971: Das Decretum Venetorum de abrogando Saracenorum commercie untersagt den Venezianern Handel mit Muslimen: Unterschied zwischen den Versionen

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[§25] Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass die venezianische Handelspolitik im 10. Jahrhundert in einem geopolitischen Spannungsfeld zu verorten ist, das von drei Großmächten bestimmt wurde – dem Ottonenreich im Westen, dem Byzantinischen Reich im Osten und dem Fatimidenreich im Süden. Alle drei sahen in Venedig einen wichtigen wirtschaftlichen Partner. Diesem war es durch seine Handelstätigkeiten gelungen, alle drei politischen Einflusssphären profitabel miteinander zu verbinden und dabei gleichzeitig seine politische Autonomie gegenüber dem Ottonenreich und Byzanz zu wahren. In dieser vergleichsweise komfortablen Situation sah sich Venedig nun mit dem militärischen Wiederaufstieg von Byzanz konfrontiert. Durch die von Byzanz erzwungenen Exportverbote von 960 und 971 wurde Venedig außenpolitisch wieder in ein stärkeres Abhängigkeitsverhältnis zu Byzanz gebracht. Seine Handelsinteressen wurden dabei den strategischen Erfordernissen der byzantinischen Offensive gegen die Fatimiden untergeordnet. Die 346/958 und 354/965 verlorenen Seeschlachten um Sizilien hatten den byzantinischen Kaisern die Schlagkraft der fatimidischen Flotte vor Augen geführt. Die Exportverbote von 960 und 971, die zunächst den Sklaven-, dann den Holz- und Waffenhandel Venedigs betrafen, verfolgten das Ziel, die Ausstattung der fatimidischen Flotte mit Personal und Material zu erschweren und auf diese Weise die byzantinische Vormachtstellung im östlichen Mittelmeerraum auszubauen. Allerdings bleibt zu fragen, inwieweit das Dekret tatsächlich wirksam war, hätte seine strenge Umsetzung schließlich große wirtschaftliche Einbußen für Venedig mit sich gebracht. Das 971 erlassene Embargo gegen die Fatimiden mag zeitweise Versorgungsengpässe und damit eine Schwächung der fatimidischen Wehrfähigkeit zur See bewirkt haben. Klar ist jedoch, dass die Fatimiden noch Ende des 10. Jahrhunderts über eine Flotte verfügten und bis ins 11. Jahrhundert, spätestens bis zur normannischen Eroberung Siziliens und dem ersten Kreuzzug, sowohl in Sizilien als auch in Palästina und Syrien hegemonialen Einfluss ausübten.<ref name="ftn41">Bramoullé, La Sicile dans la Méditerranée fatimide, S. 25-36; Bramoullé, La Sicile fatimide, S. 269-279; Bianquis, ''Damas et la Syrie'', S. 35-214.</ref> Auch der Handel mit den ''Saraceni'' war nicht tot: Petrus II. Orseolo (regn. 991-1008), der schon oben als geschickter Förderer venezianischer Handelsinteressen gegenüber dem Ottonenreich und Byzanz dargestellt wurde, baute in seiner Amtszeit auch die Beziehungen zu zahlreichen muslimischen Höfen in der Levante aus und legte damit einen weiteren Grundstein für den wirtschaftlichen und politischen Aufstieg Venedigs.<ref name="ftn42">Heyd, ''Geschichte des Levantehandels'', Bd. 1, S. 126-127.</ref>|6=Decretum Venetorum de abrogando Saracenorum commercie, A.D. 971, m. Julio, ed. Gottlieb Tafel und Georg Thomas (Hrsg.): ''Urkunden zur älteren Handels- und Staatsgeschichte der Republik Venedig'' (Fontes rerum Austriacarum: Diplomataria et Acta, XII,1), Wien: Kaiserlich-Königliche Hof- und Staatsdruckerei, 1856, S. 25-31.|7=Berger, Albrecht: Konstantinopel als Zentrum von Wirtschaft und Handel, in: Beate Böhlendorf-Arslan, Robert Schick (Hrsg.), ''Transformations of City and Countryside in the Byzantine Period,'' Heidelberg, Propylaeum, 2021, S. 85-92, DOI: https://doi.org/10.11588/propylaeum.810.  
[§25] Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass die venezianische Handelspolitik im 10. Jahrhundert in einem geopolitischen Spannungsfeld zu verorten ist, das von drei Großmächten bestimmt wurde – dem Ottonenreich im Westen, dem Byzantinischen Reich im Osten und dem Fatimidenreich im Süden. Alle drei sahen in Venedig einen wichtigen wirtschaftlichen Partner. Diesem war es durch seine Handelstätigkeiten gelungen, alle drei politischen Einflusssphären profitabel miteinander zu verbinden und dabei gleichzeitig seine politische Autonomie gegenüber dem Ottonenreich und Byzanz zu wahren. In dieser vergleichsweise komfortablen Situation sah sich Venedig nun mit dem militärischen Wiederaufstieg von Byzanz konfrontiert. Durch die von Byzanz erzwungenen Exportverbote von 960 und 971 wurde Venedig außenpolitisch wieder in ein stärkeres Abhängigkeitsverhältnis zu Byzanz gebracht. Seine Handelsinteressen wurden dabei den strategischen Erfordernissen der byzantinischen Offensive gegen die Fatimiden untergeordnet. Die 346/958 und 354/965 verlorenen Seeschlachten um Sizilien hatten den byzantinischen Kaisern die Schlagkraft der fatimidischen Flotte vor Augen geführt. Die Exportverbote von 960 und 971, die zunächst den Sklaven-, dann den Holz- und Waffenhandel Venedigs betrafen, verfolgten das Ziel, die Ausstattung der fatimidischen Flotte mit Personal und Material zu erschweren und auf diese Weise die byzantinische Vormachtstellung im östlichen Mittelmeerraum auszubauen. Allerdings bleibt zu fragen, inwieweit das Dekret tatsächlich wirksam war, hätte seine strenge Umsetzung schließlich große wirtschaftliche Einbußen für Venedig mit sich gebracht. Das 971 erlassene Embargo gegen die Fatimiden mag zeitweise Versorgungsengpässe und damit eine Schwächung der fatimidischen Wehrfähigkeit zur See bewirkt haben. Klar ist jedoch, dass die Fatimiden noch Ende des 10. Jahrhunderts über eine Flotte verfügten und bis ins 11. Jahrhundert, spätestens bis zur normannischen Eroberung Siziliens und dem ersten Kreuzzug, sowohl in Sizilien als auch in Palästina und Syrien hegemonialen Einfluss ausübten.<ref name="ftn41">Bramoullé, La Sicile dans la Méditerranée fatimide, S. 25-36; Bramoullé, La Sicile fatimide, S. 269-279; Bianquis, ''Damas et la Syrie'', S. 35-214.</ref> Auch der Handel mit den ''Saraceni'' war nicht tot: Petrus II. Orseolo (regn. 991-1008), der schon oben als geschickter Förderer venezianischer Handelsinteressen gegenüber dem Ottonenreich und Byzanz dargestellt wurde, baute in seiner Amtszeit auch die Beziehungen zu zahlreichen muslimischen Höfen in der Levante aus und legte damit einen weiteren Grundstein für den wirtschaftlichen und politischen Aufstieg Venedigs.<ref name="ftn42">Heyd, ''Geschichte des Levantehandels'', Bd. 1, S. 126-127.</ref>|6=Decretum Venetorum de abrogando Saracenorum commercie, A.D. 971, m. Julio, ed. Gottlieb Tafel und Georg Thomas (Hrsg.): ''Urkunden zur älteren Handels- und Staatsgeschichte der Republik Venedig'' (Fontes rerum Austriacarum: Diplomataria et Acta, XII,1), Wien: Kaiserlich-Königliche Hof- und Staatsdruckerei, 1856, S. 25-31.|7=Berger, Albrecht: Konstantinopel als Zentrum von Wirtschaft und Handel, in: Beate Böhlendorf-Arslan, Robert Schick (Hrsg.), ''Transformations of City and Countryside in the Byzantine Period,'' Heidelberg, Propylaeum, 2021, S. 85-92, DOI: https://doi.org/10.11588/propylaeum.810.  


Berto, Luigi Andrea: Under the “Romans” or under the Franks? Venice between two empires, in: ''Haskins Society Journal'', 28 (2017), S. 1-14, DOI: https://doi.org/10.1017/9781787441446.002.  
Berto, Luigi Andrea: Under the “Romans” or under the Franks? Venice between two empires, in: ''Haskins Society Journal'' 28 (2017), S. 1-14, DOI: https://doi.org/10.1017/9781787441446.002.  


Bertolini, Margherita Giuliana: Candiano, Pietro, in: ''Dizionario Biografico degli italiani'' 17 (1974), Treccani Online, URL: https://www.treccani.it/enciclopedia/pietro-candiano_res-a59d6e42-87e9-11dc-8e9d-0016357eee51_(Dizionario-Biografico) (Zugriff 10.05.2021).
Bertolini, Margherita Giuliana: Candiano, Pietro, in: ''Dizionario Biografico degli italiani'' 17 (1974), Treccani Online, URL: https://www.treccani.it/enciclopedia/pietro-candiano_res-a59d6e42-87e9-11dc-8e9d-0016357eee51_(Dizionario-Biografico) (Zugriff 10.05.2021).
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