzīz verwaltet, auf den insgesamt zweiundzwanzig Statthalter folgten, die zumindest in der frühen Periode meist von Damaskus, später dann von Nordafrika aus eingesetzt wurden, bis dann im Jahre 756 der Umayyade ʿAbd al-Raḥmān I. in al-Andalus ein eigenständiges Emirat gründete.  
Die hier zitierten Passage stellt eine von mehreren Beschreibungen der muslimischen Invasion der Iberischen Halbinsel dar, die im Jahre 92/711 von Ṭāriq b. Ziyād, einem wahrscheinlich berberischen Klienten des nordafrikanischen Statthalters Mūsā b. Nuṣayr eingeleitet und in einem zweiten Invasionszug von Mūsā b. Nuṣayr um 715 beendet wurde. Daraufhin wurde die Iberische Halbinsel zunächst kurz von Mūsās Sohn ʿAbd al-ʿAzīz verwaltet, auf den insgesamt zweiundzwanzig Statthalter folgten, die zumindest in der frühen Periode meist von Damaskus, später dann von Nordafrika aus eingesetzt wurden, bis dann im Jahre 756 der Umayyade ʿAbd al-Raḥmān I. in al-Andalus ein eigenständiges Emirat gründete.  
Es handelt sich nicht um die früheste Beschreibung der muslimischen Invasion der Iberischen Halbinsel: Zeitgenössisch ist nur die auch als ''Continuatio hispana'' oder ''Chronica muzarabica'' bekannte hispano-lateinische Chronik von 754.<ref name="ftn3"><span style="background-color:#ffff00;">Vgl. „731: Der Berber Munnuz“</span></ref> Die arabisch-islamische Historiographie setzt insgesamt etwa ein Jahrhundert später mit dem ''Kitāb al-tārīḫ'' des Ibn Ḥabīb al-Ilbīrī (gest. 238/853) ein, der auch als erster andalusisch-arabischer Historiograph zu gelten hat. Allerdings bediente sich Ibn Ḥabīb al-Ilbīrī weniger lokaler Informationsquellen als nahöstlicher und v. a. ägyptischer Gewährsmänner, die in den Jahrzehnten nach der muslimischen Invasion Berichte über die Invasionsperiode sammelten, die von Rückkehrern über Nordafrika nach Osten gebracht worden waren, darunter Mūsā b. ʿAlī b. Rabāḥ al-Laḫmī (gest. 163/779), ʿAbd Allāh b. Lahīʿa (gest. 174/791), al-Layṯ b. Saʿd (gest. 175/792) und ʿAbd Allāh b. Wahb (gest. 197/813) sowie Abū ʿUthmān Saʿīd b. Kaṯīr b. ʿUfayr al-Misṛī (gest. 226/840), der als Autor des frühesten, allerdings verlorenen Werks zur Eroberung von al-Andalus gilt. Solche Gewährsmänner wurden auch von Ibn ʿAbd al-Ḥakam genutzt, der al-Andalus wahrscheinlich selbst nie betreten hatte.<ref name="ftn4">König, ''Arabic-Islamic Views'', S. 155-156.</ref> Mit Ausnahme von Ibn Ḥabīb und vielleicht der anonymen, und in ihrer Datierung stark umstrittenen Chronik ''Aḫbār maǧmūʿa<ref name="ftn5">''Zur Datierungsdiskussion siehe James, History of Early Al-Andalus, S. 3–42''</ref> ''stammen bis ins 10. Jahrhundert alle arabisch-islamischen Texte zur muslimischen Invasion aus dem Nahen Osten. Erst im verlorenen Werk “Nachrichten zu den Herrschern von al-Andalus” (''Aḫbār mulūk al-Andalus'') des Aḥmad b. al-Rāzī entsteht eine eigenständige regionale Geschichtsschreibung, die sich auch mit der westgotischen Periode und der Invasionsperiode befasst. Sie basierte zumindest teilweise auf der Diffusion lateinischer Quellen, die wohl Ende des 9. bzw. Anfang des 10. Jahrhunderts durch die arabische Übersetzung der ''Historiarum adversus paganos libri septem'' des spätantiken christlichen Historiographen Orosius (gest. ca. 417) zugänglich gemacht wurden. Am Inhaltsverzeichnis sowie einzelnen Passagen der nur fragmentarisch unter dem Titel ''Kitāb Hūrūšiyūš ''erhaltenen Übertragung lässt sich nämlich erkennen, dass diese zusätzliche lateinische Quellen, darunter Isidor von Sevilla, verarbeitet, und außerdem das Geschichtswerk des Orosius auf dieser Grundlage bis in das Jahr 711 fortführt.<ref name="ftn6">König, ''Arabic-Islamic Views'', S. 158-162.</ref>  
Es handelt sich nicht um die früheste Beschreibung der muslimischen Invasion der Iberischen Halbinsel: Zeitgenössisch ist nur die auch als ''Continuatio hispana'' oder ''Chronica muzarabica'' bekannte hispano-lateinische Chronik von 754.<ref name="ftn3"><span style="background-color:#ffff00;">Vgl. „731: Der Berber Munnuz“</span></ref> Die arabisch-islamische Historiographie setzt insgesamt etwa ein Jahrhundert später mit dem ''Kitāb al-tārīḫ'' des Ibn Ḥabīb al-Ilbīrī (gest. 238/853) ein, der auch als erster andalusisch-arabischer Historiograph zu gelten hat. Allerdings bediente sich Ibn Ḥabīb al-Ilbīrī weniger lokaler Informationsquellen als nahöstlicher und v. a. ägyptischer Gewährsmänner, die in den Jahrzehnten nach der muslimischen Invasion Berichte über die Invasionsperiode sammelten, die von Rückkehrern über Nordafrika nach Osten gebracht worden waren, darunter Mūsā b. ʿAlī b. Rabāḥ al-Laḫmī (gest. 163/779), ʿAbd Allāh b. Lahīʿa (gest. 174/791), al-Layṯ b. Saʿd (gest. 175/792) und ʿAbd Allāh b. Wahb (gest. 197/813) sowie Abū ʿUthmān Saʿīd b. Kaṯīr b. ʿUfayr al-Misṛī (gest. 226/840), der als Autor des frühesten, allerdings verlorenen Werks zur Eroberung von al-Andalus gilt. Solche Gewährsmänner wurden auch von Ibn ʿAbd al-Ḥakam genutzt, der al-Andalus wahrscheinlich selbst nie betreten hatte.<ref name="ftn4">König, ''Arabic-Islamic Views'', S. 155-156.</ref> Mit Ausnahme von Ibn Ḥabīb und vielleicht der anonymen, und in ihrer Datierung stark umstrittenen Chronik ''Aḫbār maǧmūʿa<ref name="ftn5">''Zur Datierungsdiskussion siehe James, History of Early Al-Andalus, S. 3–42''</ref> ''stammen bis ins 10. Jahrhundert alle arabisch-islamischen Texte zur muslimischen Invasion aus dem Nahen Osten. Erst im verlorenen Werk “Nachrichten zu den Herrschern von al-Andalus” (''Aḫbār mulūk al-Andalus'') des Aḥmad b. al-Rāzī entsteht eine eigenständige regionale Geschichtsschreibung, die sich auch mit der westgotischen Periode und der Invasionsperiode befasst. Sie basierte zumindest teilweise auf der Diffusion lateinischer Quellen, die wohl Ende des 9. bzw. Anfang des 10. Jahrhunderts durch die arabische Übersetzung der ''Historiarum adversus paganos libri septem'' des spätantiken christlichen Historiographen Orosius (gest. ca. 417) zugänglich gemacht wurden. Am Inhaltsverzeichnis sowie einzelnen Passagen der nur fragmentarisch unter dem Titel ''Kitāb Hūrūšiyūš ''erhaltenen Übertragung lässt sich nämlich erkennen, dass diese zusätzliche lateinische Quellen, darunter Isidor von Sevilla, verarbeitet, und außerdem das Geschichtswerk des Orosius auf dieser Grundlage bis in das Jahr 711 fortführt.<ref name="ftn6">König, ''Arabic-Islamic Views'', S. 158-162.</ref>  
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