1010-1028: Ersterwähnung eines Astrolabs im lothringischen Raum in einem Brief Radulfs von Lüttich: Unterschied zwischen den Versionen

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[§19] Wie wir bereits in §11 sahen, lässt sich anhand der Quellen nicht mehr feststellen, ob Ragimbold sich ein Astrolabium beschafft und sich selbst dem Studium von Astrolabtraktaten gewidmet hat. Mindestens ein Codex aus dem Kölner Raum, der astronomisch-mathematisches Wissen aus der arabisch-islamischen Sphäre weitergibt, ließe sich jedoch mit Ragimbold in Verbindung bringen: Die Mitte des 11. Jahrhunderts erweiterte Sammelhandschrift ''British Library, Harley 3595''.<ref name="ftn65">Beschrieben bei Folkerts, ''„Boethius”'', S. 4–5. Zur Kölner Provenienz des Manuskripts Mayr-Harting, ''Church'', S. 240. Ein Digitalisat unter: [http://www.bl.uk/manuscripts/FullDisplay.aspx?ref=Harley_MS_3595 http://www.bl.uk/manuscripts/FullDisplay.aspx?ref=Harley_MS_3595]. </ref> Sie enthält neben Boethius’ ''De arithmetica'' – die im Briefwechsel zwischen Radulf und Ragimbold eine wichtige Rolle spielt – u. a. auch Teile einer als ''Geometria incerti auctoris'' bezeichneten Schrift eines anonymen Verfassers, die die Verwendung des Astrolabs zur Lösung geodätischer Probleme beschreibt.<ref name="ftn66">Anonymus, Geometria incerti auctoris, ed. Nicolaus Bubnov in: Nicolaus Bubnov, ''Gerberti postea Silvestri II papae Opera mathematica (972–1003)'', Berlin: R. Friedländer & Sohn, 1899, S. 310–364, S. 317–318: „Si fuerit altitudo in aequalitate, tali poterit mensurari inspectione. Sumatur ab altimetra astrolabium, et in medietate quadrati in postica ejus planitie exarati constituatur mediclinium, ut hac scilicet positione sit mediclinium alterius partis astrolabii in numero graduum dierum XLV, et tandiu ab eo ante et retro aestimando pergatur, donec per utrumque ipsius mediclinii foramen altitudinis summitas inspiciatur.” Auszugsweise auch ediert bei Millás, ''Assaig'', S. 302–304. Zu dieser Schrift vgl. Folkerts, ''Aufgabensammlung'', S. 39; Vogel, Vermessungsproblem, S. 364–366. ''Harley 3595'' wurde von Bubnov für seine Edition nicht herangezogen; sein Text weicht stellenweise von dem der Handschrift ab. </ref> Sie ist oft gemeinsam mit der von Gerbert von Aurillac verfassten ''Geometria'' kopiert worden.<ref name="ftn67">Zur Gerberts ''Geometria'' vgl. Lindgren, Gerbert, S. 296, 300. </ref> Buch III, in dem das Astrolab Erwähnung findet, ist zwar nicht enthalten, doch muss der Schreiber es gekannt haben. Zusätzliche Signifikanz erhält die Handschrift dadurch, dass der ''Geometria incerti auctoris'' eine weitere mathematische Schrift, eines unbekannten Verfassers vorangestellt ist, die in der Forschung gemeinhin als „''Boethius“ Geometrie II'' bezeichnet wird. Sie wurde nach 1000 wahrscheinlich in Lothringen verfasst und gibt auf fol. 62<sup>r</sup> eine Abakustafel mit Zahlzeichen wieder, die man als „westarabische Ġubārziffern“ bezeichnet. Die Ziffernnamen ''arbas ''(Arabisch ''arbaʿ''), ''quimas ''(Arabisch ''ḫamsa'') und ''temenias ''(Arabisch ''ṯamāniya'') zeigen sogar noch Anklänge ans Arabische.<ref name="ftn68">Folkerts, ''„Boethius”'', S. 86–89, 105–107; eine Abbildung der Ġubārziffern in Appendix II; eine Abbildung der Manuskriptseite auf Tafel 11. </ref> In seiner Eigenschaft als Leiter der Domschule wird Ragimbold als ''bibliotecarius'' auch die Aufsicht über Domschulbibliothek und angeschlossenes Skriptorium gehabt haben und konnte das Anfertigen von Kopien beider Abhandlungen veranlassen. Dass die Verantwortung für die Domschulbibliotheken den Magistern oblag, bezeugt für die Trierer Domschule eine Urkunde von 1075, in welcher der Domscholaster Winricus auch als ''bibliothekarius ''bezeichnet wird. Eine weitere Urkunde von 1083 nennt seinen Amtsnachfolger Petrus ebenfalls in doppelter Funktion als Domschullehrer und Bibliothekar.<ref name="ftn69">''Urkundenbuch zur Geschichte der jetzt die Preussischen Regierungsbezirke Coblenz und Trier bildenden mittelrheinischen Territorien, Bd. 1: Von den ältesten Zeiten bis zum Jahre 1169'', ed. Heinrich Beyer, Koblenz: J. Hölscher, 1860, Nr. 375, S. 433: „Ego Winricus prime sedis sancti Petri archischolasticus et bibliothekarius recognovi:“ Ebd., Nr. 378, S. 436: „Petrus scolasticus et bibliotecarius hanc cartam recognovit et recitavit.“ Diese und weitere Belege aus dem Zeitraum um 1100 besprochen bei Nolden, Zeugnisse, S. 122–127.</ref> Zwar kämen neben der Domschule theoretisch auch die Skriptorien der zahlreichen Klöster in Köln und Umgebung als Entstehungsort für die zweite Hälfte von ''MS Harley 3595'' in Betracht.<ref name="ftn70">Zur damaligen Kölner Klosterlandschaft vgl. Schieffer, Klosterlandschaft, S. 278–282.</ref> Doch findet sich um 1050 in Köln außer Ragimbold kein weiterer Gelehrter, der dafür in Frage käme. Ein Großteil der Handschriften aus der in der British Library befindlichen Sammlung Harley gehörte zudem ursprünglich zum Bestand der Kölner Domschulbibliothek.<ref name="ftn71">Vgl. zur Bestandsgeschichte Clark, Library.</ref> Ragimbold bleibt also der wahrscheinlichste Auftraggeber für die Kompilation des Codex. Die hier aufgezeigte mögliche Verbindung zwischen der Korrespondenz Radulfs und Ragimbolds und ''MS Harley 3595'' fand in der Forschung bislang keine Beachtung. Eine systematische Untersuchung der astronomisch-mathematischen Handschriftenbestände der Kölner Domschulbibliothek im 11. Jahrhundert könnte hier möglicherweise interessante Antworten liefern!  
[§19] Wie wir bereits in §11 sahen, lässt sich anhand der Quellen nicht mehr feststellen, ob Ragimbold sich ein Astrolabium beschafft und sich selbst dem Studium von Astrolabtraktaten gewidmet hat. Mindestens ein Codex aus dem Kölner Raum, der astronomisch-mathematisches Wissen aus der arabisch-islamischen Sphäre weitergibt, ließe sich jedoch mit Ragimbold in Verbindung bringen: Die Mitte des 11. Jahrhunderts erweiterte Sammelhandschrift ''British Library, Harley 3595''.<ref name="ftn65">Beschrieben bei Folkerts, ''„Boethius”'', S. 4–5. Zur Kölner Provenienz des Manuskripts Mayr-Harting, ''Church'', S. 240. Ein Digitalisat unter: [http://www.bl.uk/manuscripts/FullDisplay.aspx?ref=Harley_MS_3595 http://www.bl.uk/manuscripts/FullDisplay.aspx?ref=Harley_MS_3595]. </ref> Sie enthält neben Boethius’ ''De arithmetica'' – die im Briefwechsel zwischen Radulf und Ragimbold eine wichtige Rolle spielt – u. a. auch Teile einer als ''Geometria incerti auctoris'' bezeichneten Schrift eines anonymen Verfassers, die die Verwendung des Astrolabs zur Lösung geodätischer Probleme beschreibt.<ref name="ftn66">Anonymus, Geometria incerti auctoris, ed. Nicolaus Bubnov in: Nicolaus Bubnov, ''Gerberti postea Silvestri II papae Opera mathematica (972–1003)'', Berlin: R. Friedländer & Sohn, 1899, S. 310–364, S. 317–318: „Si fuerit altitudo in aequalitate, tali poterit mensurari inspectione. Sumatur ab altimetra astrolabium, et in medietate quadrati in postica ejus planitie exarati constituatur mediclinium, ut hac scilicet positione sit mediclinium alterius partis astrolabii in numero graduum dierum XLV, et tandiu ab eo ante et retro aestimando pergatur, donec per utrumque ipsius mediclinii foramen altitudinis summitas inspiciatur.” Auszugsweise auch ediert bei Millás, ''Assaig'', S. 302–304. Zu dieser Schrift vgl. Folkerts, ''Aufgabensammlung'', S. 39; Vogel, Vermessungsproblem, S. 364–366. ''Harley 3595'' wurde von Bubnov für seine Edition nicht herangezogen; sein Text weicht stellenweise von dem der Handschrift ab. </ref> Sie ist oft gemeinsam mit der von Gerbert von Aurillac verfassten ''Geometria'' kopiert worden.<ref name="ftn67">Zur Gerberts ''Geometria'' vgl. Lindgren, Gerbert, S. 296, 300. </ref> Buch III, in dem das Astrolab Erwähnung findet, ist zwar nicht enthalten, doch muss der Schreiber es gekannt haben. Zusätzliche Signifikanz erhält die Handschrift dadurch, dass der ''Geometria incerti auctoris'' eine weitere mathematische Schrift, eines unbekannten Verfassers vorangestellt ist, die in der Forschung gemeinhin als „''Boethius“ Geometrie II'' bezeichnet wird. Sie wurde nach 1000 wahrscheinlich in Lothringen verfasst und gibt auf fol. 62<sup>r</sup> eine Abakustafel mit Zahlzeichen wieder, die man als „westarabische Ġubārziffern“ bezeichnet. Die Ziffernnamen ''arbas ''(Arabisch ''arbaʿ''), ''quimas ''(Arabisch ''ḫamsa'') und ''temenias ''(Arabisch ''ṯamāniya'') zeigen sogar noch Anklänge ans Arabische.<ref name="ftn68">Folkerts, ''„Boethius”'', S. 86–89, 105–107; eine Abbildung der Ġubārziffern in Appendix II; eine Abbildung der Manuskriptseite auf Tafel 11. </ref> In seiner Eigenschaft als Leiter der Domschule wird Ragimbold als ''bibliotecarius'' auch die Aufsicht über Domschulbibliothek und angeschlossenes Skriptorium gehabt haben und konnte das Anfertigen von Kopien beider Abhandlungen veranlassen. Dass die Verantwortung für die Domschulbibliotheken den Magistern oblag, bezeugt für die Trierer Domschule eine Urkunde von 1075, in welcher der Domscholaster Winricus auch als ''bibliothekarius ''bezeichnet wird. Eine weitere Urkunde von 1083 nennt seinen Amtsnachfolger Petrus ebenfalls in doppelter Funktion als Domschullehrer und Bibliothekar.<ref name="ftn69">''Urkundenbuch zur Geschichte der jetzt die Preussischen Regierungsbezirke Coblenz und Trier bildenden mittelrheinischen Territorien, Bd. 1: Von den ältesten Zeiten bis zum Jahre 1169'', ed. Heinrich Beyer, Koblenz: J. Hölscher, 1860, Nr. 375, S. 433: „Ego Winricus prime sedis sancti Petri archischolasticus et bibliothekarius recognovi:“ Ebd., Nr. 378, S. 436: „Petrus scolasticus et bibliotecarius hanc cartam recognovit et recitavit.“ Diese und weitere Belege aus dem Zeitraum um 1100 besprochen bei Nolden, Zeugnisse, S. 122–127.</ref> Zwar kämen neben der Domschule theoretisch auch die Skriptorien der zahlreichen Klöster in Köln und Umgebung als Entstehungsort für die zweite Hälfte von ''MS Harley 3595'' in Betracht.<ref name="ftn70">Zur damaligen Kölner Klosterlandschaft vgl. Schieffer, Klosterlandschaft, S. 278–282.</ref> Doch findet sich um 1050 in Köln außer Ragimbold kein weiterer Gelehrter, der dafür in Frage käme. Ein Großteil der Handschriften aus der in der British Library befindlichen Sammlung Harley gehörte zudem ursprünglich zum Bestand der Kölner Domschulbibliothek.<ref name="ftn71">Vgl. zur Bestandsgeschichte Clark, Library.</ref> Ragimbold bleibt also der wahrscheinlichste Auftraggeber für die Kompilation des Codex. Die hier aufgezeigte mögliche Verbindung zwischen der Korrespondenz Radulfs und Ragimbolds und ''MS Harley 3595'' fand in der Forschung bislang keine Beachtung. Eine systematische Untersuchung der astronomisch-mathematischen Handschriftenbestände der Kölner Domschulbibliothek im 11. Jahrhundert könnte hier möglicherweise interessante Antworten liefern!  


[§20] Radulfs Brief beinhaltet keinerlei Informationen zu Form und Aussehen des Astrolabs. Jedoch erlaubt der Rückgriff auf Instrumente, ihre mögliche Verwendung und ihre Darstellung im 11. Jahrhundert Überlegungen darüber anzustellen, wie Radulfs Astrolab ausgesehen haben könnte. 1962 beschrieb Marcel Destombes das sogenannte „karolingische Astrolab“, ein Instrument ''katalanischer Provenienz, dass Ende des 10. Jahrhunderts konstruiert wurde.'' Es hatte bereits mehrere Ortsscheiben, die sich noch nach an den ptolemäischen Klimata orientieren, während die meisten ostarabischen Astrolabien schon Scheiben für bestimmte Breitengrade besaßen.<ref name="ftn72">Vgl. zum Begriff „Klimata“ Borrelli, ''Aspects'', S. 41–42. Grundlage der Beschäftigung mit dem Thema bildet immer noch Honigmann, ''Klimata''.</ref> David A. King spricht von westislamischen, also andalusischen Einflüssen,<ref name="ftn73">King, European Astrolabe, S. 365.</ref> betont aber, dass die Inschrift ROMA ET FRANCIA auf einer der Scheiben auf einen lateinischen Ursprung des Astrolabs verweist.<ref name="ftn74">King, European Astrolabe, S. 374.</ref> Spuren eines weiteren zeitgenössischen Astrolabs findet man in der Handschrift ''BN Paris, ms. lat. 7412''.<ref name="ftn75">Die folgenden Ausführungen nach Kunitzsch, ''Traces'', S. 113−120.</ref> Das Manuskript bietet den Text der ''Sententie astrolabii'' und verwandte Texte, seine Entstehungszeit fällt in die Mitte des 11. Jahrhunderts. Die letzten neun Seiten zeigen Zeichnungen eines kompletten Astrolabs mit Rete und Vorder- und Rückseite der Mater und der Ortsscheiben für die sieben Klimata. Der Kopist hatte anscheinend ein westarabisches Astrolab vor sich und gab die arabischen Inschriften äußerst genau wieder. Die Rückseite der Mater nennt sogar den Namen des Astrolabbauers in kufischer Schrift: ''ʿamal Ḫalaf bin al-Muʿāḍ'' (hergestellt von Ḫalaf b. al-Muʿāḍ). Radulfs Astrolab dürfte also den andalusischen Instrumenten nachempfunden gewesen sein, oder zumindest viele ihrer Elemente übernommen haben. Die Tatsache, dass sich Radulf und Ragimbold vornehmlich über geometrische Fragen austauschten und dass Radulfs Brief in Sammelhandschriften wie ''Paris, BN, ms. lat. 7377 C'' neben geometrischen Abhandlungen wie Gerberts Geometria und der Geometria incerti auctoris zu finden ist, verleitete Mary Catherine Welborn zu der Annahme, es habe sich bei Radulfs Instrument um ein arabisches Quadrantastrolab gehandelt, das v. a. der Landvermessung gedient habe.<ref name="ftn76">Welborn, Lotharingia, S. 191–192.</ref> Spätere Forschungen haben allerdings gezeigt, dass Quadrantastrolabien selbst in arabischen Traktaten frühestens im 12. Jahrhundert nachweisbar sind.<ref name="ftn77">King, Remarks, S. 17–20.</ref>
[§20] Radulfs Brief beinhaltet keinerlei Informationen zu Form und Aussehen des Astrolabs. Jedoch erlaubt der Rückgriff auf Instrumente, ihre mögliche Verwendung und ihre Darstellung im 11. Jahrhundert Überlegungen darüber anzustellen, wie Radulfs Astrolab ausgesehen haben könnte. 1962 beschrieb Marcel Destombes das sogenannte „karolingische Astrolab“, ein Instrument „katalanischer Provenienz, dass Ende des 10. Jahrhunderts konstruiert wurde.Es hatte bereits mehrere Ortsscheiben, die sich noch an den ptolemäischen Klimata orientieren, während die meisten ostarabischen Astrolabien schon Scheiben für bestimmte Breitengrade besaßen.<ref name="ftn72">Vgl. zum Begriff „Klimata“ Borrelli, ''Aspects'', S. 41–42. Grundlage der Beschäftigung mit dem Thema bildet immer noch Honigmann, ''Klimata''.</ref> David A. King spricht von westislamischen, also andalusischen Einflüssen,<ref name="ftn73">King, European Astrolabe, S. 365.</ref> betont aber, dass die Inschrift ROMA ET FRANCIA auf einer der Scheiben auf einen lateinischen Ursprung des Astrolabs verweist.<ref name="ftn74">King, European Astrolabe, S. 374.</ref> Spuren eines weiteren zeitgenössischen Astrolabs findet man in der Handschrift ''BN Paris, ms. lat. 7412''.<ref name="ftn75">Die folgenden Ausführungen nach Kunitzsch, ''Traces'', S. 113−120.</ref> Das Manuskript bietet den Text der ''Sententie astrolabii'' und verwandte Texte, seine Entstehungszeit fällt in die Mitte des 11. Jahrhunderts. Die letzten neun Seiten zeigen Zeichnungen eines kompletten Astrolabs mit Rete und Vorder- und Rückseite der Mater und der Ortsscheiben für die sieben Klimata. Der Kopist hatte anscheinend ein westarabisches Astrolab vor sich und gab die arabischen Inschriften äußerst genau wieder. Die Rückseite der Mater nennt sogar den Namen des Astrolabbauers in kufischer Schrift: ''ʿamal Ḫalaf bin al-Muʿāḍ'' (hergestellt von Ḫalaf b. al-Muʿāḍ). Radulfs Astrolab dürfte also den andalusischen Instrumenten nachempfunden gewesen sein, oder zumindest viele ihrer Elemente übernommen haben. Die Tatsache, dass sich Radulf und Ragimbold vornehmlich über geometrische Fragen austauschten und dass Radulfs Brief in Sammelhandschriften wie ''Paris, BN, ms. lat. 7377 C'' neben geometrischen Abhandlungen wie Gerberts Geometria und der Geometria incerti auctoris zu finden ist, verleitete Mary Catherine Welborn zu der Annahme, es habe sich bei Radulfs Instrument um ein arabisches Quadrantastrolab gehandelt, das v. a. der Landvermessung gedient habe.<ref name="ftn76">Welborn, Lotharingia, S. 191–192.</ref> Spätere Forschungen haben allerdings gezeigt, dass Quadrantastrolabien selbst in arabischen Traktaten frühestens im 12. Jahrhundert nachweisbar sind.<ref name="ftn77">King, Remarks, S. 17–20.</ref>


[§21] Anhand von Radulfs kurzer Notiz lässt sich zwar nicht sagen, ob er sich über den arabischen Ursprung des Astrolabs im Klaren war. Die Incipits und Kapitelüberschriften der zeitgenössischen Astrolabtraktate aus dem 11. Jahrhundert verweisen jedoch mehrheitlich auf arabische Quellen und arabisches Vokabular.<ref name="ftn78">Zur Datierung der folgenden Handschriften vgl. Kunitzsch, Glossar, S. 477.</ref> Exemplarisch genannt seien hier ''Paris 11248''<ref name="ftn79">MS Paris 11248 fol. 1r: „In nomine domini incipit liber de labore vel scientia astrolapsus et horologii interpretatus de Arabico in Latinam“. Vgl. Millás, ''Assaig'', S. 275; Schramm, ''Astrolabtext'', S. 209. Ein Digitalisat unter: [https://gallica.bnf.fr/ark:/12148/btv1b100344762/f2.item https://gallica.bnf.fr/ark:/12148/btv1b100344762/f2.item]. </ref>, ''Leiden, Scalig. 38''<ref name="ftn80">Leiden, Scalig. 38 fol. 44r: „De vocabulis latinis et arabicis stellarum et formationibus earundem.“ Ein Digitalisat unter: [https://digitalcollections.universiteitleiden.nl/view/item/882100 https://digitalcollections.universiteitleiden.nl/view/item/882100]</ref> und ''Vat. Reg. lat. 598''.<ref name="ftn81">Vat. Reg. lat. 598 fol. 115r: „Incipiunt interpretationes arabicorum nominum astrolabii“; fol. 116r: „Incipit liber de scientia vel labore astrolapsus de arabico in latinum translatus.“ Eine detaillierte Beschreibung des Manuskripts bei Bergmann, Traktat, S. 95, FN 189, mit Korrekturen bei Kunitzsch, Glossar, S. 469, FN 26a. Das Digitalisat unter: [https://digi.vatlib.it/view/MSS_Reg.lat.598].</ref> Neben der Datierung erlaubt auch die räumliche Einordnung – ''Leiden, Scalig. 38'' und ''Vat. Reg. lat. 598'' entstanden wahrscheinlich in Lothringen – eine mögliche Verbindung zu Radulfs Personenkreis herzustellen.<ref name="ftn82">Bergmann, Traktat, S. 89, 93.</ref> Der Handschriftenbefund verdeutlicht also: Die Tatsache, dass das Astrolab aus der arabisch-islamischen Sphäre in die lateinischsprachige Welt gelangt war, gehörte zum Allgemeingut in Radulfs gelehrten Kreisen.  
[§21] Anhand von Radulfs kurzer Notiz lässt sich zwar nicht sagen, ob er sich über den arabischen Ursprung des Astrolabs im Klaren war. Die Incipits und Kapitelüberschriften der zeitgenössischen Astrolabtraktate aus dem 11. Jahrhundert verweisen jedoch mehrheitlich auf arabische Quellen und arabisches Vokabular.<ref name="ftn78">Zur Datierung der folgenden Handschriften vgl. Kunitzsch, Glossar, S. 477.</ref> Exemplarisch genannt seien hier ''Paris 11248''<ref name="ftn79">MS Paris 11248 fol. 1r: „In nomine domini incipit liber de labore vel scientia astrolapsus et horologii interpretatus de Arabico in Latinam“. Vgl. Millás, ''Assaig'', S. 275; Schramm, ''Astrolabtext'', S. 209. Ein Digitalisat unter: [https://gallica.bnf.fr/ark:/12148/btv1b100344762/f2.item https://gallica.bnf.fr/ark:/12148/btv1b100344762/f2.item]. </ref>, ''Leiden, Scalig. 38''<ref name="ftn80">Leiden, Scalig. 38 fol. 44r: „De vocabulis latinis et arabicis stellarum et formationibus earundem.“ Ein Digitalisat unter: [https://digitalcollections.universiteitleiden.nl/view/item/882100 https://digitalcollections.universiteitleiden.nl/view/item/882100]</ref> und ''Vat. Reg. lat. 598''.<ref name="ftn81">Vat. Reg. lat. 598 fol. 115r: „Incipiunt interpretationes arabicorum nominum astrolabii“; fol. 116r: „Incipit liber de scientia vel labore astrolapsus de arabico in latinum translatus.“ Eine detaillierte Beschreibung des Manuskripts bei Bergmann, Traktat, S. 95, FN 189, mit Korrekturen bei Kunitzsch, Glossar, S. 469, FN 26a. Das Digitalisat unter: [https://digi.vatlib.it/view/MSS_Reg.lat.598].</ref> Neben der Datierung erlaubt auch die räumliche Einordnung – ''Leiden, Scalig. 38'' und ''Vat. Reg. lat. 598'' entstanden wahrscheinlich in Lothringen – eine mögliche Verbindung zu Radulfs Personenkreis herzustellen.<ref name="ftn82">Bergmann, Traktat, S. 89, 93.</ref> Der Handschriftenbefund verdeutlicht also: Die Tatsache, dass das Astrolab aus der arabisch-islamischen Sphäre in die lateinischsprachige Welt gelangt war, gehörte zum Allgemeingut in Radulfs gelehrten Kreisen.  
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