903-906: Die Raffelstettener Zollordnung und der Export slawischer Sklaven in die islamische Sphäre

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Verfasser/in: Daniel G. König

Quelle

Inquisitio de theloneis Raffelstettensis 903-906, ed. Alfred Boretius, Victor Krause (MGH Leges sectio II: Capitularia regum Francorum II), Hannover: Hahn, 1897, § 253, cap. 1, 6, 9, S. 250-52. Übersetzung adaptiert von Hartmut Boockmann, Das Mittelalter. Ein Lesebuch, München: C.H. Beck, 31997, S. 62-64.
[1.] Naves vero, que ab occidentalibus partibus, postquam egresse sint silvam Patavicam, et ad Rosdorf vel ubicumque sedere voluerint et mercatum habere, donent pro theloneo semidragmam, id est scoti I; si inferius ire voluerint ad Lintzam, de una navi reddant III semimodios, id est III scafilos de sale. De mancipiis vero et ceteris aliis rebus ibi nichil solvant, sed postea licentiam sedendi et mercandi habeant usque ad silvam Boemicam, ubicunque voluerint. (…) [1.] Die Schiffe aus den westlichen Gegenden aber, die den Passauer Wald verlassen haben und bei Rosdorf oder wo immer landen und Markt halten wollten, geben als Zoll eine halbe Drachme (semidragmam), das ist ein Skot. Wenn sie weiter abwärts nach Linz fahren wollen, geben sie von jedem Schiff drei Halbmaße, das heißt drei Scheffel vom Salz. Für Sklaven (mancipiis) jedoch und alle anderen Waren geben sie nichts, sondern danach sollen sie die Erlaubnis haben, zu landen und Handel zu treiben bis zum böhmischen Wald, wo immer sie wollen. (…)
[3.] Si autem liber homo aliquis ipsum legittimum mercatum transierit nichil ibi solvens vel loquens et inde probatus fuerit, tollatur ab eo et navis et substantia. Si autem servus alicuius hoc perpetraverit, constringatur ibidem, donec dominus eius veniens dampnum persolvat, et postea ei exire liceat. [3.] Wenn aber ein freier Mann diesen rechtmäßigen Markt passiert und dort nichts zahlt oder deklariert und dessen überführt wird, werden sein Schiff und Eigentum (substantia) beschlagnahmt. Wenn das aber ein Sklave (servus) begeht, wird er dort verhaftet, bis sein Herr (dominus) kommt und die Strafe bezahlt, und danach darf er fortziehen.
[4.] Si autem Bawari vel Sclavi istius patrie ipsam regionem intraverint ad emenda victualia cum mancipiis vel cavallis vel bobus vel ceteris suppellectilibus suis, ubicunque voluerint in ipsa regione, sine theloneo emant, que necessaria sunt. (…) [4.] Wenn aber Bayern oder Slaven (Sclavi) aus diesem Land [d.h. dem Gebiet von Raffelstetten] jene Gegend aufsuchen, um Lebensmittel mit Sklaven (mancipiis) oder Pferden oder Rindern oder übrigen Geräten (suppelectibus) zu kaufen, dann sollen sie, wo immer sie das in jener Gegend wollen, ohne Zoll kaufen, was sie brauchen. (…)
[6.] Sclavi vero, qui de Rugis vel de Boemanis mercandi causa exeunt, ubicunque iuxta ripam Danubii vel ubicunque in Rotalariis vel in Reodariis loca mercandi optinuerint, de sogma una de cera duas massiolas, quarum utraque scoti unum valeat; de onere unius hominis massiola una eiusdem precii:; si vero mancipia vel cavallos vendere voluerit, de una ancilla tremisam I, de cavallo masculino similiter, de servo saigam I, similis de equa. (…) [6.] Die Slaven (Sclavi) aber, die von den Rugiern/Rus (Rugis) oder den Böhmen (Boemanis) des Handels wegen kommen, sollen überall dort, wo sie am Ufer der Donau oder wo immer bei den Leuten von Rodel oder denen von Ried Marktplätze finden, von einer Saumtierlast zwei Klumpen Wachs abgeben, von denen jeder ein Skot wert ist; von der Last eines Menschen einen Klumpen dieses Wertes. Wenn einer aber Sklaven (mancipia) oder Pferde verkaufen will, zahlt er für eine Sklavin (ancilla) eine Tremise, für einen Hengst ebenso viel, für einen Sklaven (servo) eine Saige, ebenso viel für eine Stute. (…)
[9.] Mercatores, id est Iudei et ceteri mercatores, undecunque venerint de ista patria vel de aliis patriis, iustum theloneum solvant tam de mancipiis, quam de aliis rebus, sicut semper in prioribus temporibus regum fuit. [9.] Die Kaufleute, das heißt die Juden und die anderen Kaufleute, wo auch immer sie aus diesem Land oder aus anderen Ländern herkommen, zahlen den rechtmäßigen Zoll sowohl für Sklaven (mancipiis) wie für andere Waren, wie es immer in den Zeiten der früheren Könige war.

Autor/In & Werk

[§1] Beim vorliegenden Quellenexzerpt handelt es sich um Ausschnitte aus einer Zollordnung zum Donauhandel, die zwischen 903 und 905/906 in Raffelstetten erlassen wurde. Der heute in Oberösterreich liegende Ort an der Donau südöstlich von Linz war Anfang des 10. Jahrhunderts Teil des karolingischen Ostfrankenreiches.[1]

[§2] Das in einem Passauer Codex des 13. Jahrhunderts überlieferte Dokument trägt den Titel „Untersuchung zu den Zöllen Raffelstettens“ (Inquisitio de theloneis Raffelstettensis). Es handelt sich um ein so genanntes „Weistum“, also eine Rechtsquelle, die die Entscheidung rechtskundiger Männer einer lokalen Gerichtsgemeinschaft zu einer bestimmten Frage dokumentiert.[2] Der Form nach handelt es sich um eine gerichtliche notitia, die, so Heinz Dopsch, „zu den seltenen Denkmälern des Schriftwesens der königlichen missi“ zählt, die „einen detaillierten Einblick in die Wirtschaft und Verfassung des bayerischen Ostlandes als eines Grenzgebietes der späten Karolingerzeit“ bietet.[3]

[§3] Anlass dieser Rechtssetzung war folgender: Bayerische Bischöfe, Äbte und Grafen, „die ihr Weg in östliche Gebiete führte“ (qui in orientales partes iter habebant) hatten sich beim ostfränkischen König Ludwig IV. („das Kind“, regn. 900-911), zu diesem Zeitpunkt etwa neun Jahre alt, darüber beschwert (clamor), dass sie durch unerlaubte Zoll- und Mautgebühren belästigt worden seien (se iniusto theloneo et iniqua muta constrictos in illis partibus et coartatos). Daraufhin erging der königliche Befehl an den Markgrafen der bayerischen Ostmark Aribo I. (regn. 871-909), gemeinsam mit Richtern aus den östlichen Gebieten (iudicibus orientalium) Nachforschungen zum geltenden, überlieferten Zollrecht anzustellen und dieses erneut zu definieren.

[§4] Eine Überprüfung dieser Untersuchung erfolgte von Seiten mehrerer weltlicher und geistlicher Großer aus dem engen Umfeld des Königs, nämlich Erzbischof Theotmar von Salzburg (sed. bis 907), Bischof Burkhart von Passau (sed. 903-915) und einem nicht weiter identifizierbaren Graf Otachar. Dabei wurden von insgesamt einundvierzig namentlich aufgeführten Amtsleuten in der Grafschaft Aribos an einem ordentlichen Gerichtstag (placitum) unter Eid Aussagen zur Zollpraxis dokumentiert und im hier vorliegenden Dokument zusammengestellt. Die Amtsmänner behaupteten dabei, die Zollstätten und Zollsätze aufzuführen, die zu Zeiten Ludwigs II. des Deutschen (regn. 817-865 als Unterkönig von Bayern, ca. 840 bzw. 843-876 als König des Ostfrankenreiches) und Karlmanns (regn. 876-880 als König von Bayern, Pannonien und Kärnten, 877-880 auch König von Italien) relevant waren (retulerunt loca thelonio et modum theolonei, qualiter temporibus Hludwici et Karlomanni ceterorumque regum iustissime exolvebatur).

Inhalt & Quellenkontext

[§5] Aus der lokalen Perspektive Raffelstettens und der regionalen Perspektive der dem Markgrafen Aribo I. unterstehenden bayerischen Ostmark gibt die Raffelstettener Zollordnung Einblick in verschiedene Aspekte des Donauhandels. Ist der Angabe Glauben zu schenken, dass hier Zollverhältnisse dokumentiert wurden, wie sie seit der Herrschaftsperiode Ludwigs II. des Deutschen herrschten, so erlaubt das Dokument Rückschlüsse auf die Periode zwischen den 840er Jahren und dem Beginn des 10. Jahrhunderts. Inwieweit das Dokument auch für die Zeit nach 906 Geltung beanspruchen kann, ist unklar. Es ist davon auszugehen, dass Razzien der Magyaren oder Ungarn, die sich um 895 im Karpatenbecken angesiedelt hatten, den Donauhandel signifikant störten, bevor ihrer Razzientätigkeit 933 in der Schlacht an der Riade, 955 in der Schlacht am Lechfeld und ab 973 durch ihre zunehmende Einbeziehung in die lateinische Christenheit ein Ende gesetzt wurde.[4]

[§6] Die Zollordnung macht deutlich, dass die ostbayrische Mark zwischen der Mitte des 9. und dem Anfang des 10. Jahrhunderts Treffpunkt für verschiedene Handelstreibende war. Nicht nur in Raffelstetten, sondern an verschiedenen, teils genannten Orten – an der Enns, an den Ufern der Donau, in Rodel, Ried, Ebersburg, in Mautern sowie auf dem „Markt der Mährer“ wurde dabei gehandelt und Zoll gezahlt. Der Handel lag weder ausschließlich in der Hand der lokalen oder regionalen Bevölkerung noch einer ethnischen oder religiösen Gruppe, sondern wies eine gewisse „Internationalität“ auf. Zu den Handelstreibenden zählten

  1. Schiffe aus dem Westen (naves … ab occidentalibus partibus),
  2. lokale (de ista patria), d.h. aus der Mark Aribos stammende Bayern (Bawari) und Slawen (Sclavi),
  3. ferner zugereiste Slawen (Sclavi) wie Böhmen (Boemani) und Rugier bzw. Rūs (Rugii),
  4. schließlich lokale (de ista patria) als auch aus anderen Gebieten (de aliis patriis) zugereiste Juden (Iudei) und undefinierte Berufskaufleute (mercatores).

[§7] Je nach geographischer, ethnischer oder beruflicher Zugehörigkeit galten für Händler unterschiedliche Regeln. Die lokalen bzw. regionalen Händler aus der ostbayrischen Mark wurden dabei privilegiert: Bayern oder Slawen „aus diesem Land“ (de ista patria) mussten generell keine Zollabgaben für ihre Einkäufe zahlen. Schiffe aus den westlichen Gegenden hatten dagegen je nach verzolltem Produkt Geld oder Salz, Slawen aus den Gebieten der Böhmen und Rūs/Rugier Geld oder Wachs abzutreten. Professionelle Kaufleute und Juden schuldeten schließlich einen nicht weiter definierten „rechtmäßigen Zoll“ (iustum theloneum).[5]

[§8] Aus diesen Regelungen geht hervor, dass Salz und Wachs in Raffelstetten begehrte Produkte waren. Dem Handel mit Salz kam dabei eine besondere Bedeutung zu: Die Zollordnung erwähnt Salzkarren (carre salinarie), Salzschiffe (navibus salinariis) und Salzscheffel (de sale scafil). Ansonsten werden als Handelsprodukte Lebensmittel, Pferde, Rinder, Geräte und v. a. Sklaven genannt.

[§9] Die in der Übersetzung durchweg als „Sklaven“ bezeichneten Waren tragen im lateinischen Text unterschiedliche Begriffe. Allgemein werden sie als mancipia bezeichnet, also als Menschen, die durch Schuldknechtschaft oder Gefangennahme unfrei geworden sind.[6] Daneben gibt es Begriffe für eine weibliche Magd, Dienerin oder Sklavin (ancilla) und einen männlichen Knecht, Diener oder Sklaven (servus), deren Unfreiheit v. a. daraus hervorgeht, dass sie eindeutig als Handelsware markiert sind, für die Abgaben gezahlt werden musste. Schließlich erwähnt die Zollordnung noch den für seinen Herrn handelnden Sklaven oder Diener (servus), für den sein Herr einstehen musste, falls er die erforderlichen Abgaben nicht gezahlt hatte.

[§10] Terminologiegeschichtlich muss betont werden, dass der mittellateinische Begriff sclavus, der in zahlreichen späteren Dokumenten für Unfreie verwendet wird[7], in der Raffelstettener Zollordnung eine rein ethnische Konnotation aufweist und lediglich „die Slawen“, z. B. aus Böhmen, bezeichnet. Der Slawenbegriff (sclavi) entspricht in diesem Dokument also nicht den verwendeten Begriffen für Unfreie (mancipia, servi, ancillae). Vielmehr sind die in der Zollordnung genannten Slawen (sclavi) oftmals als Käufer und Verkäufer unterwegs und verkaufen u. a. auch Sklaven (mancipia).

Kontextualisierung, Analyse & Interpretation

[§11] Die deutsche und die österreichische Forschung haben die Raffelstettener Zollordnung vor allem lokal- und regionalgeschichtlich verortet.[8] Dabei wird sie u. a. als ein Versuch der Neuordnung des Donauhandels betrachtet, nachdem der bayrische Handel mit dem Osten durch den Kriegszug gegen das Mährische Reich um 900 geschädigt worden war.[9] In großflächiger angelegten Studien zur europäischen Wirtschaftsgeschichte oder zum frühmittelalterlichen Sklavenhandel gilt das Dokument als Glied in einer längeren Evidenzkette. Mit deren Hilfe will man nachweisen, dass aus slawischen Siedlungsgebieten in Mittel- und Osteuropa Menschen als Ware nach Byzanz und in die muslimisch beherrschte Welt exportiert wurden. Die folgenden Abschnitte beschreiben zunächst skizzenhaft das dokumentarische Umfeld der Raffelstettener Zollordnung, d.h. Quellenhinweise auf die Gewinnung und den Export von Sklaven aus slawischen Siedlungsgebieten, auf Zwischenstationen des Sklavenhandels im christlichen Europa, schließlich auf den Verkauf und die Integration solcher Sklaven auf der Iberischen Halbinsel, in Nordafrika und in Westasien. Hierauf folgt ein Überblick über verschiedene Forschungsthesen zu den Modalitäten des frühmittelalterlichen Sklavenhandels mit Menschen aus slawisch besiedelten Gebieten. Abschließend wird die Raffelstettener Zollordnung in diese Forschungsdiskussion eingeordnet.

[§12] Menschen aus slawischen Gebieten wurden im Frühmittelalter anscheinend in so großer Zahl über die lateinisch-christliche in die muslimisch und byzantinisch beherrschte Sphäre exportiert, dass das Ethnonym in seinen lateinischen (sclavus, sclavenus, Pl. sclavi, sclaveni), griechischen (Σκλάβος, Σκλαβηνός, Pl. Σκλάβοι, Σκλαβηνοί) und arabischen (ṣaqlabi, Pl. ṣaqāliba) Varianten zu einem mittelalterlichen Neologismus für Unfreie wurde.[10]

[§13] Mehrere Schriftquellen aus dem 9. und 10. Jahrhundert suggerieren, dass Menschen als unfreie Ware aus slawisch besiedelten Gebieten geraubt oder exportiert wurden. Sie zeigen zum einen, dass vor der Stabilisierung Böhmens und Polens im 10. Jahrhundert während mehrerer ostfränkischer Razzien im Osten menschliche Beute gemacht und ins Frankenreich mitgenommen wurde. Die ostfränkischen Annales Fuldenses (Berichtszeit bis 901) berichten etwa für das Jahr 869, dass Karlmann, der Sohn des ostfränkischen Königs Ludwigs II. „des Deutschen“ in einem Rachefeldzug gegen die Böhmen „nicht wenig Leute von da fortführte, wie er selber in Briefen an seinen Vater berichtet hat.“[11] Der sächsische Chronist Widukind von Corvey (gest. nach 973) wiederum erzählt, dass der Liudolfinger Heinrich I. (regn. 919-936) bei einem Feldzug nach Osten eine Stadt nordöstlich von Meißen angegriffen habe, wo „alle Erwachsenen niedergemacht und die Knaben und Mädchen für die Gefangenschaft aufbewahrt“ wurden.[12]

[§14] Die von Heinrich I. danach anvisierte Stadt Prag wird in dem – beim arabisch-islamischen Geographen al-Bakrī (gest. 456/1094) dokumentierten – Reisebericht des andalusischen Juden Ibrāhīm b. Yaʿqūb al-Isrāʾīlī al-Ṭarṭūšī als Umschlagplatz des Sklavenhandels beschrieben. Dem Reisebericht zufolge wurden Sklaven allerdings nicht nach Westen bzw. Süden, also in Richtung des etwa 250 Kilometer entfernt gelegenen Raffelstetten, sondern nach Osten exportiert. Prag, so der Reisebericht, sei

„der größte Handelsplatz jener Länder, wohin aus der Stadt Krakau Rūs und Slawen (al-Ṣaqāliba) mit ihren Waren kommen und wohin aus den Ländern der Türken und des Islam Juden und Türken mit Waren und gangbaren Münzen kommen. Sie führen von dort Sklaven (al-raqīq), Zinn und Felle aus."[13]

[§15] Dass Sklaven aus slawischen Siedlungsgebieten sowohl nach Osten als auch nach Westen exportiert wurden, bestätigt auch der arabisch-islamische Geograph Ibn Ḥawqal (gest. nach 378/988). Die Slawen, so Ibn Ḥawqal, stammten dabei aus einem riesigen Gebiet, das im Osten von Chorasan (Ḫurāsān), im Westen von den Gebieten Galiciens (Ǧillīqiyya), des Frankenreiches (Ifranǧa), der Langobarden (Ankaburda) und Kalabriens (Qulūriyya) begrenzt sei. Von beiden Seiten würden regelmäßig Razzien in das slawische Gebiet ausgeführt. Im Osten liefen diese über die Gebiete der Bulgaren (min nāḥiyat al-Bulġār), von Westen aus würden aber häufiger und mehr Gefangene gemacht.[14]

[§16] Archäologisch lassen sich für den südslawischen Siedlungsraum und insbesondere den Donauraum des 10. Jahrhunderts Hals-, Fuß- und Handgelenkfesseln aus Eisen nachweisen, die lange Zeit als Tierfesseln gedeutet wurden. Da sie aber teilweise Schlösser aufweisen, die für Tiere nicht notwendig sind, können sie in einen Zusammenhang mit dem Sklavenhandel gebracht werden. Für die mittel- und nordslawischen Siedlungsräume, etwa im slawisch-sächsischen Grenzgebiet und im Ostseeraum, lassen sich entsprechende Fesseln allerdings erst später, frühestens ab dem 11. Jahrhundert nachweisen.[15] In diesem Raum sind allerdings bis nach Skandinavien große Hordenfunde arabisch-islamischer und auch persisch-islamischer Münzen gefunden worden.[16] In seinem Reisebericht behauptet der oben erwähnte Ibrāhīm b. Yaʿqūb al-Isrāʾīlī al-Ṭarṭūšī sogar, in Mainz auf eine samanidische Münze aus dem transoxanisch-chorasanischen Raum gestoßen zu sein.[17] Diese Münzfunde lassen sich zwar nicht eindeutig dem Sklavenhandel zuweisen, suggerieren aber, dass im Austausch für bestimmte Exportwaren viel Edelmetall in die entsprechenden Fundgebiete geflossen war.[18]

[§17] Neben dem schon oben erwähnten Prag spielte v. a. das etwa 500 Kilometer von Raffelstetten entfernte Venedig nachweisbar eine enorm wichtige Rolle als Umschlagplatz für den Sklavenhandel im südosteuropäischen Raum. Dem Liber Pontificalis zufolge versuchten Venezianer schon während der Amtszeit des Papstes Zacharias (sed. 741-752) männliche und weibliche Sklaven von Rom aus „nach Africa zu dem Volk der Heiden zu führen (in Africam ad paganam gentem nitebantur deducere).“[19] Der byzantinische Kaiser Leo V. verbot zwischen 814 und 820 gemeinsam mit dem venezianischen Dogen den Handel mit Muslimen.[20] Im so genannten Pactum Veneticum von 840 erhielt der Karolinger Lothar I. (regn. 822-855 als König von Italien) von den Venezianern unter dem Dogen Petrus Tradonicus (regn. ca. 835-864)[21] das Versprechen, dass Letztere wissentlich keine freien oder unfreien karolingischen Untertanen christlichen Glaubens in die Sklaverei verkaufen würden, so dass sie in die Gewalt von Heiden (potestate paganorum) fielen. Ferner versprachen sie, entlaufene Sklaven (servi aut ancille) zurückzugeben und das Einfangen solcher Sklaven mit Geld zu belohnen, ihr Verstecken oder gar Fluchthilfe mit einer Geldstrafe zu belegen.[22] Der Chronik des Andrea Dandolo (gest. 1354) zufolge gingen Doge, Klerus und Volk Venedigs im Jahre 876 mit harten Strafen gegen venezianische Händler vor, die von Räubern und Piraten Sklaven (mancipia) aufkauften und verschifften.[23] Als unsicher eingestuft gilt ein venezianisches Dekret, dass den Venezianern im Juni 945 den Handel mit Sklaven verbot.[24] Im Juni 960 wurde unter dem Dogen Petrus Candianus IV. ein weiteres Decretum Venetorum verabschiedet, das den Kauf, Verkauf sowie den Transport von Sklaven für andere Händler, darunter Griechen und Juden, verbot.[25] Diese Maßnahmen zur Einschränkung des Sklavenhandels können allerdings nicht darüber hinwegtäuschen, dass Venedig im gesamten 10. Jahrhundert intensive Wirtschaftsbeziehungen nach Byzanz und in das muslimische Nordafrika pflegte.[26] Byzanz wird seine slawischen Sklaven allerdings nicht notwendigerweise über Venedig, sondern auch direkt auf dem Balkan erworben haben.[27]

[§18] Sklaven aus Europa wurden nicht nur über Prag und Venedig, sondern auch über das Frankenreich ausgeführt. Der arabisch-islamische Geograph Ibn Ḫurdāḏbah (gest. ca. 300/911) berichtet im Zusammenhang mit den so genannten radhanitischen Juden (al-Yahūd al-Rāḏāniyya), dass sie u. a. weibliche und männliche Sklaven (al-ḫadam wa-l-ǧawārī wa-l-ġulmān) aus dem Frankenreich im Westmeer (min Firanǧa fī l-baḥr al-ġarbī) nach Osten brächten.[28] Liutprand von Cremona (gest. vor 972) berichtet bezüglich seiner im Jahre 949 im Auftrag König Berengars II. von Ivrea (regn. 950-966) durchgeführten Gesandtschaft nach Konstantinopel, dass er dem Kaiser Konstantin VII. (regn. 913-959, ab 945 als Alleinherrscher) u. a. vier „carzimasische“ Sklaven (mancipia IIIIor carzimasia) als Gastgeschenk übergeben habe, von denen Henning aufgrund ihrer Bezeichnung vermutet, dass sie ursprünglich aus dem zentralasiatischen Choresmien (Ḫwārazm) stammten.[29] „Carzimasier“, so Liutprand,

„aber nennen die Griechen jungfräuliche Eunuchen, deren männliche Geschlechtsteile amputiert worden sind. Diese pflegen die Kaufleute von Verdun aufgrund des unermesslichen Gewinns herzustellen (facere) und nach Spanien (in Hispaniam) auszuführen.“[30]

[§19] Die im Westfrankenreich gelegene Stadt Verdun wird u. a. auch in der Vita Iohannis abbatis Gorziensis als Stadt erwähnt, die besondere Beziehungen in das umayyadische Spanien pflegte. Als Otto I. in Reaktion auf eine Gesandtschaft ʿAbd al-Raḥmāns III. im Jahre 953 den Mönch Johannes nach Córdoba entsandte, diente ihm “ein Mann aus Verdun, der sich in Spanien auskannte” als Führer, dessen Name dann als Ermenhard angegeben wird.[31] Auch wenn sich dies nicht verifizieren lässt, hat die Forschung wiederholt behauptet, es habe sich bei diesem Ermenhard um einen Sklavenhändler gehandelt.[32]

[§20] Dass aus dem Nordosten slawische Sklaven und insbesondere slawische Eunuchen nach al-Andalus gebracht wurden, bestätigt auch Ibn Ḥawqal: Alle verfügbaren slawischen Eunuchen (ǧamīʿ man ʿalā waǧh al-arḍ min al-Ṣaqāliba al-ḫiṣyān) kämen über al-Andalus. Dies hänge damit zusammen, dass al-Andalus in der Nähe der slawischen Gebiete liege. Anders als Liutprand von Cremona behauptet er allerdings, dass Kastration und Handel mit diesen Eunuchen in den Händen jüdischer Händler (tuǧǧār al-Yahūd) lägen.[33]

[§21] In das muslimische al-Andalus wurden unter umayyadischer Herrschaft im 9. und 10. Jahrhundert als Ṣaqāliba bezeichnete Unfreie in großer Zahl importiert und in unterschiedliche gesellschaftliche Sektoren integriert.[34] Mehrere Tausend Ṣaqāliba sollen als Militärsklaven oder sonstige Bedienstete im Umfeld des Umayyadenhofes tätig gewesen sein.[35] Dies beweisen andalusische Notariatsformulare, u. a. zum Verkauf von Sklavinnen und Sklaven, in denen galicische, fränkische und auch slawische Sklaven erwähnt werden.[36] Letztere stiegen teilweise in hohe Positionen auf, wie u. a. aus dem Werk eines „Slawen“ (ṣaqlabī) namens Ḥabīb hervorgeht, das im 10. Jahrhundert entstand und den Titel „Die Verteidigung und der Kampf gegen diejenigen, die die Vorzüge der Slaven leugnen“ (al-Istiẓhār wa-l-maġāliba ʿalā man ankara faḍāʾil al-Ṣaqāliba) trägt.[37] Nach dem Zerfall des Umayyadenreiches übernahmen Ṣaqāliba die (Teil-)Herrschaft über einige Kleinfürstentümer, die so genannten taifas (Arab. ṭāʾifa).[38]

[§22] Von der Iberischen Halbinsel, so Ibn Ḥawqal, würden fränkische und galicische Gefangene (sabī Ifranǧa wa-ǧalīqiyya), slawische Diener (wa-l-ḫadam al-Ṣaqāliba) sowie slawische Eunuchen (al-Ṣaqāliba al-ḫiṣyān) in andere Teile der muslimisch beherrschten Welt exportiert.[39] Bis zum Ende des 10. Jahrhunderts spielten sie für die Fatimiden in Nordafrika nachweisbar eine wichtige Rolle.[40]

[§23] Obwohl die Beweislast erdrückend erscheint, dass aus slawischen Siedlungsgebieten Sklaven nach Byzanz und in die muslimischen Herrschaftsgebiete auf der Iberischen Halbinsel, in Nordafrika und im Nahen Osten ausgeführt wurden, kann die Raffelstettener Zollordnung nicht direkt als Beweisdokument für einen florierenden internationalen Handel mit slawischen Sklaven in den Mittelmeerraum gelten. Schwierigkeiten bereitet v. a. die Tatsache, dass sich kaum Verbindungen zwischen den oben angeführten Quellen und der Zollordnung ziehen lassen: Es lassen sich keine sicheren Itinerare gefangener oder gekaufter Sklaven nach Raffelstetten bzw. von Raffelstetten über Venedig in das fatimidische Nordafrika oder von Raffelstetten über Verdun ins umayyadische al-Andalus und weiter nach Nordafrika nachzeichnen. Selbst wenn die arabischen Quellen explizit von „Slawen“ (Ṣaqāliba) sprechen, ist nicht sicher, ob sie slawischsprachige Menschen mittel- und osteuropäischer Herkunft und nicht lediglich Sklaven aus Europa, in al-Andalus vielleicht sogar eine soziale Gruppe aufgestiegener Freigelassener meinen. Aufgrund dieser und anderer Unsicherheiten herrscht in der Forschung Dissens bezüglich der Dimensionen und der daraus resultierenden makrohistorischen Bedeutung dieses Sklavenhandels, ferner hinsichtlich der Herkunft von Sklaven und Sklavenhändlern.

[§24] Vor allem Charles Verlinden und Michael McCormick haben dem Handel mit Sklaven im europäischen Frühmittelalter eine enorme wirtschaftliche Bedeutung zugesprochen.[41] Ihre Ausführungen stehen im Zusammenhang mit der so genannten Pirenne-These, der zufolge die arabisch-islamische Expansion das karolingisch geprägte Europa weitestgehend vom Mittelmeer abgeschnitten und damit dessen wirtschaftliche Autarkie befördert habe.[42] Aufbauend auf den Thesen Maurice Lombards behauptete McCormick, dass gerade der Sklavenhandel die ab den 750er Jahren wieder anfahrende europäische Wirtschaft befeuert habe. Lombard zufolge war im Zuge der arabisch-islamischen Expansion aufgrund von Plünderungen und Tributzahlungen im südlichen Mittelmeerraum eine neue, kaufkräftige urbane muslimische Oberschicht mit großem Bedarf an Luxusartikeln und unfreien Arbeitskräften entstanden.[43] Verlinden und McCormick zufolge haben nun das karolingische, später ottonische Europa durch den Verkauf von Holz und Waffen sowie den systematischen Export seiner menschlichen Ressourcen aus den noch nicht christianisierten Gebieten Mittel- und Osteuropas sowohl orientalische Luxusgüter wie Seide, Gewürze und Elfenbein erworben, als auch Gold und Silber verdient.[44]

[§25] Joachim Henning hat diese These eines aus dem Handel mit osteuropäischen Sklaven resultierenden karolingischen Handelsbilanzüberschusses angezweifelt. Er bestreitet nicht, dass Sklaven aus Mittel- und Osteuropa nach al-Andalus und in den Mittelmeerraum exportiert wurden, fragt sich aber, inwieweit die westeuropäische Wirtschaft hiervon profitierte. Zum einen weist er darauf hin, dass ein großer Teil der in die muslimische Welt importierten europäischen Sklaven bei muslimischen Razzien gefangen genommen, somit weder gehandelt wurden noch europäisch-christlichen Akteuren Profit einbrachten.[45] Ferner hält er es weder für wahrscheinlich noch archäologisch nachweisbar, dass slawische Sklaven v. a. bei karolingischen oder ottonischen Razzien in den Osten erbeutet wurden. Der Sklavenbegriff leite sich schließlich nicht von einem nordslawischen Ethnonym ab, das in den lateinischen Bezeichnungen für „Wenden“ (Venedi, Vinidi) Niederschlag fand, sondern von einem südslawischen Ethnonym (vgl. Russ. Slavyane, Ukr. Slov’yani̊ , Poln. Słowianie, Tschech. Slováne, Bulg. Slavyani). Es erscheint ihm unvorstellbar und schriftlich nicht belegbar, dass karolingische und sächsische Grundherren ihre wichtigste Ressource, nämlich ihre eigene bäuerliche Bevölkerung, in den Süden verkauften, um so an Edelmetalle und Luxusgüter zu kommen.[46] Auch seien in Mittelost- und Nordosteuropa bis ins 11. bis 13. Jahrhundert nicht im selben Maße Gefangenenfesseln archäologisch nachweisbar wie im südslawischen Raum.[47] Henning hält den süd- und ostslawischen Raum für die wichtigsten Rekrutierungsregionen und Byzanz für die entscheidende Drehscheibe des Handels mit slawischen Sklaven, der v. a. über östliche Wege lief.[48] Konsequenterweise sieht Henning den Sklavenhandel mit Menschen aus slawischen Siedlungsgebieten als einen, aber nicht den entscheidenden Faktor für den Auftrieb der frühmittelalterlichen westeuropäischen Wirtschaft.

[§26] Auch wenn Hennings Zweifel zunächst berechtigt erscheinen, so helfen sie nicht zu erklären, warum eine arabisch-islamische Quelle wie Ibn Ḥawqal im 10. Jahrhundert den slawischen Raum als Razzienziel für choresmische Akteure im Osten sowie west- und südeuropäische Akteure im Westen beschreibt, dabei das Schwergewicht auf Letztere legt und das slawische Gebiet als Hauptexportgebiet für Eunuchen und für riesige Mengen an Sklaven nach Westen beschreibt – eine Beobachtung, die durch die zahlreichen Erwähnungen und die eigenständige soziale Stellung der so genannten Ṣaqāliba in al-Andalus bestätigt scheint. In größerer Übereinstimmung mit Ibn Ḥawqals Beobachtung und auch der anderen hier angeführten Quellen steht Jankowiaks Vorschlag, der in Mittelosteuropa zwei sich kreuzende Handelssysteme identifiziert, die sich in der zweiten Hälfte des 10. Jahrhunderts zu vermischen begannen. Zum einen sei dies der östliche von Skandinaviern betriebene Handel via die Rūs und Wolgabulgaren nach Transoxanien und das Sāmānidenreich, der auch für die großen Silberfunde von arabisch-islamischen Münzen im Ostseeraum und Skandinavien für diese Zeit verantwortlich zeichne.[49] Zum anderen gebe es den westlichen Handel, in dem Prag der Dreh- und Angelpunkt eines von Böhmen und Rūs mitbestimmten Sklavenhandels sei. Hier habe man im Rahmen von Razzien, aber auch durch Geschäfte mit skandinavischen Sklavenhändlern die Sklavinnen und Sklaven akquiriert, die dann über das Frankenreich nach al-Andalus und Nordafrika oder aber über Venedig in die muslimisch beherrschten Gebiete exportiert worden seien.[50]

[§27] In welchem Verhältnis diese beiden Exportrouten nach Westen und Süden zueinander standen, hängt dabei davon ab, welche Rolle man Venedig und Byzanz für den Sklavenhandel in die muslimisch beherrschte Sphäre zuweist, gerade angesichts der für das 9. und 10. Jahrhundert dokumentierten Exportverbote für Sklaven aus der Lagunenstadt. Yuval Rotman hat z. B. angesichts des umständlichen Exportweges slawischer Sklaven über al-Andalus nach Nordafrika vermutet, dass Sklavenhändler zunächst byzantinische Zölle vermeiden wollten. Als dann aber Orte wie Raffelstetten zum Vorteil karolingisch-bayerischer Eliten ebenfalls Zölle eingeführt hätten, habe man den Weg über den Westen weiter gepflegt, weil byzantinische Häfen, darunter Venedig, zunehmend versucht hätten, den Sklavenexport in muslimisch beherrschte Gebiete zu blockieren.[51] Andere Forscher sehen dagegen eine geringere Interdependenz zwischen beiden Routen. Jankowiak betrachtet sie als Ausflüsse zweier komplementärer Handelssysteme. McCormick zufolge nimmt Venedig trotz aller Exportverbote eine Schlüsselrolle im Sklavenhandel in muslimisch beherrschte Gebiete ein, während Henning Venedig v. a. als eine Art Zulieferer für Byzanz, die „Drehscheibe“ des ost- und südosteuropäischen Handels mit slawischen Sklaven betrachtet.[52]

[§28] Abschließend sei kurz auf eine v. a. von Michael Toch verarbeitete These hingewiesen, derzufolge der Fern- und insbesondere der Sklavenhandel im europäischen Frühmittelalter von Juden dominiert worden sei. Anders als Toch behauptet, sieht die Forschung im frühmittelalterlichen europäischen Sklavenhandel kein spezifisch „jüdisches Phänomen“, auch wenn einige Forscher die Rolle jüdischer Sklavenhändler gelegentlich vielleicht zu stark betont haben.[53] Die vielzitierten Aussagen der arabisch-islamischen Geographen Ibn Ḫurdāḏbah und Ibn Ḥawqal mögen zwar die Rolle von Juden beim Handel mit Sklaven nach al-Andalus und vom westlichen in den östlichen Mittelmeerraum hervorheben. Sowohl die Raffelstettener Zollordnung als auch die anderen oben aufgeführten Quellen machen deutlich, dass an diesem Sklavenhandel neben Juden auch Christen, Muslime und Nichtmonotheisten, außerdem neben Arabern, Berbern, Byzantinern, Venezianern und Franken auch Slawen selbst beteiligt waren.[54] In Bezug auf die Zollordnung wäre es viel interessanter zu wissen, ob die in der zu Anfang des Dokuments aufgeführten Liste der beteiligten Amtsmänner genannten Personen Ysaac und Salaman aufgrund ihrer Namen als Juden identifiziert werden können: Dies würde bedeuten, dass Juden nicht nur als mercatores, sondern auch an den Handel betreffenden Rechtsentscheidungen in der bayrischen Ostmark beteiligt gewesen wären. Wenn Religion im Rahmen des transregionalen Handels mit slawischen Sklaven eine Rolle spielte, dann insofern, als die von Juden und Christen exportierten Mittel- und Osteuropäer wohl großenteils Nichtmonotheisten waren, sich hier also monotheistische Gruppen noch nicht konvertierter Gruppierungen als Handelsware bedienten. Die zunehmende Christianisierung Mittel- und Osteuropas ab dem 9. und 10. Jahrhundert bedingte damit auch, dass sich die Rekrutierungsgebiete für Sklaven immer weiter nach Osten und Nordosten in noch nicht christianisierte Gebiete verschoben[55], v. a. aber der massive Export und Import von Ṣaqāliba etwa im 11. Jahrhundert endete: Der Silberfluss nach Osteuropa versiegte um diese Zeit. Als importierte soziale Gruppe spielen die Ṣaqāliba in arabisch-islamischen Quellen noch im 11. Jahrhundert eine Rolle, aber nicht mehr im 12. und 13. Jahrhundert.[56]

[§29] Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass die Raffelstettener Zollordnung in einen weiteren Kontext des Sklavenhandels mit Menschen aus slawischen Siedlungsgebieten eingeordnet werden kann. Etwa 250 Kilometer von Prag und etwa 500 Kilometer von Venedig entfernt, lag der Ort zwischen zwei großen Zentren des Sklavenhandels, die nach Osten, Westen und Süden lieferten.[57] Dass von Raffelstetten aus slawische Sklaven nach al-Andalus, über die Iberische Halbinsel oder Venedig nach Nordafrika geliefert wurden, lässt sich zwar nicht sicher nachweisen. Angesichts des nachweisbaren massiven Exports als „slawisch“ charakterisierter Menschen in diese Gebiete ist allerdings davon auszugehen, dass Raffelstetten als einer der wenigen dokumentierten Orte des Sklavenhandels im slawischem Siedlungsgebiet in diesem Handelsnetzwerk eine gewisse Rolle zukam. An diesem Handel waren mehrere ethnisch klassifizierte Gruppen, darunter Bayern und als Rugier und Böhmen definierte Slawen, ferner verschiedene Religionsgruppen, darunter Juden, Christen und Nichtmonotheisten, in den Exportgebieten auch Muslime beteiligt. Welche slawischen Gruppen Opfer dieses Handels wurden, lässt sich zwar nicht genau eruieren. Das hier gelieferte Quellenmaterial suggeriert, dass Gruppen in den ostfränkischen Razziengebieten sowie aus dem östlichen und nordöstlichen Hinterland der hier beteiligten Rugier und Böhmen stärker betroffen waren als slawische Siedlungsgebiete im Ostsee- oder südlichen Balkanraum.

[§30] Trotz der ab 895 stattfindenden Angriffe der sich im Karpatenbecken ansiedelnden Ungarn suggeriert das Weistum von 903-906 das Fortbestehen eines florierenden Handels, wobei unklar ist, inwiefern Ereignisse wie die ostfränkisch-bayrische Niederlage gegen die Ungarn bei Pressburg 907 diesen Handel beeinflussten: Thesen, denen zufolge der Handel verunsichert wurde[58], ließe sich entgegenstellen, dass mit der ungarischen Zerstörung des Mährerreiches und ihrem Vorrücken an die Enns auch vermehrt Gefangene gemacht wurden, die wiederum zum Verkauf gestanden hätten.[59]

[§31] Angesichts der zahlreichen Quellenerwähnungen von slawischen Sklaven in Quellen unterschiedlicher Sprache und regionaler Herkunft hatte dieser Handel, der im Vergleich zu anderen Manifestationen des antiken, mittelalterlichen und neuzeitlichen Sklavenhandels bisher eher wenig Aufmerksamkeit erfahren hat, eine transmediterrane Bedeutung. Ob er als der entscheidende Antriebsfaktor für die poströmische europäische Wirtschaft in West und Ost angesehen werden kann, muss dabei genauso offen bleiben, wie die Frage, ob Raffelstetten als zufällig dokumentiertes, aber eher unbedeutendes oder als zentrales Scharnier eines transmediterranen Handels mit slawischen Sklaven zu gelten hat.[60]

Editionen & Übersetzungen

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Zitierte & weiterführende Literatur

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Zitierempfehlung

Daniel G. König, "903-906: Die Raffelstettener Zollordnung und der Export slawischer Sklaven in die islamische Sphäre", in: Transmediterrane Geschichte. Kommentierte Quellenanthologie, ed. Daniel G. König, Theresa Jäckh, Eric Böhme, URL: https://wiki.uni-konstanz.de/transmed-de/index.php/903-906:_Die_Raffelstettener_Zollordnung_und_der_Export_slawischer_Sklaven_in_die_islamische_Sphäre. Letzte Änderung: 24.10.2022, Zugriff: 28.03.2024.

Schlagworte

Byzanz, Embargo, Etymologie, Eunuchen, Fatimiden, Gefangenschaft, Handel, Händler, Juden, Kastration, Logistik, Menschenraub, Pirenne, Razzien, Salz, Ṣaqāliba, Sklaven, Sklaverei, Slawen, Transport, Unfreiheit, Venedig, Verkaufsverträge, Wirtschaft, Zoll.


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  6. Schanbacher, Mancipium; ferner http://ducange.enc.sorbonne.fr/MANCIPIA.
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  8. Dopsch, Raffelstettener Zollordnung, Sp. 357.
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  12. Widukindus monachus Corbeiensis, Rerum gestarum Saxonicarum libri tres, ed. P. Hirsch und H.-E. Lohmann, Die Sachsengeschichte des Widukind von Korvei (MGH SS rer. Germ., 60), Hannover: Hahn, 1935, S. 1-154, hier: lib. 1, cap. 35, S. 50: „Preda urbis militibus tradita, puberes omnes interfecti, pueri ac puellae captivati servatae.“
  13. Al-Bakrī, Kitāb al-masālik wa-l-mamālik, ed. van Leeuwen and Ferré, § 545–46, S. 332: „wa-hiya akṯar al-bilād matāǧir taʾtīhā min madīnat Krākū al-Rūs wa-l-Ṣaqāliba bi-l-matāǧir, wa-yaʾtīhim min bilād al-Atrāk wa-l-islām al-Yahūd wa-l-Turk bi-l-matāǧir ayḍan wa-l-maṯāqīl al-muraqqatiyya, wa-yaḥmalūna min ʿindihim al-raqīq wa-l-qazdīr wa-ḍurūb al-awbār.“ Übersetzung adaptiert von Georg Jacob, Arabische Berichte von Gesandten an germanische Fürstenhöfe im 9. und 10. Jahrhundert, Leipzig, Berlin: Walter de Gruyter, 1927, S. 12-13.
  14. Ibn Ḥawqal, Kitāb Ṣūrat al-arḍ, ed. Johannes H. Kramers, Leiden: Brill, 1938, S. 97, 110. Französische Übersetzung: Ibn Hauqal, Configuration de la terre, übers. Johannes H. Kramers, Gaston Wiet, Paris: Maisonneuve et Larose, 1964, Bd. 1, S. 109.
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  17. Al-Qazwīnī, Kitāb Aṯār al-bilād, ed. Ferdinand Wüstenfeld, Göttingen: Dieterichsche Buchhandlung, 1848, S. 409. Übersetzung: Georg Jacob, Arabische Berichte von Gesandten an germanische Fürstenhöfe im 9. und 10. Jahrhundert, Leipzig, Berlin: Walter de Gruyter, 1927, S. 31.
  18. Bálint, Einige Fragen, S. 105-131.
  19. Liber Pontificalis, lib. XCIII, cap. 222,XXII (Zacharias papa) (741-52), ed. L. Duchesne, Bd. 1, S. 433: „Porro eodem in tempore contigit plures Veneticorum hand Romanam advenisse in urbem negotiatores; et mercimonii nundinas propagantes, multitudinem mancipiorum, virilis scilicet et femini generis, emere visi sunt; quos et in Africam ad paganam gentem nitebantur deducere. Quo cognito, isdem sanctissimus pater fieri prohibuit, hoc iudicans quod iustum non esset ut Christi abluti baptismo paganis gentibus deservirent; datoque eisdem Veneticis pretio quod in eorum emptione se dedisse probati sunt, cunctos a iugo servitutis redemit atque more liberorum degendos absolvit.“ Übersetzung Paulus Diakonus und die übrigen Geschichtsschreiber der Langobarden, übers. von Otto Abel (Geschichtsschreiber der deutschen Vorzeit, 15), Leipzig 1939, S. 162.
  20. Leo V. Armenius Graecorum Imperator et Dux Venetorum subditis suis commercium Saracenorum interdicunt A.D. 814-820, ed. Gottlieb Tafel und Georg Thomas (Fontes rerum Austriacarum: Diplomataria et Acta, XII,1), Wien: Kaiserlich-Königliche Hof- und Staatsdruckerei, 1856, doc. III, S. 4.
  21. Pozza, Tradonico.
  22. Pactum Hlotharii I. (a 840), ed. Alfred Boretius, Victor Krause (MGH Leges: Capitularia Regum Francorum 2), Hannover: Hahn, 1897, Nr. 233, S. 130-135, hier: cap. 3: S. 131: “Similiter repromittimus vobis, ut homines christianos de potestate vel regno dominationis vestre scientes non emamus nec venundamus nec pro quolibet ingenio transponamus, ut captivitatem paciantur aut eos suus dominus perdat; sed neque aliquem christianum alicubi qualibet occasione transponabus ad hoc, ut propterea in potestate paganorum deveniat.”; ibid., cap. 10, S. 132: „Si servi aut ancille infra hoc spatium inter partes confugerint, cum omnibus rebus, quas detulerint secum, reddantur, et iudex, qui ipsos fugitivos reddiderit, pro unoquoque singulos auri solidos recipiat, sic tamen ut, si amplius requiritur, per sacramentum ydoneum dominis illorum satisfactum fiat. Si vero iudex ipsos fugitivos susceperit et eos reddere negaverit et exinde aliud confugium fecerint, pro unoquoque fugitivo auri solidi septuaginta duo componantur.“ Vgl. McCormick, Origins, S. 730, 764.
  23. Decretum Venetorum de abrogando mancipiorum commercie A.D. 876, ed. Gottlieb Tafel und Georg Thomas (Fontes rerum Austriacarum: Diplomataria et Acta, XII,1), Wien: Kaiserlich-Königliche Hof- und Staatsdruckerei, 1856, doc. VII, S. 5: „Quo tempore (Duce Urso Participacio I) mercatores Veneti lucri cupidi a piratis et latrunculis mancipia comparabant, et transfretantes de eis commercium faciebant. Cui manifesto facinori Duces obviare dispositi una cum clero et populo Venetiarum pie decreverunt, ne quis de mancipiis commercium faciat, vel in navibus recipia[n]t, imponentes graves poenas contrafacientibus.“ McCormick, Origins, S. 765.
  24. Decretum Venetorum de abrogando mancipiorum commercio A.D. 945. Jun., ed. Gottlieb Tafel und Georg Thomas (Fontes rerum Austriacarum: Diplomataria et Acta, XII,1), Wien: Kaiserlich-Königliche Hof- und Staatsdruckerei, 1856, doc. XII, S. 16-17.
  25. Decretum Veneotrum de abrogando mancipiorum commercie. A. D. 960, ed. Gottlieb Tafel und Georg Thomas (Fontes rerum Austriacarum: Diplomataria et Acta, XII,1), Wien: Kaiserlich-Königliche Hof- und Staatsdruckerei, 1856, doc. XIII, S. 17-25. McCormick, Origins, S. 768.
  26. 971: Das Decretum Venetorum de abrogando Saracenorum commercie untersagt den Venezianern Handel mit Muslimen.
  27. Rotman, Byzantine Slavery, S. 46: „Byzantium continually enslaved Slavs and Bulgars even after they had converted to Christianity. In fact, the political enslavement of the Balkans went hand in hand with their conversion.“; ibid., S. 59: „The Balkan region, and especially its Slavic and Bulgar populations, constituted the most important source of slaves for Byzantium.“
  28. Ibn Ḫurdāḏbah, Kitāb al-Masālik wa-l-mamālik, ed. Michael de Goeje, Leiden: Brill, 1896, S. 153.
  29. Henning, Gefangenenfesseln, S. 417.
  30. Liutprandus, Antapodosis, ed. Joseph Becker (MGH SS rerum Germanicarum in usum scholarum, 41), Hannover, Leipzig: Hahn, 1915, lib. VI, cap. 6, S. 155-156: „Carzimasium autem Greci vocant amputatis virilibus et virga puerum eunuchum; quod Verdunenses mercatores ob inmensum lucrum facere et in Hispaniam ducere solent.“ Übersetzung adaptiert von: Aus Liutprand’s Werken, übers. Karl v. d. Osten-Sacken, neu bearb. von W. Wattenbach (Geschichtsschreiber der deutschen Vorzeit, 29), 5. Aufl., Leipzig: Dyk, 1940, lib. VI, cap. 6, S. 97.
  31. Iohannes sancti Arnulfi, Vita Iohannis abbatis Gorziensis, ed. Peter Christian Jacobsen (MGH SS in rer. Germ. in us. schol. 81), § 116-117, S. 420-422: „ad hoc et quo Virdunensis quidam, gnarus partium Hispanarum, qui eos iussus erat deducere (…). Imperator (…) mandata cum litteris seu muneribus imperatoris ei committit, predictumque Virdunensem, cui nomen erat Ermenhardo, socium ob locorum regionumque notitiam facit (…).
  32. Borst, Lebensformen, S. 829; Walther, Der gescheiterte Dialog, S. 31; dazu kritisch: Jacobsen, Die Geschichte, S. 44 FN 92, 422-423 FN 629, mit weiterer Literatur.
  33. Ibn Ḥawqal, Kitāb Ṣūrat al-arḍ, ed. Johannes H. Kramers, Leiden: Brill, 1938, S. 97, 110. Französische Übersetzung: Ibn Hauqal, Configuration de la terre, übers. Johannes H. Kramers, Gaston Wiet, Paris: Maisonneuve et Larose, 1964, Bd. 1, S. 109.
  34. Meouak, Ṣaqāliba, liefert die umfassendste Studie.
  35. Golden et al., al-Ṣaḳāliba, S. 872.
  36. Ibn al-ʿAṭṭār, Kitāb al-Waṯāʾiq wa-l-siǧillāt, ed. Pedro Chalmeta, Federico Corriente, Madrid: Academia Matritense del Notariado, Instituto Hispano-Árabe de Cultura, 1983, S. 238, 254, 259, 265, 296, 420.
  37. Monroe, The Shuʿūbiyya, S. 8.
  38. Siehe die Tabelle in Clément, Origines ethno-culturelles, S. 201-202, mit Hinweis auf einen Anteil der Ṣaqāliba in der Herrschaft über Badajoz, Denia, Almería, Tortosa und Valencia. Nicht ganz sicher ist allerdings, ob es sich hier wirklich um ursprünglich aus Mittel-Osteuropa stammende Menschen handelt, oder lediglich um ehemalige Unfreie unterschiedlicher Herkunft, die mit dem Begriff Ṣaqāliba bezeichnet wurden.
  39. Ibn Ḥawqal, Kitāb Ṣūrat al-arḍ, ed. Johannes H. Kramers, Leiden: Brill, 1938, S. 97, 110. Französische Übersetzung: Ibn Hauqal, Configuration de la terre, übers. Johannes H. Kramers, Gaston Wiet, Paris: Maisonneuve et Larose, 1964, Bd. 1, S. 109. Vgl. Gaiser, Slaves and Silver, S. 63-67.
  40. Hrbek, Slawen im Dienste der Fatimiden, S. 543-581; Jiwa, From Slaves to Supporters, S. 103-125.
  41. Verlinden, Ist mittelalterliche Sklaverei, S. 153-173.
  42. Pirenne, Mahomet et Charlemagne, S. 215; Pirenne, Mohammed and Charlemagne, S. 284-285; Pirenne, Mohammed und Karl der Große, S. 204-205; Verlinden, McCormick, Origins of the European Economy.
  43. Lombard, Les bases monétaires, S. 143-160.
  44. Verlinden, Wo, wann und warum, S. 7-9, 15; McCormick, New Light; McCormick, Origins, S. 776.
  45. Henning, Slavery or Freedom, S. 272.
  46. Henning, Gefangenenfesseln, S. 410, 414, 418; Henning, Slavery or Freedom, S. 273.
  47. Henning, Gefangenenfesseln, S. 404, 416 (mit Karte).
  48. Henning, Gefangenenfesseln, S. 414-418.
  49. Noonan, Fluctuations, S. 237-259; Noonan, When and How, S. 401-469.
  50. Jankowiak, Two Systems of Trade, S. 137-148; Jankowiak, What Does the Slave Trade, S. 169-172.
  51. Rotman, Byzantine Slavery, S. 74, spricht von „routes that circumvented the Byzantine Empire“. Siehe S. 63-65 für eine Auflistung verschiedener Quellenhinweise auf den Export, aber auch die Exportverhinderung von slawischen Sklaven. Dagegen: Henning, Gefangenenfesseln, S. 418, sieht „einen großen Sklavenhandelsstrom besonders aus dem ostslawischen Gebiet über Byzanz ins arabische Kalifat belegt (…).“
  52. Jankowiak, Two Systems of Trade, S. S. 137-148; McCormick, Origins, S. 545; Henning, Slavery or Freedom, S. 271.
  53. Toch, Jews and Commerce, S. 43-58; Toch, Was There a Jewish Slave Trade, S. 421-444; Ott, Europas Sklavinnen, S. 38-42.
  54. Ott, Europas Slavinnen, S. 43-48; Betti, Making of Christian Moravia, S. 146, zählt zu den slawischen Händlern auch mährische Eliten.
  55. Henning, Slavery or Freedom, S. 276, spricht von einer „slight eastward dislocation“.
  56. Ott, Europas Sklavinnen, S. 33, 48-51. Zwei Untersuchungen zum Sklavenhandel im Ägypten des 11. und 12. Jahrhunderts erwähnen keine Ṣaqāliba: Richards, Fragments, S. 89-97; Goitein, Slaves, S. 1-20. Der Import islamischer dirhams nach Osteuropa endet im frühen 11. Jahrhundert: Noonan, Fluctuations, S. 252; Leimus, Die letzte Welle, S. 111-125.
  57. Siehe McCormick, Origins, S. 555-556, 604, 647, 673, zur geographischen Einbindung Raffelstettens in (trans)regionale Handelsrouten.
  58. Rohr, Zur Genese, S. 148-149; Mayrhofer, Rechtsquellen, S. 22; Havlík, „Hé megalé Morabia“, S. 81.
  59. Stephenson, Byzantium’s Balkan Frontier, S. 43, verweist auf magyarische Verkäufe von slawischen Sklaven an die Byzantiner, wie sie bei Ibn Rustah, al-Aʿlāq al-nafīsa, ed. Michael de Goeje, Leiden: Brill, 1892, S. 142-143, erwähnt werden. Vgl. Henning, Gefangenenfesseln, S. 416.
  60. Vgl. Phillips Slavery.