1250: Der Regionalherrscher al-Azraq schreibt an die Königin von Aragón: Unterschied zwischen den Versionen

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Eröffnet wird der Brief durch die im Islam üblichen Formeln zur Anrufung Gottes (''basmala'') und zum Lob des Propheten Muḥammad (''taṣliya'').<ref name="ftn6">S. dazu in unserem Kontext weiterführend Potthast, ''Diplomatischer Austausch''.</ref> Es folgt dann eine längere, ehrerbietende Anrede der Adressatin sowie die Vorstellung al-Azraqs als Absender, der das Schreiben aus der Festung al-Qalāʿa an sie richtet. Er informiert die Königin darüber, dass ihn zuvor der königliche Gesandte Dūn Ǧuwān ḏī Mūrah (Don Joan de Mur/Mora/Muro) mit einem Schreiben Jakobs I. erreicht habe, dessen Inhalt er mit Wohlwollen zur Kenntnis genommen habe. Der Aufforderung des Königs nach Aufstellung einer Gegengesandtschaft entspreche er nun, indem er seinen Cousin Abū l-Ḥasan b. Huḏayl sowie die Kommandeure (''quwwād'') Abū l-Qāsim b. Hilāl und Abū ʿAmr ʿUṯman b. Sahl entsende. Er bittet darum, dass diesen Gesandten auf ihrer Reise durch die Krone Aragón der Schutz der Krone gewährt werden möge. Mit Abū l-Qāsim autorisiert er ein Mitglied der Delegation zudem als Wortführer, der der Königin al-Azraqs Ehrerbietung erbringen und mit ihr über jene Angelegenheiten sprechen solle, die er dem Gesandten aufgetragen habe. Seinen Abschluss findet der Brief mit häufig verwendeten islamischen Segenswünschen sowie der Datierung.
Eröffnet wird der Brief durch die im Islam üblichen Formeln zur Anrufung Gottes (''basmala'') und zum Lob des Propheten Muḥammad (''taṣliya'').<ref name="ftn6">S. dazu in unserem Kontext weiterführend Potthast, ''Diplomatischer Austausch''.</ref> Es folgt dann eine längere, ehrerbietende Anrede der Adressatin sowie die Vorstellung al-Azraqs als Absender, der das Schreiben aus der Festung al-Qalāʿa an sie richtet. Er informiert die Königin darüber, dass ihn zuvor der königliche Gesandte Dūn Ǧuwān ḏī Mūrah (Don Joan de Mur/Mora/Muro) mit einem Schreiben Jakobs I. erreicht habe, dessen Inhalt er mit Wohlwollen zur Kenntnis genommen habe. Der Aufforderung des Königs nach Aufstellung einer Gegengesandtschaft entspreche er nun, indem er seinen Cousin Abū l-Ḥasan b. Huḏayl sowie die Kommandeure (''quwwād'') Abū l-Qāsim b. Hilāl und Abū ʿAmr ʿUṯman b. Sahl entsende. Er bittet darum, dass diesen Gesandten auf ihrer Reise durch die Krone Aragón der Schutz der Krone gewährt werden möge. Mit Abū l-Qāsim autorisiert er ein Mitglied der Delegation zudem als Wortführer, der der Königin al-Azraqs Ehrerbietung erbringen und mit ihr über jene Angelegenheiten sprechen solle, die er dem Gesandten aufgetragen habe. Seinen Abschluss findet der Brief mit häufig verwendeten islamischen Segenswünschen sowie der Datierung.


Die Bedeutung des kurzen Schreibens erschließt sich erst, wenn man es im größeren Zusammenhang der häufig unter dem nicht unproblematischen Begriff „Reconquista“ zusammengefassten, politischen Entwicklungen auf der Iberischen Halbinsel betrachtet. Die erste Hälfte des 13. Jahrhunderts war von intensiven Expansionsbestrebungen der beiden miteinander konkurrierenden christlichen Großmächte Kastilien und Aragón in den jahrhundertelang islamisch dominierten Süden von al-Andalus geprägt.<ref name="ftn7">Als Überblick zu diesen Entwicklungen s. klassisch Engels, ''Reconquista''<nowiki>; aus jüngster Zeit etwa Jaspert, </nowiki>''Reconquista''.</ref> Im Osten (''Šarq'')<ref name="ftn8">Die zeitgenössische arabische Bezeichnung ''Šarq al-Andalus'' bezog sich – vereinfacht ausgedrückt – auf den festländischen Osten der Iberischen Halbinsel mit den Siedlungszentren València (''Balansiya''), Xàtiva (''Šāṭiba'') und Múrcia (''Mursiya''), schloss aber auch die Balearen mit ein; grundlegend dazu Guichard, ''S̲h̲arḳ al-Andalus.''</ref> ''dieser'' ''Großregion hatten die Eroberungsfeldzüge Jakobs I.<ref name="ftn9">Katalan.: Jaume I., Aragones.: Chaime I., Span.: Jaime I., Engl.: James I.</ref> die politische Situation schon seit ihrem Beginn in den späten 1220er Jahren massiv zu verändern begonnen. Kurz vor der Mitte des 13. Jahrhunderts bildeten schließlich ausgedehnte Landflächen zwischen Morella (''Qalʿat Murīla'') im Norden und Xixona (''Šīšūna'') im Süden zumindest formal das neu geschaffene, christlich beherrschte Königreich València, ein Teilreich der Krone Aragón.<ref name="ftn10">S. hierzu etwa die Synthesen von Guichard, ''Al-Andalus'', S. 175–202 und Torró,'' Naixement'', S. 25–56.</ref>
Die Bedeutung des kurzen Schreibens erschließt sich erst, wenn man es im größeren Zusammenhang der häufig unter dem nicht unproblematischen Begriff „Reconquista“ zusammengefassten, politischen Entwicklungen auf der Iberischen Halbinsel betrachtet. Die erste Hälfte des 13. Jahrhunderts war von intensiven Expansionsbestrebungen der beiden miteinander konkurrierenden christlichen Großmächte Kastilien und Aragón in den jahrhundertelang islamisch dominierten Süden von al-Andalus geprägt.<ref name="ftn7">Als Überblick zu diesen Entwicklungen s. klassisch Engels, ''Reconquista''<nowiki>; aus jüngster Zeit etwa Jaspert, </nowiki>''Reconquista''.</ref> Im Osten (''Šarq'')<ref name="ftn8">Die zeitgenössische arabische Bezeichnung ''Šarq al-Andalus'' bezog sich – vereinfacht ausgedrückt – auf den festländischen Osten der Iberischen Halbinsel mit den Siedlungszentren València (''Balansiya''), Xàtiva (''Šāṭiba'') und Múrcia (''Mursiya''), schloss aber auch die Balearen mit ein; grundlegend dazu Guichard, ''S̲h̲arḳ al-Andalus.''</ref> dieser Großregion hatten die Eroberungsfeldzüge Jakobs I.<ref name="ftn9">Katalan.: Jaume I., Aragones.: Chaime I., Span.: Jaime I., Engl.: James I.</ref> die politische Situation schon seit ihrem Beginn in den späten 1220er Jahren massiv zu verändern begonnen. Kurz vor der Mitte des 13. Jahrhunderts bildeten schließlich ausgedehnte Landflächen zwischen Morella (''Qalʿat Murīla'') im Norden und Xixona (''Šīšūna'') im Süden zumindest formal das neu geschaffene, christlich beherrschte Königreich València, ein Teilreich der Krone Aragón.<ref name="ftn10">S. hierzu etwa die Synthesen von Guichard, ''Al-Andalus'', S. 175–202 und Torró,'' Naixement'', S. 25–56.</ref>


Muḥammad b. Huḏayl al-Azraq war ein muslimischer Regionalherrscher im Südosten der Iberischen Halbinsel. Angesichts der schlechten Quellengrundlage erfahren wir nichts Konkretes über seine frühen Lebensjahre. Erstmals greifbar wird er im April 1245 im bereits erwähnten Abkommen mit der Krone Aragón.<ref name="ftn11">Burns, ''Islam'', S. 323–324; Burns/Chevedden, ''Negotiating Cultures'', S. 6–8.</ref> Das nur schwer zugängliche Bergland zwischen dem Flusstal des Serpis und der Küste von Dénia (''Dāniya''), wo al-Azraq die Oberherrschaft über mehrere Festungen beanspruchte, gehörte damals zu den letzten eigenständigen islamischen Herrschaftsbereichen im ''Šarq al-Andalus''. Im Frühjahr 1245 sahen sich König Jakob I. und seine Berater aufgrund dringlicher außenpolitischer Angelegenheiten in Okzitanien und ihrer Kontakte zur päpstlichen Kurie in Zusammenhang mit der Vorbereitung des ersten Konzils von Lyon<ref name="ftn12">Auf diesem im Juni/Juli 1245 abgehaltenen Konzil, bei dem der aragonesische König eine wichtige Rolle spielte, wurden zahlreiche, letztendlich gegen den Islam gerichtete Maßnahmen thematisiert und beschlossen, so etwa die Absetzung Kaiser Friedrichs II. aufgrund seiner Beziehungen zu den „Sarazenen“, ein neuer Kreuzzug in den Nahen Osten unter Führung Ludwigs IX., die Einführung einer Sondersteuer zur finanziellen Unterstützung des Heiligen Landes und die Entsendung eines päpstlichen Gesandten zu den Mongolen; s. dazu einführend Roberg, ''Lyon'', im weiteren Kontext zudem Smith, ''Jaime I''.</ref> zunächst nicht in der Lage, diese Region mit militärischen Mitteln unter ihre Oberherrschaft zu zwingen. Stattdessen einigte man sich mit al-Azraq darauf, dass ein Teil seiner Festungen unmittelbar, andere nach einem Moratorium von drei Jahren an die Krone ausgeliefert werden sollten, wohingegen Alcalá (''al-Qalāʿa'') und Perpunxent (''Burbanǧān'') dauerhaft im Besitz des Regionalherrschers bleiben sollten.<ref name="ftn13">Eine ausführliche Analyse des Dokuments bieten Burns/Chevedden, ''Negotiating Cultures'', S. 3–59, die maßgebliche Edition auf S. 35–37 (aragonesisch-kastilischer Text) und S. 39–50 (arabischer Text).</ref>
Muḥammad b. Huḏayl al-Azraq war ein muslimischer Regionalherrscher im Südosten der Iberischen Halbinsel. Angesichts der schlechten Quellengrundlage erfahren wir nichts Konkretes über seine frühen Lebensjahre. Erstmals greifbar wird er im April 1245 im bereits erwähnten Abkommen mit der Krone Aragón.<ref name="ftn11">Burns, ''Islam'', S. 323–324; Burns/Chevedden, ''Negotiating Cultures'', S. 6–8.</ref> Das nur schwer zugängliche Bergland zwischen dem Flusstal des Serpis und der Küste von Dénia (''Dāniya''), wo al-Azraq die Oberherrschaft über mehrere Festungen beanspruchte, gehörte damals zu den letzten eigenständigen islamischen Herrschaftsbereichen im ''Šarq al-Andalus''. Im Frühjahr 1245 sahen sich König Jakob I. und seine Berater aufgrund dringlicher außenpolitischer Angelegenheiten in Okzitanien und ihrer Kontakte zur päpstlichen Kurie in Zusammenhang mit der Vorbereitung des ersten Konzils von Lyon<ref name="ftn12">Auf diesem im Juni/Juli 1245 abgehaltenen Konzil, bei dem der aragonesische König eine wichtige Rolle spielte, wurden zahlreiche, letztendlich gegen den Islam gerichtete Maßnahmen thematisiert und beschlossen, so etwa die Absetzung Kaiser Friedrichs II. aufgrund seiner Beziehungen zu den „Sarazenen“, ein neuer Kreuzzug in den Nahen Osten unter Führung Ludwigs IX., die Einführung einer Sondersteuer zur finanziellen Unterstützung des Heiligen Landes und die Entsendung eines päpstlichen Gesandten zu den Mongolen; s. dazu einführend Roberg, ''Lyon'', im weiteren Kontext zudem Smith, ''Jaime I''.</ref> zunächst nicht in der Lage, diese Region mit militärischen Mitteln unter ihre Oberherrschaft zu zwingen. Stattdessen einigte man sich mit al-Azraq darauf, dass ein Teil seiner Festungen unmittelbar, andere nach einem Moratorium von drei Jahren an die Krone ausgeliefert werden sollten, wohingegen Alcalá (''al-Qalāʿa'') und Perpunxent (''Burbanǧān'') dauerhaft im Besitz des Regionalherrschers bleiben sollten.<ref name="ftn13">Eine ausführliche Analyse des Dokuments bieten Burns/Chevedden, ''Negotiating Cultures'', S. 3–59, die maßgebliche Edition auf S. 35–37 (aragonesisch-kastilischer Text) und S. 39–50 (arabischer Text).</ref>
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