1250: Der Regionalherrscher al-Azraq schreibt an die Königin von Aragón: Unterschied zwischen den Versionen

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Bei der inhaltlichen Betrachtung des Schreibens wird deutlich, dass sich al-Azraq – im Gegensatz zu den mit aller Härte geführten, militärischen Auseinandersetzungen der vergangenen und nachfolgenden Jahre – gegenüber seiner Adressatin als ebenso eloquenter wie selbstbewusster Gesprächspartner präsentierte, der mit den formalen Gepflogenheiten in der Korrespondenz mit einer christlichen Königin vollkommen vertraut war. Davon zeugt die im Text verwendete Anrede Yolandas, die als „meine Herrin“ (''mawlātī'') sowie „Herrscherin“ (''sulṭāna'') bezeichnet und mit mehreren, überaus ehrerbietenden Adjektiven bedacht wird. Auf ihren Status als Königin von Aragón wird ebenfalls Bezug genommen, indem sie als „Königin Herrin“ (Arab: ''al-rīna'' ''duna'' > Altkatalan.: ''reina Dona'') „unseres Herren“ (''mawlānā''), dem „Herrscher“ (''al-sulṭān'') sowie „König der Christenheit und des Ostens von Andalus“ (''malik al-rūmiyya wa-šarq al-Andalus'') angesprochen wird. Ebenso wie seine Frau wird Jakob I. nicht namentlich genannt, allerdings mit gleichsam lobpreisenden Adjektiven versehen.<ref name="ftn21">Vgl. den Quellentext oben: „(…) mawlātī al-sulṭāna al-karīma al-muʾayyada al-manṣūra al-ʿamīma al-mubāraka al-rīna duna mawlānā al-sulṭān al-muʾayyad al-manṣūr malik al-rūmiyya wa-malik šarq al-Andalus (…)“. Der Titel ''reina Dona'' war eine im damaligen katalanischen Sprachgebrauch verbreitete Anrede für Königinnen, die auch von Jakob I. selbst benutzt wurde, vgl. etwa [König Jakob I. von Aragón], ''Llibre dels feits'', ed. Soldevila, cap. 3 f., 7, 17 f., S. 51 f., 55, 75; übers.'' Book of Deeds'', ed. Smith/Buffery, cap. 3 f., 7, 17 f., S. 19, 21, 33.</ref> Die Anrede des Herrscherpaares auf der obersten Lage des einst gefalteten Schreibens wiederholt das Vokabular des Haupttextes in verkürzter Form und fügt die im Haupttext nicht genutzte, pragmatischere Formel „Herrscher von Aragon“ (''sulṭān Arāġūn'') hinzu.
Bei der inhaltlichen Betrachtung des Schreibens wird deutlich, dass sich al-Azraq – im Gegensatz zu den mit aller Härte geführten, militärischen Auseinandersetzungen der vergangenen und nachfolgenden Jahre – gegenüber seiner Adressatin als ebenso eloquenter wie selbstbewusster Gesprächspartner präsentierte, der mit den formalen Gepflogenheiten in der Korrespondenz mit einer christlichen Königin vollkommen vertraut war. Davon zeugt die im Text verwendete Anrede Yolandas, die als „meine Herrin“ (''mawlātī'') sowie „Herrscherin“ (''sulṭāna'') bezeichnet und mit mehreren, überaus ehrerbietenden Adjektiven bedacht wird. Auf ihren Status als Königin von Aragón wird ebenfalls Bezug genommen, indem sie als „Königin Herrin“ (Arab: ''al-rīna'' ''duna'' > Altkatalan.: ''reina Dona'') „unseres Herren“ (''mawlānā''), dem „Herrscher“ (''al-sulṭān'') sowie „König der Christenheit und des Ostens von Andalus“ (''malik al-rūmiyya wa-šarq al-Andalus'') angesprochen wird. Ebenso wie seine Frau wird Jakob I. nicht namentlich genannt, allerdings mit gleichsam lobpreisenden Adjektiven versehen.<ref name="ftn21">Vgl. den Quellentext oben: „(…) mawlātī al-sulṭāna al-karīma al-muʾayyada al-manṣūra al-ʿamīma al-mubāraka al-rīna duna mawlānā al-sulṭān al-muʾayyad al-manṣūr malik al-rūmiyya wa-malik šarq al-Andalus (…)“. Der Titel ''reina Dona'' war eine im damaligen katalanischen Sprachgebrauch verbreitete Anrede für Königinnen, die auch von Jakob I. selbst benutzt wurde, vgl. etwa [König Jakob I. von Aragón], ''Llibre dels feits'', ed. Soldevila, cap. 3 f., 7, 17 f., S. 51 f., 55, 75; übers.'' Book of Deeds'', ed. Smith/Buffery, cap. 3 f., 7, 17 f., S. 19, 21, 33.</ref> Die Anrede des Herrscherpaares auf der obersten Lage des einst gefalteten Schreibens wiederholt das Vokabular des Haupttextes in verkürzter Form und fügt die im Haupttext nicht genutzte, pragmatischere Formel „Herrscher von Aragon“ (''sulṭān Arāġūn'') hinzu.


Im deutlichen Gegensatz zu diesen Titulaturen präsentiert sich der Absender als Muḥammad b. Huḏayl, „Euer Untergebener und Diener, der Eure gesegneten und edlen Hände küsst“ und nimmt Bezug auf seinen Beinamen (''laqab'')'' ''al-Azraq, unter dem er bekannt sei.<ref name="ftn22">Quellentext oben: „(…) min ʿabdikum wa-ḫadīmikum wa-muqabbil yadaykum al-mubāraka al-karīma Muḥammad bin Huḏayl aš-šāhir bi-l-Azraq (…)“.</ref> Diese zurückhaltende Selbstbezeichnung steht weit hinter jener Titulatur zurück, die ihm im Abkommen von 1245 zuteilwird. Im arabischen Text ist er „der erhabenste, hochgeborene, höchste, eminenteste, herausragendste ''wazīr'' Abū ʿAbd Allāh bin Huḏayl, möge Gott ihn ehren“,<ref name="ftn23">Burns/Chevedden, ''Negotiating Cultures'', S. 48: „(…) al-wazīr al-aǧall al-ḥasīb al-arfaʿ al-asmā al-asnā Abū ʿAbd Allāh bin Huḏayl akramahu Allāh (…)“. Hinsichtlich des Wesir-Titels (Arab.: ''wazīr'', Roman.: ''alguazil'') ist zu beachten, dass diese und andere Amtsbezeichnungen (u. a. ''qāʾid'', ''raʾīs'') im ''Šarq al-Andalus'' des 13. Jahrhunderts nicht mehr mit klar zu definierenden oder abgrenzbaren Kompetenzen verbunden waren, s. dazu schon Burns, ''Islam'', S. 365–367; zu weiteren Definitionsmöglichkeiten des Terminus ''wazīr'' Zaman, Eddé, Carmona, Lambton, İnalcik, ''Wazīr''.</ref> im romanischen Text immerhin „Abū ʿAbd Allāh bin Huḏayl, Wesir und Herr von Alcalá“.<ref name="ftn24">Burns/Chevedden, ''Negotiating Cultures'', S. 35: „(…) Habuabdele Yvan Fudayl, alguazil et senor Dalcala (…)“. Über den Entstehungsprozess beider Textvarianten ist nichts Konkretes bekannt, doch haben die Editoren (S. 54–59) anhand verschiedener Anhaltspunkte vermutet, dass die endgültige Version des Vertrages wahrscheinlich in der Kanzlei des Infanten hergestellt wurde. Es ist aber dennoch gut denkbar, dass al-Azraq und seine Berater über Möglichkeiten zur Einflussnahme auf die für die muslimische Seite verwendeten Titulaturen verfügt und dies in den Vorverhandlungen zur textlichen Ausgestaltung auch thematisiert haben könnten.</ref> Kaum verwundern kann es hingegen, dass der König ihn in seinen Urkunden lediglich als „unseren Verräter“ (''traditor noster'') und ohne jede Titulatur bezeichnen ließ.<ref name="ftn25">Vgl. etwa Robert Ignatius Burns (Hrsg.), ''Diplomatarium of the Crusader Kingdom of Valencia. The Registered Charters of its Conqueror Jaume I., 1257–1276'', 4 Bde., Princeton/Oxford: Princeton University Press, 1985–2007, Bd. 2, 79, 85, S. 70, 75: „(…) Aladrachum traditorem nostrum (…)“, 91, S. 80: „(…) Aladrach proditorem nostrum (…)“. Der Llibre dels feits hat meist nur ''al-Azraq'' in verschiedenen altkatalanischen Schreibvarianten.</ref>
Im deutlichen Gegensatz zu diesen Titulaturen präsentiert sich der Absender als Muḥammad b. Huḏayl, „Euer Untergebener und Diener, der Eure gesegneten und edlen Hände küsst“ und nimmt Bezug auf seinen Beinamen (''laqab'')'' ''al-Azraq, unter dem er bekannt sei.<ref name="ftn22">Quellentext oben: „(…) min ʿabdikum wa-ḫadīmikum wa-muqabbil yadaykum al-mubāraka al-karīma Muḥammad bin Huḏayl aš-šāhir bi-l-Azraq (…)“.</ref> Diese zurückhaltende Selbstbezeichnung steht weit hinter jener Titulatur zurück, die ihm im Abkommen von 1245 zuteilwird. Im arabischen Text ist er „der erhabenste, hochgeborene, höchste, eminenteste, herausragendste ''wazīr'' Abū ʿAbd Allāh bin Huḏayl, möge Gott ihn ehren“,<ref name="ftn23">Burns/Chevedden, ''Negotiating Cultures'', S. 48: „(…) al-wazīr al-aǧall al-ḥasīb al-arfaʿ al-asmā al-asnā Abū ʿAbd Allāh bin Huḏayl akramahu Allāh (…)“. Hinsichtlich des Wesir-Titels (Arab.: ''wazīr'', Roman.: ''alguazil'') ist zu beachten, dass diese und andere Amtsbezeichnungen (u. a. ''qāʾid'', ''raʾīs'') im ''Šarq al-Andalus'' des 13. Jahrhunderts nicht mehr mit klar zu definierenden oder abgrenzbaren Kompetenzen verbunden waren, s. dazu schon Burns, ''Islam'', S. 365–367; zu weiteren Definitionsmöglichkeiten des Terminus ''wazīr'' Zaman, Eddé, Carmona, Lambton, İnalcik, ''Wazīr''.</ref> im romanischen Text immerhin „Abū ʿAbd Allāh bin Huḏayl, Wesir und Herr von Alcalá“.<ref name="ftn24">Burns/Chevedden, ''Negotiating Cultures'', S. 35: „(…) Habuabdele Yvan Fudayl, alguazil et senor Dalcala (…)“. Über den Entstehungsprozess beider Textvarianten ist nichts Konkretes bekannt, doch haben die Editoren (S. 54–59) anhand verschiedener Anhaltspunkte vermutet, dass die endgültige Version des Vertrages wahrscheinlich in der Kanzlei des Infanten hergestellt wurde. Es ist aber dennoch gut denkbar, dass al-Azraq und seine Berater über Möglichkeiten zur Einflussnahme auf die für die muslimische Seite verwendeten Titulaturen verfügt und dies in den Vorverhandlungen zur textlichen Ausgestaltung auch thematisiert haben könnten.</ref> Kaum verwundern kann es hingegen, dass der König ihn in seinen Urkunden lediglich als „unseren Verräter“ (''traditor noster'') und ohne jede Titulatur bezeichnen ließ.<ref name="ftn25">Vgl. etwa Robert Ignatius Burns (Hrsg.), ''Diplomatarium of the Crusader Kingdom of Valencia. The Registered Charters of its Conqueror Jaume I., 1257–1276'', 4 Bde., Princeton/Oxford: Princeton University Press, 1985–2007, Bd. 2, Nr. 79, 85, S. 70, 75: „(…) Aladrachum traditorem nostrum (…)“, Nr. 91, S. 80: „(…) Aladrach proditorem nostrum (…)“. Der Llibre dels feits hat meist nur ''al-Azraq'' in verschiedenen altkatalanischen Schreibvarianten.</ref>


Die jeweils verwendeten Bezeichnungen spiegeln die politischen Verhältnisse zu beiden Gelegenheiten wider. Im Frühjahr 1245 verhandelte der Infant Alfonso als ältester Sohn des Königs mit einem unabhängigen und noch nicht militärisch zu bezwingenden Regionalherrscher auf nahezu gleichrangigem Niveau; fünf Jahre später wandte sich ein militärisch angeschlagener Rebellenführer an die amtierende Königin von Aragón. Trotz des fortgesetzten Widerstandes musste al-Azraq gegenüber der Monarchin zumindest formal die politischen Realitäten anerkennen, zumal er sich davon sicher eine bessere Position in den Verhandlungen mit der Krone erhoffte. Nur vor diesem Hintergrund scheint es verständlich, dass er sich selbst – gleich dem königlichen Gesandten Don Joan de Mur/Mora/Muro – als „Untergebener und Diener“ der Krone bezeichnete, während er Jakob I., gegen dessen Herrschaft sich die Rebellen ja erhoben hatten und der deswegen nun alle Muslime mit harter Hand bestrafte, nicht allein als „Herrscher von Aragon“ bezeichnete, sondern ihm sogar die (titularische) Herrschaft über den ''Šarq al-Andalus'' zugestand.<ref name="ftn26">Zu einem ähnlichen Schluss kommen auch Burns, ''Crusade'', S. 99 und Torró Abad, ''Naixement'', 64–65. </ref>
Die jeweils verwendeten Bezeichnungen spiegeln die politischen Verhältnisse zu beiden Gelegenheiten wider. Im Frühjahr 1245 verhandelte der Infant Alfonso als ältester Sohn des Königs mit einem unabhängigen und noch nicht militärisch zu bezwingenden Regionalherrscher auf nahezu gleichrangigem Niveau; fünf Jahre später wandte sich ein militärisch angeschlagener Rebellenführer an die amtierende Königin von Aragón. Trotz des fortgesetzten Widerstandes musste al-Azraq gegenüber der Monarchin zumindest formal die politischen Realitäten anerkennen, zumal er sich davon sicher eine bessere Position in den Verhandlungen mit der Krone erhoffte. Nur vor diesem Hintergrund scheint es verständlich, dass er sich selbst – gleich dem königlichen Gesandten Don Joan de Mur/Mora/Muro – als „Untergebener und Diener“ der Krone bezeichnete, während er Jakob I., gegen dessen Herrschaft sich die Rebellen ja erhoben hatten und der deswegen nun alle Muslime mit harter Hand bestrafte, nicht allein als „Herrscher von Aragon“ bezeichnete, sondern ihm sogar die (titularische) Herrschaft über den ''Šarq al-Andalus'' zugestand.<ref name="ftn26">Zu einem ähnlichen Schluss kommen auch Burns, ''Crusade'', S. 99 und Torró Abad, ''Naixement'', 64–65. </ref>
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