848: Beschluss zur Vertreibung der Muslime aus den langobardischen Herzogtümern: Unterschied zwischen den Versionen

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Hinsichtlich der Vertreibungen ist zu erwägen, wie erfolgreich diese in der Praxis umgesetzt wurden. Ein in diesem Zusammenhang interessanter Quellenfundus ist der ''Codex Diplomaticus Cavensis'', der Privatdokumente vom späten 8. bis ins späte 11. Jahrhundert enthält und über die Benediktinerabtei Cava de’Tirreni überliefert ist.<ref name="ftn10">''Codex diplomaticus Cavensis'', Bd. 1: a. 792-960, ed. Mauro Schiani, Michele Morcaldi, Silvano De Stefano, Neapel 1873.</ref> Darin lassen sich mehrere Dokumente finden, die deutlich auf eine muslimische Präsenz in langobardisch beherrschten Gebieten auch nach dem Beschluss zur Vertreibung hinweisen. So tauchen in diesen Rechtsdokumenten auch nach 848 ''Saraceni'' oder ''Mauri'' in unterschiedlichen Kontexten auf, was vermuten lässt, dass sie Teil des langobardischen Alltags waren. Ein toponomastischer Hinweis auf ein Grundstück namens ''terra sarracini'' in einer Grenzbeschreibung zeigt beispielsweisen, dass Sarazenen dabei in das Territorium Lukaniens und Kampaniens integriert und nachhaltig verwurzelt werden konnten.<ref name="ftn11">Kreutzer, ''Normans'', S. 51f.</ref> Neuere Forschungen zu islamischen Siedlungen am Garigliano Fluss in der Grenzregion zwischen Kampanien und Latium haben außerdem gezeigt, dass dort noch bis ins zweite Jahrzehnt des 10. Jahrhunderts Hinweise auf muslimische Aktivität zu finden sind.<ref name="ftn12">Di Branco, Matullo, Wolf, Insediamento islamico. </ref>
Hinsichtlich der Vertreibungen ist zu erwägen, wie erfolgreich diese in der Praxis umgesetzt wurden. Ein in diesem Zusammenhang interessanter Quellenfundus ist der ''Codex Diplomaticus Cavensis'', der Privatdokumente vom späten 8. bis ins späte 11. Jahrhundert enthält und über die Benediktinerabtei Cava de’Tirreni überliefert ist.<ref name="ftn10">''Codex diplomaticus Cavensis'', Bd. 1: a. 792-960, ed. Mauro Schiani, Michele Morcaldi, Silvano De Stefano, Neapel 1873.</ref> Darin lassen sich mehrere Dokumente finden, die deutlich auf eine muslimische Präsenz in langobardisch beherrschten Gebieten auch nach dem Beschluss zur Vertreibung hinweisen. So tauchen in diesen Rechtsdokumenten auch nach 848 ''Saraceni'' oder ''Mauri'' in unterschiedlichen Kontexten auf, was vermuten lässt, dass sie Teil des langobardischen Alltags waren. Ein toponomastischer Hinweis auf ein Grundstück namens ''terra sarracini'' in einer Grenzbeschreibung zeigt beispielsweisen, dass Sarazenen dabei in das Territorium Lukaniens und Kampaniens integriert und nachhaltig verwurzelt werden konnten.<ref name="ftn11">Kreutzer, ''Normans'', S. 51f.</ref> Neuere Forschungen zu islamischen Siedlungen am Garigliano Fluss in der Grenzregion zwischen Kampanien und Latium haben außerdem gezeigt, dass dort noch bis ins zweite Jahrzehnt des 10. Jahrhunderts Hinweise auf muslimische Aktivität zu finden sind.<ref name="ftn12">Di Branco, Matullo, Wolf, Insediamento islamico. </ref>


An dieser Stelle wäre zu fragen, ob es sich bei diesen urkundlich belegten Sarazenen prinzipiell um Muslime handelte oder auch um Konvertiten bzw. christliche Nachkommen von Muslimen. Dass es bereits in der ersten Hälfte des 9. Jahrhunderts zu Konversionen von Muslimen unter langobardischer Herrschaft gekommen war, deutet die ''divisio'' an, indem sie diejenigen Sarazenen von der Vertreibung ausnimmt, die sich unter Sico und Sicard – und damit vor dem Ausbruch des langobardischen Bürgerkrieges – zum Christentum bekehrt hatten. Dieser Hinweis ist in mehrfacher Hinsicht relevant: Er deutet eine beachtlich frühe Ankunft von Muslimen im Prinzipat Benevent an, nämlich noch bevor diese als Söldner im Kampf gegen andere süditalienische (christliche) Herrscher angeworben wurden. Weiterhin ist interessant, dass sich unter diesen Muslimen offenbar einige aus nicht näher spezifizierten Gründen zum Christentum bekannt hatten. Dass diese in der ''divisio'' weiterhin als ''Saraceni'' aufgefasst wurden, lässt vermuten, dass der hier verwendete Sarazenenbegriff nicht ausschließlich mit einer religiösen Bedeutung belegt war, sondern auch eine ethnische Abstammung bezeichnen konnte. Außerdem wäre zu überlegen, ob der gegen Sarazenen gerichtete Paragraph der ''divisio'' damit nicht auf die Personengruppe abzielte, die militärisch aktiv am Konflikt beteiligt war, andere Sarazenen aber von diesem Verbot ausgenommen waren. In jedem Falle stellt der Teilungsvertrag des Radelchis I. einen ausgesprochen frühen Rechtstext über den Umgang mit einer neuen (muslimischen oder ex-muslimischen) Minderheit unter christlicher Herrschaft in Süditalien dar und dabei den singulären Fall eines Verbots der Interaktion.|6=Radelgisi et Siginulfi divisio ducatus Beneventani, ed. Ferdinand Blum (MGH LL 4), Hannover: Hahnsche Buchhandlung, 1868, S. 221-225.|7=<div style="margin-left:0cm;margin-right:0cm;">Berto, Luigi Andrea: Oblivion, Memory, and Irony in Medieval Montecassino: Narrative Strategies of the “Chronicles of St. Benedict of Cassino”, in: ''Viator'' 38, 1'' ''(2007), S. 45-61.</div>
An dieser Stelle wäre zu fragen, ob es sich bei diesen urkundlich belegten Sarazenen prinzipiell um Muslime handelte oder auch um Konvertiten bzw. christliche Nachkommen von Muslimen. Dass es bereits in der ersten Hälfte des 9. Jahrhunderts zu Konversionen von Muslimen unter langobardischer Herrschaft gekommen war, deutet die ''divisio'' an, indem sie diejenigen Sarazenen von der Vertreibung ausnimmt, die sich unter Sico und Sicard – und damit vor dem Ausbruch des langobardischen Bürgerkrieges – zum Christentum bekehrt hatten. Dieser Hinweis ist in mehrfacher Hinsicht relevant: Er deutet eine beachtlich frühe Ankunft von Muslimen im Prinzipat Benevent an, nämlich noch bevor diese als Söldner im Kampf gegen andere süditalienische (christliche) Herrscher angeworben wurden. Weiterhin ist interessant, dass sich unter diesen Muslimen offenbar einige aus nicht näher spezifizierten Gründen zum Christentum bekannt hatten. Dass diese in der ''divisio'' weiterhin als ''Saraceni'' aufgefasst wurden, lässt vermuten, dass der hier verwendete Sarazenenbegriff nicht ausschließlich mit einer religiösen Bedeutung belegt war, sondern auch eine ethnische Abstammung bezeichnen konnte. Außerdem wäre zu überlegen, ob der gegen Sarazenen gerichtete Paragraph der ''divisio'' damit nicht auf die Personengruppe abzielte, die militärisch aktiv am Konflikt beteiligt war, andere Sarazenen aber von diesem Verbot ausgenommen waren. In jedem Falle stellt der Teilungsvertrag des Radelchis I. einen ausgesprochen frühen Rechtstext über den Umgang mit einer neuen (muslimischen oder ex-muslimischen) Minderheit unter christlicher Herrschaft in Süditalien dar und dabei den besonderen Fall eines Verbots der Interaktion.|6=Radelgisi et Siginulfi divisio ducatus Beneventani, ed. Ferdinand Blum (MGH LL 4), Hannover: Hahnsche Buchhandlung, 1868, S. 221-225.|7=<div style="margin-left:0cm;margin-right:0cm;">Berto, Luigi Andrea: Oblivion, Memory, and Irony in Medieval Montecassino: Narrative Strategies of the “Chronicles of St. Benedict of Cassino”, in: ''Viator'' 38, 1'' ''(2007), S. 45-61.</div>


<div style="margin-left:0cm;margin-right:0cm;">Conant, Jonathan P.: Anxieties of Violence: Christians and Muslims in Conflict in Aghlabid North Africa and the Central Mediterranean, in: ''Al-Masāq'' 27 (2015), S. 7-23.</div>
<div style="margin-left:0cm;margin-right:0cm;">Conant, Jonathan P.: Anxieties of Violence: Christians and Muslims in Conflict in Aghlabid North Africa and the Central Mediterranean, in: ''Al-Masāq'' 27 (2015), S. 7-23.</div>
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