1250: Der Regionalherrscher al-Azraq schreibt an die Königin von Aragón: Unterschied zwischen den Versionen

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[§8] Die von diesen Ereignissen völlig überraschte Krone reagierte eilig und mit harter Hand. König Jakob I. befahl nicht nur die gewaltsame Niederschlagung des Aufstandes, sondern auch die Vertreibung aller Muslime aus dem Königreich. Diese sogenannten Mudejaren (Katalan.: ''mudèjars'', Span.: ''mudéjares'' > Arab.: ''mudaǧǧan'') machten allerdings die überwältigende Bevölkerungsmehrheit im Königreich aus und waren als abgabenpflichtige Untertanen und Arbeitskräfte weder für die Krone noch für andere geistliche und weltliche Landesherren abkömmlich. Daher wäre eine Vertreibung kaum flächendeckend durchzusetzen gewesen. Dennoch erreichten die Flüchtlingsströme in südlichere, vermeintlich sichere Regionen wahrscheinlich immense Ausmaße.<ref name="ftn14">Ausführlich dazu Torró, ''Guerra''<nowiki>; zusammenfassend Torró, </nowiki>''Expellere Sarracenos'', S. 78–83.</ref> Trotz ihrer außerordentlichen Härte vermochten es diese Maßnahmen keineswegs, die Aufständischen zur Kapitulation zu zwingen, sondern bildeten die Grundlage dafür, dass sich der Aufstand zu einem das gesamte Königreich ansteckenden Flächenbrand entwickelte: Die Rebellen eroberten etwa ein Dutzend weitere Festungen und provozierten einen entschiedenen militärischen Gegenschlag der Krone. Wohl schon Mitte 1248 sah sich al-Azraq gezwungen, sich nach Alcalá (''al-Qalāʿa'') zurückzuziehen. Im Verlauf der folgenden Monate und des gesamten Jahres 1249 gelang es dem König, die Erhebungen in zahlreichen Regionen niederzuschlagen. Befördert wurde dies wohl auch dadurch, dass Papst Innozenz IV. (sed. 1243–1254) auf Jakobs Bitten hin Rundschreiben und Bullen verbreiten ließ, die dem Unternehmen zumindest formal den Charakter eines Kreuzzuges geben sollten.<ref name="ftn15">Zu diesen Ereignissen etwa Guichard, ''Al-Andalus'', S. 574–581; Burns, ''Crusade'', S. 80–101; Torró, ''Guerra'', S. 201–224 und Torró, ''Naixement'', S. 56–63; insb. zu den päpstlichen Schreiben, über deren konkrete Verbreitung und Rezeption nur wenig bekannt ist, Burns, ''Lost Crusade''. Burns hat sich mehrfach dafür ausgesprochen, die Maßnahmen der Kurie zur Unterstützung der Feldzüge Jakobs I. gegen die Muslime im Šarq al-Andalus (sowohl in den Jahren bis 1245 als auch 1248–1250) als „Kreuzzugsunternehmen“ zu interpretieren. Diese Deutung ist allerdings bis heute umstritten, vgl. im Kontext hier etwa Torró, ''Expellere Sarracenos'', S. 81, FN. 29.</ref>  
[§8] Die von diesen Ereignissen völlig überraschte Krone reagierte eilig und mit harter Hand. König Jakob I. befahl nicht nur die gewaltsame Niederschlagung des Aufstandes, sondern auch die Vertreibung aller Muslime aus dem Königreich. Diese sogenannten Mudejaren (Katalan.: ''mudèjars'', Span.: ''mudéjares'' > Arab.: ''mudaǧǧan'') machten allerdings die überwältigende Bevölkerungsmehrheit im Königreich aus und waren als abgabenpflichtige Untertanen und Arbeitskräfte weder für die Krone noch für andere geistliche und weltliche Landesherren abkömmlich. Daher wäre eine Vertreibung kaum flächendeckend durchzusetzen gewesen. Dennoch erreichten die Flüchtlingsströme in südlichere, vermeintlich sichere Regionen wahrscheinlich immense Ausmaße.<ref name="ftn14">Ausführlich dazu Torró, ''Guerra''<nowiki>; zusammenfassend Torró, </nowiki>''Expellere Sarracenos'', S. 78–83.</ref> Trotz ihrer außerordentlichen Härte vermochten es diese Maßnahmen keineswegs, die Aufständischen zur Kapitulation zu zwingen, sondern bildeten die Grundlage dafür, dass sich der Aufstand zu einem das gesamte Königreich ansteckenden Flächenbrand entwickelte: Die Rebellen eroberten etwa ein Dutzend weitere Festungen und provozierten einen entschiedenen militärischen Gegenschlag der Krone. Wohl schon Mitte 1248 sah sich al-Azraq gezwungen, sich nach Alcalá (''al-Qalāʿa'') zurückzuziehen. Im Verlauf der folgenden Monate und des gesamten Jahres 1249 gelang es dem König, die Erhebungen in zahlreichen Regionen niederzuschlagen. Befördert wurde dies wohl auch dadurch, dass Papst Innozenz IV. (sed. 1243–1254) auf Jakobs Bitten hin Rundschreiben und Bullen verbreiten ließ, die dem Unternehmen zumindest formal den Charakter eines Kreuzzuges geben sollten.<ref name="ftn15">Zu diesen Ereignissen etwa Guichard, ''Al-Andalus'', S. 574–581; Burns, ''Crusade'', S. 80–101; Torró, ''Guerra'', S. 201–224 und Torró, ''Naixement'', S. 56–63; insb. zu den päpstlichen Schreiben, über deren konkrete Verbreitung und Rezeption nur wenig bekannt ist, Burns, ''Lost Crusade''. Burns hat sich mehrfach dafür ausgesprochen, die Maßnahmen der Kurie zur Unterstützung der Feldzüge Jakobs I. gegen die Muslime im Šarq al-Andalus (sowohl in den Jahren bis 1245 als auch 1248–1250) als „Kreuzzugsunternehmen“ zu interpretieren. Diese Deutung ist allerdings bis heute umstritten, vgl. im Kontext hier etwa Torró, ''Expellere Sarracenos'', S. 81, FN. 29.</ref>  


[§9] Über den weiteren Verlauf der militärischen Auseinandersetzungen in den nachfolgenden Jahren ist nahezu nichts bekannt, was wohl maßgeblich der Weigerung König Jakobs geschuldet ist, in seinem autobiographisch ausgerichteten ''Llibre dels feits'' über die für ihn ebenso erniedrigenden wie prägenden Ereignisse ausführlicher zu berichten.<ref name="ftn16">Während die militärischen Kampagnen der Jahre 1233–1245 in mehr als 200 Kapiteln ausführlich beschrieben werden, finden die Ereignisse der folgenden zwei Jahrzehnte bis zum Feldzug nach Múrcia (''Mursiya'') in kaum mehr als fünfzehn, chronologisch eher konfusen Kapiteln Behandlung: [König Jakob I. von Aragón], ''Les quatre grans cròniques. I. Llibre dels feits del rei En Jaume'', ed. Ferran Soldevila unter Mitarbeit v. Jordi Bruguera u. María Teresa Ferrer i Mallol, Barcelona: Institut d’Estudis Catalans, 2008, cap. 361–377, S. 388–402; englische Übersetzung: ''The Book of Deeds of James I of Aragon. A Translation of the Medieval Catalan Llibre dels Fets'', ed. Damian J. Smith u. Helena Buffery, Farnham/Burlington: Ashgate, 2003, cap. 361–377, S. 271–282. Vgl. zu diesem Problem in unserem Kontext Burns/Chevedden, ''Surrender Treaty'', S. 525–527 und Guichard, ''Al-Andalus'', S. 571–572, 581.</ref> Es erscheint wahrscheinlich, dass der harte Gegenschlag der Krone und der Rückzug der Rebellen einen Wendepunkt in der Entwicklung der militärischen Lage markierten. Weil al-Azraqs schwer zugängliche Kerngebiete nur unter größten Schwierigkeiten einzunehmen waren, mag sich die Konfrontationssituation nun festgefahren und in den folgenden Jahren beruhigt haben. Längerfristig überlebensfähig war das auf seinem Höhepunkt etwa zwanzig Festungen umfassende Rückzugsgebiet der Rebellen dank seiner Kontakte nach außen, vor allem zum Königreich Kastilien: im Juli 1254 wurde al-Azraq gar zu persönlichen Unterredungen mit Alfons X. (regn. 1252–1284), dem Schwiegersohn Jakobs I., geladen, wo er sich um den Abschluss eines gegen die Krone Aragón gerichteten Bündnisses bemühte. Gleichwohl Letzteres nie realisiert wurde, versetzten der indirekte Schutz und die Vermittlungstätigkeit des kastilischen Königs den Rebellenführer in die Lage, Jakob I. spätestens im Frühjahr 1257 einen offiziellen Waffenstillstand abzuringen.<ref name="ftn17">Guichard, ''Al-Andalus'', S. 581–584; Torró, ''Naixement'', S. 59–61, 63–65; zu den aragonesisch-kastilischen Beziehungen im Kontext hier etwa Burns, ''Crusade'', S. 102–105; im weiteren Kontext Burns, ''Warrior Neighbors'' und González Jiménez, ''Jaime I''.</ref> Auch zum Herrscher Aragóns blieben die Kommunikationskanäle offen. Dies zeigt etwa das hier behandelte und nachfolgend noch genauer zu analysierende Gesandtschaftsschreiben, das 1250, also zwei Jahre nach Beginn der massiven aragonesischen Niederschlagung des Aufstandes verfasst wurde. Doch nutzte al-Azraq den Verhandlungsweg zu einem unbekannten späteren Zeitpunkt auch unter anderen Vorzeichen: im sogenannten ''fet de Rugat'' („Tat von Rugat“) lockte er Jakob I. und seine Eskorte unter dem Vorwand von Friedensverhandlungen in einen Hinterhalt, aus dem der Monarch nur knapp entkommen konnte.<ref name="ftn18">[König Jakob I. von Aragón], ''Llibre dels feits'', ed. Soldevila, cap. 375, S. 400; übers. ''Book of Deeds'', ed. Smith/Buffery, cap. 375, S. 280.</ref>
[§9] Über den weiteren Verlauf der militärischen Auseinandersetzungen in den nachfolgenden Jahren ist nahezu nichts bekannt, was wohl maßgeblich der Weigerung König Jakobs geschuldet ist, in seinem autobiographisch ausgerichteten ''Llibre dels feits'' über die für ihn ebenso erniedrigenden wie prägenden Ereignisse ausführlicher zu berichten.<ref name="ftn16">Während die militärischen Kampagnen der Jahre 1233–1245 in mehr als 200 Kapiteln ausführlich beschrieben werden, finden die Ereignisse der folgenden zwei Jahrzehnte bis zum Feldzug nach Múrcia (''Mursiya'') in kaum mehr als fünfzehn, chronologisch eher konfusen Kapiteln Behandlung: ''Les quatre grans cròniques. I. Llibre dels feits del rei En Jaume'', ed. Ferran Soldevila unter Mitarbeit v. Jordi Bruguera u. María Teresa Ferrer i Mallol, Barcelona: Institut d’Estudis Catalans, 2008, cap. 361–377, S. 388–402; englische Übersetzung: ''The Book of Deeds of James I of Aragon. A Translation of the Medieval Catalan Llibre dels Fets'', ed. Damian J. Smith u. Helena Buffery, Farnham/Burlington: Ashgate, 2003, cap. 361–377, S. 271–282. Vgl. zu diesem Problem in unserem Kontext Burns/Chevedden, ''Surrender Treaty'', S. 525–527 und Guichard, ''Al-Andalus'', S. 571–572, 581.</ref> Es erscheint wahrscheinlich, dass der harte Gegenschlag der Krone und der Rückzug der Rebellen einen Wendepunkt in der Entwicklung der militärischen Lage markierten. Weil al-Azraqs schwer zugängliche Kerngebiete nur unter größten Schwierigkeiten einzunehmen waren, mag sich die Konfrontationssituation nun festgefahren und in den folgenden Jahren beruhigt haben. Längerfristig überlebensfähig war das auf seinem Höhepunkt etwa zwanzig Festungen umfassende Rückzugsgebiet der Rebellen dank seiner Kontakte nach außen, vor allem zum Königreich Kastilien: im Juli 1254 wurde al-Azraq gar zu persönlichen Unterredungen mit Alfons X. (regn. 1252–1284), dem Schwiegersohn Jakobs I., geladen, wo er sich um den Abschluss eines gegen die Krone Aragón gerichteten Bündnisses bemühte. Gleichwohl Letzteres nie realisiert wurde, versetzten der indirekte Schutz und die Vermittlungstätigkeit des kastilischen Königs den Rebellenführer in die Lage, Jakob I. spätestens im Frühjahr 1257 einen offiziellen Waffenstillstand abzuringen.<ref name="ftn17">Guichard, ''Al-Andalus'', S. 581–584; Torró, ''Naixement'', S. 59–61, 63–65; zu den aragonesisch-kastilischen Beziehungen im Kontext hier etwa Burns, ''Crusade'', S. 102–105; im weiteren Kontext Burns, ''Warrior Neighbors'' und González Jiménez, ''Jaime I''.</ref> Auch zum Herrscher Aragóns blieben die Kommunikationskanäle offen. Dies zeigt etwa das hier behandelte und nachfolgend noch genauer zu analysierende Gesandtschaftsschreiben, das 1250, also zwei Jahre nach Beginn der massiven aragonesischen Niederschlagung des Aufstandes verfasst wurde. Doch nutzte al-Azraq den Verhandlungsweg zu einem unbekannten späteren Zeitpunkt auch unter anderen Vorzeichen: im sogenannten ''fet de Rugat'' („Tat von Rugat“) lockte er Jakob I. und seine Eskorte unter dem Vorwand von Friedensverhandlungen in einen Hinterhalt, aus dem der Monarch nur knapp entkommen konnte.<ref name="ftn18">''Llibre dels feits'', ed. Soldevila, cap. 375, S. 400; übers. ''Book of Deeds'', ed. Smith/Buffery, cap. 375, S. 280.</ref>


[§10] Eine erneute Wende in der festgefahrenen Situation besorgte nach der Schilderung im ''Llibre dels feits'' der Verrat eines Vertrauten im Umfeld al-Azraqs, der den König über eine von ihm selbst beförderte Nahrungsmittelknappheit im Rückzugsgebiet der Rebellen informierte. In der Folge verweigerte Jakob einen weiteren Waffenstillstand und setzte ab Februar 1258 einen großangelegten Feldzug zur Rückeroberung der Rebellengebiete ins Werk. Bereits Ende Mai war die christliche Übermacht groß genug, um die Belagerung von al-Azraqs Hauptsitz Alcalá (''al-Qalāʿa'') anzugehen. Wenig später sah sich der Rebellenführer angesichts seiner aussichtslosen Lage gezwungen, seinen Widerstand unter möglichst ehrenvollen Bedingungen aufzugeben. In den Kapitulationsverhandlungen verpflichtete er sich, dauerhaft ins Exil zu gehen. Im Gegenzug überließ ihm der König einen kleinen, militärstrategisch eher unbedeutenden Rest seines ehemaligen Herrschaftsgebietes, der zukünftig im Namen al-Azraqs von seinem Bruder Bassām und seinem Neffen Abū Ǧaʿfar b. Huḏayl gehalten werden sollte. Mit dieser Einigung fand der nahezu ein Jahrzehnt andauernde Widerstand der Rebellen um al-Azraq im Juni 1258 ein Ende.<ref name="ftn19">[König Jakob I. von Aragón], ''Llibre dels feits'', ed. Soldevila, cap. 373–377, S. 398–402; übers. ''Book of Deeds'', ed. Smith/Buffery, cap. 373–377, S. 279–282. Vgl. auch die Analysen bei Guichard, ''Al-Andalus'', S. 584–586 und Torró, ''Naixement'', S. 65–67.</ref>  
[§10] Eine erneute Wende in der festgefahrenen Situation besorgte nach der Schilderung im ''Llibre dels feits'' der Verrat eines Vertrauten im Umfeld al-Azraqs, der den König über eine von ihm selbst beförderte Nahrungsmittelknappheit im Rückzugsgebiet der Rebellen informierte. In der Folge verweigerte Jakob einen weiteren Waffenstillstand und setzte ab Februar 1258 einen großangelegten Feldzug zur Rückeroberung der Rebellengebiete ins Werk. Bereits Ende Mai war die christliche Übermacht groß genug, um die Belagerung von al-Azraqs Hauptsitz Alcalá (''al-Qalāʿa'') anzugehen. Wenig später sah sich der Rebellenführer angesichts seiner aussichtslosen Lage gezwungen, seinen Widerstand unter möglichst ehrenvollen Bedingungen aufzugeben. In den Kapitulationsverhandlungen verpflichtete er sich, dauerhaft ins Exil zu gehen. Im Gegenzug überließ ihm der König einen kleinen, militärstrategisch eher unbedeutenden Rest seines ehemaligen Herrschaftsgebietes, der zukünftig im Namen al-Azraqs von seinem Bruder Bassām und seinem Neffen Abū Ǧaʿfar b. Huḏayl gehalten werden sollte. Mit dieser Einigung fand der nahezu ein Jahrzehnt andauernde Widerstand der Rebellen um al-Azraq im Juni 1258 ein Ende.<ref name="ftn19">''Llibre dels feits'', ed. Soldevila, cap. 373–377, S. 398–402; übers. ''Book of Deeds'', ed. Smith/Buffery, cap. 373–377, S. 279–282. Vgl. auch die Analysen bei Guichard, ''Al-Andalus'', S. 584–586 und Torró, ''Naixement'', S. 65–67.</ref>  


[§11] Als sich die Muslime des Königreiches València fast zwei Jahrzehnte später (1275–1277) erneut gegen die christliche Oberherrschaft erhoben, versuchte auch der einstige Rebellenführer, seinen alten Herrschaftsbereich zurückzuerobern. Ausweislich der Schilderung König Jakobs I. soll er im Frühjahr 1276 mit zweihundertfünfzig berittenen Elitekämpfern Alcoi belagert, dabei aber selbst den Tod gefunden haben.<ref name="ftn20">[König Jakob I. von Aragón], ''Llibre dels feits'', ed. Soldevila, cap. 556, S. 520–521; übers. ''Book of Deeds'', ed. Smith/Buffery, cap. 556, S. 376; dazu auch Guichard, ''Al-Andalus'', S. 606–607.</ref>
[§11] Als sich die Muslime des Königreiches València fast zwei Jahrzehnte später (1275–1277) erneut gegen die christliche Oberherrschaft erhoben, versuchte auch der einstige Rebellenführer, seinen alten Herrschaftsbereich zurückzuerobern. Ausweislich der Schilderung König Jakobs I. soll er im Frühjahr 1276 mit zweihundertfünfzig berittenen Elitekämpfern Alcoi belagert, dabei aber selbst den Tod gefunden haben.<ref name="ftn20">''Llibre dels feits'', ed. Soldevila, cap. 556, S. 520–521; übers. ''Book of Deeds'', ed. Smith/Buffery, cap. 556, S. 376; dazu auch Guichard, ''Al-Andalus'', S. 606–607.</ref>


[§12] Im Kontext dieser kurz umrissenen, politischen Entwicklungen stellt das hier behandelte Schreiben al-Azraqs eine wichtige Quelle dar. Gerade für die um 1250 einsetzende Phase der „Pattsituation“ zwischen der Krone und der zurückgedrängten Rebellengruppe um al-Azraq, deren Verlauf im ''Llibre dels feits ''bewusst übergangen wird und daher nur schlecht nachzuvollziehen ist, wirft sie ein Schlaglicht auf die fortbestehende Kommunikation zwischen beiden Seiten. Dies ist umso bemerkenswerter, als das Schreiben als authentisches Originaldokument aus dem Umfeld des Rebellenführers ein Gegengewicht zu dem tendenziösen Tatenbericht des Königs bildet.  
[§12] Im Kontext dieser kurz umrissenen, politischen Entwicklungen stellt das hier behandelte Schreiben al-Azraqs eine wichtige Quelle dar. Gerade für die um 1250 einsetzende Phase der „Pattsituation“ zwischen der Krone und der zurückgedrängten Rebellengruppe um al-Azraq, deren Verlauf im ''Llibre dels feits ''bewusst übergangen wird und daher nur schlecht nachzuvollziehen ist, wirft sie ein Schlaglicht auf die fortbestehende Kommunikation zwischen beiden Seiten. Dies ist umso bemerkenswerter, als das Schreiben als authentisches Originaldokument aus dem Umfeld des Rebellenführers ein Gegengewicht zu dem tendenziösen Tatenbericht des Königs bildet.  
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[§13] Nach Darstellung des historischen Kontextes soll nun eine Analyse und Problematisierung der aus dem Dokument zu extrahierenden Informationen erfolgen. Dabei soll es nacheinander um den Stil des Schreibens und die Implikationen der verwendeten Titulaturen, die Umstände der diplomatischen Verständigung, die Rolle der Königin als Adressatin, die Identität und den Auftrag der Gesandten sowie um die möglichen Nachwirkungen ihrer Gesandtschaftsreise gehen. Abschließend sollen die Ereignisse um die Rebellion al-Azraqs im größeren Kontext der politischen Entwicklungen auf der Iberischen Halbinsel und im westlichen Mittelmeerraum verortet werden.
[§13] Nach Darstellung des historischen Kontextes soll nun eine Analyse und Problematisierung der aus dem Dokument zu extrahierenden Informationen erfolgen. Dabei soll es nacheinander um den Stil des Schreibens und die Implikationen der verwendeten Titulaturen, die Umstände der diplomatischen Verständigung, die Rolle der Königin als Adressatin, die Identität und den Auftrag der Gesandten sowie um die möglichen Nachwirkungen ihrer Gesandtschaftsreise gehen. Abschließend sollen die Ereignisse um die Rebellion al-Azraqs im größeren Kontext der politischen Entwicklungen auf der Iberischen Halbinsel und im westlichen Mittelmeerraum verortet werden.


[§14] Bei der inhaltlichen Betrachtung des Schreibens wird deutlich, dass sich al-Azraq – im Gegensatz zu den mit aller Härte geführten, militärischen Auseinandersetzungen der vergangenen und nachfolgenden Jahre – gegenüber seiner Adressatin als ebenso eloquenter wie selbstbewusster Gesprächspartner präsentierte, der mit den formalen Gepflogenheiten in der Korrespondenz mit einer christlichen Königin vollkommen vertraut war. Davon zeugt die im Text verwendete Anrede Yolandas, die als „meine Herrin“ (''mawlātī'') sowie „Herrscherin“ (''sulṭāna'') bezeichnet und mit mehreren, überaus ehrerbietenden Adjektiven bedacht wird. Auf ihren Status als Königin von Aragón wird ebenfalls Bezug genommen, indem sie als „Königin Herrin“ (Arab: ''al-rīna'' ''duna'' > Altkatalan.: ''reina Dona'') „unseres Herren“ (''mawlānā''), dem „Herrscher“ (''al-sulṭān'') sowie „König der Christenheit und des Ostens von Andalus“ (''malik al-rūmiyya wa-šarq al-Andalus'') angesprochen wird. Ebenso wie seine Frau wird Jakob I. nicht namentlich genannt, allerdings mit gleichsam lobpreisenden Adjektiven versehen.<ref name="ftn21">Vgl. den Quellentext oben: „(…) mawlātī al-sulṭāna al-karīma al-muʾayyada al-manṣūra al-ʿamīma al-mubāraka al-rīna duna mawlānā al-sulṭān al-muʾayyad al-manṣūr malik al-rūmiyya wa-malik šarq al-Andalus (…)“. Der Titel ''reina Dona'' war eine im damaligen katalanischen Sprachgebrauch verbreitete Anrede für Königinnen, die auch von Jakob I. selbst benutzt wurde, vgl. etwa [König Jakob I. von Aragón], ''Llibre dels feits'', ed. Soldevila, cap. 3 f., 7, 17 f., S. 51 f., 55, 75; übers.'' Book of Deeds'', ed. Smith/Buffery, cap. 3 f., 7, 17 f., S. 19, 21, 33.</ref> Die Anrede des Herrscherpaares auf der obersten Lage des einst gefalteten Schreibens wiederholt das Vokabular des Haupttextes in verkürzter Form und fügt die im Haupttext nicht genutzte, pragmatischere Formel „Herrscher von Aragon“ (''sulṭān Arāġūn'') hinzu.
[§14] Bei der inhaltlichen Betrachtung des Schreibens wird deutlich, dass sich al-Azraq – im Gegensatz zu den mit aller Härte geführten, militärischen Auseinandersetzungen der vergangenen und nachfolgenden Jahre – gegenüber seiner Adressatin als ebenso eloquenter wie selbstbewusster Gesprächspartner präsentierte, der mit den formalen Gepflogenheiten in der Korrespondenz mit einer christlichen Königin vollkommen vertraut war. Davon zeugt die im Text verwendete Anrede Yolandas, die als „meine Herrin“ (''mawlātī'') sowie „Herrscherin“ (''sulṭāna'') bezeichnet und mit mehreren, überaus ehrerbietenden Adjektiven bedacht wird. Auf ihren Status als Königin von Aragón wird ebenfalls Bezug genommen, indem sie als „Königin Herrin“ (Arab: ''al-rīna'' ''duna'' > Altkatalan.: ''reina Dona'') „unseres Herren“ (''mawlānā''), dem „Herrscher“ (''al-sulṭān'') sowie „König der Christenheit und des Ostens von Andalus“ (''malik al-rūmiyya wa-šarq al-Andalus'') angesprochen wird. Ebenso wie seine Frau wird Jakob I. nicht namentlich genannt, allerdings mit gleichsam lobpreisenden Adjektiven versehen.<ref name="ftn21">Vgl. den Quellentext oben: „(…) mawlātī al-sulṭāna al-karīma al-muʾayyada al-manṣūra al-ʿamīma al-mubāraka al-rīna duna mawlānā al-sulṭān al-muʾayyad al-manṣūr malik al-rūmiyya wa-malik šarq al-Andalus (…)“. Der Titel ''reina Dona'' war eine im damaligen katalanischen Sprachgebrauch verbreitete Anrede für Königinnen, die auch von Jakob I. selbst benutzt wurde, vgl. etwa ''Llibre dels feits'', ed. Soldevila, cap. 3 f., 7, 17 f., S. 51 f., 55, 75; übers.'' Book of Deeds'', ed. Smith/Buffery, cap. 3 f., 7, 17 f., S. 19, 21, 33.</ref> Die Anrede des Herrscherpaares auf der obersten Lage des einst gefalteten Schreibens wiederholt das Vokabular des Haupttextes in verkürzter Form und fügt die im Haupttext nicht genutzte, pragmatischere Formel „Herrscher von Aragon“ (''sulṭān Arāġūn'') hinzu.


[§15] Im deutlichen Gegensatz zu diesen Titulaturen präsentiert sich der Absender als Muḥammad b. Huḏayl, „Euer Untergebener und Diener (''min ʿabdikum wa-ḫadīmikum''), der Eure gesegneten und edlen Hände küsst“ und nimmt Bezug auf seinen Beinamen (''laqab'')'' ''al-Azraq, unter dem er bekannt sei.<ref name="ftn22">Quellentext oben: „(…) min ʿabdikum wa-ḫadīmikum wa-muqabbil yadaykum al-mubāraka al-karīma Muḥammad bin Huḏayl aš-šāhir bi-l-Azraq (…)“.</ref> Diese zurückhaltende Selbstbezeichnung steht weit hinter jener Titulatur zurück, die ihm im Abkommen von 1245 zuteilwird. Im arabischen Text ist er „der erhabenste, hochgeborene, höchste, eminenteste, herausragendste ''wazīr'' Abū ʿAbd Allāh bin Huḏayl, möge Gott ihn ehren“,<ref name="ftn23">Burns/Chevedden, ''Negotiating Cultures'', S. 48: „(…) al-wazīr al-aǧall al-ḥasīb al-arfaʿ al-asmā al-asnā Abū ʿAbd Allāh bin Huḏayl akramahu Allāh (…)“. Hinsichtlich des Wesir-Titels (Arab.: ''wazīr'', Roman.: ''alguazil'') ist zu beachten, dass diese und andere Amtsbezeichnungen (u. a. ''qāʾid'', ''raʾīs'') im ''Šarq al-Andalus'' des 13. Jahrhunderts nicht mehr mit klar zu definierenden oder abgrenzbaren Kompetenzen verbunden waren, s. dazu schon Burns, ''Islam'', S. 365–367; zu weiteren Definitionsmöglichkeiten des Terminus ''wazīr'' Zaman, Eddé, Carmona, Lambton, İnalcik, ''Wazīr''.</ref> im romanischen Text immerhin „Abū ʿAbd Allāh bin Huḏayl, Wesir und Herr von Alcalá“.<ref name="ftn24">Burns/Chevedden, ''Negotiating Cultures'', S. 35: „(…) Habuabdele Yvan Fudayl, alguazil et senor Dalcala (…)“. Über den Entstehungsprozess beider Textvarianten ist nichts Konkretes bekannt, doch haben die Editoren (S. 54–59) anhand verschiedener Anhaltspunkte vermutet, dass die endgültige Version des Vertrages wahrscheinlich in der Kanzlei des Infanten hergestellt wurde. Es ist aber dennoch gut denkbar, dass al-Azraq und seine Berater über Möglichkeiten zur Einflussnahme auf die für die muslimische Seite verwendeten Titulaturen verfügt und dies in den Vorverhandlungen zur textlichen Ausgestaltung auch thematisiert haben könnten.</ref> Kaum verwundern kann es hingegen, dass der König ihn in seinen Urkunden lediglich als „unseren Verräter“ (''traditor noster'') und ohne jede Titulatur bezeichnen ließ.<ref name="ftn25">Vgl. etwa Robert Ignatius Burns (Hrsg.), ''Diplomatarium of the Crusader Kingdom of Valencia. The Registered Charters of its Conqueror Jaume I., 1257–1276'', 4 Bde., Princeton/Oxford: Princeton University Press, 1985–2007, Bd. 2, Nr. 79, 85, S. 70, 75: „(…) Aladrachum traditorem nostrum (…)“, Nr. 91, S. 80: „(…) Aladrach proditorem nostrum (…)“. Der Llibre dels feits hat meist nur ''al-Azraq'' in verschiedenen altkatalanischen Schreibvarianten.</ref>
[§15] Im deutlichen Gegensatz zu diesen Titulaturen präsentiert sich der Absender als Muḥammad b. Huḏayl, „Euer Untergebener und Diener (''min ʿabdikum wa-ḫadīmikum''), der Eure gesegneten und edlen Hände küsst“ und nimmt Bezug auf seinen Beinamen (''laqab'')'' ''al-Azraq, unter dem er bekannt sei.<ref name="ftn22">Quellentext oben: „(…) min ʿabdikum wa-ḫadīmikum wa-muqabbil yadaykum al-mubāraka al-karīma Muḥammad bin Huḏayl aš-šāhir bi-l-Azraq (…)“.</ref> Diese zurückhaltende Selbstbezeichnung steht weit hinter jener Titulatur zurück, die ihm im Abkommen von 1245 zuteilwird. Im arabischen Text ist er „der erhabenste, hochgeborene, höchste, eminenteste, herausragendste ''wazīr'' Abū ʿAbd Allāh bin Huḏayl, möge Gott ihn ehren“,<ref name="ftn23">Burns/Chevedden, ''Negotiating Cultures'', S. 48: „(…) al-wazīr al-aǧall al-ḥasīb al-arfaʿ al-asmā al-asnā Abū ʿAbd Allāh bin Huḏayl akramahu Allāh (…)“. Hinsichtlich des Wesir-Titels (Arab.: ''wazīr'', Roman.: ''alguazil'') ist zu beachten, dass diese und andere Amtsbezeichnungen (u. a. ''qāʾid'', ''raʾīs'') im ''Šarq al-Andalus'' des 13. Jahrhunderts nicht mehr mit klar zu definierenden oder abgrenzbaren Kompetenzen verbunden waren, s. dazu schon Burns, ''Islam'', S. 365–367; zu weiteren Definitionsmöglichkeiten des Terminus ''wazīr'' Zaman, Eddé, Carmona, Lambton, İnalcik, ''Wazīr''.</ref> im romanischen Text immerhin „Abū ʿAbd Allāh bin Huḏayl, Wesir und Herr von Alcalá“.<ref name="ftn24">Burns/Chevedden, ''Negotiating Cultures'', S. 35: „(…) Habuabdele Yvan Fudayl, alguazil et senor Dalcala (…)“. Über den Entstehungsprozess beider Textvarianten ist nichts Konkretes bekannt, doch haben die Editoren (S. 54–59) anhand verschiedener Anhaltspunkte vermutet, dass die endgültige Version des Vertrages wahrscheinlich in der Kanzlei des Infanten hergestellt wurde. Es ist aber dennoch gut denkbar, dass al-Azraq und seine Berater über Möglichkeiten zur Einflussnahme auf die für die muslimische Seite verwendeten Titulaturen verfügt und dies in den Vorverhandlungen zur textlichen Ausgestaltung auch thematisiert haben könnten.</ref> Kaum verwundern kann es hingegen, dass der König ihn in seinen Urkunden lediglich als „unseren Verräter“ (''traditor noster'') und ohne jede Titulatur bezeichnen ließ.<ref name="ftn25">Vgl. etwa Robert Ignatius Burns (Hrsg.), ''Diplomatarium of the Crusader Kingdom of Valencia. The Registered Charters of its Conqueror Jaume I., 1257–1276'', 4 Bde., Princeton/Oxford: Princeton University Press, 1985–2007, Bd. 2, Nr. 79, 85, S. 70, 75: „(…) Aladrachum traditorem nostrum (…)“, Nr. 91, S. 80: „(…) Aladrach proditorem nostrum (…)“. Der Llibre dels feits hat meist nur ''al-Azraq'' in verschiedenen altkatalanischen Schreibvarianten.</ref>
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[§16] Die jeweils verwendeten Bezeichnungen spiegeln die politischen Verhältnisse zu beiden Gelegenheiten wider. Im Frühjahr 1245 verhandelte der Infant Alfonso als ältester Sohn des Königs mit einem unabhängigen und noch nicht militärisch zu bezwingenden Regionalherrscher auf nahezu gleichrangigem Niveau; fünf Jahre später wandte sich ein militärisch angeschlagener Rebellenführer an die amtierende Königin von Aragón. Trotz des fortgesetzten Widerstandes musste al-Azraq gegenüber der Monarchin zumindest formal die politischen Realitäten anerkennen, zumal er sich davon sicher eine bessere Position in den Verhandlungen mit der Krone erhoffte. Nur vor diesem Hintergrund scheint es verständlich, dass er sich selbst – gleich dem königlichen Gesandten Don Joan de Mur/Mora/Muro – als „Untergebener und Diener“ der Krone bezeichnete, während er Jakob I., gegen dessen Herrschaft sich die Rebellen ja erhoben hatten und der deswegen nun alle Muslime mit harter Hand bestrafte, nicht allein als „Herrscher von Aragon“ bezeichnete, sondern ihm sogar die (titularische) Herrschaft über den ''Šarq al-Andalus'' zugestand.<ref name="ftn26">Zu einem ähnlichen Schluss kommen auch Burns, ''Crusade'', S. 99 und Torró Abad, ''Naixement'', 64–65. </ref>
[§16] Die jeweils verwendeten Bezeichnungen spiegeln die politischen Verhältnisse zu beiden Gelegenheiten wider. Im Frühjahr 1245 verhandelte der Infant Alfonso als ältester Sohn des Königs mit einem unabhängigen und noch nicht militärisch zu bezwingenden Regionalherrscher auf nahezu gleichrangigem Niveau; fünf Jahre später wandte sich ein militärisch angeschlagener Rebellenführer an die amtierende Königin von Aragón. Trotz des fortgesetzten Widerstandes musste al-Azraq gegenüber der Monarchin zumindest formal die politischen Realitäten anerkennen, zumal er sich davon sicher eine bessere Position in den Verhandlungen mit der Krone erhoffte. Nur vor diesem Hintergrund scheint es verständlich, dass er sich selbst – gleich dem königlichen Gesandten Don Joan de Mur/Mora/Muro – als „Untergebener und Diener“ der Krone bezeichnete, während er Jakob I., gegen dessen Herrschaft sich die Rebellen ja erhoben hatten und der deswegen nun alle Muslime mit harter Hand bestrafte, nicht allein als „Herrscher von Aragon“ bezeichnete, sondern ihm sogar die (titularische) Herrschaft über den ''Šarq al-Andalus'' zugestand.<ref name="ftn26">Zu einem ähnlichen Schluss kommen auch Burns, ''Crusade'', S. 99 und Torró Abad, ''Naixement'', 64–65. </ref>


[§17] Auch die weiteren Inhalte des Schreibens liefern wertvolle Informationen, die aus anderen Quellen nicht bekannt sind. So erfahren wir etwa, dass sich al-Azraq im Frühjahr 1250 in Alcalá (''al-Qalāʿa'') aufhielt. Offensichtlich besaß der Rebellenführer genügend Selbstbewusstsein, um diese empfindliche Information an die gegnerische Seite weiterzugeben, wohl wissend, dass die Festung nicht ohne Weiteres zu erobern sein würde. Zudem bezeugt das Dokument, dass es schon zuvor Kommunikationsversuche zwischen beiden Kriegsparteien gegeben hatte. Weder über den königlichen Gesandten Don Joan de Mur/Mora/Muro noch über den konkreten Inhalt des von ihm überbrachten königlichen Schreibens ist Näheres bekannt, doch erscheint es eher unwahrscheinlich, dass Jakob I. seinem Gegenspieler wirklich nur mit „Aufrichtigkeit, Fürsorge, Schutz, Aufmerksamkeit“ sowie der Aufforderung zu einer Gegengesandtschaft<ref name="ftn27">Vgl. den Quellentext oben: „(…) mā fīhā min al-barr wa-l-riʿāya wa-l-ḥifẓ wa-l-ʿināya wa-amr irsālinā ilaykum (…)“.</ref> begegnet war. Vielmehr mögen al-Azraq und seine Berater hier auf die üblichen Höflichkeitsfloskeln rekurriert haben, mit denen der Monarch auch gegenüber anderen Verhandlungspartnern militärische Drohungen zu verhüllen pflegte.<ref name="ftn28">So etwa gegenüber den ''quwwād'' von Bairén (''Bayrān'') im Jahr 1239 und Xàtiva (''Šāṭiba'') im Jahr 1243: [König Jakob I. von Aragón], ''Llibre dels feits'', ed. Soldevila, cap. 308, 334–335, S. 354–355, 369–370; übers. ''Book of Deeds'', ed. Smith/Buffery, cap. 308, 334–335, S. 244–245, 257–258. Für Barceló-Torres, ''Documentos'', S. 36, war die vorausgegangene Gesandtschaft lediglich „(…) relacionada con un principio de conversaciones de paz, de las que nada sabemos, (…)“.</ref> Dass der König neben dem Austausch von Gesandtschaften nach wie vor militärische Optionen erwog, zeigt der im Frühjahr 1250 intensivierte Austausch mit der päpstlichen Kurie. In dessen Folge rief Innozenz IV. den Klerus der Krone Aragón im März erneut zu verstärkten Predigten zur Anwerbung von Unterstützern für den königlichen Kampf gegen die aufständischen Muslime auf.<ref name="ftn29">Burns, ''Lost Crusade'', Nr. VII–X, allerdings ohne jeden Bezug zur konkreten Situation im Königreich València oder gar zu al-Azraq; zur umstrittenen Deutung der Maßnahmen als „Kreuzzug“ s. bereits FN. 15.</ref>
[§17] Auch die weiteren Inhalte des Schreibens liefern wertvolle Informationen, die aus anderen Quellen nicht bekannt sind. So erfahren wir etwa, dass sich al-Azraq im Frühjahr 1250 in Alcalá (''al-Qalāʿa'') aufhielt. Offensichtlich besaß der Rebellenführer genügend Selbstbewusstsein, um diese empfindliche Information an die gegnerische Seite weiterzugeben, wohl wissend, dass die Festung nicht ohne Weiteres zu erobern sein würde. Zudem bezeugt das Dokument, dass es schon zuvor Kommunikationsversuche zwischen beiden Kriegsparteien gegeben hatte. Weder über den königlichen Gesandten Don Joan de Mur/Mora/Muro noch über den konkreten Inhalt des von ihm überbrachten königlichen Schreibens ist Näheres bekannt, doch erscheint es eher unwahrscheinlich, dass Jakob I. seinem Gegenspieler wirklich nur mit „Aufrichtigkeit, Fürsorge, Schutz, Aufmerksamkeit“ sowie der Aufforderung zu einer Gegengesandtschaft<ref name="ftn27">Vgl. den Quellentext oben: „(…) mā fīhā min al-barr wa-l-riʿāya wa-l-ḥifẓ wa-l-ʿināya wa-amr irsālinā ilaykum (…)“.</ref> begegnet war. Vielmehr mögen al-Azraq und seine Berater hier auf die üblichen Höflichkeitsfloskeln rekurriert haben, mit denen der Monarch auch gegenüber anderen Verhandlungspartnern militärische Drohungen zu verhüllen pflegte.<ref name="ftn28">So etwa gegenüber den ''quwwād'' von Bairén (''Bayrān'') im Jahr 1239 und Xàtiva (''Šāṭiba'') im Jahr 1243: ''Llibre dels feits'', ed. Soldevila, cap. 308, 334–335, S. 354–355, 369–370; übers. ''Book of Deeds'', ed. Smith/Buffery, cap. 308, 334–335, S. 244–245, 257–258. Für Barceló-Torres, ''Documentos'', S. 36, war die vorausgegangene Gesandtschaft lediglich „(…) relacionada con un principio de conversaciones de paz, de las que nada sabemos, (…)“.</ref> Dass der König neben dem Austausch von Gesandtschaften nach wie vor militärische Optionen erwog, zeigt der im Frühjahr 1250 intensivierte Austausch mit der päpstlichen Kurie. In dessen Folge rief Innozenz IV. den Klerus der Krone Aragón im März erneut zu verstärkten Predigten zur Anwerbung von Unterstützern für den königlichen Kampf gegen die aufständischen Muslime auf.<ref name="ftn29">Burns, ''Lost Crusade'', Nr. VII–X, allerdings ohne jeden Bezug zur konkreten Situation im Königreich València oder gar zu al-Azraq; zur umstrittenen Deutung der Maßnahmen als „Kreuzzug“ s. bereits FN. 15.</ref>


[§18] Warum al-Azraq die gewünschte Gegengesandtschaft nicht an den König, sondern an dessen Gemahlin richtete, ist unbekannt. Es ist gut denkbar, dass Jakob I. ihn in dem erwähnten Schreiben selbst dazu aufgefordert hatte, war die selbstbewusst auftretende Yolanda doch in der Vergangenheit schon mehrfach in bedeutende politische und diplomatische Entscheidungsprozesse miteinbezogen worden.<ref name="ftn30">So etwa 1238 bei den Geheimverhandlungen über die Kapitulation von València (''Balansiya''): [König Jakob I. von Aragón], ''Llibre dels feits'', ed. Soldevila, cap. 276–277, S. 335–336; übers. ''Book of Deeds'', ed. Smith/Buffery, cap. 276–277, S. 227. Erst im Februar 1249 hatte sie zudem als schlichtende Instanz in einer Auseinandersetzung zwischen ihrem Mann und dem Infanten Peter von Portugal agiert, die sich im Wesentlichen um die Vertreibung muslimischer Bauern aus dessen Herrschaftsbereich im Norden des Königreiches drehte. S. dazu die Edition des beurkundeten Endergebnisses in Burns, ''Guerra'', App. I und dessen neuere Interpretation in Torró, ''Expellere'', S. 82–83.</ref> Ob der Monarch ihr und ihren Beratern bestimmte Kapazitäten zu einer kampflosen Lösung der militärischen Pattsituation zuschrieb oder die Korrespondenz schlicht aufgrund etwaiger anderer Verpflichtungen an sie delegierte, bleibt unklar.<ref name="ftn31">Weiterführend zum generellen Handlungsspielraum der Königin und ihres Hofes vgl. etwa Ponsich, ''Petite filie.''</ref>
[§18] Warum al-Azraq die gewünschte Gegengesandtschaft nicht an den König, sondern an dessen Gemahlin richtete, ist unbekannt. Es ist gut denkbar, dass Jakob I. ihn in dem erwähnten Schreiben selbst dazu aufgefordert hatte, war die selbstbewusst auftretende Yolanda doch in der Vergangenheit schon mehrfach in bedeutende politische und diplomatische Entscheidungsprozesse miteinbezogen worden.<ref name="ftn30">So etwa 1238 bei den Geheimverhandlungen über die Kapitulation von València (''Balansiya''): ''Llibre dels feits'', ed. Soldevila, cap. 276–277, S. 335–336; übers. ''Book of Deeds'', ed. Smith/Buffery, cap. 276–277, S. 227. Erst im Februar 1249 hatte sie zudem als schlichtende Instanz in einer Auseinandersetzung zwischen ihrem Mann und dem Infanten Peter von Portugal agiert, die sich im Wesentlichen um die Vertreibung muslimischer Bauern aus dessen Herrschaftsbereich im Norden des Königreiches drehte. S. dazu die Edition des beurkundeten Endergebnisses in Burns, ''Guerra'', App. I und dessen neuere Interpretation in Torró, ''Expellere'', S. 82–83.</ref> Ob der Monarch ihr und ihren Beratern bestimmte Kapazitäten zu einer kampflosen Lösung der militärischen Pattsituation zuschrieb oder die Korrespondenz schlicht aufgrund etwaiger anderer Verpflichtungen an sie delegierte, bleibt unklar.<ref name="ftn31">Weiterführend zum generellen Handlungsspielraum der Königin und ihres Hofes vgl. etwa Ponsich, ''Petite filie.''</ref>


[§19] Auch über die durch das Schreiben akkreditierten Gesandten können keine zusätzlichen Informationen aus anderen Quellen eingeholt werden. Sie erscheinen weder im erwähnten Abkommen von 1245 noch im ''Llibre dels feits''. Die Entscheidung al-Azraqs, mit seinem Cousin mütterlicherseits, Abū l-Ḥasan b. Huḏayl, einen nahen Verwandten als Gesandten auszuwählen, entsprach jedenfalls einer gängigen Praxis. Ob er nach dem Ende des Widerstandes 1258 mit dem einstigen Rebellenführer ins Exil ging oder auf den vom König überlassenen Familiengütern blieb, ist nicht bekannt. In der vergleichsweise dichten urkundlichen Überlieferung taucht er nicht auf. Seine beiden Begleiter werden im Schreiben als Kommandeure (''quwwād)'' ausgewiesen, doch wissen wir nicht, welche konkreten Rollen sie innerhalb des Herrschaftsbereiches al-Azraqs einnahmen. Während der ''qāʾid'' Abū ʿAmr ʿUṯman b. Sahl zuletzt und ohne weitere Titulatur genannt wird und daher möglicherweise weniger Ansehen als seine Gefährten genoss, fiel Abū l-Qāsim b. Hilāl ganz offensichtlich die Rolle des Anführers und Wortführers innerhalb der Gruppe zu. Was ihn vor dem Cousin al-Azraqs qualifizierte, wissen wir nicht, aber die ihn lobenden Adjektive weisen ihn als Mann hohen Ranges aus. Allen Gesandten war mit Sicherheit gemeinsam, dass sie das nahezu uneingeschränkte Vertrauen al-Azraqs besaßen. Andernfalls wären sie für eine derartige Gesandtschaft, von der man sich konkrete politische Vorteile in einer militärisch schwierigen Lage erhoffte, kaum geeignet gewesen. Vor diesem Hintergrund ist wohl auch die Bezeichnung Ibn Huḏayls als „unser Vertrauter“ (''ṯiqatanā'') zu bewerten. Ob die Gesandten aufgrund ihrer Sprachkenntnisse für die Aufgabe qualifiziert waren, ist gleichsam unbekannt. Denkbar ist in jedem Falle, dass sie die Sprache(n) ihrer Adressaten auf ausreichendem Niveau beherrschten, um sich auf ihrer Reise grundlegend eigenständig verständigen zu können. Doch mögen sie ebenso von im Text nicht gesondert genannten Sprachmittlern begleitet worden sein oder auf entsprechende Sachverständige am Hof der Königin zurückgegriffen haben. Die Herrscherin selbst musste mit Sicherheit auf Unterstützung zurückgreifen, um den Inhalt des an sie gerichteten Schreibens verstehen zu können.<ref name="ftn32">Bzgl. weitergefasster Überlegungen zum Thema Sprachmittlung s. etwa Echevarría Arsuaga, ''Trujamanes''.</ref>  
[§19] Auch über die durch das Schreiben akkreditierten Gesandten können keine zusätzlichen Informationen aus anderen Quellen eingeholt werden. Sie erscheinen weder im erwähnten Abkommen von 1245 noch im ''Llibre dels feits''. Die Entscheidung al-Azraqs, mit seinem Cousin mütterlicherseits, Abū l-Ḥasan b. Huḏayl, einen nahen Verwandten als Gesandten auszuwählen, entsprach jedenfalls einer gängigen Praxis. Ob er nach dem Ende des Widerstandes 1258 mit dem einstigen Rebellenführer ins Exil ging oder auf den vom König überlassenen Familiengütern blieb, ist nicht bekannt. In der vergleichsweise dichten urkundlichen Überlieferung taucht er nicht auf. Seine beiden Begleiter werden im Schreiben als Kommandeure (''quwwād)'' ausgewiesen, doch wissen wir nicht, welche konkreten Rollen sie innerhalb des Herrschaftsbereiches al-Azraqs einnahmen. Während der ''qāʾid'' Abū ʿAmr ʿUṯman b. Sahl zuletzt und ohne weitere Titulatur genannt wird und daher möglicherweise weniger Ansehen als seine Gefährten genoss, fiel Abū l-Qāsim b. Hilāl ganz offensichtlich die Rolle des Anführers und Wortführers innerhalb der Gruppe zu. Was ihn vor dem Cousin al-Azraqs qualifizierte, wissen wir nicht, aber die ihn lobenden Adjektive weisen ihn als Mann hohen Ranges aus. Allen Gesandten war mit Sicherheit gemeinsam, dass sie das nahezu uneingeschränkte Vertrauen al-Azraqs besaßen. Andernfalls wären sie für eine derartige Gesandtschaft, von der man sich konkrete politische Vorteile in einer militärisch schwierigen Lage erhoffte, kaum geeignet gewesen. Vor diesem Hintergrund ist wohl auch die Bezeichnung Ibn Huḏayls als „unser Vertrauter“ (''ṯiqatanā'') zu bewerten. Ob die Gesandten aufgrund ihrer Sprachkenntnisse für die Aufgabe qualifiziert waren, ist gleichsam unbekannt. Denkbar ist in jedem Falle, dass sie die Sprache(n) ihrer Adressaten auf ausreichendem Niveau beherrschten, um sich auf ihrer Reise grundlegend eigenständig verständigen zu können. Doch mögen sie ebenso von im Text nicht gesondert genannten Sprachmittlern begleitet worden sein oder auf entsprechende Sachverständige am Hof der Königin zurückgegriffen haben. Die Herrscherin selbst musste mit Sicherheit auf Unterstützung zurückgreifen, um den Inhalt des an sie gerichteten Schreibens verstehen zu können.<ref name="ftn32">Bzgl. weitergefasster Überlegungen zum Thema Sprachmittlung s. etwa Echevarría Arsuaga, ''Trujamanes''.</ref>  
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[§25] Im weiteren Kontext der politischen Entwicklungen im westlichen Mittelmeerraum kann der erste große Aufstand der Mudejaren im Königreich València unter Führung al-Azraqs als regionales Symptom für zeitgenössische Entwicklungen in zahlreichen Gebieten der südlichen Iberischen Halbinsel betrachtet werden. Während die erste Hälfte des 13. Jahrhunderts durch die massiven Gebietsgewinne der nach Süden expandierenden Königreiche Kastilien und Aragón geprägt war, kam es in den Jahrzehnten danach immer wieder zu Aufständen der neu unter christliche Oberherrschaft geratenen muslimischen Bevölkerung. Diese erschütterten neben dem Königreich València (1247–1258, 1275–1277) auch das kastilisch beherrschte Königreich Múrcia (1263–1266) und waren aufgrund der nahezu allgegenwärtigen Konkurrenz zwischen Kastilien und Aragón außerordentlich brisant, zumal diese Brisanz – wie das Beispiel al-Azraqs deutlich zeigt – von den muslimischen Akteuren erkannt und zum eigenen Vorteil genutzt werden konnte.<ref name="ftn38">Auch in Múrcia versuchten die Rebellenführer, die Könige Aragóns und Kastiliens gegeneinander auszuspielen und suchten sogar die diplomatische Verständigung mit der römischen Kurie. Letztendlich setzte Jakob I. aber einen Feldzug zugunsten seines Schwiegersohnes Alfons X. ins Werk, in dessen Rahmen die Aufstände militärisch niedergeschlagen wurden. Zu den Ereignissen s. die jüngere Studie von Maser, ''Convivencia''.</ref> Nach der gewaltsamen Niederschlagung der muslimischen Aufstände verstärkten die jeweiligen christlichen Landesherren ihre Bemühungen um Konsolidierung der Herrschaft über die unterworfenen Gebiete noch erheblich, sodass die Machtverhältnisse zum Ende des Jahrhunderts klar zugunsten der christlichen Oberherrschaft etabliert worden waren.  
[§25] Im weiteren Kontext der politischen Entwicklungen im westlichen Mittelmeerraum kann der erste große Aufstand der Mudejaren im Königreich València unter Führung al-Azraqs als regionales Symptom für zeitgenössische Entwicklungen in zahlreichen Gebieten der südlichen Iberischen Halbinsel betrachtet werden. Während die erste Hälfte des 13. Jahrhunderts durch die massiven Gebietsgewinne der nach Süden expandierenden Königreiche Kastilien und Aragón geprägt war, kam es in den Jahrzehnten danach immer wieder zu Aufständen der neu unter christliche Oberherrschaft geratenen muslimischen Bevölkerung. Diese erschütterten neben dem Königreich València (1247–1258, 1275–1277) auch das kastilisch beherrschte Königreich Múrcia (1263–1266) und waren aufgrund der nahezu allgegenwärtigen Konkurrenz zwischen Kastilien und Aragón außerordentlich brisant, zumal diese Brisanz – wie das Beispiel al-Azraqs deutlich zeigt – von den muslimischen Akteuren erkannt und zum eigenen Vorteil genutzt werden konnte.<ref name="ftn38">Auch in Múrcia versuchten die Rebellenführer, die Könige Aragóns und Kastiliens gegeneinander auszuspielen und suchten sogar die diplomatische Verständigung mit der römischen Kurie. Letztendlich setzte Jakob I. aber einen Feldzug zugunsten seines Schwiegersohnes Alfons X. ins Werk, in dessen Rahmen die Aufstände militärisch niedergeschlagen wurden. Zu den Ereignissen s. die jüngere Studie von Maser, ''Convivencia''.</ref> Nach der gewaltsamen Niederschlagung der muslimischen Aufstände verstärkten die jeweiligen christlichen Landesherren ihre Bemühungen um Konsolidierung der Herrschaft über die unterworfenen Gebiete noch erheblich, sodass die Machtverhältnisse zum Ende des Jahrhunderts klar zugunsten der christlichen Oberherrschaft etabliert worden waren.  


[§26] Für das Königreich València als jüngstes Teilreich der Krone Aragón konstituierte die Rebellion al-Azraqs zwar schon seit 1250 keine akute militärische Bedrohung mehr, barg jedoch ein mehr oder weniger dauerhaft präsentes Risikopotential. Zudem drohte der hartnäckige Widerstand des zwar militärisch eingekreisten, aber nicht ohne Weiteres zu besiegenden Rebellenführers, auch außenpolitisch zum Problem zu werden: König Jakob I., der sich in den Beziehungen zum Papsttum und den weltlichen Herrschern Lateineuropas allzu gern als erfolgreicher „Eroberer“ (Katalan./Aragon.: ''Conqueridor'', Kastil.: ''Conquistador'') und Vorkämpfer der lateinischen Christenheit präsentierte, riskierte den Verlust seiner Glaubwürdigkeit, wenn er seine Eroberungen nicht unter Kontrolle zu halten vermochte. In einer Zeit, in der die Mongolen als bis dato unbekannte und bedrohliche Macht an den östlichen Grenzen des Euromediterraneums in Erscheinung traten, und so einflussreiche Herrscher wie Friedrich II. oder Ludwig IX. ebenso intensive wie folgenreiche diplomatische und militärische Beziehungen zur islamischen Welt unterhielten, hatte das „internationale“ Prestige des aragonesischen Königs eine dezidiert politische Dimension, die es zu bewahren galt.<ref name="ftn39">Zu den Außenbeziehungen der Krone Aragón unter Jakob I. s. schon die klassische Synthese von Engels, ''König Jakob I.''<nowiki>; zudem Smith, </nowiki>''Jaime I'', Ferrer i Mallol, ''Panorama'' und Vela Aulesa, ''Jaume I''.</ref>  
[§26] Für das Königreich València als jüngstes Teilreich der Krone Aragón konstituierte die Rebellion al-Azraqs zwar schon seit 1250 keine akute militärische Bedrohung mehr, barg jedoch ein mehr oder weniger dauerhaft präsentes Risikopotential. Zudem drohte der hartnäckige Widerstand des zwar militärisch eingekreisten, aber nicht ohne Weiteres zu besiegenden Rebellenführers, auch außenpolitisch zum Problem zu werden: König Jakob I., der sich in den Beziehungen zum Papsttum und den weltlichen Herrschern Lateineuropas allzu gern als erfolgreicher „Eroberer“ (Katalan./Aragon.: ''Conqueridor'', Kastil.: ''Conquistador'') und Vorkämpfer der lateinischen Christenheit präsentierte, riskierte den Verlust seiner Glaubwürdigkeit, wenn er seine Eroberungen nicht unter Kontrolle zu halten vermochte. In einer Zeit, in der die Mongolen als bis dato unbekannte und bedrohliche Macht an den östlichen Grenzen des Euromediterraneums in Erscheinung traten, und so einflussreiche Herrscher wie Friedrich II. (regn. 1198–1250) oder Ludwig IX. (regn. 1226–1270) ebenso intensive wie folgenreiche diplomatische und militärische Beziehungen zur islamischen Welt unterhielten, hatte das „internationale“ Prestige des aragonesischen Königs eine dezidiert politische Dimension, die es zu bewahren galt.<ref name="ftn39">Zu den Außenbeziehungen der Krone Aragón unter Jakob I. s. schon die klassische Synthese von Engels, ''König Jakob I.''<nowiki>; zudem Smith, </nowiki>''Jaime I'', Ferrer i Mallol, ''Panorama'' und Vela Aulesa, ''Jaume I''.</ref>  


[§27] Die Ereignisse um den muslimischen Aufstand unter Führung al-Azraqs, in deren Zusammenhang das hier behandelte Schreiben aus dem Jahr 647/1250 entstanden ist, fielen damit in eine Zeit, in der die christliche Herrschaft über weite Teile des iberischen Südens zwar schon grundlegend etabliert, aber noch nicht stabilisiert worden war. Auch in anderen Regionen des Euromediterraneums stellten sich den bisher sehr erfolgreich verlaufenen, lateinchristlichen Expansionsbestrebungen immer häufiger Akteure entgegen, die auf militärischer und diplomatischer Ebene durchaus ebenbürtige Kräfte darstellten.|6=María del Carmen Barceló Torres (Hrsg.): Documentos árabes de Al-Azrāq (1245–1250), in: ''Saitabi. Revista de la Facultat de Geografia i Història'' 32 (1982), S. 40–41, URL: https://dialnet.unirioja.es/servlet/articulo?codigo=1034238 [nur recto].
[§27] Die Ereignisse um den muslimischen Aufstand unter Führung al-Azraqs, in deren Zusammenhang das hier behandelte Schreiben aus dem Jahr 647/1250 entstanden ist, fielen damit in eine Zeit, in der die christliche Herrschaft über weite Teile des iberischen Südens zwar schon grundlegend etabliert, aber noch nicht stabilisiert worden war. Auch in anderen Regionen des Euromediterraneums stellten sich den bisher sehr erfolgreich verlaufenen, lateinchristlichen Expansionsbestrebungen immer häufiger Akteure entgegen, die auf militärischer und diplomatischer Ebene durchaus ebenbürtige Kräfte darstellten.|6=María del Carmen Barceló Torres (Hrsg.): Documentos árabes de Al-Azrāq (1245–1250), in: ''Saitabi. Revista de la Facultat de Geografia i Història'' 32 (1982), S. 40–41, URL: https://dialnet.unirioja.es/servlet/articulo?codigo=1034238 [nur recto].
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Maximiliano Augustín Alarcon y Santón; Ramón García de Linares (Hrsg.): ''Los documentos árabes diplomáticos del Archivo de la corona de Aragón'', Madrid: E. Maestre, 1940, Bd. 1, Nr. 154, S. 393–394 [nur recto].
Maximiliano Augustín Alarcon y Santón; Ramón García de Linares (Hrsg.): ''Los documentos árabes diplomáticos del Archivo de la corona de Aragón'', Madrid: E. Maestre, 1940, Bd. 1, Nr. 154, S. 393–394 [nur recto].


Ministerio de Cultura de España (Hrsg.): ''El perfume de la amistad. Correspondencia diplomática árabe en archivos españoles (siglos XIII–XVII)'', Madrid: Ministerio de Cultura, 2009, Nr. 1, S. 98–99 [nur recto, nur Übersetzung].|7=[König Jakob I. von Aragón], ''Les quatre grans cròniques. I. Llibre dels feits del rei En Jaume'', ed. Ferran Soldevila, unter Mitarbeit v. Jordi Bruguera u. María Teresa Ferrer i Mallol, Barcelona: Institut d’Estudis Catalans, 2008. Englische Übersetzung: ''The Book of Deeds of James I of Aragon. A Translation of the Medieval Catalan Llibre dels Fets'', ed. Damian J. Smith und Helena Buffery, Farnham/Burlington: Ashgate, 2003.
Ministerio de Cultura de España (Hrsg.): ''El perfume de la amistad. Correspondencia diplomática árabe en archivos españoles (siglos XIII–XVII)'', Madrid: Ministerio de Cultura, 2009, Nr. 1, S. 98–99 [nur recto, nur Übersetzung].|7==== Zitierte Quellen ===
Burns, Robert Ignatius (Hrsg.), ''Diplomatarium of the Crusader Kingdom of Valencia. The Registered Charters of its Conqueror Jaume I., 1257–1276'', 4 Bde., Princeton/Oxford: Princeton University Press, 1985–2007, URL: https://www.jstor.org/stable/j.ctt1m323m0 [Bd. 1], https://www.jstor.org/stable/j.ctt7ztgpt [Bd. 2].


Burns, Robert Ignatius (Hrsg.), ''Diplomatarium of the Crusader Kingdom of Valencia. The Registered Charters of its Conqueror Jaume I., 1257–1276'', 4 Bde., Princeton/Oxford: Princeton University Press, 1985–2007, URL: https://www.jstor.org/stable/j.ctt1m323m0 [Bd. 1], https://www.jstor.org/stable/j.ctt7ztgpt [Bd. 2].
''Les quatre grans cròniques. I. Llibre dels feits del rei En Jaume'', ed. Ferran Soldevila, unter Mitarbeit v. Jordi Bruguera u. María Teresa Ferrer i Mallol, Barcelona: Institut d’Estudis Catalans, 2008. Englische Übersetzung: ''The Book of Deeds of James I of Aragon. A Translation of the Medieval Catalan Llibre dels Fets'', ed. Damian J. Smith und Helena Buffery, Farnham/Burlington: Ashgate, 2003.


=== Zitierte & weiterführende Literatur ===
Al-ʿAllaoui, Hisham; Buresi, Pascal: La chancellerie almohade, in: Patrice Cressier, María Isabel Fierro Bello, Luis Molina (Hrsg.), ''Los Almohades. Problemas y Perspectivas'', 2 Bde., Madrid: Consejo Superior de Investigaciones Científicas, 2005, Bd. 2, S. 477–503, URL: https://www.academia.edu/373755/La_chancellerie_almohade.
Al-ʿAllaoui, Hisham; Buresi, Pascal: La chancellerie almohade, in: Patrice Cressier, María Isabel Fierro Bello, Luis Molina (Hrsg.), ''Los Almohades. Problemas y Perspectivas'', 2 Bde., Madrid: Consejo Superior de Investigaciones Científicas, 2005, Bd. 2, S. 477–503, URL: https://www.academia.edu/373755/La_chancellerie_almohade.


Baño Armiñana, Ricard: Contribució a l'estudi de les sublevacions d'Al-Azraq en les comarques de l'Alcoia i del Comtat, in'': Revista de investigación y ensayos del Instituto de Estudios Alicantinos'' 33 (1981), S. 39–65.
Baño Armiñana, Ricard: Contribució a l'estudi de les sublevacions d'Al-Azraq en les comarques de l'Alcoia i del Comtat, in'': Revista de investigación y ensayos del Instituto de Estudios Alicantinos'' 33 (1981), S. 39–65.


Burns, Robert Ignatius: A Lost Crusade. Unpublished Bulls of Innocent IV on Al-Azraq's Revolt in Thirteenth-Century Spain, in: ''The Catholic Historical Review'' 74/3 (1988), S. 440–449. Neudruck in: Robert Ignatius Burns, Mary Elizabeth Perry (Hrsg.): ''Warrior Neighbours. Crusader Valencia in its International Context. Collected Essays of Father Robert I. Burns, S. J.'', Turnhout: Brepols, 2013, S. 255–266, URL: https://www.jstor.org/stable/25022843 [Version von 1988]
Burns, Robert Ignatius: A Lost Crusade. Unpublished Bulls of Innocent IV on Al-Azraq's Revolt in Thirteenth-Century Spain, in: ''The Catholic Historical Review'' 74/3 (1988), S. 440–449. Neudruck in: Robert Ignatius Burns, Mary Elizabeth Perry (Hrsg.): ''Warrior Neighbours. Crusader Valencia in its International Context. Collected Essays of Father Robert I. Burns, S. J.'', Turnhout: Brepols, 2013, S. 255–266, URL: https://www.jstor.org/stable/25022843 [Version von 1988].


Burns, Robert Ignatius: ''Islam under the Crusaders. Colonial Survival in the Thirteenth-Century Kingdom of Valencia'', Princeton: Princeton University Press, 1973, URL: https://www.jstor.org/stable/j.ctt13x1881.
Burns, Robert Ignatius: ''Islam under the Crusaders. Colonial Survival in the Thirteenth-Century Kingdom of Valencia'', Princeton: Princeton University Press, 1973, URL: https://www.jstor.org/stable/j.ctt13x1881.
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Maser, Matthias: Convivencia in der Krise: Reconquista und Repoblación im kastilischen Königreich Murcia unter Alfons X., in: Lukas Clemens, Michael Matheus (Hrsg.): ''Christen und Muslime in der Capitanata im 13. Jahrhundert. Archäologie und Geschichte'', Trier: Kliomedia, 2018, S. 43–62.
Maser, Matthias: Convivencia in der Krise: Reconquista und Repoblación im kastilischen Königreich Murcia unter Alfons X., in: Lukas Clemens, Michael Matheus (Hrsg.): ''Christen und Muslime in der Capitanata im 13. Jahrhundert. Archäologie und Geschichte'', Trier: Kliomedia, 2018, S. 43–62.
al-Mazāwda, Muḥammad ʿĀlī, Ṯawrāt Muḥammad b. Huḏayl al-Azraq fī mamlaka balansiya 641–675 h 1244–1277 m, in: ''Muʾtat li-l-buhūṯ wa-l-dirāsāt, silsilat al-ʿulūm al-insāniya wa-iǧtimāʿiya'' 34/1 (2019), S. 109–130, URL: https://ejournal.mutah.edu.jo/index.php/hsss/article/view/1990.


Paula Momblanch y Gonzálbez, Francisco de: ''Al-Azraq, capitán de Moros. Aportación a la historia del reino de Valencia en el siglo XIII,'' València: Caja de Ahorros, 1977.
Paula Momblanch y Gonzálbez, Francisco de: ''Al-Azraq, capitán de Moros. Aportación a la historia del reino de Valencia en el siglo XIII,'' València: Caja de Ahorros, 1977.
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[An] Meine Herrin, die [durch Gott] unterstützte, siegreiche Königin, ''reina Dona'' unseres Herren, des Herrschers von Aragón (''Arāġūn''), Gott schütze ihn (…)}}
[An] Meine Herrin, die [durch Gott] unterstützte, siegreiche Königin, ''reina Dona'' unseres Herren, des Herrschers von Aragón (''Arāġūn''), Gott schütze ihn (…)}}
[[en:1250: A Letter from the Regional Ruler al-Azraq to the Queen of Aragon]]
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